Urteil des FG Köln vom 27.11.2006

FG Köln: betriebsstätte, zerlegung, gemeinde, telefonnetz, stadt hamburg, gemeinsame begehung, daten, infrastruktur, form, anschluss

Finanzgericht Köln, 2 K 6440/03
Datum:
27.11.2006
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 6440/03
Tenor:
Unter Aufhebung des durch Bescheid vom 13. Februar 2004 geänderten
Zerlegungs-bescheides vom 26. November 1999 und der
Einspruchsentscheidung vom 6. No-vember 2003 wird der Beklagte
verpflichtet, einen erneuten Zerlegungsbescheid un-ter Beachtung
folgender Grundsätze zu erlassen: Ausgehend vom Ergebnis der in den
angegriffenen Bescheiden vorgenommenen Oberzerlegung ist bei der
Unterzer-legung der Faktor Arbeitslöhne zu 75 vH, der Faktor Umsatz zu
25 vH zu berücksich-tigen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin und dem Beklagten
jeweils zur Hälfte auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig voll-streckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinter-legung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die
Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin ist eine Stadt, die an der Zerlegung des einheitlichen
Gewerbesteuermessbetrags der X-AG (Beigeladene zu 1.; im Folgenden: X-AG) für das
Jahr 1996 (Streitjahr) teilnimmt.
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Grundlage der von der Zerlegung betroffenen Telekommunikationstechnik sind die von
der X-AG betriebenen Netze, über die mit unterschiedlichen Techniken (analog oder
digital) Signale befördert werden. Die Netzstruktur war dabei im Streitjahr Folgende (auf
das Schreiben der X-AG vom 26. Januar 2006 samt Anlage, Bl. 267 ff. d.A., wird
insoweit verwiesen): Als Zugangsnetz wird insoweit das Teilstück des Gesamtnetzes
zwischen dem sog. Hauptverteiler und dem Abschlusspunkt Linientechnik (APL) am/im
Haus des Kunden bezeichnet. Im Zugangsnetz hat in aller Regel jeder Kunde eine
eigene Kupferdoppelader (sog. letzte Meile). Das Zugangsnetz der X-AG endet
demgemäß am APL, während die Endleitung im Haus (Verbindung von APL zum
Netzabschluss) vom Kunden oder in seinem Auftrag erstellt wird. Im Zugangsnetz wird
der Telekommunikationsverkehr von bzw. zu einem sog. Netzknoten geführt. Bis zum
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Auslaufen der Analogtechnik bestand das Zugangsnetz aus ca. 8000 als Betriebsstellen
der X-AG geführte Ortsvermittlungsstellen (OVSt), während nach der Vollumstellung auf
die Digitaltechnik ab 1997 ca. 1600 Mutter-Vermittlungsstellen (MVSt) und ca. 6300
abgesetzte periphere Einheiten (APE) betrieben wurden. Unter der Analogtechnik
blieben Gespräche innerhalb eines Anschlussbereiches, der OVSt, im Zugangsnetz und
gingen nicht ins sog. Verbindungsnetz, in dem der in den vorgenannten ca. 8000
Netzknoten gesammelte Verkehr mittels Übertragungs- und Vermittlungstechnik über
größere Entfernungen und ggf. unter Nutzung mehrerer Netzknoten zu seinem Zielort
transportiert wurde.
Die OVSt im Zugangsnetz befinden sich in eigenen Gebäuden der X-AG in
Einfamilienhausgröße, in denen sich technische Einrichtungen (Stromversorgung,
Vermittlungstechnik) befinden und bei denen nur die größeren Einrichtungen im
Streitjahr mit Personal ausgestattet waren, während ansonsten mobiles Personal zum
Einsatz kam, welches die Einrichtung regelmäßig aufsuchte und von der
entsprechenden Niederlassung der X-AG gestellt wurde. Nicht in jeder deutschen
Gemeinde befanden sich im Streitjahr Betriebsstellen, da es in Deutschland 5200
Ortsnetze (eigene Vorwahl) mit ca. 8000 Anschlussbereichen gibt und die
Ortsnetzgrenzen nicht mit den Gemeindegrenzen kongruent sind. Ein Ortsnetz umfasst
mindestens einen Anschlussbereich, wobei bei Großstädten mehrere
Anschlussbereiche umfasst sind (Bsp.: Stadt Hamburg 100 Anschlussbereiche). In
nahezu jeder Gemeinde befinden sich allerdings sog. Kabelverzweiger (KVz; die sog.
grauen Kästen), welche im Wesentlichen eine feste Verdrahtung der Kupferdoppelader
zum Kunden beinhalten. Für 4 vH der Haushalte ist aber auch Übertragungstechnik dort
eingebaut. Im Durchschnitt sind an einem KVz ca. 200 Kunden angeschlossen und
beträgt die Entfernung von Hauptverteiler zu Übergabepunkt (APL) im Schnitt ca. 2 km.
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Insgesamt ist der Netzaufbau dynamisch und wandelt sich unter der ständigen
technischen Entwicklung permanent. Die X-AG beschäftigt in mehreren
Niederlassungen ca. 50 000 Mitarbeiter, welche netzbezogene Tätigkeiten ausüben (ca.
50 vH Netzplanung und –ausbau, ca. 50 vH Kundendienst). Sie gibt insoweit an,
bezogen auf das Jahr 2005 ca. 146.000 Aufträge für die Herstellung der Anschluss- und
Verbindungsleitungen sowie den Bau und die Ergänzung der APL an/in den Häusern
der Kunden erhalten und 58.000 Kabelschadensfälle bezogen auf die ca. 1,5 Mio.
Kabelkilometer bearbeitet zu haben, wobei für das Streitjahr von ähnlichen
Verhältnissen auszugehen sei (auf das Schreiben der X-AG vom 26. Januar 2006 wird
nochmals verwiesen).
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Im Einzelnen gab es im Streitjahr nach den Ermittlungen der X-AG, welche allerdings
zum Teil auf Zuordnungen und Abschätzungen beruhen, folgende gemeindebezogene
Netztypologie: Von den insgesamt potentiell zerlegungsbetroffenen 14.302 Gemeinden
befanden sich in 4.858 VSt, wobei ca. 2006 mit und ca. 2852 ohne Personal
ausgestattet waren. In 9.443 Gemeinden gab es keine VSt, wohl aber ganz
überwiegend KVz (auf die entsprechende Liste der X-AG, Bl. 585 ff. d.A. wird
verwiesen). Lediglich in 284 Gemeinden gab es keine KVz, wobei allerdings 4
Gemeinden personallose VSt aufwiesen und entsprechend auf dem Gemeindegebiet
von nur 280 Gemeinden alleine unter- bzw. oberirdische Leitungen verliefen (auf das
Schreiben der X-AG vom 7. September 2006, Bl. 785 f. d.A., sowie die Anlage 2 zum
Sitzungsprotokoll wird insoweit verwiesen).
