Urteil des FG Münster vom 17.09.2004

FG Münster (Aufteilung, Wohnung, Grundsteuer, Gebäude, Anteil, Sicherheitsleistung, Gegenleistung, Mieter, Grundstück, Laden)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 11 K 5692/02 E
17.09.2004
Finanzgericht Münster
11. Senat
Urteil
11 K 5692/02 E
Die Einkommensteuer 1998 bis 2000 wird nach Maßgabe der
Entscheidungsgründe niedriger festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungs-
anspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
G r ü n d e :
I.
Zu entscheiden ist, ob es der Beklagte (Bekl.) zu Recht abgelehnt hat, Aufwendungen für
ein lediglich teilweise der Erzielung von Vermietungseinkünften dienendes Gebäude im
erklärten Umfang als Werbungskosten (WK) bei den Einkünften des Klägers (Kl.) aus
Vermietung und Verpachtung (V + V) zu berücksichtigen.
Der Kl. ist verheiratet und wurde vom Bekl. für die Streitjahre 1998 bis 2000 jeweils
zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.
Der Kl. ist Eigentümer des Grundstücks N.-Straße 01 in M.. Das Grundstück ist mit einem
unter Denkmalschutz stehenden um 1520 errichteten Wohn- und Geschäftshaus bebaut, in
dessen Erdgeschoss sich ein vermietetes Ladenlokal (23 qm) und in dessen ersten und
zweiten Obergeschoss sich eine Wohnung (52 qm) befindet. Darüber hinaus verfügt das
Haus über einen Keller (25 qm), der - wie der Kl. erstmals mit Schriftsatz vom 02.09.2004
im Klageverfahren vorgetragen hat - ausschließlich von dem Mieter des Ladenlokals für
betriebliche Zwecke genutzt wird.
Das Grundstück N.-Straße 01 hatte der Kl. mit notariellem Vertrag vom 22.11.1990
erworben. Darin hatte er sich u.a. verpflichtet, als Gegenleistung für die Übertragung des
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Eigentums zum einen einen Kaufpreis i.H.v. 316.200,00 DM sowie ab dem 01.01.2003 bis
zum Lebensende des Verkäufers monatlich einen Betrag von 1.600,00 DM zu zahlen, zum
anderen dem Verkäufer an der Wohnung im ersten und zweiten Obergeschoss ein
unentgeltliches lebenslängliches Wohnrecht einzuräumen. Eine Aufteilung der
vereinbarten Gegenleistung auf die Wohnung einerseits und das Ladenlokal andererseits
ist in dem Vertrag nicht vorgenommen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
den Inhalt des Vertrages vom 22.11.1990 verwiesen.
Der Einheitswert des Grundstücks N.-Straße 01 war mit Bescheid vom 20.07.1970 auf den
01.01.1964 auf 21.800,00 DM festgestellt worden und ist seitdem unverändert geblieben. Er
war seinerzeit wie folgt ermittelt worden:
Jahresrohmiete
Wohnzwecke 967,00 DM (= 25,62 %)
Fremdgew./Oeffentl. Zwecke
Einschl. 4 % Zuschlag für Schönheits-
reparaturen 2.808,00 DM (= 74,38 %)
insgesamt 3.775,00 DM (= 100 %)
Vervielfältiger 5,8 lt. Anlage 5 zum Be-
wertungsgesetz Gemeinde Größenklasse 4,
Bauausführung C
Grundstückswert 21.895,00 DM
Einheitswert 21.800,00 DM
In seinen ESt-Erklärungen für die Streitjahre erklärte der Kl. in Anlehnung an die bei der
Einheitsbewertung zugrunde gelegten Wertverhältnisse von Ladenlokal und Wohnung -
wie in den Vorjahren - jeweils 73,63 % seiner für das Objekt N.-Straße 01 in 1998
(23.300,10 DM), 1999 (19.648,19 DM) und 2000 (16.902,87 DM) getätigten Aufwendungen
als WK bei seinen aus diesem Objekt erzielten Vermietungseinkünften.
