Urteil des FG Münster vom 25.08.2004

FG Münster (Unternehmen, Versorgung, Zusage, Bilanzstichtag, Zuwendung, Aktiven, Rechtsgrundsatz, Sicherstellung, Gleichbehandlung, Direktversicherung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 1 K 209/02 E
25.08.2004
Finanzgericht Münster
1. Senat
Urteil
1 K 209/02 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Beteiligten streiten darüber, ob Beiträge an eine Versorgungskasse insoweit
nicht als Betriebsausgaben (BA) zu berücksichtigen sind, wie sie zu einer Überversorgung
führen.
Die verheirateten Kläger (Kl.) werden zur Einkommensteuer (ESt)
zusammenveranlagt. Der Kl. erzielt als Tierarzt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.
Im Jahr 1995 vereinbarte er mit der Versorgungseinrichtung für Mitarbeiter der
Heilberufe e.V., die betriebliche Altersversorgung (ganz oder teilweise) über die
Versorgungseinrichtung durchzuführen. Leistungsanwärter sind Frau N geb. ...), Herr ...
(geb. ...) und die Klin. (geb. ...), die nach dem Leistungsplan mit Vollendung des 65.
Lebensjahres eine Monatsrente in Höhe von 4.200 DM erhalten sollen. Wegen der
weiteren Einzelheiten der Abrede wird auf den Vertrag vom 22./30.08.1995 und das
Schreiben der Versorgungseinrichtung vom 02.12.1996 Bezug genommen. In den
Streitjahren 1995 und 1996 leistete der Kl. jeweils 37.800 DM an die Unterstützungskasse.
Unter dem 22.06.1998 teilte die Versorgungseinrichtung dem Kl. mit, aufgrund der
arbeitsrechtlichen Rechtsprechung des BAG dürfe die Altersrente die Grenze von 75 % der
laufenden Bezüge nicht überschreiten, weil andernfalls eine Überversorgung entstünde.
Daher werde der Leistungsplan insoweit ergänzt, als die in Aussicht gestellte Rente
zuzüglich eventuell bestehender weiterer Renten maximal 75 % des Gehaltes bei
Rentenbeginn betragen dürfe.
Im Anschluss an das Ergebnis einer Betriebsprüfung ging der Beklagte (Bekl.) in
den ESt-Bescheiden 1995 und 1996 (jeweils vom 11.09.2000) davon aus, dass die
Beiträge an Unterstützungskasse nur insoweit als BA abzugsfähig seien, als sie 25 % der
jährlichen, auf 75 % der laufenden Bezüge begrenzten Versorgungsleistungen nicht
übersteigen würden.
Arbeitslohn Versorgungsl. BA 1995 BA 1996
Herr M 75 % 25 % 25 %
9.000,00 DM 6.750,00 DM 1.687,50 DM
39.000,00 DM 29.250,00 DM 7.312,50 DM
Frau N
12.480,00 DM 9.360,00 DM 2.340,00 DM
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12.896,00 DM 9.672,00 DM 2.418,00 DM
Frau F
7.320,00 DM 5.490,00 DM 1.372,50 DM
7.320,00 DM 5.490,00 DM 1.372,50 DM
BA lt. Bp. 5.400,00 DM 11.103,00 DM
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Kl. gegen die
Einspruchsentscheidung vom 11.12.2001 Klage. Sie tragen zur Klagebegründung vor,
nach § 4 d Abs. 1 EStG dürften Zuwendungen an eine Unterstützungskasse von dem
leistenden Unternehmen als Betriebsausgaben abgezogen werden. § 4 d EStG regele
zwar weitere Abzugsvoraussetzungen und -beschränkungen. Die "Überversorgung" sei
dort jedoch nicht genannt.
Die vom Bekl. durchgeführte Angemessenheitsprüfung sei systemfremd. Es stelle
sich die Frage, wer sie überhaupt durchführen könne. Das Trägerunternehmen habe
keinen Einfluss auf die Leistungspläne und das Kassenvermögen, das für die Höhe der zu
erbringenden Versorgungsleistungen maßgebend sei. Die Unterstützungskasse kenne die
gegenwärtigen Gehälter der Mitarbeiter des Trägerunternehmens nicht.