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Für das Streitjahr war erstmals eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags der X-
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AG durchzuführen. Mit Bescheid vom 12. April 1996 erließ der Beklagte zunächst für
Vorauszahlungszwecke einen Zerlegungsbescheid, in dem die Zerlegung gemäß § 29
des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne
vorgenommen wurde. An der Zerlegung waren 2 445 Gemeinden beteiligt.
Mehrere Gemeinden beantragten allerdings eine abweichende Zerlegung nach § 33
Abs. 1 GewStG, während andere, der entsprechenden Rechtsauffassung des
Deutschen Städte- und Gemeindebundes folgend, von einer sog. mehrgemeindlichen
Betriebsstätte i.S. des § 30 GewStG ausgingen und nach dieser Vorschrift eine
abweichende Zerlegung beantragten. Nach umfangreichen Erörterungen zwischen der
Finanzverwaltung und den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände wurde im
Festsetzungsverfahren die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags
unter Beteiligung aller 14 302 deutschen Städte und Gemeinden durch Bescheid vom
26. November 1999 wie folgt durchgeführt:
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In einer Oberzerlegung wurde der Gewerbesteuermessbetrag auf Gemeinden mit
Betriebsstätten der Organgesellschaften der X-AG, solchen der Geschäftsfelder
der X-AG ohne unmittelbare Netzbezogenheit und auf eine mehrgemeindliche,
durch das Telefonnetz begründete Betriebsstätte verteilt. Diese Zerlegung erfolgte
nach § 29 GewStG nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne der in den vorgenannten
Bereichen tätigen Mitarbeiter.
Nach der Durchführung der Oberzerlegung wurde dann der auf die vorgenannte
mehrgemeindliche (= netzbezogene) Betriebsstätte entfallende Messbetrag im
Rahmen einer Unterzerlegung nach den Faktoren Arbeitslöhne (50 vH) und
Umsatz je Gemeinde (50 vH) zerlegt. Die Umsätze wurden auf der Grundlage von
Ermittlungen der DTAG angesetzt, welche sich mangels tatsächlicher Daten für
das Streitjahr auf das Jahr 1998 bezogen.
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Mit der vorgenannten Zerlegung, die nochmals mit Änderungsbescheid vom 13. Februar
2004 korrigiert wurde, erklärten sich über 99 vH der 14 302 betroffenen Städte und
Gemeinden einverstanden. Die restlichen Städte/Gemeinden legten hingegen gegen
den Zerlegungsbescheid vom 26. November 1999 Einspruch ein, und zwar im Fall der
Klägerin am 2. Dezember 1999 . Ihren Einspruch begründete die Klägerin im
Wesentlichen (im Übrigen wird auf das Schreiben vom 2. Dezember 1999 verwiesen)
wie folgt: Beim Festnetz der X-AG handele es sich schon deshalb nicht um eine
mehrgemeindliche Betriebsstätte, weil es insoweit an der erforderlichen
Betriebsstätteneigenschaft fehle. Der in § 28 GewStG verwendete Betriebsstättenbegriff
sei enger als derjenige des § 12 der Abgabenordnung 1977 (AO 1977). Es fehle
insoweit an Feststellungen über das Vorhandensein konkreter Betriebsstättenmerkmale
in jeder einzelnen Gemeinde. Der gewählte Zerlegungsmaßstab "50 vH nach
Umsätzen" sei außerdem willkürlich und nicht geeignet, die etwaigen Gemeindelasten
wiederzuspiegeln. § 29 Abs. 1 GewStG gebe die Zerlegung nach Lohnsummen als
Regelmaßstab vor. § 30 GewStG enthalte für die Zerlegung bei mehrgemeindlichen
Betriebsstätten keinen Zerlegungsmaßstab, sondern gebe durch den Hinweis auf die
Gemeindelasten nur das Äquivalenzprinzip wieder. Soweit sich eine exakte Zuordnung
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der Lohnsummen zu den einzelnen Betriebsstätten vornehmen lasse, sei eine
Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GewStG geboten. Genau das sei aber im Streitfall
möglich, weshalb die Voraussetzungen für ein Ausweichen auf einen Ersatzmaßstab
nicht vorlägen.
Durch Einspruchsentscheidung vom 6. November 2003 wies der Beklagte den
Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung gab er im
Wesentlichen an, dass der gewählte Zerlegungsmaßstab angemessen sei und im
Einklang mit den Vorgaben des GewStG stehe. Das Telefonnetz der X-AG begründe
eine mehrgemeindliche Betriebsstätte i.S. des § 30 GewStG, wobei insoweit der
Betriebsstättenbegriff des § 12 AO 1977 maßgeblich sei. Bei einer mehrgemeindlichen
Betriebsstätte müsse nach § 30 GewStG die Zerlegung nach der Lage der örtlichen
Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte
erwachsenden Gemeindelasten erfolgen. Welcher Maßstab dabei anzulegen sei, werde
gesetzlich nicht bestimmt. Der Einschätzung des zuständigen Finanzamtes sei damit ein
weiter Spielraum eröffnet, der nach § 33 GewStG nur insoweit eingeschränkt sei als die
Zerlegung nicht zu einem offenbar unbilligen Verhältnis führen dürfe. Die
Voraussetzungen des § 33 GewStG lägen im Streitfall aber vor: Die Regelzerlegung
nämlich führe nämlich auf Grund des gemeindeübergreifenden Telefonnetzes bzw. der
Besonderheiten des Streitfalls zu keinem sachgerechten Ergebnis. Auf Grund der
Berücksichtigung der in § 30 GewStG angesprochenen Umstände könne eine
angemessene Zerlegung nur durch die Kombination der gewählten Zerlegungsfaktoren
vorgenommen werden. Der Ansatz des Umsatzfaktors mit 50 vH beruhe darauf, dass der
Wert der Betriebsanlagen, mit denen der Umsatz erzielt werde, nicht habe berücksichtigt
werden können. Den Arbeitnehmerlasten sei mit 50 vH hinreichend Rechnung getragen
worden, zumal die Ansiedlung von Arbeitnehmern den Gemeinden auch Vorteile bringe.