Dem folgte der Bekl. nach einer sich auf die Jahre 1992 bis 1997 beziehenden
Betriebsprüfung ab dem Streitjahr 1998 letztlich nicht mehr. Ab 1998 ließ er unter
Zugrundelegung des Verhältnisses der Fläche der Wohnung (52 qm = 69,33 %) zur Fläche
des Ladens (23 qm = 30,67 %) lediglich noch 30,67 % der erklärten Gesamtaufwendungen
zum WK-Abzug zu.
Hiergegen richtet sich die vom Kl. nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage.
Er ist der Auffassung, dass vor dem Hintergrund, dass die Anschaffungskosten eines zur
Erzielung von Mieteinkünften bestimmten Gebäudes sich regelmäßig nach der Höhe der
erzielbaren Mieten richteten und auf den Laden ein Kaufpreisanteil von mindestens 80 %
entfallen sei, sowie im Hinblick darauf, dass die Mieterträge für den Laden und der
Nutzungswert der Wohnung in eklatantem Gegensatz zu dem Verhältnis der Flächen
stünden, die Wohnung dem heutigen Standard nicht mehr gerecht werde und daher nach
Auszug des Wohnrechtinhabers nicht mehr als Wohnung vermietbar sei, eine Aufteilung
seiner für das Objekt N.-Straße 01 in den einzelnen Streitjahren getätigten Aufwendungen
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nach dem Verhältnis der Wohn- bzw. Nutzflächen zu einem wirtschaftlich unzutreffenden
Ergebnis führe. Sachgerecht sei vielmehr allein eine Aufteilung nach den der
Einheitsbewertung zugrunde gelegten Wertverhältnissen, die in etwa auch dem Verhältnis
der Mieterträge für das Ladenlokal zu dem Mietwert der Wohnung entsprächen.
Etwas anderes könne auch nicht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
entnommen werden. Vielmehr habe der BFH in seiner Entscheidung vom 05.02.1998 - V R
101/96 (BFHE 185, 524, BStBl II 1998, 492) eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge durch
Ertrags- bzw. Umsatzwertermittlungen ausdrücklich befürwortet. Bemerkenswert sei in
diesem Zusammenhang zudem, dass sich aus dem Tatbestand dieser Entscheidung
ergebe, dass das Finanzamt bei der ESt dem Aufteilungsmaßstab nach dem
Ertragswertverfahren uneingeschränkt gefolgt sei.
In jedem Fall aber seien die in den einzelnen Streitjahren jeweils gezahlte Grundsteuer
(251,79 DM) und die jeweils entrichteten Straßenreinigungsgebühren (391,20 DM) nach
den der Einheitsbewertung zugrundegelegten Wertverhältnissen aufzuteilen.
Des Weiteren sei bei einer etwaigen Aufteilung der von ihm für das Objekt N.-Straße 01
getätigten Aufwendungen nach Wohn- bzw. Nutzflächen noch zu berücksichtigen, dass der
vorhandene Keller ausschließlich vom Ladeninhaber für betriebliche Zwecke genutzt
werde.
Der Kl. beantragt,
die im Verlauf des Klageverfahrens für die Streitjahre 1998 - 2000 jeweils unter
dem 21.11.2003 ergangenen ESt-Bescheide aufzuheben und die ESt jeweils unter
Berücksichtigung der von ihm als WK bei seinen Vermietungseinkünften aus dem Objekt
N.-Straße 01 erklärten
Aufwendungen niedriger festzusetzen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat keine Bedenken die vom Kl. für das Objekt N.-Straße 01 gezahlte Grundsteuer in
Höhe des Anteils des Werts des Ladenlokals am Einheitswert zum WK-Abzug bei den
Einkünften des Kl. als V + V zuzulassen. Im Übrigen sieht er jedoch im Hinblick auf die
Entscheidung des BFH vom 25.03.2003 - IX R 22/01 (BFHE 202, 171, BStBl II 2004, 348)
für eine Aufteilung der vom Kl. für das Objekt N.-Straße 01 in den Streitjahren jeweils
getätigten Aufwendungen nach den der Einheitsbewertung zugrunde gelegten
Wertverhältnissen keinen Raum. Er vertritt vielmehr die Auffassung, dass eine
sachgerechte Aufteilung der vom Kl. getätigten Aufwendungen nur nach dem Verhältnis der
zur Einkünfteerzielung genutzten Flächen zu den nicht zur Einkünfteerzielung genutzten
Flächen erfolgen könne. Zugleich erhebt er jedoch keine Einwendungen gegen eine
Einbeziehung der vom Ladeninhaber genutzten Kellerfläche bei der Ermittlung des
Aufteilungsmaßstabes.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie
die vom Bekl. vorgelegten Steuerakten verwiesen.