Die Analogieüberlegungen zu den Pensionsrückstellungen seien unzulässig. Im
Gegensatz zu § 6 a EStG erfolge die Pensionszusage nicht vom Arbeitgeber gegenüber
dem Dienstverpflichteten. Vielmehr gewähre die Unterstützungskasse eine
Altersversorgung für die in die Leistungspläne aufgenommenen
Leistungsanwärter/Leistungsempfänger. Die Zuwendungen an die Unterstützungskasse
flössen im Unterschied zum Fall der Pensionszusage tatsächlich ab. Die Entscheidung
über die Anlage der zugeflossenen Gelder treffe allein die Unterstützungskasse. Im
Übrigen bestehe kein Bedarf für die analoge Anwendung anderer Vorschriften. § 4 d EStG
enthalte bereits eine Beschränkung auf 25 %.
Die Kl. beantragen,
die ESt-Bescheide 1995 und 1996, beide vom 11.09.2000, in Gestalt
der EE vom 11.12.2001 abzuändern und die ESt für das Jahr 1995 auf 60.816,00 DM und
für das Jahr 1996 auf 26.658,00 DM festzusetzen
und im Unterliegensfall,
die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen
und im Unterliegensfall,
die Revision zuzulassen.
Der BA-Abzug setze voraus, dass die Leistungen der Unterstützungskasse, wenn
sie vom Trägerunternehmen unmittelbar erbracht würden, bei diesem betrieblich veranlasst
wären. Der Gesetzgeber stelle damit klar, dass für die steuerliche Abziehbarkeit der
Zuwendung nicht auf die betriebliche Veranlassung der vom Trägerunternehmen an die
Unterstützungskasse erbrachte Zuwendung abzustellen sei. Entscheidend sei, ob die zu
erbringende Versorgung als betrieblich veranlasst angesehen werden könne, wenn sie
nicht durch die Unterstützungskasse, sondern direkt vom Trägerunternehmen erbracht
würde.
Die vereinbarten Ruhestandsbezüge (50.400 DM) für die Leistungsanwärter lägen
erheblich über deren aktiven Bezügen (zwischen 7.320 DM und 39.000 DM). In einem
solchen Fall sei die betriebliche Veranlassung der Versorgung nicht gegeben. Bei direkten
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Pensionsleistungen werde die betriebliche Veranlassung dann verneint, wenn die
zugesagte Versorgungsleistung 75 % der aktuellen Bezüge übersteige (z.B. BFH, Urteil
vom 22. November 1995 I R 37/95, BFH/NV 1996, 596). Obwohl auf Leistungen der
Unterstützungskasse kein Rechtsanspruch bestehe, müssten diese Beschränkungen auch
im Zusammenhang mit Unterstützungskassen angewandt werden. Die Kürzung nach der
Formel "aktuelles Jahresgehalt X 75 % = maximaler Versorgungsanspruch; davon 25 %
Betriebsausgabe" sei daher nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätzen und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Der Senat hat am 25.08.2004 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird
verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 4 d EStG dürfen Zuwendungen an eine Unterstützungskasse von dem
Unternehmen, das die Zuwendungen leistet (Trägerunternehmen), nur begrenzt als BA
abgezogen werden. Der Abzug der Zuwendungen ist ausgeschlossen, soweit die
Leistungen der Kasse, wenn sie vom Trägerunternehmen unmittelbar erbracht würden, bei
diesem nicht betrieblich veranlasst wären (§ 4 d Abs. 1 Satz 1 EStG; bis 1995: § 4 d Abs. 3
EStG). Abgezogen werden können nach § 4 d Abs. 1 Ziffer 1 b bb EStG Zuwendungen an
Unterstützungskassen, die Altersversorgung gewähren, für jeden Leistungsanwärter nur mit
25 % der jährlichen Versorgungsleistungen, die der Leistungsanwärter nach den
Verhältnissen am Bilanzstichtag beim Eintritt des Versorgungsfalls erhalten kann.
Der Bekl. ist zutreffend davon ausgegangen, dass Zuwendungen an die
Unterstützungskasse darüber hinaus nicht als BA zu berücksichtigen sind, soweit sie zu
einer Überversorgung führen. Eine Überversorgung liegt (in den Streitjahren) vor, wenn die
betriebliche Altersversorgung (einschließlich der Sozialversicherungsrente und der
Direktversicherung) am Bilanzstichtag mehr als 75 v.H. des Aktivlohnes beträgt.