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Gegen den durch Änderungsbescheid vom 4. März 2004 nochmals korrigierten
Zerlegungsbescheid vom 26. November 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 6. November 2003 hat die Klägerin am 26. November 2003 Klage erhoben. Der
Senat hat nach Durchführung eines Erörterungstermins am 6. Juli 2005 (wegen des
Ergebnisses der Erörterungen wird auf das Protokoll in den Gerichtsakten verwiesen)
zunächst durch Beschlüsse vom 8. Juli 2005 einerseits die X-AG beigeladen und
andererseits die Durchführung des vereinfachten Beiladungsverfahrens nach § 60a der
Finanzgerichtsordnung (FGO) angeordnet. Nach Durchführung des vorgenannten
Verfahrens hat er dann durch Beschluss vom 3. November 2005 diejenigen Städte und
Gemeinden zum Verfahren beigeladen, welche fristgerecht einen entsprechenden
Beiladungsantrag gestellt haben.
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Ihre Klage begründet die Klägerin nunmehr wie folgt: Die Zerlegung beruhe bereits zu
Unrecht auf einer Ober- und Unterzerlegung. Die Oberzerlegung sei schon fehlerhaft,
weil eine auf das Festnetz bezogene mehrgemeindliche Betriebsstätte nicht vorliege
und daher kein Zerlegungsgrund nach § 33 GewStG vorliege. Darunter leide auch die
Unterzerlegung, zumal auch nicht in jeder Gemeinde separate Betriebsstätten
existierten. Zur Einspruchsentscheidung sei dabei Folgendes anzumerken: Einem
Leitungsnetz sei noch nie die Betriebsstätteneigenschaft zuerkannt worden. Vielmehr
habe der Bundesfinanzhof (BFH) dem Leitungsnetz lediglich die Eigenschaft
zugesprochen, die separaten Einzelbetriebsstätten miteinander zu einer
mehrgemeindlichen Betriebsstätte zu verbinden. Folglich könne das Leitungsnetz als
solches keine mehrgemeindliche Betriebsstätte begründen. Der BFH habe im Übrigen
verlangt, dass jeder Teil einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte jeweils für sich die
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Betriebsstätteneigenschaft aufweisen müsse, weil es nicht Sinn der Zerlegung sei, eine
Gemeinde einzubeziehen, in der keine dauernde gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werde.
Die Betriebsstätteneigenschaft habe das Gericht etwa für eine oberirdisch verlaufende
Rohrleitung eines Ölunternehmens verneint. Auch in dem vom Beklagten angegebenen
"Gleisanlagen"-Urteil habe das Gericht lediglich die Verknüpfung mehrerer
Betriebsstätten durch das Schienennetz zu einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte
angenommen. Ähnliches gelte im "Omnibus"-Fall, in dem der BFH ausgeführt habe,
dass der erforderliche räumliche Zusammenhang nicht durch das Straßennetz
hergestellt werden könne. Für das Kabelnetz der X-AG könne nichts anderes gelten,
weil die X-AG es auch anderen Anbietern zur Verfügung stellen müsse und der Kunde
sich sogar gesprächsweise den Anbieter auswählen könne. Das Kabelnetz werde
folglich –-ähnlich wie das Strassen- oder Schienennetz— von einer Vielzahl von
Benutzern frequentiert, weshalb es einzelne Betriebsstätten auch nicht verklammern
könne. Folge man hingegen der Auffassung des Beklagten, so müssten auch andere
Telekommunikations- oder die Elektrizitätsunternehmen jeweils eine einzige
bundesweite Betriebsstätte unterhalten, obwohl das Netz doch lediglich als
Transportweg für Informationen bzw. Daten diene. Anders als bei Stromanbietern
würden keine Leistungen abgegeben. Daran änderten auch die Ausführungen des
Beklagten zur Telekommunikations-Infrastruktur und Technik der Netzkomponenten
nichts, weil daraus selbst folge, dass das Telefonkabel als vermittelndes Element in
seiner Funktion zurücktrete.
Es sei auch falsch, wenn der Beklagte annehme, er könne durch die Annahme einer
mehrgemeindlichen Betriebsstätte alle Gemeinden in die Zerlegung einbeziehen. Nach
der höchstrichterlichen Rechtsprechung komme es darauf an, dass jeder Teil der
mehrgemeindlichen Betriebsstätte für sich die Betriebsstätteneigenschaften erfülle. Nur
soweit das zu bejahen sei, könnten die jeweiligen Betriebsstätten am
Zerlegungsverfahren beteiligt werden. Erst dann sei die Frage zu beantworten, ob
überhaupt eine Gemeindelast vorhanden sei und ob und wie diese bei der Zerlegung zu
berücksichtigen sei. Zum reinen Kabelnetz müssten aber weitere Betriebsanlagen
hinzutreten, um die Eigenschaft als Betriebsstätte bejahen zu können. Dies lasse sich
aber auch dann nicht bejahen, wenn man mit dem Beklagten die jeweilige
Vermittlungsstelle mit den Kabelverbindungen zu Gebäuden zusammen betrachte.
Dazu müsse die Finanzverwaltung ggf. Feststellungen zu allen 14.302 Gemeinden
treffen. Außerdem hätten diverse Oberfinanzdirektionen für Mobilfunkunternehmen die
Auffassung vertreten, dass das Vorhandensein einer Basisstation nicht zu einer
Beteiligung der jeweiligen Gemeinde an der Zerlegung berechtige, weil es sich insoweit
nicht um Betriebsstätten handele, obwohl doch insoweit Antennenanlage,
Energieversorgung, Funkschrank und Klimagerät vorhanden seien. Nach den Angaben
der X-AG gebe es im Streitfall außerdem auch kleine Gemeinden, die sich einen
Kabelverzweiger geteilt hätten. Ein bloßes Kabel ohne Netzkomponenten könne aber
keine Betriebsstätte darstellen.
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Der Beklagte habe auch die Vorrangwirkung des § 29 Abs. 1 GewStG nicht beachtet:
Auch im Falle des § 30 GewStG könne nämlich eine Zerlegung nach Lohnsummen
erfolgen, was sogar geboten sei, soweit sich die Lohnsummen den jeweiligen
Betriebsstätten zuordnen ließen. Gerade das sei aber im Streitfall -–anders als etwa bei
den für § 30 GewStG typischen gemeindeüberschreitenden Grundstücken-- gegeben,
weshalb ein Ersatzmaßstab nicht zur Anwendung kommen dürfe. Eine Abweichung vom
Regelmaßstab komme also nur ausnahmsweise in Betracht, soweit die
Voraussetzungen des § 33 GewStG vorlägen. Gerade das sei aber nicht der Fall: Weder
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liege eine Einigung nach § 33 Abs. 2 GewStG vor noch führe das Abstellen auf den
Regelmaßstab zu einem offenbar unbilligen Ergebnis i.S. des § 33 Abs. 1 GewStG.
