Urteil des FG Münster vom 04.02.2004

FG Münster (Wiedereinsetzung in den Vorigen Stand, Rechtliches Gehör, Erheblicher Grund, Verfügung, Fax, Form, Verwaltungsakt, Klagegegenstand, Zivilprozessordnung, Inhaber)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 1 K 3527/02 E
04.02.2004
Finanzgericht Münster
1. Senat
Urteil
1 K 3527/02 E
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
Zu entscheiden ist, ob die Klage gemäß § 65 Abs. 1 i.V.m. § 79 b Finanzgerichtsordnung
(FGO) unzulässig ist.
Mit der am 01.07.2002 beim Finanzgericht Münster eingereichten Klage wendet sich der
Kläger (Kl.) gegen die Einkommensteuer (ESt)-Bescheide 1998 und 1999 vom 26.06.2001
sowie gegen die ESt-Änderungsbescheide 1998 und 1999 vom 25.07.2001 in Form der
Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28.05.2002.
Mit finanzgerichtlichem Schreiben vom 04.07.2002 wurde der Kläger aufgefordert, bis zum
09.08.2002 den angefochtenen Verwaltungsakt und die Entscheidung über den
außergerichtlichen Rechtsbehelf in Urschrift oder einer Abschrift davon zu übersenden,
sowie die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben.
Mit Schriftsatz vom 19.07.2002 stellte der Kl. in Aussicht, sämtliche für das Klageverfahren
aufgegebenen Erfordernisse bis zum 22.07.2002 zu erfüllen, insbesondere substantiierte
Ausführungen zu machen und Unterlagen einzureichen.
Mit Schreiben vom 14.08.2002 wurde der Kläger an die Erledigung der gerichtlichen
Verfügung vom 04.07.2002 erinnert. Ihm wurde eine Frist bis zum 30.08.2002 gesetzt.
Nachdem die Frist abgelaufen war, ist der Kl. mit gerichtlicher Verfügung vom 12.09.2002
gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO bis zum 04.11.2002 aufgefordert worden,
den angefochtenen Verwaltungsakt und den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu
bezeichnen sowie einen bestimmten Klageantrag zu stellen und die Klage zu begründen.
Auf die Folgen einer Fristversäumung wurde hingewiesen. Die gerichtliche Verfügung ist
am 18.09.2002 zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 03.11.2002 (Eingang am 04.11.2002 vor 24:00 Uhr im Nachtbriefkasten
des Finanzgerichts) teilte er mit, die als Anlage beigefügten Unterlagen dem Gericht hiermit
zu übergeben. Dem Schreiben lagen jedoch keine Unterlagen als Anlage bei.
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Erst dem am 05.11.2002 (Eingang vor 24:00 Uhr) eingegangenen Doppel fügte der Kl. die
gewünschten Unterlagen bei. Eine Klagebegründung bzw. ein bestimmter Klageantrag
lagen dem Gericht immer noch nicht vor.
Mit Schriftsatz vom 10.12.2002 (Eingang vor 24:00 Uhr) teilte der Kl. mit, dass er die als
Anlage beigefügten Unterlagen sowie eine vorläufige Begründung dem Gericht nun
unterbreite. Allerdings enthielt dieses Schreiben weder die angekündigten Anlagen noch
eine Begründung.
Mit Schreiben vom 02.01.2003 wurde der Kl. auf das Fehlen der Anlagen aufmerksam
gemacht. Darauf erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 09.02.2003 (Eingang 10.02.2003
vor 24:00 Uhr im Nachtbriefkasten des Finanzgerichts), dass in vorläufiger Erledigung der
Verfügung vom 12.09.2002 entsprechende Unterlagen im Hefter beigefügt seien, um unter
allen Umständen die Negativwirkung aus § 79 b FGO zu verhindern. Auch diesem
Schreiben waren allerdings keinerlei Unterlagen beigefügt. Mit Schreiben vom 14.02.2003
wurde der Kläger daraufhin vom Berichterstatter gebeten, telefonisch einen Termin zur
Übergabe der Unterlagen mit dem Gericht zu vereinbaren. Zu einem solchen Telefonat ist
es nicht gekommen, da der Kläger sich nicht bei Gericht meldete und seine Telefonnummer
nicht ermittelbar war.
Mit Ladung vom 17.04.2003 wurden daraufhin der Beklagte sowie der Kläger zum
06.06.2003 zur Erörterung des Sach- und Streitstandes vor dem Berichterstatter des 1.
Senats ins Finanzamt ... geladen. Der Kläger beantragte allerdings mit Schreiben vom
03.06.2003 die Aufhebung dieses Erörterungstermins.
