Urteil des FG Münster vom 14.01.2003

FG Münster (Kapitalvermögen, Gesellschaft mit Beschränkter Haftung, Einkünfte, Time Sharing, Tatsächliche Sachherrschaft, Dingliches Recht, Eigentümer, Kapitalgesellschaft, Stimmrecht, Inhaber)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 7 K 2638/00 E
14.01.2003
Finanzgericht Münster
7. Senat
Urteil
7 K 2638/00 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht
erstattungsfähig.
G r ü n d e :
Streitig ist, ob die auf Grund eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs an einem
Geschäftsanteil einer GmbH gezahlten Ausschüttungen dem Nießbrauchsbesteller oder
dem Nießbraucher als Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind.
Der verheiratete, 1921 geborene Kläger (Kl.), der getrennt zur Einkommensteuer (ESt)
veranlagt wird, ist Gesellschafter der K******** N**** Gesellschaft mit beschränkter Haftung
in H********* (GmbH). Zweck der Gesellschaft ist der Erwerb und die Verwaltung von
Beteiligungen an anderen Unternehmen. Das Stammkapital der GmbH betrug im Jahr 1993
insgesamt 540.000 DM. Es ist unterteilt in Geschäftsanteile über 500 DM, 19.300 DM,
410.700 DM und einen Geschäftsanteil über 50.000 DM. Lediglich der Geschäftsanteil von
500 DM, über den der Kl. allein noch verfügt, ist mit Stimmrechten verbunden (§ 7 des
Gesellschaftsvertrags in den Fassungen vom 28. Juni 1991 und vom 16. September 1993,
Blatt 53 ff und 61 ff. FG-Akte). Nach § 10 (1) des Vertrages vom 28. Juni 1991 beschließt
die Gesellschafterversammlung über die Gewinnverwendung mit einfacher Mehrheit.
Gewinne sind nur dann und insoweit auszuschütten, als nach Bildung von erforderlichen
Rücklagen die Liquidität und wirtschaftliche Lage der Gesellschaft selbst und der
Beteiligungsgesellschaft C************AG dies erlauben. Dem gegenüber haben nach der
späteren Fassung die Gesellschafter Anspruch auf den Jahresüberschuss zzgl. eines
Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags. Die Gesellschaft darf jedoch jährlich
maximal 20 % der ihr von der AG und der S******** N**** *************************GmbH
zufließenden Bardividenden in eine Rücklage einstellen, bis eine Liquiditätsreserve
gebildet worden ist, die so hoch ist, wie die in den letzten drei Jahren zugeflossenen
Bardividenden. Am Liquidationserlös sind nach § 10 Abs. 2 beider Fassungen alle
Geschäftsanteile im Verhältnis zu einander beteiligt, der Geschäftsanteil über 500 DM
jedoch nur mit einem Betrag, der höchstens das 10-fache seines Nominalwertes erreicht.
Als weitere wesentliche Änderung wurde die in § 9 der alten Fassung vorgesehene
Verpflichtung der GmbH, nach dem Tode des Kl. den Anteil über 19.300 DM auf Verlangen
des Inhabers nach bestimmten Bewertungskriterien zu erwerben, ersatzlos gestrichen.
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Hinsichtlich der Übertragung der Geschäfte ist in beiden Fassungen des
Gesellschaftsvertrages vorgesehen, dass dieses - bis auf den 500 DM-Anteil - nur mit
vorheriger Einwilligung des Kl. oder nach dessen Ableben, der
C********************************gesellschaft mbH, erfolgen kann (§ 8 Abs. 1). Wegen weiterer
Einzelheiten wird auf die Gesellschaftsverträge Bezug genommen.
Mit notariellem Vertrag vom 12.02.1993 bestellte der Kl. seiner 1941 geborenen Ehefrau
F********* N**** an dem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 19.300 DM den
lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch und zwar mit Wirkung zum 15. Februar 1993.
Nach § 3 des notariellen Vertrages ist die Nießbraucherin berechtigt, sämtliche Nutzungen
aus dem Vertragsgegenstand zu ziehen. Ihr stehen sämtliche mit dem Geschäftsanteil
verbundenen Gesellschafterrechte, insbesondere das Gewinnbezugsrecht zu. Der Kl.
verpflichtet sich, alles zu unterlassen, was den Nießbrauch an dem Geschäftsanteil
beeinträchtigen oder vereiteln könnte. Er trägt sämtliche, den vorgenannten Geschäftsanteil
betreffenden Lasten und Steuern.