Dazu reiche nämlich nicht jede offenbare Unbilligkeit aus, die Unbilligkeit müsse
vielmehr von erheblichem Gewicht und geradezu augenfällig sein. Das könne aber nur
bejaht werden, wenn sich aus den atypischen Einzelfallumständen eine Unbilligkeit
ergebe, welche die aus dem groben Maßstab des § 29 GewStG folgende Ungenauigkeit
noch übertreffe. Selbst wenn man also mit dem Beklagten von 14.302
Betriebsstättenorten ausgehe, folge daraus noch nicht die Anwendbarkeit des § 33
GewStG, weil keine entsprechenden erheblichen Gemeindelasten entstanden seien.
Darauf gehe der Beklagte aber nicht ein, sondern berufe sich auf die
Betriebsstättenfiktion und die Übereinstimmung mit 99 vH der Gemeinden. Er gehe auch
zu Unrecht davon aus, dass die Sachentscheidung zu §§ 30, 33 GewStG nur einer
eingeschränkten Kontrolle unterliege.
§ 30 GewStG schreibe die Berücksichtigung der Gemeindelasten zwingend vor, wobei
kumulativ auf diese Lasten und die örtlichen Verhältnisse abgestellt werde. Es sei also
schon falsch, wenn der Beklagte meine, dass es auf die konkreten Gemeindelasten
nicht ankomme, weil doch die Gemeindelast die einzige Bezugsgrösse für die
Zerlegung sei. Dazu behaupte der Beklagte zwar, dass unterirdisch verlaufende Kupfer-
bzw. Glasfaserkabel ebenso wie die "kleinen grauen Schaltschränke" Gemeindelasten
auslösen würden. Das entspreche aber bzgl. der Kabel bereits nicht den Vorgaben des
Telekommunikationsgesetzes (TKG), in dem in den §§ 50 ff. Spezialregelungen über die
Lastenverteilung enthalten seien. Nach §§ 50 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V. mit 6 Abs.
1 Nr. 1 TKG habe die X-AG ein unentgeltliches Nutzungsrecht der Verkehrswege. Das
gelte auch während des Baus von öffentlichen Zwecken dienenden
Telekommunikationslinien, die in § 3 Nr. 20 TKG definiert seien. Die betroffene
Gemeinde müsse den Einbau hinnehmen und dürfe keine Sondernutzungsgebühren
erheben. Vielmehr bestehe eine Nutzungsmöglichkeit der Leitungen für jedermann.
Auch habe die Verlegung der Leitungen keine sonstigen Folgen, weil sie zusammen mit
derjenigen von Gas-, Wasser- und Stromleitungen durchgeführt und sogar die
technische Infrastruktur der jeweiligen Gemeinde aufgewertet werde. Im Gegenzug zur
Duldungspflicht der Gemeinden regelten §§ 52 und 53 TKG Rücksichtnahme- und
Instandhaltungspflichten bzw. Kosten- und Auslagenersatz der X-AG an die betroffenen
Gemeinden, so dass diesen durch die Nutzung bzw. Verlegung keine
Mehraufwendungen entstehen würden. Eine Gewichtung bei den hier problematischen
Gemeindelasten müsse also wegen der Abwälzungsmöglichkeit unterbleiben, was auch
für die von der X-AG geschilderten umfangreichen Wartungs-, Prüf-, Reparatur-,
Erneuerungs- und sonstigen Arbeiten gelte. Es sei diesbezüglich ohnehin nicht
auszuschließen, dass die geschilderten Wartungs- und Reparaturarbeiten zumindest
auch von externem Personal durchgeführt worden seien, welches durch selbst
gewerbesteuerpflichtige lokale Gewerbebetriebe beigestellt worden sei. Auch sei der
durch die Arbeiten ausgelöste Verkehr mengenmäßig wohl zu vernachlässigen. Nichts
anderes gelte, soweit neben den reinen Kabeln noch kleinere Betriebsanlagen in Form
der Kabelverteiler vorhanden seien. Immerhin regelten auch insoweit die vorgenannten
Vorschriften die Kostenlast und müsse die X-AG auch noch Anliegerbeiträge zahlen.
Soweit kein Personal vorhanden sei, könne also keine Gemeindelast anfallen. Auch sei
darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber die kostenlose Nutzung des Kabelnetzes
trotz des Widerstandes der Gemeinden auch nach der Privatisierung der X-AG
beibehalten habe. Nichts anderes gelte für angebliche straßenverkehrsrechtliche
Begleitregeln oder die erforderlichen Bauleitplanungen. Gemeinden, welche im
Ergebnis also keine Lasten zu tragen hätten, seien entsprechend nur dem Grunde nach
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an der Zerlegung zu beteiligen, ihnen sei aber ein Zerlegungsanteil in Höhe von 0
zuzuordnen.
Es sei weiterhin schon denkgesetzlich ausgeschlossen aus Umsätzen Gemeindelasten
abzuleiten. Hinzu komme, dass der Beklagte auf Zahlenmaterial für 1998 sowie auf die
Zuordnung nach Rechnungsempfängern zurückgreife, während doch die Zerlegung
nach § 30 GewStG nicht nach Belieben vorgenommen werden dürfe. Auch beruhten die
Ermittlungen zur Netzstruktur zum Teil auf Vermutungen der X-AG. Dass 99 vH der
betroffenen Gemeinden keinen Einspruch eingelegt hätten, heiße im Übrigen noch
nicht, dass diese mit dem Vorgehen des Beklagten einverstanden seien. Es sei dazu zu
beachten, dass die Gemeinden kein Zahlenmaterial zu den Geschäften der X-AG
vorlegen könnten. Insoweit sei der Beklagte nach § 88 AO 1977 und unter Mitwirkung
der Steuerpflichtigen nach § 90 AO 1977 gehalten, den Sachverhalt zu ermitteln, wobei
der Beklagte die besseren Möglichkeiten habe, an Daten der X-AG zu gelangen. Aus
der Tatsache, dass eine Mitwirkung der Gemeinden faktisch unmöglich sei, folge aber
nicht, dass dann jede Entscheidung des Beklagten rechtmäßig sei. Immerhin habe
dieser die Gemeinden gleichsam gezwungen, die gemeinderelevanten Umsatzdaten zu
erheben, was als solches schon rechtswidrig sei. Auch sei darauf hinzuweisen, dass der
Beklagte trotz entsprechenden Hinweises die in § 360 Abs. 3 AO 1977 vorgesehene
Hinzuziehung aller betroffener Gemeinden unterlassen habe, obwohl dies ohne
mündliche Verhandlung möglich gewesen sei, während eine Beiladung durch das FG
eine mündliche Verhandlung nach sich ziehe. Schließlich müsse die Finanzverwaltung
kon-
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Sequenterweise eine entsprechende Zerlegung auch bei den Konkurrenten der X-AG
vornehmen, was aber möglicherweise unterblieben sei und was der Gesetzgeber
wegen des extremen Aufwands auch sicher nicht gewollt habe. In der Sache lägen der
Höhe nach an der Gewerbesteuerzerlegung zu beteiligenden Betriebsstätten nur bei
den 2.006 Gemeinden vor, auf deren Gebiet die X-AG Betriebsstellen mit Personal
unterhalte, während solche Betriebsstellen ohne Personal zwar Betriebsstätten
darstellten, diese aber der Höhe nach nicht an der Zerlegung zu beteiligen seien. Selbst
wenn man diesen Gemeindekreis aber mit einschlösse, so sei der Umsatzmaßstab als
solcher ungeeignet und jedenfalls deutlich geringer zu gewichten, um seine rechtliche
Angreifbarkeit zu mildern.
