Urteil des FG Münster vom 09.07.2004

FG Münster (Einkünfte, Gewerbesteuer, Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Unterliegen, Gesellschafter, Hinzurechnung, Entlastung, Einspruch, Behandlung, Verwaltung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 4 K 2157/01 F
09.07.2004
Finanzgericht Münster
4. Senat
Urteil
4 K 2157/01 F
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte nach § 32 c Abs. 2
Einkommensteuergesetz (EStG) ein negativer Kürzungsbetrag gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3
Gewerbesteuergesetz (GewStG) zu berücksichtigen ist, mit der Folge, dass die
gewerblichen Einkünfte, die der Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG unterliegen, höher
festzustellen sind.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin (Klin.) ist der Erwerb, die Verwaltung, die
langfristige Vermietung und die Betreuung von Immobilien. Für die Streitjahre erließ der
Beklagte (Bekl.) - jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung - Bescheide über die
gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, denen er die
Feststellungserklärungen der Klin. zugrunde legte. Im Jahr 1999 führte das Finanzamt für
Konzernbetriebsprüfung E eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 1995 bis 1997 durch. In
dem Betriebsprüfungsbericht vom 16.06.2000 heißt es unter Tz. 19, die Klin. habe sich
vorbehalten, evtl. im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen die
Gewerbesteuermessbescheide 1995 bis 1997 einen Antrag auf erweiterte Kürzung des
Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG zu stellen. Zudem habe die Klin.
sich die Einlegung von Einsprüchen gegen die Bescheide über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1995 bis 1997 hinsichtlich der Höhe
der begünstigten Einkünfte aus § 32 c EStG vorbehalten.
Der Bekl. folgte den Ergebnissen der Betriebsprüfung im wesentlichen. Er ließ
entsprechende Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen, Gewerbesteuermessbescheide und Bescheide über die
gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes. Den Vorbehalt der
Nachprüfung hob der Bekl. jeweils auf.
Die Klin. legte gegen alle Bescheide Einspruch ein.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die Gewerbesteuermessbescheide und die
Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes
beantragte die Klin., für die Streitjahre anstelle der pauschalen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz
1 GewStG eine erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG von ./. 8.898.670,--
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DM für 1995, von ./. 1.744.781,-- DM für 1996 und von ./. 5.410.545,-- DM für 1997
vorzunehmen. Der Bekl. gelangte zu dem Schluss, dass eine erweiterte Kürzung nach § 9
Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG auch bei einem negativen Gewerbeertrag möglich sei, mit der
Folge, dass der negative Gewerbeertrag sich vermindere. Er erließ entsprechende
Änderungsbescheide. Bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags
ergaben sich - gegenüber den nach der Betriebsprüfung ergangenen Bescheiden - keine
Änderungen: Für 1995 und 1996 beruhte die Festsetzung des einheitlichen
Gewerbesteuermessbetrags (wie bisher) auf dem Messbetrag nach dem Gewerbekapital
(einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag 1995: 1.288,-- DM; 1996: 1.086,-- DM); für 1997
blieb es bei einem einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag von 0,-- DM. Allerdings
verminderte sich der zum Ende des jeweiligen Jahres festgestellte vortragsfähige
Gewerbeverlust erheblich: für 1995 von 10.714.236,-- DM auf 1.807.243,-- DM, für 1996 von
12.470.559,-- DM auf 1.807.353,-- DM und für 1997 von 17.892.646,-- DM auf 1.807.443,--
DM.
Den Einspruch gegen die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen begründete die Klin. wie folgt: Sie habe im Rahmen des
Einspruchsverfahrens gegen die Gewerbesteuermessbescheide und die Bescheide über
die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes den Antrag gestellt, die
Gewerbeerträge gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG zu kürzen. Aus diesem Grunde
beantrage sie, die Gewinnfeststellungsbescheide gemäß § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG
entsprechend zu ändern. Dies ergebe sich aus einer konsequenten Anwendung der
spiegelbildlich konzipierten Privilegierungstatbestände der erweiterten Kürzung nach § 9
Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG einerseits und der Tarifbegünstigung nach § 32 c EStG
andererseits. Eine Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG sei auch dann
vorzunehmen, wenn der Gewerbeertrag aus der Verwaltung der Grundstücke negativ sei.
