Urteil des FG Köln vom 20.11.2008

FG Köln: ausstattung, umzug, ausnahmefall, stadt, bestandteil, kaufpreis, entlastung, miete, käufer, grundeigentum

Finanzgericht Köln, 10 K 4922/05
Datum:
20.11.2008
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 4922/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über den Ansatz einer Mietentschädigung als Werbungskosten
bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit.
2
Bis einschließlich Juli 2003 bewohnten die Kläger ein Eigenheim in der Stadt C in der
Nähe der Stadt T. Der Kläger bezieht als Diplom-Ingenieur Einkünfte aus
nichtselbständiger Tätigkeit. Im August 2003 mussten die Kläger berufsbedingt
umziehen. Seit April 2003 hatten sie einen Makler mit dem Verkauf des selbstgenutzten
Hauses beauftragt. Ausweislich der Bestätigung des Maklers konnte bis April 2005
jedoch kein Käufer für das Haus gefunden werden. Die ortsübliche Miete für ein
modernes Wohnhaus mit gehobener Ausstattung in bevorzugter Wohnlage von C legen
die Beteiligten unstreitig mit 6 €/qm zugrunde. Daraus ergab sich ein Mietwert im Jahr
2004 von rd. 1.278 € monatlich.
3
In der Einkommensteuererklärung setzte der Kläger bei seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten auch für das Streitjahr 2004 noch
Umzugskosten an, und zwar u.a. den Posten "Mietentschädigung" i.H.v. 15.336 € (12 x
1.278 €) für das nach dem Umzug leerstehende Haus, weitere Fahrtkosten für die Haus-
und Garteninstandhaltung sowie Annoncen für den Hausverkauf (3.951 €), die
inzwischen nicht mehr streitbefangen sind.
4
Im vorliegend streitgegenständlichen, zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens
gewordenen Bescheid vom 16. November 2005 berücksichtigte der Beklagte als
Werbungskosten lediglich die Mietentschädigung für die Monate Januar bis August
2004 i.H.v. 10.224 € (8 x 1.278 €), da eine Mietentschädigung nach § 8 Abs. 3
Bundesumzugskostengesetz (BUKG) längstens für ein Jahr zu berücksichtigen sei und
deshalb nur für die Monate September 2003 bis einschließlich August 2004
berücksichtigt werden könne.
5
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehren die Kläger
6
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehren die Kläger
den Abzug einer Mietentschädigung auch für die Monate September bis Dezember
2004 (5.112 €). Bei dem Eigenheim in der Stadt C handle es sich um eine
repräsentatives, neuwertiges Einfamilienhaus (Baujahr 1994) in bevorzugter Höhenlage
mit hochwertiger Ausstattung. Die Kläger hätten sich bereits seit Anfang 2003 laufend
um den Verkauf des Hauses bemüht und etwa Anzeigen geschaltet. Anschließend habe
das Maklerbüro 97 Zeitungsinserate geschaltet, worauf sich insgesamt 88 Interessenten
gemeldet hätten. Der Verkauf des Hauses habe sich nur wegen der äußerst schwierigen
Marktlage hingezogen. Die Kreditvergabe der Banken sei restriktiv und die
Kaufinteressenten hätten Zukunftsängste (etwa vor Arbeitslosigkeit). Die Kläger hätten
auch ihre Preisvorstellungen schließlich der Marktlage angepasst, indem sie den
Kaufpreis von 398.000 € um 63.000 € auf 335.000 € reduziert hätten. Vor diesem
Hintergrund liege ein besonders begründeter Ausnahmefall vor, für den § 8 Abs. 3
BUKG eine Verlängerung der Jahresfrist um sechs Monate zulasse.
6
Nach den unbestrittenen Angaben des Bevollmächtigten in der mündlichen
Verhandlung erfolgt der Verkauf des Objekts erst im Jahr 2007, nachdem die Kläger den
Kaufpreis noch weiter reduziert hatten.
7
Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 16. November
2005 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2005 dahin zu
ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten
i.H.v. 5.112 € berücksichtigt werden (GA Bl. 28).
8
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
9
Der Beklagte meint, der Umstand, dass sich Wohneigentum nicht innerhalb eines
Jahres veräußern lasse, führe nicht zu einem besonders begründeten Ausnahmefall i.S.
§ 8 Abs. 3 Satz 2 BUKG. Die Jahresfrist sei eine pauschalierte Frist, welche die
verschiedensten, im gesamten Bundesgebiet auftretenden Faktoren abdecken solle,
von denen der Erfolg einer Immobilienveräußerung abhänge. Zu den so einbezogenen
Faktoren zählten nicht nur Alter, Zustand und Lage des Objektes, sondern auch die
regelmäßig schwankende Nachfrage (Marktlage). Es liege in der Natur einer
Pauschalierung, dass sie nicht in jedem tatsächlichen Sachverhalt gerecht werde. Dies
ändere jedoch nichts an der Zulässigkeit von Typisierungen wie der im Streitfall. Im
Übrigen treffe die schlechte Marktlage sämtliche Steuerpflichtige, die ihr Objekt
veräußern wollten, so dass von einem Ausnahmefall ohnehin keine Rede sein könne.