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Die Klägerin beantragt,
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die Zerlegung des Gewerbesteuermessbescheides 1996 vom 26. November 1999,
geändert durch Bescheid vom 13. Februar 2004, wie folgt zu ändern: für die
Messbeträge nach dem Ertrag und nach dem Kapital gilt jeweils als
Zerlegungsmaßstab das Verhältnis der Arbeitslöhne; hilfsweise die Revision
zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt er im Wesentlichen Folgendes aus: Für wesentliche
Unternehmensbereiche der X-AG stelle das Netz einen unverzichtbaren Teil dar, der
eine einheitliche mehrgemeindliche Betriebsstätte begründe. Für das Vorhandensein
einer solchen müsse zunächst eine Betriebsstätte vorliegen und erst dann stelle sich die
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Frage der Mehrgemeindlichkeit. Die X-AG unterhalte in allen Gemeinden Deutschlands
durch das aus den Komponenten Betriebsstellen, Kabelverteiler, Haupt- und
Verzweigungskabel etc. bestehende Telefonnetz Betriebsstätten. Insoweit sei § 12 AO
1977 maßgeblich und es reiche jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der
Tätigkeit des Unternehmens diene. Insoweit könne auf die BFH-Rechtsprechung
abgestellt werden, wonach die Geschäftseinrichtung bzw. Anlage eine feste Beziehung
zur Erdoberfläche voraussetze, von einer gewissen Dauer sein und der Tätigkeit des
Unternehmens dienen müsse und über welche der Steuerpflichtige nicht nur
vorübergehend Verfügungsmacht habe. Als Geschäftseinrichtung komme dabei jeder
körperliche Gegenstand in Betracht, welcher der Unternehmenstätigkeit diene. Im
Streitfall handele es sich bei jeder einzelnen Vermittlungsstelle und den dazu gehörigen
Kabelverbindungen um eine Zusammenfassung körperlicher Gegenstände, welche das
Merkmal der Geschäftseinrichtung bzw. Anlage erfüllten und dem Geschäftsinteresse
der DTAG dienten. Die einzelnen Komponenten des Telefonnetzes stellten dabei die
wesentlichen Betriebsgrundlagen der X-AG dar, deren Funktion über einen Transport
hinausgingen. Es liege eine Vergleichbarkeit zu Erdölpipelines vor, die als
Betriebsstätte anerkannt seien und wo es nach der Rechtsprechung nicht darauf
ankomme, dass diese rein mechanisch betrieben würden. Bei den oberirdisch
errichteten Vermittlungsstellen und den im Wesentlichen unterirdisch verlaufenden
dazugehörigen Kabelverbindungen (Linien) handele es sich wegen der dauerhaften
Verbindung mit dem Erdboden um feste Geschäftseinrichtungen i.S. des § 12 Satz 1 AO
1977, zumal die Vermittlungsstellen in Gebäuden untergebracht seien. Die
vorgenannten Einrichtungen seien auch von gewisser Dauer, weil sie für einen
langfristigen Gebrauch vorgesehen seien und ihr Gebrauch auf gesicherten
Vertragsgrundlagen (i.S. einer unentziehbaren Rechtsposition) beruhe. Es handele sich
inhaltlich um den "Lebensnerv" der X-AG, was dazu führen müsse, die
Vermittlungsstellen und das Leitungsnetz –also das gesamte Telefonnetz— als Einheit
zu betrachten. Dass nicht in jeder Vermittlungsstelle Personal vorgehalten werde, sei
dabei unerheblich. Das Rohrleitungsurteil des BFH sei nach dem Wegfall des § 16 Abs.
4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) auf den Streitfall nicht mehr anwendbar.
Soweit dessen Inhalt in § 28 Abs. 2 GewStG übergeleitet worden sei, komme dem nur
für die Zerlegung, nicht aber für die Frage nach der Betriebsstätteneigenschaft
Bedeutung zu. Bei Schienen, Rohrleitungen, Pipelines, Kabeln und dergleichen
handele es sich zweifellos um Betriebsstätten i.S. des § 12 AO 1977 und es würden die
Einschränkungen des § 16 Abs. 3 und 4 StAnpG nicht mehr gelten. Die jeweilige
Betriebsstätte in Form der Vermittlungsstelle samt Leitungsnetz führe eine eigene
Tätigkeit aus, die vom Sammeln von Daten über das Zerlegen, Zusammenfügen und
das Festlegen des Transportweges reiche. Insoweit könne auf die Rechtsprechung zu
den Breitbandkabel-Hausverteiler-anlagen sowie die Satellitenempfangsanlagen
verwiesen werden. Das Netz lasse sich auch nicht in der Weise beschreiben, dass
lediglich Verbindungen zwischen zwei Punkten geschaltet würden, sondern es stelle
ein einheitliches Gebilde und verbindendes Element für alle dem Festnetzbetrieb
dienenden Anlagen und Einrichtungen dar.
Die Rechtsprechung bejahe eine mehrgemeindliche Betriebsstätte, wenn mehrere
Anlagen in räumlicher, organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht ein
einheitliches Ganzes darstellten. Der räumliche Zusammenhang ergebe sich im
Streitfall nicht nur durch die Erdoberfläche, sondern auch durch die Kabelverbindungen,
die nicht als separate Einrichtungen eingeordnet werden könnten. Das Netz stehe auch
in einem technisch-organisa-torischen Gesamtzusammenhang, der geradezu den
Prototypen einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte darstelle. Gegenüber diesem
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technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhang trete sogar der
räumliche Aspekt in den Hintergrund. Dagegen spreche auch nicht die Tatsache, dass
die X-AG anderen Anbietern den Netzzugang ermöglichen müsse, weil dies sich auf die
Frage nach dem Vorliegen einer Betriebsstätte nicht auswirke. Auch § 28 Abs. 2
GewStG stehe dem nicht entgegen, weil keine Stoffe bzw. Energie weitergeleitet werde.