Im Ergebnis werde der gewerbesteuerlich relevante Ertrag erhöht, effektiv komme es zu
einer höheren Steuerbelastung. Denn die negative Kürzung führe zu einer Hinzurechnung.
Gewinne und Verluste seien im Rahmen der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und
3 GewStG gleich zu behandeln. Dies folge aus dem Zweck der Vorschrift. Auch das
Antragserfordernis ändere hieran nichts. Durch das Antragserfordernis werde dem
Steuerpflichtigen eine Gestaltungsmöglichkeit eingeräumt, durch die er die Höhe des
Gewerbeertrags beeinflussen könne. Es stehe dem Steuerpflichtigen auch frei, auf den
positiven wirtschaftlichen Effekt auf der Primärebene wegen sekundärer Vorteile (z.B. im
Hinblick auf § 32 c EStG) auf einen Antrag nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 zu verzichten. Stelle
ein Steuerpflichtiger den Antrag nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG nicht und zahle er
deshalb eine höhere Gewerbesteuer, so stehe ihm - unstreitig - die Privilegierung nach §
32 c EStG zu. Es könne daher nicht zweifelhaft sein, dass der Steuerpflichtige, der bei
Gewerbeverlusten durch seine Antragstellung das gleiche Ergebnis (höhere
Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer) herbeiführe, ebenso nach § 32 c EStG
privilegiert sein müsse. In diesem Fall müsse der gewerbesteuerliche Nachteil durch eine
entsprechende Erhöhung der nach § 32 c EStG begünstigten Einkünfte ausgeglichen
werden. Dass § 32 c EStG von "Gewinnen und Gewinnanteilen" spreche, stehe dieser
Handhabung nicht entgegen. Wie bei § 9 GewStG sei davon auszugehen, dass der
Gesetzgeber sowohl positive als auch negative Gewinne und Gewinnanteile habe erfassen
wollen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Bekl. führte in den Gründen der
Einspruchsentscheidung aus, Gewinn und Gewinnanteil im Sinne des § 32 c Abs. 2 Satz 2
EStG sei nur eine positive Größe. Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut des
Gesetzes. Zum anderen folge dies aus dem Zweck des § 32 c EStG. Dieser liege darin, für
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Gewinne, die mit Gewerbesteuer belastet seien, eine Entlastung auf der Ebene der
Einkommensbesteuerung zu gewähren. Für eine solche Entlastung bleibe kein Raum,
wenn der Steuerpflichtige durch einen Antrag auf erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags
gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG die Gewerbesteuerbelastung der Ausgangsgröße
"Gewinn" ganz oder teilweise verhindere. Diese Auffassung vertrete auch die Klin. Der von
der Klin. gezogene Umkehrschluss, bei Vornahme einer negativen Kürzung müsse der
gewerbesteuerliche Nachteil durch eine entsprechende Erhöhung der nach § 32 c EStG
begünstigen Einkünfte ausgeglichen werden, sei jedoch falsch. Ohne die Regelung des §
32 c Abs. 2 Satz 2 EStG entstünde einem Steuerpflichtigen mit positiven gewerblichen
Einkünften aus Grundbesitzverwaltung bei Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung des
Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG zum einen der Vorteil der
Nichtbelastung dieser Erträge mit Gewerbesteuer und zum anderen der Vorteil der
Inanspruchnahme der Tarifbegrenzung des § 32 c EStG. Trete jedoch eine
Gewerbesteuerbelastung bereits deshalb nicht ein, weil die Einkünfte aus der
Grundbesitzverwaltung negativ seien, so bestehe auch kein Anlass, auf der Ebene der
Einkommensbesteuerung eine Tarifentlastung zu gewähren. Würde diese Begünstigung
gewährt, so käme es zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Doppelbegünstigung. Dass
er, der Bekl., dem Antrag der Klin. auf erweiterte Kürzung des negativen Gewerbeertrags
um die negativen Erträge aus Grundbesitzverwaltung bei der Festsetzung des einheitlichen
Gewerbesteuermessbetrags gefolgt sei, führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Die
negative Kürzung habe zwar zu einer Verminderung des bestehenden Gewerbeverlustes,
nicht jedoch zu einem positiven Gewerbesteuermessbetrag und somit nicht zu einer
tatsächlichen Gewerbesteuerbelastung geführt. Zudem sei zu beachten, dass die negative
Kürzung im Ergebnis einer Hinzurechnung entspreche. Hinzurechnungen seien bei der
Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 8 GewStG vorzunehmen. § 32 c EStG sehe keine
Erhöhung der Ausgangsgröße "Gewinn" für Beträge vor, die bei der Ermittlung des
Gewerbeertrags nach § 8 GewStG hinzugerechnet worden seien. Daher könne ein
Steuerpflichtiger, dessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb negativ seien oder unterhalb des
nach § 32 c Abs. 1 EStG maßgebenden Anteils am zu versteuernden Einkommen lägen,
die Tarifentlastung nach § 32 c EStG nicht beanspruchen, selbst wenn der
Ausgangsgewinn durch Vornahme von Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu einem
positiven Gewerbeertrag und zu einer tatsächlichen Gewerbesteuerbelastung geführt habe.