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Der Senat hat am 17.09.2004 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird
Bezug genommen.
II.
Die Klage ist zum Teil begründet.
Soweit der Kl. in den Streitjahren für das Objekt N.-Straße 01 Grundsteuerzahlungen zu
leisten hatte, sind diese im Hinblick darauf, dass Grundlage für die
Grundsteuerfestsetzungen der vom Bekl. für dieses Objekt festgestellte Einheitswert ist,
anteilig zu 74,38 % als WK berücksichtigungsfähig. Einwendungen werden vom Bekl.
insoweit auch nicht erhoben.
Ebenfalls begründet ist die Klage, soweit der Bekl. bei der Ermittlung des
Aufteilungsmaßstabes für die übrigen vom Kl. getätigten Aufwendungen lediglich die
Fläche der Wohnung und des Ladenlokals, nicht jedoch auch die Fläche des vom
Ladeninhaber zusätzlich noch genutzten Kellerraums berücksichtigt hat mit der Folge, dass
die zu berücksichtigende Gesamtfläche nicht lediglich 75 qm, sondern 100 qm und
demnach der Anteil der zur Einkünfteerzielung eingesetzten Fläche von insgesamt 48 qm
an der Gesamtfläche nicht lediglich 30,67 %, sondern 48 % beträgt, mithin von den nach
Abzug der Grundsteuer verbleibenden Aufwendungen des Kl. für das Objekt N.-Straße 01
ein Anteil von 48 % als WK berücksichtigungsfähig ist. Auch insoweit werden vom Bekl.
keine Einwendungen erhoben.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Eine Berücksichtigung von mehr als 48 % der vom Kl. in den einzelnen Streitjahren für das
Objekt N.-Straße 01 getätigten Aufwendungen kommt - abgesehen von den
Grundsteueraufwendungen - nicht in Betracht. Denn dient ein Gebäude - wie das Objekt N.-
Straße 01 - nicht nur der Erzielung von Einkünften, so sind die vom Steuerpflichtigen für
dieses Gebäude getätigten Aufwendungen, die - und das trifft auch auf die vom Kl. in den
Streitjahren gezahlten Straßenreinigungsgebühren zu - nicht direkt dem der
Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteil zugeordnet werden können, nach der
Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 27.10.1998 - IX R 29/96, BFHE 187, 284, BStBl II
1999, 680 und vom 25.03.2003 - IX R 22/01, BFHE 202, 171, BStBl II 2004, 348), der der
Senat folgt, nur nach dem Verhältnis der zur Einkünfteerzielung genutzten Wohn-
/Nutzflächen des Gebäudes zu denen, die nicht der Einkünfteerzielung dienen, abziehbar.
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass eine Aufteilung der WK nach dem
Verhältnis der Flächen, die zur Einkünfteerzielung genutzt werden zu denen, die nicht zur
Einkünfteerzielung genutzt werden, im Streitfall zu einem nicht sachgerechten Ergebnis
führt. In diesem Zusammenhang kann sich der Kl. insbesondere nicht darauf berufen, dass
er das Objekt N.-Straße 01 allein unter Ertragsgesichtspunkten erworben habe. Abgesehen
davon, dass sich dafür in dem abgeschlossenen Vertrag keinerlei Anhaltspunkte finden
lassen, ist bei im Privatvermögen gehaltenen und zur Einkünfteerzielung eingesetzten
Grundstücken grundsätzlich davon auszugehen, dass bei deren Anschaffung neben
Ertragsgesichtspunkten auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs
des Vermögens ausschlaggebend ist (vgl. Urteil des BFH vom 11.02.2003 - IX R 13/00,
BFH/NV 2003, 769).