In § 5 des Vertrages war vorgesehen, dass der Notar die Bestellung des Nießbrauchs an
dem Geschäftsanteil nach § 16 GmbHG bei der Gesellschaft anzeigt. Dies ist geschehen.
Auf den Geschäftsanteil von 19.300 DM entfielen in den Streitjahren 1993 (ab dem 15.
Februar 1993) bis 1997 folgende Ausschüttungen und anrechenbare Steuern:
Jahr Einnahmen
brutto
anrechenbare
KSt
anrechenbare
KapESt
anrechenbarer
Solidaritätszuschlag
1993 206.786
62.036
36.187
1994 930.536
279.161
162.844
1995 2.224.523
673.777
393.037
29.478
1996 3.321.208
996.362
581.212
43.592
1997 2.944.399
883.320
515.270
38.645
Für die Jahre 1993 - 1996 folgte das bis zum 31. August 2002 örtlich zuständige Finanzamt
X*********** (FA) den Erklärungen des Kl. und dessen Ehefrau und berücksichtigte diese
Beträge bei der ESt der Ehefrau. Die Veranlagungen erfolgten jeweils unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Später änderte das FA die
Rechtsauffassung hinsichtlich der Zurechnung der streitigen Einkünfte und rechnete mit
geänderten ESt-Bescheiden vom 21. Dezember bzw. 22. Dezember 1998 die
Ausschüttungen und die darauf entfallenden anrechenbaren Steuern dem Kl. zu.
Hinsichtlich des Jahres 1997 wurden die Ausschüttungen bereits im Erstbescheid vom 1.
April 1999 dem Kl. zugerechnet.
Der Kl. vertritt die Auffassung, die Ausschüttungen auf den Geschäftsanteil von 19.300 DM
seien seiner Ehefrau bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen.
Das FA führte in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 19. April 2000 aus:
Einkünfte aus Kapitalvermögen seien Gewinnanteile aus Anteilen an Gesellschaften mit
beschränkter Haftung. Einkünfte aus Kapitalvermögen in diesem Sinne erziele nach § 20
Abs. 2 a EStG der Anteilseigner. Dieses sei derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an
dem Kapitalvermögen im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 - 3 im Zeitpunkt des
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Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen seien. Nur in diesem Fall gelte der
Nießbraucher als Anteilseigner. Nach § 39 AO seien Wirtschaftsgüter im Regelfall dem
Eigentümer, d. h. dem Stammrechtsinhaber zuzurechnen. Etwas anderes gelte nur, wenn
ein anderer den Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf
das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen könne. Es reiche nicht aus, dass die
tatsächliche Sachherrschaft zwar auf unbestimmte Zeit, aber nicht bis zum Ende der
gewöhnlichen Nutzungsdauer bei einem anderen als dem Eigentümer liege. Ein
Geschäftsanteil an einer GmbH habe nach seiner regelmäßigen Bestimmung eine
unbegrenzte Nutzungsdauer und erschöpfe sich nicht in der Dauer eines Menschenlebens.
Nach dem Ableben des Nießbrauchers könne der Inhaber bzw. dessen Erbe wieder frei
verfügen und das abgespaltene Nutzungsrecht selbst ausüben oder anderweitig vergeben.
Die Ehefrau des Kl. gelte deshalb nicht als Anteilseignerin nach § 20 Abs. 2 a EStG.
Entsprechend gehe die Finanzverwaltung laut BMF-Schreiben vom 23. November 1983
(BStBl. I 1983, 508) in Tz. 57 davon aus, dass beim Zuwendungsnießbrauch an
Kapitalvermögen die Einnahmen dem Nießbrauchsbesteller zuzurechnen sind, auch wenn
sie dem Nießbraucher zufließen. Auch der Anspruch auf Anrechnung der
Körperschaftsteuer (KSt) stehe dem Nießbrauchsbesteller zu, der diesen
Anrechnungsbetrag daher zu versteuern habe. Da im Streitfall ein Nießbrauch an einem
stimmrechtslosen Geschäftsanteil bestellt worden sei, werde praktisch als einziges
wesentliches Recht das Gewinnbezugsrecht übertragen.