Soweit die Klin. vortrage, § 32 c EStG bezwecke, sämtliche tatsächlich mit Gewerbesteuer
belasteten gewerblichen Einkünfte zu begünstigen, sei dies nicht stichhaltig. Zum einen
habe die Hinzurechnung der Verluste aus der Grundbesitzverwaltung in den Streitjahren
nicht zu einer Gewerbesteuerbelastung der Klin. geführt. Zum anderen könne die Klin. in
den Folgejahren einen positiven Gewerbeertrag dadurch vermeiden, dass sie die
erweiterte, dann positive Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG in Anspruch nehme.
Entgegen der Auffassung der Klin. sei nicht jeder Kürzungsbetrag nach § 9 Nr. 1 Satz 1 und
3 GewStG bei der Ermittlung des nach § 32 c EStG begünstigten Gewinns zu
berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe eine solche Wechselwirkung zwischen § 9 Nr. 1
Satz 2 und 3 GewStG und § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG auch nicht gewollt. Andernfalls hätte
er anstelle der Begriffe "Gewinne und Gewinnanteile" den Begriff "Kürzungsbeträge"
gewählt. Bei Kürzungsbeträgen im Sinne des § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG könne es sich nur
um positive Beträge handeln, weil nur sie dazu führen könnten, dass gewerbliche Einkünfte
im Sinne des § 32 c EStG ganz oder teilweise nicht mit Gewerbesteuer belastet seien.
Zur Begründung ihrer Klage wiederholt die Klin. im wesentlichen ihren Vortrag aus dem
Einspruchsverfahren. Ergänzend macht sie geltend, negative Kürzungen seien im Rahmen
des § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG unproblematisch, so lange der verbleibende Gewerbeertrag
positiv sei; der auf Negativkürzungen beruhende Gewinn werde selbstverständlich als
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nichtprivilegierter gewerblicher (negativer) Gewinn qualifiziert. Entgegen der Auffassung
des Bekl. sei zudem die tatsächliche Festsetzung von Gewerbesteuer nicht erforderlich. §
32 c Abs. 2 Satz 1 EStG begünstige Gewinne, die der Gewerbesteuer unterlägen. Ein
potentielles Unterliegen reiche aus. Einkünfte, die potentiell der Gewerbesteuer unterlägen,
seien tarifprivilegiert, nicht dagegen solche, die keiner potentiellen gewerbesteuerlichen
Belastung ausgesetzt seien. Aufgrund der vorgenommenen negativen Kürzungen gemäß §
9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG könnten in Höhe jener Kürzungen die (negativen)
gewerblichen Gewinne nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Entsprechend seien sie
steuertariflich nicht privilegiert.
Konsequenz sei, dass ihre, der Klin., Verluste, die den beteiligten Gesellschaftern
zugerechnet würden, nicht mit den übrigen privilegierten positiven Einkünften im Sinne des
§ 32 c EStG aus anderen Beteiligungen verrechnet würden. Vielmehr minderten die
entstandenen Verluste die übrigen nicht privilegierten positiven Einkünfte der beteiligten
Gesellschafter. Nur dadurch werde eine der tatsächlichen Leistungsfähigkeit
entsprechende persönliche Einkommensteuerbelastung der Gesellschafter erreicht.