Auch der Einsatz von Personal sei nicht erforderlich, wenn die Geschäftseinrichtung
vollautomatisch arbeite und könne das Vorhandensein einer mehrgemeindlichen
Betriebsstätte mit § 28 Abs. 1 GewStG sowie aus dem Umkehrschluss aus § 28 Abs. 2
GewStG abgeleitet werden.
Erstrecke sich die Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden, so sei der Messbetrag auf die
Gemeinden zu zerlegen, auf welche sich die Betriebsstätte erstrecke, und zwar nach der
Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein
der Betriebsstätten erwachsenden Gemeindelasten. § 30 GewStG trenne zwischen der
Verpflichtung zur Zerlegung und dem dabei anzusetzenden Maßstab. Zu letzterem sei
durch unbestimmte Rechtsbegriffe nur ein grober Maßstab gesetzt, so dass die
entstehenden Gemeindelasten nur beim Zerlegungsmaßstab grob und schematisch zu
berücksichtigen seien. Dafür sei die Aussage von Bedeutung, dass die Zerlegung
wegen des vorgegebenen groben Maßstabs nur nach Art einer Schätzung im Wege der
Abwägung aller Interessen erfolgen könne und die Beteiligten sich im Falle der
fehlenden Einigung damit abfinden müssten, dass eine alle befriedigende Lösung kaum
je gefunden werden könne. Deshalb könne von der Entscheidung der Finanzbehörde
nur abgewichen werden, soweit diese die Vorgaben des Gesetzes nicht beachtet und
die örtlichen Verhältnisse gröblich verkannt habe. Es sei nicht vorausgesetzt, dass der
jeweiligen Gemeinde feststellbare Lasten erwachsen würden, weil § 30 GewStG nur
Zerlegungsgrundsätze vorgebe.
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Der Beklagte habe von dem ihm eingeräumten Spielraum in rechtmäßiger Weise
Gebrauch gemacht: Dem Arbeitnehmerfaktor komme erhebliche Bedeutung zu, wobei
die Rechtsprechung ihn regelmäßig mit 50 vH berücksichtige und im Übrigen nach
Anlagewerten, Flächen oder Umsätzen verteile. Eine reine Beschränkung auf die
Arbeitslöhne sei hingegen nicht gerechtfertigt, weil die fraglichen Betriebsstätten in
großen Teilen nicht über eigenes Personal verfügten und die Arbeitnehmer angesichts
des Vorliegens einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte als auf deren gesamtem Raum
beschäftigt gelten müssten. Eine Zuordnung zu bestimmten Betriebsstättenteilen sei
danach ausgeschlossen. § 30 GewStG berücksichtige zu Recht, dass den Gemeinden
bestimmte Lasten (etwa Bau/Unterhaltung von Strassen, Kindergärten, Schulen,
Krankenhäusern, Polizei- und Fürsorgelasten) entstünden, diese ziffernmäßig exakt zu
bemessen, sei aber unmöglich und es seien also nur grobe Schätzungen möglich. Bei
Betriebsanlagen werde das Entstehen von Gemeindelasten unterstellt und könne auch
davon ausgegangen werden, dass auf dem Gebiete jeder Teilbetriebsstätte
Arbeitnehmer der X-AG wohnten und die entstehende Belastung sich gleichmäßig
verteile. Genau das habe er, der Beklagte, durch den gewählten Zerlegungsmaßstab
berücksichtigt.
27
Dass er insoweit rechtsfehlerhaft gehandelt habe, sei nicht erkennbar. Ihm stehe zwar
kein Ermessen, wohl aber ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum
zu, der nur verletzt werde, wenn die örtlichen Verhältnisse gröblich verkannt würden und
die Zerlegung deshalb zu einem falschen Ergebnis führe. Anders als die Klägerin meine
seien die Besonderheiten des Steuerfalls und die örtlichen Verhältnisse berücksichtigt
worden und habe er, der Beklagte, einen Zerlegungsmaßstab gewählt, der die
28
Interessen der allermeisten Beteiligten berücksichtige, willkürfrei sei und zu einem
billigen Ergebnis führe. Auch für Gemeinden, auf deren Gebiet nur Kabelverzweiger
stünden oder sogar nur Leitungen verliefen, bestünden nämlich nicht nur abstrakte,
sondern ganz konkrete Lasten. Diese ergäben sich daraus, dass die genannten
Anlagenteile zum flächendeckenden Netz der X-AG gehörten, an dem insgesamt
permanent Herstellungs-, Reparatur- und Wartungsarbeiten durchgeführt würden. Dabei
reichten aber oft Maßnahmen per Fernsteuerung nicht aus, sondern es müsse Personal
vor Ort agieren und es seien verkehrsrechtliche Anordnungen vom Wegelastträger
einzuholen, dieser müsse die Bauarbeiten am oder im Straßenraum koordinieren und es
werde der Aufwand nicht über das TKG abgegolten. Für 1996 habe die X-AG dazu
angegeben, dass sie 146.000 Aufträge für die Herstellung der Anschluss- und
Verbindungsleitungen sowie den Bau und die Ergänzung der APL in den Häusern der
Kunden erhalten und 58.000 Kabelschadensfälle zu bearbeiten gehabt habe. Auch
habe sie 50.000 Mitarbeiter mit netzbezogenen Tätigkeiten beschäftigt, welche ebenfalls
die kommunale Infrastruktur nutzen und damit Gemeindelasten auslösen würden. Nichts
anderes gelte für den permanenten technischen Netzausbau. Da großen Teilen des
Netzes kein Personal dauerhaft zugeordnet sei, sei ein Abstellen alleine auf den Faktor
Arbeitslöhne entsprechend nicht zielführend und sage die Summe der in einer
Gemeinde gezahlten Löhne nichts über die der jeweiligen Gemeinde durch die
entsprechenden Arbeitnehmer entstehenden Lasten aus. Deshalb sei es auch richtig,
die Arbeitnehmer gleichsam durch den zweiten Zerlegungsfaktor "Umsatz" als auf die
gesamte mehrgemeindliche Betriebsstätte verteilt anzusehen, was nicht willkürlich sei
und dem vom Gesetzgeber vorgegebenen rohen Maßstab entspreche.
Die Beigeladenen haben sich zur Sache --ohne eigene Sachanträge-- wie folgt
geäußert:
29
Die X-AG stimmt inhaltlich den Ausführungen des Beklagten zu.