Zwar enthält § 4 d EStG diese Abzugsbegrenzung nicht ausdrücklich. Nach § 4 d
Abs. 1 Satz 1 EStG dürfen die Zuwendungen an die Unterstützungskasse jedoch nur als
BA abgezogen, soweit die Leistungen der Kasse, wenn sie vom Trägerunternehmen
unmittelbar erbracht würden, bei diesem betrieblich veranlasst wären.
Die 75 v.H.-Grenze gehört zu den zu § 6 a Abs. 3 Satz 4 EStG entwickelten
Rechtsgrundsätzen. Sie folgt der Ausgangsüberlegung, dass die bestehenden
Versorgungsordnungen darauf angelegt sind, für den einzelnen Arbeitnehmer eine
Versorgung in Höhe von (in den Streitjahren) 75 v.H. seiner letzten Aktivbezüge
sicherzustellen. Auf diesen Rechtsgrundsatz kann daher bei der Ermittlung der
abzugsfähigen Zuwendungen an eine Unterstützungskasse gemäß § 4 d EStG
zurückgegriffen werden (Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung, Rn. 959; FG München, Urteil vom 23. April 2003, 7 K 3089/01, EFG
2003, 1150, Rev. durch den BFH als unzulässig zurückgewiesen - Beschluss vom 18.
Februar 2004 I R 45/03). Es kann für die Anwendbarkeit der 75 v.H.-Grenze keinen
Unterschied machen, ob das Unternehmen eine unmittelbare Verpflichtung eingegangen
ist oder aber den Durchführungsweg über eine Unterstützungskasse gewählt hat.
Der Anwendung der 75 v.H.-Grenze steht im Streitfall nicht entgegen, dass die
Altersversorgung von vornherein mit einem feststehenden Betrag vereinbart war. In aller
Regel kann eine solche Zusage nur durch die Annahme erklärt werden, dass vermutete
künftige Lohnsteigerungen berücksichtigt werden sollen. Die Abzugsbeschränkung könnte
daher durch eine solche Zusage fester Beträge unterlaufen werden. Deshalb ist es im
Interesse der Gleichbehandlung mit anderen Unternehmen, die von vornherein eine
Altersversorgung mit einem bestimmten Prozentsatz der zuletzt bezogenen Aktivbezüge
zusagen, geboten, auch in Fällen der Zusage eines feststehenden Betrags die 75 v.H.-
Grenze anzuwenden (BFH, Urteil vom 17. Mai 1995 I R 16/94, BFHE 178, 134, BStBl II
1996, 420).
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Soweit die Kl. vortragen, es bestehe wegen der gesetzlichen
Abzugsbeschränkung auf 25 v.H. der Leistungen an die Unterstützungskasse kein Bedarf,
die Abzugsfähigkeit darüber hinaus unter dem Aspekt der Überversorgung zu beschränken,
kann dem nicht gefolgt werden. Die Abzugsbegrenzungen beruhen auf unterschiedlichen
Gründen.
Der Leistungsfaktor (25 v.H.) hat seinen Grund darin, dass der Gesetzgeber keine
vollständige Ausfinanzierung der Versorgungsanwartschaften zugestehen wollte. Die
Trägerunternehmen sollten für Leistungsanwärter lediglich ein Reservepolster, eine
Überbrückungshilfe ansammeln dürfen, wodurch Versorgungsleistungen nur für einen
relativ kurzen Zeitraum abgedeckt werden (Höfer, Gesetz zur Verbesserung der
betrieblichen Altersversorgung, Bd. 2, Tz. 908).
Demgegenüber beruht die 75 v.H.-Grenze auf der Überlegung, dass die
bestehenden Versorgungsordnungen auf eine Sicherstellung des Versorgungsniveaus in
Höhe von (in den Streitjahren) 75 v.H. der letzten Aktivbezüge des Arbeitnehmers abzielt.
Gegen die Berechnung der auf dieser Grundlage abzugsfähigen Beträge haben
die Kl. keine Einwendungen vorgetragen. Sie ergeben sich auch nach der Aktenlage nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr.
1 FGO.