Die Klin. beantragt,
die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 1995, 1996 und 1997, jeweils vom 13.09.2000, unter
Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2001 dahingehend zu ändern, dass
von den gewerblichen Einkünften, die der Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG unterliegen,
ein Betrag von ./. 8.898.670,-- DM für 1995, von ./. 1.744.781,-- DM für 1996 und von ./.
5.410.545,-- DM für 1997 gem. § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG ausgenommen wird,
hilfsweise, die Revision zuzulassen und
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er verweist auf die Gründe der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, es sei
unzutreffend, wenn die Klin. ausführe, negative Kürzungen würden von ihm, dem Bekl.,
akzeptiert, so lange der verbleibende Gewerbeertrag positiv sei. Dies sei nicht der Fall.
Unabhängig hiervon liege eine andere Situation vor, wenn sich auf Grund eines negativen
Kürzungsbetrags ein positiver Gewerbeertrag erhöhe und eine höhere
Gewerbesteuerbelastung entstehe. Im Streitfall erschöpfe sich die Auswirkung der
negativen Kürzung in der Minderung bestehender Verlustvorträge und führe weder in den
Streitjahren noch in den Folgejahren zu einer tatsächlichen Gewerbesteuerbelastung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide und die
Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klin. nicht in ihren Rechten (§
100 Abs. 1 FGO). Der Bekl. ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Ermittlung der
gewerblichen Einkünfte i.S.d. § 32 c Abs. 2 EStG negative Kürzungsbeträge nicht zu
berücksichtigen sind.
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Gem. § 32 c Abs. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist, wenn in dem zu
versteuernden Einkommen gewerbliche Einkünfte i.S.d. Abs. 2 enthalten sind, deren Anteil
am zu versteuernden Einkommen mindestens 100.278 DM beträgt, von der tariflichen
Einkommensteuer ein Entlastungsbetrag nach Abs. 4 abzuziehen. Nach § 32 c Abs. 2 Satz
1 EStG sind gewerbliche Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift vorbehaltlich des Satzes 2
Gewinne oder Gewinnanteile, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 GewStG der Gewerbesteuer
unterliegen. Nach § 32 c Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz EStG sind ausgenommen Gewinne und
Gewinnanteile, die nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3, Nr. 2 a, 3, 4, 5 und 8 GewStG zu kürzen
sind.
Nach der herrschenden Auffassung in der Literatur, der sich der Senat anschließt, können
nur positive Beträge zu einem Begünstigungsausschluss nach § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG
führen (Hörger in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 32 c Rn. 20; Paus, BB 1994, 2389, 2397;
Schmidt/Glanegger, EStG, 21. Aufl. 2002, § 32 c Rn. 8, 17; Wendt in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c Anm. 50; a.A. Müller, DB 1998 Beilage Nr. 3,
8). Zwar weist die Klin. zu Recht darauf hin, dass im Rahmen des § 9 GewStG eine
Kürzung um negative Beträge möglich ist (BFH Urteil vom 21.04.1971 I R 200/67, BFHE
102, 524, BStBl. II 1971, 743; Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl. 2002, Vor § 9; Gosch in
Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 GewStG Rn. 1). Anders verhält es sich jedoch bei der
Ermittlung der gewerblichen Einkünfte nach § 32 c Abs. 2 EStG.
Dafür, im Rahmen des § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG nur positive Beträge zu berücksichtigen,
spricht zum einen die Gesetzessystematik. § 32 c EStG ist hinsichtlich der Höhe der
gewerblichen Einkünfte nicht "ergebnisoffen". Vielmehr müssen die gewerblichen
Einkünfte zwingend positiv sein. Denn ihr Anteil am zu versteuernden Einkommen muss
mindestens 100.278 DM betragen. Nach § 32 c Abs. 2 Satz 1 EStG ist ein Verlustausgleich
innerhalb der privilegierten Einkünfte vorzunehmen. Ergibt der Verlustausgleich einen
negativen Betrag, kommt es nicht zu einer Tarifbegrenzung (vgl. Schmidt/Glanegger, aaO,
Rn. 8). Ist das Ergebnis des Verlustausgleichs positiv, findet § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG
Anwendung: Die Beträge, die nicht mit Gewerbesteuer belastet sind, sind bei der Ermittlung
der privilegierten gewerblichen Einkünfte auszunehmen. Da nur positive Kürzungsbeträge
dazu führen, dass eine Belastung mit Gewerbesteuer nicht entsteht, sind negative
Kürzungsbeträge im Rahmen des § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG nicht von Bedeutung (Wendt,
aaO).