Zwar habe der BFH bisher die streitige Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden.
Allerdings sei dem zum Nießbrauch am Gewinnstammrecht eines Anteils an einer
Personengesellschaft ergangenem BFH-Urteil vom 13. Mai 1976 IV R 83/75, BFHE 119,
63, BStBl. II 1976, 592 zu entnehmen, dass es sich dabei um die Vorausabtretung der
künftigen Gewinnansprüche handele, die Einkunftsquelle jedoch beim Nießbrauchbesteller
verbleibe und deshalb bei diesem auch die Besteuerung zu erfolgen habe.
Soweit sich der Kl. auf das BFH-Urteil vom 16. Dezember 1992 I R 32/92 (BFHE 170, 354,
BStBl II 1993, 399) berufe, sei dieses Urteil, das zum Time-Sharing von Ferienwohnungen
ergangen sei, nicht einschlägig. Über die Nießbrauchsproblematik habe der BFH in diesem
Urteil nicht entschieden.
Aus dem BFH-Urteil vom 22. August 1990 I R 69/89, BFHE 162, 263, BStBl II 1991, 38
ergebe sich weiterhin, dass es darauf ankomme, wer das Kapital überlassen habe. Auch
bei einer zivilrechtlich wirksamen Nießbrauchsbestellung gehe nur die laufende
Verwaltungsbefugnis auf den Nießbraucher über. Die Nießbrauchsbestellung berühre nicht
die Stellung des stillen Gesellschafters, der die Vermögenseinlage bewirke und das Kapital
zur Nutzung überlasse.
Das BFH-Urteil vom 9. März 1982 VIII R 160/81, BStBl. II 1982, 540 sei nicht anwendbar,
weil es sich auf einen Fall der Gesamtsrechts- bzw. Einzelrechtsnachfolge beziehe. Diese
Grundsätze könnten nicht auf den Nießbrauch übertragen werden.
Außerdem sei im Nießbrauchsbestellungsvertrag zur internen Steuer-Lastenverteilung
geregelt, dass der Kl. sämtliche den vorgenannten Geschäftsanteil betreffenden Steuern zu
tragen habe. Darunter könnten neben der Vermögensteuer auch die ESt fallen.
Das FA hat die Ehefrau des Kl. zum Einspruchsverfahren hinzugezogen und die EE am 29.
Januar 2001 bekannt gegeben.
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Mit der dagegen erhobenen Klage trägt der Kl. vor:
Entgegen der Auffassung des FA sei keine Vorausabtretung künftiger Dividenden
vereinbart worden, vielmehr sei ein eigenes dingliches Recht der Nießbraucherin an dem
Geschäftsanteil in Anlehnung an die gesetzlichen Vorschriften zur Übertragung von
Geschäftsanteilen begründet worden. Dieses hindere den Kl. dauerhaft daran, seinen
Geschäftsanteil wirtschaftlich in der gleichen Weise wie vorher zu nutzen. Daher habe das
für die Schenkungssteuer zuständige FA E******* für die Übertragung der
Gesellschafterrechte somit auch der Einkunftsquelle Schenkungsteuer in Höhe von 1,4
Mio. DM festgesetzt.
Der Kl. habe seiner Ehefrau sämtliche mit dem Geschäftsanteil an der GmbH verbundenen
Gesellschafterrechte für die Dauer ihres Lebens übertragen. Gegenüber der GmbH trete auf
Grund der Anmeldung gemäß § 16 GmbHG nicht mehr der Kl., sondern die Ehefrau als
Berechtigte auf.
Die für die Begründung des Nießbrauchs gemäß § 1069 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB) i. V. m. § 15 Abs. 3 und Abs. 5 GmbHG zu wahrende Form sei eingehalten worden.
Auf Grund des dinglichen Rechts habe die Ehefrau einen unmittelbaren eigenen Anspruch
gegenüber der ausschüttenden Gesellschaft, die auf den Geschäftsanteil entfallenden
Jahresgewinne zu beziehen. Diese Dividenden würden unmittelbar an die Nießbraucherin
gezahlt. Die Einkommens- und Vermögenssphäre des Kl. werde nicht berührt.