Auch in schlechten Zeiten lasse sich ein Käufer für ein Objekt finden, wenn der Preis
hinreichend attraktiv sei. Es sei nicht gerechtfertigt, eine von der Allgemeinheit zu
tragende steuerliche Entlastung für Risiken zu fordern, die das Halten von
Grundeigentum generell mit sich bringe.
10
Entscheidungsgründe
11
Die Klage ist unbegründet.
12
1. Werbungskosten sind nach § 9 EStG alle Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung
und Erhaltung der Einnahmen.
13
2. Zu den Werbungskosten gehören auch solche Aufwendungen, die einem
Arbeitnehmer durch einen beruflich veranlassten Wohnungswechsel entstehen, wobei
allerdings nicht alle mit einem beruflich veranlassten Umzugs verbundenen
14
Aufwendungen abziehbar sind. Ob der notwendige Veranlassungszusammenhang
vorliegt, bestimmt sich einerseits aufgrund einer wertenden Beurteilung des die
Aufwendungen auslösenden Moments; zum anderen kommt es darauf an, ob dieser
maßgebliche Bestimmungsgrund zur einkommensteuerrechtlich relevanten
Erwerbssphäre gehört. Die Abziehbarkeit der im Zusammenhang mit dem Umzug
aufgewandten Positionen richtet sich deshalb danach, ob diese - jeweils für sich
betrachtet - nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sind (BFH-Urteile vom 24. Mai
2000 VI R 147/99, BFHE 191, 561, BStBl II 2000, 476, vom 6. November 1986 VI R
135/85, BFHE 148, 283, BStBl II 1987, 188, vom 15. November 1991 VI R 36/89, BFHE
166, 456, BStBl II 1992, 492).
3. Zu den nicht abziehbaren Ausgaben gehören demgegenüber gemäß § 12 Nr. 1 Satz
2 EStG auch solche Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder
gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, selbst wenn diese
Aufwendungen zur Förderung des Berufs erfolgen. Nach ständiger Rechtsprechung
verbietet diese Vorschrift zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und
damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch
den Beruf fördern (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 147/99, BFHE 191, 561, BStBl II
2000, 476; R 41 Abs. 1 LStR 2004; vgl. ferner BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70,
BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 und vom 19. Oktober 1970 GrS 3/70, BFHE 100, 317,
BStBl II 1971, 21; partiell gegen das sog. "Aufteilungsverbot" inzwischen Drenseck,
Festschrift für Offerhaus, S. 497 ff; für die Nichtabziehbarkeit der Kosten für die
Anschaffung bürgerlicher Kleidung anlässlich des beruflich veranlassten Umzugs in
eine andere Klimazone BFH-Urteil vom 27. Mai 1994 VI R 67/92, BFHE 175, 57, BStBl II
1995, 17 und ebenso für die Nichtabziehbarkeit der Aufwendungen für die Ausstattung
der neuen Wohnung BFH-Urteil vom 17. Dezember 2002 VI R 188/98, BFHE 201, 208,
BStBl II 2003, 314).
15
4. Gemäß R 41 Abs. 2 Satz 1 LStR 2004 können bei einem beruflich veranlassten
Wohnungswechsel die tatsächlichen Umzugskosten grundsätzlich bis zur Höhe der
Beträge als Werbungskosten abgezogen werden, die nach dem BUKG als
Umzugskostenvergütung höchstens gezahlt werden könnten; ausgenommen ist hiervon
allerdings die Maklergebühr für die eigene Wohnung. Werden die
umzugskostenrechtlich festgelegten Grenzen eingehalten, ist nicht zu prüfen, ob die
Umzugskosten Werbungskosten darstellen; werden höhere Umzugskosten im
Einzelnen nachgewiesen, so ist insgesamt zu prüfen, ob und inwieweit die
Aufwendungen Werbungskosten oder nicht abziehbare Kosten der Lebensführung sind
(R 41 Abs. 2 Satz 2 und 3 LStR).
16
Der BFH hat für die Abgrenzung der als Werbungskosten abzugsfähigen Umzugskosten
demgegenüber ausgeführt, dass in Zweifelsfällen die Regelungen über die
Umzugskostenvergütung im öffentlichen Dienst zwar von Bedeutung sein könnten.
Daraus könne jedoch nicht allgemein gefolgert werden, dass alle Beträge, die einem
Beamten aus Anlass eines dienstlich angeordneten Umzugs gezahlt würden, als
Werbungskosten abzugsfähig seien. Denn das Umzugskostenrecht bilde einen Teil des
öffentlichen Dienstrechts und sei deshalb in nicht unwesentlichem Maße durch
fürsorgerechtliche Gesichtspunkte beeinflusst, die bei der Frage nach der
Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als Werbungskosten keine Rolle spielten.