Darüber hinaus liegt der Sinn und Zweck des § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG entgegen der
Ansicht der Klin. nicht darin, eine spiegelbildliche Behandlung im gewerbesteuerlichen
Bereich einerseits und im Bereich der einkommensteuerlichen Tarifbegrenzung
andererseits herzustellen. § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG bezweckt, dass Gewinne und
Gewinnanteile, die nach den gewerbesteuerlichen Vorschriften nicht mit Gewerbesteuer
belastet sind, von der Begünstigung ausgenommen werden. Der Kürzungsbetrag, der zu
einer gewerbesteuerlichen Entlastung führt, soll bei der Ermittlung der
Bemessungsgrundlage für die Tarifbegrenzung ausgeschlossen werden (vgl.
Schmidt/Glanegger, aaO, Rn. 17; Wendt, aaO). Sinn des § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG ist es
hingegen nicht, Verluste, die nach den gewerbesteuerlichen Vorschriften dem
Gewerbeertrag hinzugerechnet wurden, von der Tarifbegrenzung auszunehmen. Teile des
Gewerbeertrags, die gekürzt wurden und die deshalb nicht mit Gewerbesteuer belastet
sind, sollen somit nicht privilegiert werden. Ein zwingender Umkehrschluss dahingehend,
dass Verluste, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht berücksichtigt wurden, den
Gewerbeertrag also erhöht haben, bei der Ermittlung des privilegierten Gewinns ebenfalls
ausgenommen werden müssen, ergibt sich entgegen der Auffassung der Klin. nicht. Zwar
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bewirkt die unterschiedliche Behandlung von positiven und negativen Kürzungsbeträgen,
dass der nach den gewerbesteuerlichen Vorschriften ermittelte Gewerbeertrag und die
gewerblichen Einkünfte i.S.d. § 32 c Abs. 2 EStG unterschiedlich hoch sein können. Dieses
Ergebnis ist jedoch bereits deshalb nicht systemwidrig, weil § 32 c Abs. 2 Satz 2 EStG nicht
auf alle Kürzungstatbestände des § 9 GewStG verweist. Darüber hinaus ergibt sich eine
Diskrepanz zwischen dem mit Gewerbesteuer belasteten Gewerbeertrag und den
gewerblichen Einkünften i.S.d. § 32 c Abs. 2 EStG auch daraus, dass bei der Ermittlung der
gewerblichen Einkünfte die Hinzurechnungen nach § 8 GewStG nicht zu berücksichtigen
sind.
Abgesehen von diesen Überlegungen spricht gegen eine Minderung des privilegierten
Verlusts auch der Umstand, dass eine Gewerbesteuerbelastung der Klin. in den
Streitjahren tatsächlich nicht vorlag. Zwar trifft es zu, dass eine Anwendung des § 32 c
EStG nicht voraussetzt, dass Gewerbesteuer tatsächlich festgesetzt wurde. Kommt eine
Gewerbesteuerfestsetzung jedoch wegen der erzielten Verluste gar nicht in Betracht,
bedarf es keiner Begrenzung des Einkommensteuertarifs im Hinblick auf eine (potentielle)
Gewerbesteuerbelastung. Dass der vortragsfähige Gewerbeverlust sich durch den Abzug
der negativen Kürzungsbeträge (unwiderruflich) verringert hat, ändert nichts an dem
Umstand, dass eine aktuelle Belastung mit Gewerbesteuer nicht vorliegt. Entgegen der
Auffassung der Klin. wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Gesellschafter durch
den Verzicht auf das vortragsfähige Verlustpotential nicht beeinflusst.
Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO zu.