Soweit sich das BMF-Schreiben in BStBl. I 1983, 508 in Tz. 57 auf das BFH-Urteil vom 14.
Dezember 1976 VIII R 146/73, BFHE 121, 53, BStBl. II 1976, 115 stütze, rechtfertige dies
nicht die Anwendung auf den Streitfall, da im Urteilsfall des BFH den Kindern des
Nießbrauchbestellers nur ein befristeter Nießbrauch am Gewinnstammrecht verschiedener
Wertpapiere bestellt gewesen war.
Die Einräumung des Nießbrauchs habe zu einer nachhaltigen Erhöhung der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Nießbraucherin geführt.
Soweit das FA darauf abstelle, ob und wer den Tatbestand einer Kapitalüberlassung
verwirklicht habe, sei dies unerheblich, denn der BFH habe in BFHE 170, 354 BStBl. II
1993, 399 entschieden, nicht alle Besteuerungstatbestände des § 20 Abs. 1 EStG setzten
eine entgeltliche Nutzungsüberlassung von Kapital auf Zeit voraus, dies gelte
insbesondere nicht für die Regeltatbestände des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Das Merkmal der
Kapitalüberlassung könne dem Gesetz nicht entnommen werden und sei deshalb auch bei
der Frage der Beurteilung der Einkünftezurechnung nach Nießbrauchsbestellung an einem
Geschäftsanteil nicht von entscheidender Bedeutung. Aus § 20 Abs. 2 a EStG, wonach
Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 grundsätzlich der Anteilseigner
erzielt, jedoch ein Nießbraucher als Anteilseigner gelte, wenn ihm die Einnahmen im Sinne
des Abs. 1 Nr. 1 zuzurechnen seien, folge, dass darauf abzustellen sei, wer eine auf
wirtschaftliche Vermögensmehrung gerichtete Tätigkeit entfalte.
Soweit in § 3 Abs. 3 des Vertrages vom 12. Februar 1993 davon die Rede sei, dass der Kl.
sämtliche den Geschäftsanteil betreffenden Lasten und Steuern trage, sei dies so zu
verstehen, dass er lediglich die Vermögensteuern als einzige den Geschäftsanteil als
solchen treffende Steuer habe übernehmen wollen. Entsprechend sei dieses auch
durchgeführt worden.
Der Kl. beantragt,
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die angefochtenen ESt-Bescheide 1993 - 1997 abzuändern und die ESt unter
Nichtberücksichtigung von Einnahmen aus Kapitalvermögen der streitigen
Gewinnausschüttungen der K******** N**** GmbH festzusetzen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in der EE.
Die ESt-Bescheide 1995 - 1997 sind während des Klageverfahrens jeweils am 17. Januar
2002 geändert worden und zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
Der Berichterstatter hat am 23. Mai 2002 einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf das
Protokoll wird Bezug genommen.
Der Senat hat auf Antrag des Bekl. die Ehefrau des Kl. durch Beschluss vom 9. Januar
2003 gemäß § 174 Abs. 5 AO zum Verfahren beigeladen.
Der Senat hat am 14. Januar 2003 mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Verlaufs und des
Ergebnisses wird auf das Protokoll vom selben Tage Bezug genommen.
Die Klage ist unbegründet.
Die auf den Geschäftsanteil von 19.300 DM entfallende Ausschüttung der GmbH sowie die
anrechenbare KSt sind in den Streitjahren 1993 bis 1997 bei dem Kl. als Einkünfte aus
Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 2. Halbsatz EStG gehören zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen u. a. auch Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge
aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie nach § 20 Abs. 1 Nr. 3
EStG die nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG anzurechnende KSt.
Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt
(§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG). Den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus
Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 EStG erfüllt nach ständiger Rechtsprechung des BFH,
wer Kapitalvermögen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegen Entgelt zur
Nutzung überlässt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 29. März 2001 IV R 71/99, BFH/NV 2001,
1251). Dies ist derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das in § 20 Abs. 1
Nrn. 1 - 7 EStG genannte Kapitalvermögen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen.