30
Die Beigeladene zu 15 führt aus, die wesentlichen Gemeindelasten in Form von Kosten
für den Bau und Unterhalt von Wohnungen, Verwaltungs- und
Versorgungseinrichtungen, Schulen, Krankenhäusern und Straßen trügen die
Gemeinden des Wohnortes der Arbeitnehmer. Gemeinden mit geringem
Gewerbesteueraufkommen hätten zwar einen Anteil am örtlichen
Einkommensteueraufkommen in Höhe von 15 vH zugesprochen bekommen, dies decke
die Gemeindelasten aber nicht ab.
31
Die Beigeladene zu 22 führt aus, schon die Grundannahme des Beklagten, beim
Festnetz der X-AG handele es sich um eine mehrgemeindliche Betriebsstätte, sei falsch,
weil die entsprechenden Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt seien. Jedenfalls seien
Gemeinden nicht zu berücksichtigen, durch deren Gemeindegebiet lediglich Kabel
liefen. Der Beklagte verstoße auch hinsichtlich des Zerlegungsmaßstabes gegen die
Vorgaben des § 30 GewStG, der eine Berücksichtigung der Gemeindelasten zwingend
vorsehe. Insoweit kämen Telekommunikationslinien nicht in Betracht, weil dieser
Bereich im TKG abschließend geregelt sei.
32
Die Beigeladene zu 87 pflichtet den Ausführungen der Klägerin sowie der
Beigeladenen zu 22 bei und führt aus, dass die vom Beklagten vorgenommene
Zerlegung eine Vorverlegung der dem Gesetzgeber vorbehaltenen
Unternehmenssteuerreform darstelle.
33
Die Beigeladenen zu 3, 4, 11 bis 14, 20 sowie 24 bis 85 führen schließlich aus, dass die
vom Beklagten durchgeführte Zerlegung rechtmäßig sei. So stelle das Leitungsnetz der
X-AG eine mehrgemeindliche Betriebsstätte dar und sei der auf diese Betriebsstätte
entfallende Anteil des Gewerbesteuermessbetrages nach Maßgabe des § 30 GewStG
zu zerlegen. Das Netz der X-AG stelle eine Betriebsanlage dar, welche sich räumlich
auf das Gebiet aller inländischen Gemeinden erstrecke und naturgemäß auch technisch
zusammenhängend sei. Es diene auch erst in seiner Gesamtheit der Entfaltung der
wirtschaftlichen Tätigkeit der X-AG. Konkrete Gemeindelasten i.S. des § 30 GewStG
entstünden durch das Netz allen an der Zerlegung beteiligten Gemeinden: So befänden
sich die ca. 310.000 KVz typischerweise im Bereich der öffentlichen Gehwege und
seien Kabel ober- oder unterirdisch auf dem Gemeindegebiet aller betroffenen
Gemeinden verlegt. Hinzu komme, dass das Netz in seinem Aufbau dynamisch sei und
einem ständigen Veränderungsprozess unterliege. Dieser Umstand löse permanente
Arbeiten der X-AG am gesamten Netz aus und werde die gemeindliche Infrastruktur
erheblich in Anspruch genommen sowie ein entsprechend hoher Überprüfungs-,
Koordinierungs- und Abstimmungsaufwand erforderlich (auf die Kommunalen
Koordinierungsrichtlinien, Bl. 516 f. d.A., wird verwiesen). Das gelte schon für den
Normalbetrieb des Netzes: Dieser Betrieb löse bereits ständige Unterhaltungs- und
Wartungsarbeiten der X-AG aus, die auf der Gemeindeseite zu Aufwand führten. So
würden zunächst die regelmäßig als Tiefbauarbeiten durchzuführenden Arbeiten von
der X-AG gemeldet, dann werde hinsichtlich des Straßenkörpers eine Beweissicherung
bzgl. etwaiger Vorschäden durchgeführt und es würde regelmäßig der öffentliche
Straßenraum aufgebrochen. Allein 2005 habe es 146.000 solche Bau- und
Ergänzungsmaßnahmen gegeben, welche sich auf das gesamte Netz bezogen hätten
und sowohl an den Kabeln, den KVz und an den APL durchgeführt worden seien. Es sei
offensichtlich, dass dazu der öffentliche Straßenraum stark frequentiert werden müsse
(auf das Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft,
Telekommunikation und Verkehr vom 8. November 2002, Bl. 518 f. d.A., wird
verwiesen). Jedenfalls müsse die betroffene Gemeinde verkehrsregelnde Anordnungen
während der Bauausführung treffen und die Arbeiten am Ende abnehmen. Die Kosten
der Abnahme würden durch die Gebühren für die verkehrsrechtlichen Anordnungen
nicht abgedeckt. Auch sei zu bedenken, dass der Straßenkörper –und zwar auch bei
Arbeiten an KVz-- regelmäßig beschädigt und trotz Wiederherstellung in seiner Qualität
gemindert werde, so dass ein vorzeitiger Erneuerungsbedarf auftrete (auf die
Stellungnahmen diverser Gemeinden, Bl. 520 ff. d.A., wird verwiesen). Hinzu komme
noch, dass es neben den vorgenannten Arbeiten das gesamte Netz betreffende
Störungsfälle im fünfstelligen Bereich gebe, welche regelmäßig ebenfalls die
Beteiligung von Gemeindemitarbeitern erforderten. So müssten die entsprechenden
Unternehmensanzeigen bearbeitet, Trassenauskünfte anderer Netzbetreiber eingeholt
bzw. sogar manchmal der Trassenverlauf erst durch Ortung ermittelt werden, wobei
Leitungen oftmals über Kreuz oder in nicht exakt dokumentierten Tiefen verliefen (auf
die Ausführungen der Gemeinde Vöhl vom 27. Februar 2006, Bl. 529 f. d.A., wird
verwiesen). Hinzu kämen die erforderlichen verkehrsrechtlichen Anordnungen sowie die
oft umfangreichen Grabungen und außerdem die Überwachung und Abnahme der
Arbeiten bis hin zu Mängelbeseitigungsmaßnahmen und der
Gewährleistungsüberwachung (auf die Stellungnahme der Gemeinde Viernheim vom
20. Februar 2006, Bl. 531 f. d.A., wird verwiesen). Schließlich komme es oftmals auch
noch zu Leitungsänderungen, die einen entsprechenden Aufwand auslösten.
