Urteil des FG Münster vom 18.05.2004

FG Münster (Berufliche Tätigkeit, Einkünfte, Anteil, Arbeitslohn, Behandlung, Chefarzt, Gehalt, Gegenleistung, Verfügung, Arbeitskraft)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 15 K 1625/00 E
18.05.2004
Finanzgericht Münster
15. Senat
Urteil
15 K 1625/00 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob Leistungen, die die X********************* Versorgungskasse beim
M***********verband ****************in N******* (im Folgenden: Versorgungskasse) an einen
ehemaligen Chefarzt zahlt, als nachträglich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß
§ 19 EStG in voller Höhe oder als sonstige Einkünfte gemäß § 22 EStG nur mit dem
Ertragsanteil zu versteuern sind.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagte Eheleute. Der Kläger
(Kl.) war Chefarzt. Seine ehemalige Anstellungskörperschaft, die ***********
Kirchengemeinde T***********, C*********, versicherte ihn bei der Versorgungskasse gemäß
für Kommunalbeamte geltende Grundsätze. Versicherungsnehmer war die
Anstellungskörperschaft. Der Versorgungsanspruch des Kl. richtete sich gegen seinen
ehemaligen Dienstherrn. Die Umlagebeiträge wurden vom ehemaligen Dienstherrn an die
Versorgungskasse abgeführt. Der Dienstherr kürzte das Gehalt des Kl. monatlich um die
Hälfte des Umlagebeitrags und unterwarf nur das um den hälftigen Umlagebeitrag gekürzte
Gehalt des Kl. der Lohnsteuer.
Der Kl. gab seine berufliche Tätigkeit zum 30.06.1997 auf und bezog seit dem 01.07.1997
u. a. Leistungen von der Versorgungskasse in Höhe von brutto 49.767,38 DM in 1997 und
brutto 93.413 DM in 1998.
Der Beklagte (Bekl.) behandelte diese Leistungen als Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit (ESt-Bescheid 1997 vom 19.03.1999 und ESt-Bescheid 1998 vom 15.12.1999).
Dagegen legten die Kläger Einsprüche ein, die mit Einspruchsentscheidung (EE) vom
07.02.2000 als unbegründet zurückgewiesen wurden.
Dagegen richtet sich die Klage.
Während des Klageverfahrens erging für 1998 ein geänderter ESt-Bescheid vom
02.07.2001 wegen hier nicht streitiger Punkte.
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Der Kl. meint, die Zahlungen der Versorgungskasse seien als Leibrenten gemäß § 22 EStG
zu qualifizieren, denn er habe aus eigenen Mitteln in erheblichem Umfang (ca. 420.000
DM) an der Begründung des Rentenanspruchs mitgewirkt. Hinzuzurechnen sei außerdem
ein Zinsanteil in Höhe von 5,5 % p. a., so dass die Leistungen des Kl. in Höhe von ca.
680.000 DM zu beziffern seien. Der Umstand, dass sein Arbeitgeber 50 % der
Umlagebeiträge gezahlt habe, sei unerheblich, weil auch bei der gesetzlichen
Rentenversicherung der Arbeitgeber den hälftigen Anteil der Beiträge zahle. Nach der
Rechtsprechung des BFH in BStBl II 1996, 187 sei neben der Frage, ob der Anteil des
Arbeitnehmers an den Beitragszahlungen der Lohnsteuer unterworfen gewesen sei,
außerdem die Frage entscheidungserheblich, ob der Arbeitnehmer mit einem
unbedeutenden oder bedeutenden Anteil seines Gehaltes für den Erwerb des
Pensionsanspruchs herangezogen worden sei. Im Streitfall sei der Gehaltsanteil des Kl.
keineswegs als unbedeutend anzusehen. Die Frage, ob die Beiträge des Arbeiternehmers
aus versteuertem Einkommen stammten, sei aber als Abgrenzungskriterium für die
Einkunftsart auch gar nicht geeignet, weil Beitragszahlungen an Altersversorgungskassen,
die aus versteuertem Einkommen des Arbeitnehmers stammten, als Sonderausgaben
abgezogen werden könnten und somit - jedenfalls grundsätzlich - wiederum steuerfrei
blieben. Auch sei zweifelhaft, ob die Behandlung der Beitragszahlungen als lohnsteuerfrei
überhaupt rechtmäßig gewesen sei. Außerdem ergebe sich aus dem Urteil des BVerfG in
BStBl II 2002, 618, dass die Frage, ob die Beitragszahlungen aus versteuertem oder
unversteuertem Einkommen stammten, entscheidungsunerheblich sei. Maßgeblich sei
vielmehr die "Rendite" des Versorgungssystems. Wenn ein Versorgungsempfänger die
Versorgungsleistungen zu einem wesentlichen Anteil mit eigenen Mitteln erwirtschaftet
habe, dürfe nur der Ertragsanteil der im Alter ausgezahlten Rente versteuert werden. Dabei
spiele es keine Rolle, ob die Eigenleistung - wie im Falle des Kl. - durch unzureichende
Besoldung oder durch Leistungen aus versteuertem Einkommen erbracht werde. Der Kl.
sei darüber hinaus auch gegenüber Beamten benachteiligt. Nach seinem Dienstvertrag
habe er nach dem für Beamte geltenden Besoldungsrecht besoldet werden müssen.