Soweit die Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft
erzielt werden, hat der BFH diese allgemeine Aussage allerdings dahin präzisiert, dass der
Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft dieser kein Kapital auf Zeit zur Nutzung überlässt,
sondern eine Bar- bzw. Sacheinlage zu leisten hat, mit der zivilrechtlich und wirtschaftlich
ein endgültiger Vermögensübergang in der Vermögenssubstanz vollzogen wird, mit dem
der Gesellschafter alle Rechte am übertragenen Vermögen verliert. Als Gegenleistung
erhält der Steuerpflichtige ein Mitgliedschaftsrecht an der Kapitalgesellschaft, das in der
Regel frei übertragbar ist und das Vermögensrecht mit umfasst, an Gewinnausschüttungen
und an der Verteilung des Liquidationsvermögens beteiligt zu werden (vgl. BFH in BFHE
170, 354, BStBl. II 1993, 399). Einkünfte aus Kapitalvermögen bezieht nicht nur derjenige,
der ursprünglich Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlassen hat, sondern
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auch ein Nachfolger in ein solches Rechtsverhältnis, soweit die Einnahmen aus
Kapitalvermögen nunmehr ihm gebühren (BFH-Urteil vom 30. April 1991 VIII R 38/87 -
BFHE 164, 357, BStBl. II 1991, 574).
2. Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Nießbrauch an
Kapitalvermögen, bei Beteiligung an einer GmbH mit steuerlicher Wirkung anerkannt
werden kann, ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht entschieden.
a) Nach Auffassung der Finanzverwaltung laut BMF-Schreiben in BStBl. I 1983, 508, Tz. 57
und in EStG-Kartei NRW § 20 Fach 3 Nr. 8 ist zwar der Vorbehaltsnießbrauch
grundsätzlich steuerlich anzuerkennen; beim hier streitigen unentgeltichen
Zuwendungsnießbrauch sind die Einnahmen und die anrechenbare Steuer jedoch
grundsätzlich dem Nießbrauchsbesteller zuzurechnen. Die Finanzverwaltung bezieht sich
zur Begründung auf das BFH-Urteil in BFHE 121, 53, BStBl. II 1977, 115. Danach ändert
ein unentgeltlicher Nießbrauch an Wertpapieren die Zurechnung der Wertpapiererträge als
Einkünfte des Wertpapierinhabers aus Kapitalvermögen nicht. Der BFH hat damit die in
BFHE 119, 63, BStBl. II 1976, 592 geäußerte Auffassung bekräftigt, wonach der
Nießbrauch am Gewinnstammrecht eines Anteils an einer Personengesellschaft seinem
zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt nach einer Vorausabtretung der künftigen
Gewinnansprüche so nahe kommt, dass er einkommensteuerrechtlich als eine solche
Vorausabtretung zu werten ist, durch die die steuerliche Leistungsfähigkeit nicht berührt
wird.
b) Die Auffassung der Finanzverwaltung und die oben dargestellte ältere BFH-
Rechtsprechung, auf die sich die Verwaltung stützt, werden allgemein als zu restriktiv
angesehen (vgl. Schön, StbJb. 1996/97, Seite 45, 76; Janssen/Nickel,
Unternehmensnießbrauch, 1998, Seite 87, Milatz/Sonneborn, Deutsches Steuerrecht -
DStR - 1999, 137, 141). Der BFH selbst hält es für noch nicht entschieden, ob die
Kapitalerträge beim Nießbrauch am GmbH-Anteil dem Nießbraucher
einkommensteuerrechtlich zugerechnet werden können (BFH in BFH/NV 2001, 1393).
c) Nach Auffassung des Senats sind die Erträge aus einer Kapitalanlage nur dann
steuerlich einem Dritten zuzurechnen, der nicht Inhaber der Forderung bzw. des
Geschäftsanteils ist, wenn diesem eine Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle
eingeräumt ist und die Position über das bloße Empfangen der Einkünfte hinaus geht. Nur
wer in die Lage versetzt wird, Marktchancen zu nutzen, das Vermögen zu verwalten, die
Modalitäten der Kapitalanlage zu verändern oder die Leistung durch Zurückziehung des
Kapitals zu verweigern, erzielt selbst Einkünfte aus Kapitalvermögen (BFH in BFH/NV
2001, 1251 unter Hinweis auf Wassermeyer in Steuer und Wirtschaft - StuW - 1979, 209,
Schmidt/Heinicke, EStG, § 20 Rz. 21, Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz. 43).