Ein Klageantrag ist nicht gestellt worden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Sache ist am 04.02.2004 vor dem Senat verhandelt worden. Die mündliche
Verhandlung begann um 9.17 Uhr. Der Kläger ist nicht erschienen. Er hat dem Gericht ein
Telefax übersandt. Dieses ist bei Gericht um 9.10 Uhr eingegangen, dem Senat aber erst
um 10.20 Uhr vorgelegt worden. Zwischenzeitlich war das Urteil bereits verkündet. Mit
seinem Fax beantragte der Kläger eine Terminsverschiebung, da er am Vorabend gestürzt
sei und seine Brillengläser zersplittert seien. Er sei am Morgen des Verhandlungstages
beim Augenarzt. Entsprechende Bescheinigungen reiche er nach. Um 12.23 Uhr
übersandte der Kläger ein weiteres Fax, das auch sofort dem Senat vorgelegt wurde.
Dieses beinhaltet eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Augenarztes für die Zeit
vom 04.02.2004 bis 13.02.2004 wegen hochgradiger Sehschwäche und Brillenbruch der
einzigen Brille.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist unzulässig. Der Klagegegenstand ist nicht bekannt. Auch fehlt eine
Begründung dieser Klage.
Voraussetzung für eine Sachentscheidung ist, dass der Kläger substantiiert darlegt,
inwiefern die angefochtenen Verwaltungsakte rechtswidrig sind und er in seinen Rechten
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verletzt ist. Er muss den konkreten Sachverhalt vortragen, in dessen steuerrechtlicher
Würdigung er eine Rechtsverletzung sieht (BFH-Beschluss vom 26.11.1979 GrS 1/78,
BStBl. II 1980, 99). Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, kann der
Berichterstatter den Kl. für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen
(§§ 65,79 b FGO). Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser
Frist wird die Klage unzulässig.
Im Streitfall hat der Kläger trotz Setzung einer Ausschlussfrist zum 04.11.2002 weder die
Klage begründet noch einen bestimmten Klageantrag in dem oben dargestellten Sinne
gestellt hat. Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der
Fristversäumnis rechtfertigen könnten, sind weder dargelegt noch offenkundig.
Der Kläger hat die Bezeichnung des Klagegegenstandes auch nicht bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung am 4.2.2004 nachgeholt. Eine Klagebegründung wurde ebenfalls
nicht nachgereicht. Der Senat sieht sich deshalb schon nicht in der Lage das
Klagebegehren zu bezeichnen. Eine Sachentscheidung ist ihm nicht möglich.
Im vorliegenden Fall durfte das Gericht entscheiden, obwohl der Kläger nicht erschienen
war. Es musste diesen Termin nicht aufheben und verlegen, da ein erheblicher Grund i.S.d.
§ 227 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO nicht vorgelegen hat. Dem in Art. 103 Abs.
1 GG gewährleisteten Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs wurde in
ausreichender Form entsprochen. Dieser korrespondiert nämlich mit einem bestimmten
Maß an Prozessverantwortung der Beteiligten, die darin besteht, dass der Inhaber dieses
Anspruchs auch aktiv am Prozess mitwirkt (BFH-Beschluss vom 20. Juni 1974 IV B 55-
56/73, BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637). Das hat der Kläger im anhängigen Verfahren nicht
in hinreichendem Umfang getan. Er hatte, wie der im Tatbestand dargestellte Ablauf zeigt,
genügend Gelegenheit, sich vor Ergehen des Urteils zum Rechtsstreit zu äußern,
insbesondere die Klage zu begründen. Davon hat er keinen Gebrauch gemacht. Auf
diesem Hintergrund ist ihm im anhängigen Verfahren rechtliches Gehör nicht verweigert
worden, auch wenn er zur mündlichen Verhandlung nicht erscheinen konnte. Das Risiko,
die letzte Gelegenheit zu versäumen, sich Gehör zu verschaffen, hat er selbst zu tragen.
Außerdem wird die Mitwirkungspflicht des Klägers dann verletzt, wenn ein
Hinderungsgrund nicht rechtzeitig glaubhaft gemacht wird (BFH-Beschluss vom 21. Juli
2003 VII B 199/02, BFH/NV 2004, 199). Auch dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Zwar
hatte der Kläger noch rechtzeitig vor Beginn der mündlichen Verhandlung um 9.17 Uhr
einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt. Sein Antrag war aber nicht substantiiert genug
hinsichtlich des Verlegungsgrundes. So hatte der Kläger seine Behauptung, gestürzt zu
sein und einen Augenarzt aufsuchen zu müssen, nicht durch Beifügung geeigneter
Unterlagen nachgewiesen. Ein solcher Nachweis erreichte das Gericht erst nach der
Entscheidungsverkündung und damit zu spät. Das Gericht musste, auch im Hinblick auf
den beschriebenen bisherigen Verfahrensablauf mit wiederholten Ankündigungen von
Unterlagen und Sachvortrag, nicht davon ausgehen, dass die Behauptung des Klägers
richtig war.
Unabhängig von dieser Problematik hätte der Kläger auch noch mit diesem Fax den
Klagegegenstand nennen und die wiederholt angekündigten Unterlagen nebst
Klagebegründung einreichen können.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.