Demnach hätte eine Kürzung des Gehaltes zum Zwecke der Verwendung für die
Beitragsumlage nicht erfolgen dürfen.
Die Kläger beantragen,
bei Durchführung der ESt-Veranlagungen für 1997 und 1998
die Versorgungsbezüge aus der X********************** Versorgungs-
kasse beim M***********verband ****************in N*******
in Höhe von 49.767 DM für 1997 und 93.413 DM für 1998 nicht als
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern als Leibrente mit
einem Ertragsanteil von 28 % bei den sonstigen Einkünften zu be-
rücksichtigen, hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzu-
lassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
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hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Er nimmt im Wesentlichen Bezug auf seine EE.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die streitbefangenen Leistungen der
Versorgungskasse an den Kl. stellen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar.
Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG u. a. Ruhegelder und andere Bezüge und Vorteile "aus früheren Dienstleistungen".
Die Einnahmen müssen durch das gegenwärtige oder frühere Arbeits- und Dienstverhältnis
veranlasst sein, d. h. der Arbeitnehmer muss die Bezüge als Gegenleistung dafür erhalten,
dass er seine individuelle Arbeitskraft zur Verfügung stellt bzw. gestellt hat (BFH in BStBl II
1983, 39). Stammten Beiträge des Arbeitnehmers an eine Versorgungseinrichtung aus
versteuertem Arbeitslohn, sind die späteren Leistungen der Versorgungseinrichtung nicht
erneut als Arbeitslohn zu besteuern. Eine spätere steuerliche Erfassung ist dagegen
vorzunehmen, wenn die Besteuerung der Beitragsanteile zu einem früheren Zeitpunkt
unterblieben ist (BVerfG in BStBl 2002, 636; FG Hamburg, Urteil vom 01.02.2000, II 162/99,
SIS; BFH in BStBl II 1969, 521). Demgegenüber ist eine Ertragswertbesteuerung gemäß §
22 EStG vorzunehmen, wenn die Rente tatsächlich während der Erwerbsphase aus
versteuerten Beiträgen des Rentenbeziehers finanziert ist (BVerfG a.a.O., Seite 638).
Nach den vorgenannten Grundsätzen gehören die Zahlungen der Versorgungskasse zu
den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG, denn die
Rentenanwartschaft wurde u. a. aus unversteuerten Mitteln des Kl. erkauft. Die Behandlung
der Umlagebeiträge als lohnsteuerfrei erfolgte auch zu Recht (FG Münster in EFG 1990,
175). Entgegen der Auffassung des Kl. ist der bloße Umstand, dass er zur Hälfte an der
Begründung seiner Versorgungsanwartschaft beteiligt war, unerheblich. Auch Beamte und
Richter, deren Pensionen nach dem derzeit noch geltenden Steuersystem gemäß § 19
EStG steuerpflichtig sind, leisten nämlich eigene Beiträge zu ihrer Altersversorgung. Statt
Beiträge einzubehalten, zahlt der Dienstherr entsprechend geringere Bezüge aus (sh. dazu
BVerfG a.a.O, Seite 633). Der Senat vermag auch keine Benachteiligung des Kl.
gegenüber Beamten oder Richtern zu erkennen, denn sowohl beim Kl. als auch bei
Beamten und Richtern findet eine Versteuerung der Altersversorgungsbezüge nach
denselben Grundsätzen (§ 19 EStG) statt. Der Kl. sieht seine Benachteiligung offenbar
darin, dass seine Anstellungskörperschaft den hälftigen Beitragsanteil zur Altersversorgung
einbehalten hat, während dies bei Beamten mit vergleichbarer Besoldungsstufe wie der Kl.
nicht erfolgt ist. Diese Frage kann in diesem Prozess aber nicht entschieden werden. Die
Angemessenheit, Rechtmäßigkeit oder Höhe der Besoldung ist im Verhältnis zwischen der
Anstellungskörperschaft und dem Kl. zu klären.
§ 19 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist auch noch anwendbar. Zwar hat
das BVerfG in BStBl II 2002, 618 entschieden, dass die unterschiedliche Besteuerung von
Beamtenpensionen und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit dem Jahr
1996 mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Der Gesetzgeber wurde zur Neuregelung der
Altersversorgungsbezüge aber lediglich für die Zukunft verpflichtet. Eine rückwirkende
Bereinigung der Gesetzeslage ab 1996 wurde vom BVerfG ausdrücklich verneint.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil eine Einzelfallentscheidung unter Beachtung der
höchstrichterlichen Rechtsprechung ergangen ist. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus
§ 135 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 FGO.