Dementsprechend stellen auch Janssen/Nickel a. a. O., S. 90 bei der Zurechnung von
Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften darauf ab, ob der Nießbraucher einen -
theoretischen - eigenen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nehmen
konnte, insbesondere ob ihm die Mitverwaltungsrechte übertragen worden sind oder ob er
auf diese kraft der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Nießbrauchsbesteller
entscheidenden Einfluss ausüben konnte. In diesem Fall stellen sich die dem
Nießbraucher zufließenden Erträge aus der Beteiligung als das Ergebnis der
wirtschaftlichen Beteiligung am Markt dar (vgl. Janssen/Nickel a. a. O., S. 90, 91, im
Ergebnis ebenso Milatz/Sonneborn DStR 1999, 137, 142). Der Senat schließt sich dem an.
Der Nießbrauch am Anteil an einer Kapitalgesellschaft kann nach Auffassung des Senats
nur eingeschränkt, bei Übergang der Mitverwaltungsrechte, steuerlich anerkannt werden,
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da nach §§ 1068 Abs. 2, 1030 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. §§ 99 Abs. 2, 100 2.
Alternative BGB der Besteller des Nießbrauchs nur ein dingliches Nutzungsrecht mit dem
Inhalt einräumt, alle Erträge, Früchte und Vorteile zu ziehen, die das Recht seiner
Bestimmung gemäß gewährt. Selbst wird der Nießbraucher nicht Gesellschafter (Urteil des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. November 1998 II ZR 213/97, DStR 1999, 246
betreffend den Nießbrauch am Anteil an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR -).
Entsprechend stehen grundsätzlich die Mitgliedschaftsrechte wie das Stimmrecht und der
Anteil an den stillen Reserven weiterhin dem Gesellschafter zu. Die Gesellschafterrechte
bleiben auch bestehen, soweit Kapitalerhöhungen nicht nur aus Gesellschaftsmitteln
durchgeführt werden (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbH-Gesetz, 17. Auflage, 2000, §
15 Rz. 52 f.). Entsprechend besteht auch keine Steuerpflicht des Nießbrauchers
hinsichtlich einer verdeckten Gewinnausschüttung (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1992
VIII R 207/85, BFHE 167, 90, BStBl. II 1992, 605), da sich das Recht des Nießbrauchers
auf den gemäß Gewinnverwendungsbeschluss auszuschüttenden Gewinnanteil
beschränkt, sofern der Nießbraucher nicht als wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile
anzusehen ist. Steht dem Nießbraucher mangels eindeutiger anderweitiger konkreter
Zuweisung weiterer Gesellschaftsrechte im Wesentlichen nur das Gewinnbezugsrecht zu
und bleibt ihm insbesondere das wichtige Recht zur Mitwirkung an der Erzielung von
Kapitalvermögen, das Stimmrecht, verwehrt, stellt sich der Nießbrauch am
Gesellschaftsanteil lediglich als Vorausabtretung der Kapitalerträge dar. In diesem Fall
gebühren dem Anteilseigner als Gesellschafter weiterhin die Einkünfte, auch wenn er vorab
durch die Bestellung des Nießbrauchs darüber verfügt hat. Eine Nachfolge im
Rechtsverhältnis zur Gesellschaft (BFH in BFHE 164, 357, BStBl. II 1991, 574) ist damit
nicht verbunden.