Maßgeblich bleibe der allgemeine Werbungskostenbegriff des EStG. Deshalb findet die
Verweisung der LStR auf die Vorschriften des BUKG zur Ermittlung eines zutreffenden
Werbungskostenabzugs dort ihre Grenze, wo diese Regelungen mit dem allgemeinen
17
Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vereinbar sind. Für jede
Ausgabeposition bleibt somit zu prüfen, ob sie - jeweils für sich betrachtet - nahezu
ausschließlich beruflich veranlasst ist (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 147/99, BFHE
191, 561, BStBl II 2000, 476; ferner BFH-Urteil vom 27. Mai 1994 VI R 67/92, BFHE 175,
57, BStBl II 1995, 17: Nichtabziehbarkeit von Bekleidungskosten bei Umzug in eine
andere Klimazone; BFH-Urteil vom 17. Dezember 2002 VI R 188/98, BFHE 201, 208,
BStBl II 2003, 314: Nichtabziehbarkeit der Aufwendungen für die Ausstattung der neuen
Wohnung; ferner BFH-Beschluss vom 19. Januar 2001 VI B 198/00, BFH/NV 2001, 778
m.w.N., auch unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 1. März 1972 IV R 166/69; ebenso FG
Hamburg, Urteil vom 10. März 2003 II 327/02, nicht veröffentlicht). Entscheidend für den
Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug ist, worin das auslösende Moment für
die Zahlung liegt (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE
161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C II 2b bb).
5. Nach diesen Grundsätzen ist die Regelung des § 8 BUKG allenfalls begrenzt
tauglich, um die als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen eines beruflich
veranlassten Umzugs näher zu bestimmen.
18
a) Zu den Umzugskosten gehört gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BUKG auch die Miete für die
bisherige Wohnung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mietverhältnis frühestens gelöst
werden konnte. Dem steht nach § 8 Abs. 3 Satz 1 BUKG die bisherige Wohnung im
eigenen Haus oder die Eigentumswohnung mit der Maßgabe gleich, dass die
Mietentschädigung in Höhe des ortsüblichen Mietwerts längstens für ein Jahr gezahlt
wird; gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 BUKG kann diese Jahresfrist von der obersten
Dienstbehörde in besonders begründeten Ausnahmefällen um längstens sechs Monate
verlängert werden.
19
b) Maklerkosten, die beim Erwerb eines Eigenheims anfallen, gehören bei einem
beruflich veranlassten Umzug nicht zu den sofort abziehbaren Werbungskosten,
sondern zu den Anschaffungskosten des Eigenheims. Entsprechend sind auch
Veräußerungskosten für ein im Privatvermögen gehaltenes Eigenheim, das aus
beruflichen Gründen nicht mehr vom Steuerpflichtigen selbst bewohnt werden kann,
keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Denn solche
Veräußerungskosten sind Bestandteil eines nicht steuerbaren Veräußerungsgewinns
bzw. -verlusts (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 147/99, BFHE 191, 561, BStBl II 2000,
476: Vorfälligkeitsentschädigung). Laufende Betriebskosten des Eigenheims am
bisherigen Wohnort und ebenso Kosten für eine Zwischenfinanzierung, die im
Zusammenhang mit dem Neuerwerb eines Eigenheims aufgrund beruflich veranlassten
Umzugs für die Zeit bis zur Veräußerung des Eigenheims am bisherigen Wohnort
entstehen, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig (FG Hamburg, Urteil vom 10.
März 2003 II 327/02, nicht veröffentlicht).
20
c) Im Streitfall ist die Regelung des § 8 Abs. 3 BUKG fand jedenfalls nicht geeignet, die
Position einer sog. "Mietentschädigung" für die über die Dauer eines Jahres
hinausgehende Zeit als Werbungskosten zu qualifizieren. Ebenso wie
Veräußerungskosten Bestandteil eines nicht steuerbaren Veräußerungsgewinns bzw. -
verlusts sind und deshalb nicht zu den sofort abziehbaren Werbungskosten gehören, ist
es auch im Streitfall nicht gerechtfertigt, eine von der Allgemeinheit zu tragende
steuerliche Entlastung für Risiken zu fordern, die das Halten von Grundeigentum
generell mit sich bringt. Letztlich handelt es sich bei der sog. Mietentschädigung für das
Eigenheim am bisherigen Wohnsitz - trotz der Bestimmung in R 41 Abs. 2 Satz 1 LStR
21
2004 - auch nicht um einen realen Abfluss von Aufwendungen und damit um eine fiktive
Position, die noch nicht einmal als Aufwand qualifiziert werden kann. Es ist nicht
gerechtfertigt, der Gemeinschaft das Risiko der Nichtveräußerlichkeit von Vermögen
aufzuerlegen, auch wenn nach Beamtenrecht aus Fürsorgegesichtspunkten nach § 8
Abs. 3 Satz 1 BUKG für die Zeit von bis zu einem Jahr eine solche Mietentschädigung
gezahlt wird. Damit erübrigt sich die Frage, ob in Situationen wie im Streitfall von einem
besonders begründeten Ausnahmefalls gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 BUKG gesprochen
werden kann.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
22