Gegenüber einer Aufteilung seiner Aufwendungen für das Objekt N.-Straße 01 nach dem
Wohn-/Nutzflächenverhältnis kann sich der Kl. auch nicht mit Erfolg auf die
Entscheidungen des BFH vom 05.02.1998 - V R 101/96 (BFHE 185, 524, BStBl II 1998,
492) und vom 17.08.2001 - V R 1/01 (BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833) berufen. Diese
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Entscheidungen sind nicht zur Aufteilung von Aufwendungen für ein zum Teil zur
Einkünfteerzielung genutztes Objekt, sondern zur Aufteilung von Vorsteuerbeträgen
ergangen, so dass schon aus diesem Grund die Grundsätze dieser Entscheidungen auf
den Streitfall nicht übertragbar sind.
Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass sich aus dem Tatbestand der Entscheidung
vom 05.02.1998 ergibt, dass das FA bei der ESt dem Aufteilungsmaßstab nach dem
Ertragswertverfahren uneingeschränkt gefolgt sei. Hierbei handelt es sich lediglich um eine
Feststellung im Tatbestand. Aus dieser Feststellung kann jedoch nicht abgeleitet werden,
dass auch der Bundesfinanzhof die vorgenommene Aufteilung für richtig hält. Denn
Gegenstand der Entscheidung vom 05.02.1998 war allein die Rechtmäßigkeit der USt-
Festsetzung für 1989, nicht jedoch zugleich auch die Rechtmäßigkeit der ESt-Festsetzung.
Danach sind in den Streitjahren folgende Aufwendungen des Kl. als WK bei seinen
Einkünften aus V + V berücksichtigungsfähig:
a) 1998
Grundsteuer 251,79 DM davon 74,38 % = 187,28 DM
übrige Aufwendungen
und AfA 23.048,31 DM davon 48 % = 11.063,19 DM
als WK berücksichtigungsfähig 11.250,47 DM
b) 1999
Grundsteuer 251,79 DM davon 74,38 % = 187,28 DM
übrige Aufwendungen
und AfA 19.396,40 DM davon 48 % = 9.310,27 DM
als WK berücksichtigungsfähig 9.497,55 DM
c) 2000
Grundsteuer 251,79 DM davon 74,38 % = 187,28 DM
übrige Aufwendungen
und AfA 16.651,08 DM davon 48 % = 7.992,52 DM
als WK berücksichtigungsfähig 8.179,80 DM
Die Berechnung der ESt, die sich bei Zugrundlegung der als WK berücksichtigungsfähigen
Aufwendungen für die einzelnen Streitjahre jeweils ergibt, wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2
EStG dem Bekl. übertragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 137 S. 1 FGO. Soweit der Kl.
obsiegt hat, weil bei der Ermittlung des Aufteilungsmaßstabes andere Flächenverhältnisse
zu Grunde zu legen sind, beruht dies darauf, dass er erstmals im Klageverfahren
vorgetragen hat, dass vom Ladeninhaber auch der Keller genutzt wird. Soweit sein
Obsiegen darauf beruht, dass ein höherer Anteil seiner Grundsteuerzahlungen als WK
berücksichtigungsfähig ist, stellt sich sein Obsiegen als geringfügig dar.
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Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Frage, ob in Fällen, in
denen der vermietete Gebäudeteil vom Mieter gewerblich genutzt wird, die für das
Gebäude getätigten Aufwendungen nicht nach dem Flächenverhältnis der zur
Einkünfteerzielung genutzten Flächen zu den nicht zur Einkünfteerzielung genutzten
Flächen, sondern unter Ertragsgesichtspunkten aufzuteilen sind, erscheint dem Senat von
grundsätzlicher Bedeutung.