3 a) Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die streitigen Ausschüttungen in den Jahren
1993 - 1997 wie bisher dem Kl. zuzurechnen. Dieser ist weiterhin Inhaber des
Geschäftsanteils von 19.300 DM. Zwar kann auch der Kl. in Bezug auf diesen
Geschäftsanteil kein Stimmrecht ausüben, da dieses stimmrechtslos ist, andererseits gehen
auf die Beigeladene keine nennenswerte Mitwirkungsrechte über, die ihr eine noch so
schwache Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle einräumen. Zwar ist in § 3 des
Nießbrauchsbestellungsvertrages bestimmt, dass der Ehefrau sämtliche mit dem
Geschäftsanteil verbundenen Gesllschaftsrechte zustehen. Dabei bleibt aber offen, um
welche Rechte, ausgenommen das besonders erwähnte Gewinnbezugsrecht, es sich
dabei handeln soll, z. B. wie bei Kapitalerhöhungen zu verfahren ist. Die Einräumung des
Nießbrauchs erweist sich daher letztlich als Vorausabtretung der Ausschüttungen nach
dem Gewinnverwendungsbeschluss, auf den die Beigeladene keinen Einfluss hat. Dass
tatsächlich keinerlei Einflussmöglichkeit besteht, zeigt sich daran, dass der
Gesellschaftsvertrag im Jahr 1993 allein auf Grund des dem Kl. zustehenden GmbH-
Anteils, der mit einem Stimmrecht versehen ist, geändert werden konnte. Die Tatsache,
dass der GmbH die Nießbrauchsbestellung in entsprechender Anwendung von § 16
GmbHG mitgeteilt worden ist, reicht für die einkommensteuerrechtliche Zurechnung der
Ausschüttungen auf die Beigeladene nicht aus. § 16 GmbHG, dessen Anwendung auf die
Bestellung des Nießbrauchs streitig ist (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 16, Rz. 2), kann
dem Nießbraucher keine Gesellschaftsrechte vermitteln, da sich die Anmeldung der
Nießbrauchsbestellung bei der Gesellschaft nur auf diesen Tatbestand beziehen kann. Die
dadurch erzeugte rechtliche Wirkung beschränkt sich deshalb darauf, dass die Gesellschaft
nunmehr direkt an den Nießbraucher mit befreiender Wirkung zu leisten hat.
b) Eine Zurechnung des Anteils nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO und dem folgend die daraus
resultierenden Einkünfte auf die Beigeladene kommt nicht in Betracht. Danach ist das
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Wirtschaftsgut einem anderen als dem Eigentümer zuzurechnen, wenn dieser die
tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den
Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das
Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Davon kann im Streitfall nicht
ausgegangen werden. Das Nießbrauchsrecht ist auf Lebenszeit der Beigeladenen bestellt
und damit beschränkt. Während der vorgesehenen Dauer erschöpft sich der Wert des
Wirtschaftsguts nicht. Die langfristige Werthaltigkeit des GmbH-Anteils mit Ausschüttungen,
die den Nominalwert um ein vielfaches übersteigen, bleibt auch ungeachtet der
Nießbrauchsbelastung bestehen. Der Anteil behält einen erheblichen Wert für den
jeweiligen Eigentümer und dürfte wegen der Begrenzung auf die Lebenszeit der
Nießbraucherin auch mit dieser Belastung veräußerbar sein. Im Übrigen ist zu
berücksichtigen, dass dem Kl., wie bereits ausgeführt, die Teilnahme an
Kapitalerhöhungen, soweit diese nicht aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt werden,
verbleibt. Keine Bedeutung in diesem Zusammenhang hat die Heranziehung zur
Schenkungsteuer. Insoweit besteht keine Abhängigkeit der ertragsteuerlichen Beurteilung
von der schenkungssteuerlichen. Es bedarf daher keiner näheren Prüfung der Frage, ob
diese Festsetzung zutreffend ist.
c) Aus § 20 Abs. 2 a EStG in der Fassung des Standortsicherungsgesetzes (StOG), das
erstmals in den Fällen anzuwenden ist, in denen die Trennung zwischen Stammrecht und
Dividendenanspruch nach dem 31. Dezember 1993 erfolgt (§ 52 Abs. 20 Satz 3 EStG)
ergibt sich für den Streitfall nichts anderes, selbst wenn man - wie das FA - diese Vorschrift
für den mit Wirkung vom 15. Februar 1993 bestellten Nießbrauch für anwendbar hält.
Danach werden Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 - 3 vom
Anteilseigner erzielt. Das ist derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an dem
Kapitalvermögen im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind. Sind
die Einnahmen einem Nießbraucher zuzurechnen, gilt er als Anteilseigner. Diese
gesetzliche Regelung besagt jedoch nicht, dass dem Nießbraucher diese Einnahmen
zuzurechnen sind, sondern regelt nur die Rechtsfolgen, die sich ergeben, wenn dieses der
Fall ist (vgl. BFH in BFHE 162, 263, BStBl. II 1991, 38 für die insoweit vergleichbare
Vorschrift § 20 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 EStG). Dass kein wirtschaftliches Eigentum am
Gesellschaftsanteil besteht, ergibt sich aus den Ausführungen unter 3 a).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), die fehlende
Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen folgt aus § 135 Abs. 3
FGO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO zuzulassen.