Abgesehen davon sei mit Blick auf das Streitjahr noch zu beachten, dass damals noch
jeder neue Anschluss sowie jede Anschlussänderung am KVz habe freigeschaltet
werden müssen. Auch insoweit seien also ständig Techniker der X-AG im gesamten
34
Netzbereich unterwegs gewesen. Hinzu kämen noch die Anfahrten hinsichtlich der
permanenten Netzumgestaltung. Löse schon der normale Netzbetrieb mithin erhebliche
netzumfassend auftretende Gemeindelasten aus, so sei zudem auch noch der
Sonderfall zu beachten, dass alte Baugebiete erweitert oder neue Gebiete erschlossen
würden. Dabei entstehe den Gemeinden erheblicher Abstimmungs- und
Koordinierungsaufwand und sei die X-AG anzuhören und am Planungsverfahren zu
beteiligen. Die Gemeinden müssten die Planungsunterlagen zur Verfügung stellen,
Stellungnahmen der X-AG prüfen und abwägen und die Vorschläge ggf. in die Planung
einarbeiten. Auch sei die X-AG über Satzungsbeschlüsse und Bebauungspläne zu
informieren. Vor Beginn der Erschließungsarbeiten müsse zudem eine gemeinsame
Begehung mit der X-AG und den bauausführenden Firmen durchgeführt werden, was
sich zu einem erheblichen Aufwand summiere (auf die Stellungnahme der Stadt A vom
21. Februar 2006, Bl. 538 f. d.A., wird verwiesen), zumal die Planungshoheit der
Gemeinden durch bestehende Telekommunikationslinien eingeschränkt werde.
Entscheidungsgründe
35
Die Klage ist nur teilweise begründet.
36
Der Zerlegungsbescheid vom 26. November 1999, geändert durch Bescheid vom 13.
Februar 2004, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. November 2003 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Unterzerlegung zu Unrecht die Faktoren Arbeitslöhne und Umsatz je Gemeinde zu
jeweils 50 vH berücksichtigt.
37
1. Der Beklagte ist zunächst hinsichtlich der sog. Oberzerlegung zu Recht vom Maßstab
des § 29 GewStG ausgegangen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist der
Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile
(Zerlegungsanteile) zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum zur Ausübung des
Gewerbes in mehreren Gemeinden Betriebsstätten unterhalten werden. Nach Satz 2 der
Vorschrift gilt das unter anderem auch in den Fällen, in welchen sich eine Betriebsstätte
über mehrere Gemeinden erstreckt hat. Dabei sieht § 29 Abs. 1 GewStG als
Zerlegungsmaßstab das Verhältnis vor, in dem die Summe der Arbeitslöhne, die an die
bei allen Betriebsstätten (§ 28) beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den
Arbeitslöhnen steht, die an die bei Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden
beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind. Der Beklagte hat im Rahmen der von
ihm vorgenommenen Oberzerlegung den Maßstab des § 29 GewStG zugrunde gelegt,
indem er den Gewerbesteuermessbetrag der X-AG auf Gemeinden mit Betriebsstätten
der Organgesellschaften der X-AG, solche der Geschäftsfelder der X-AG ohne
unmittelbare Netzbezogenheit und auf eine mehrgemeindliche, durch das Telefonnetz
begründete Betriebsstätte verteilt hat. Dieses Vorgehen begegnet aus Sicht des Senats
im Ergebnis deshalb keinen Bedenken, weil sowohl die Organgesellschaften der X-AG
als auch diejenigen Geschäftsfelder der Gesellschaft, welche sich nicht mit dem
Festnetzgeschäft beschäftigen, jeweils Betriebsstätten der Gesellschaft darstellen. Das
ergibt sich für die Organgesellschaften bereits aus § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, für die
Geschäftsfelder daraus, dass diese in eigens dafür ausgerichteten Gebäuden bzw.
Einrichtungen betrieben werden, welche ihrerseits die Voraussetzungen von
Betriebsstätten nach § 28 GewStG i.V. mit § 12 AO 1977 erfüllen. Insoweit kann es
zunächst dahinstehen, ob das Telefonnetz als solches eine sog. mehrgemeindliche
Betriebsstätte begründet oder mehrere isolierte Betriebsstätten im sog. Festnetzbereich
verknüpft, weil auch insoweit der Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 GewStG zum
38
Tragen gekommen ist.
2. Anders als dies der Beklagte meint, ist aber die von ihm in Form einer Zerlegung nach
Maßgabe der Arbeitslöhne und Umsätze zu je 50 vH vorgenommene Unterzerlegung
des auf den Festnetzbereich der X-AG entfallenden Anteils aus der Oberzerlegung nicht
durch § 30 GewStG gedeckt. Nach § 30 GewStG ist in dem Fall, dass sich eine
Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden erstreckt, der Steuermessbetrag oder
Zerlegungsanteil auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte
erstreckt, und zwar nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der
durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten.
39
a) Der Beklagte ist mit Blick auf das Telefonnetz der X-AG zunächst zu Recht vom
Vorliegen einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte i.S. des § 30 GewStG ausgegangen.
40
aa) Anders als dies die Klägerin meint, ist für den Betriebsstättenbegriff der §§ 28 und
30 GewStG auf die Vorgaben des § 12 AO 1977 abzustellen (vgl. Güroff in
Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 28 GewStG Rz. 4; Hofmeister in Blümich,
EStG/KStG/GewStG, § 28 GewStG Rz. 11). Erforderlich ist danach eine feste
Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Nach der
Rechtsprechung des BFH setzt die Annahme einer Betriebstätte i.S. des § 12 AO 1977
eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche
voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und
über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (vgl. BFH-
Urteil vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462). Für § 30
GewStG ist allerdings folgende Besonderheit zu berücksichtigen: Zwar regelt das
Gesetz nicht, welche Merkmale eine mehrgemeindliche Betriebstätte im Einzelnen
begründen, nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen liegt eine
mehrgemeindliche Betriebstätte aber nur dann vor, wenn in räumlicher,
organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht ein einheitliches Ganzes
besteht (vgl. BFH-Urteile vom 20. Februar 1974 I R 179/72, BFHE 112, 183, BStBl II
1974, 427; vom 12. Oktober 1977 I R 226/75, BFHE 123, 500, BStBl II 1978, 111;
Woring in Meyer-Scharenberg/ Popp/Woring, GewStG, 2. Aufl., § 30 GewStG Rz. 1).
Besteht zwischen in verschiedenen Gemeinden liegenden Betriebsanlagen,
Geschäftseinrichtungen oder Teilen von ihnen ein solcher räumlicher und betrieblicher,
d.h. organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Zusammenhang, so liegt eine
einheitliche mehrgemeindliche Betriebsstätte vor, deren Gewerbesteuermessbetrag
nach den in § 30 GewStG vorgeschriebenen Kriterien zu zerlegen ist (vgl. BFH-Urteile
vom 20. Februar 1974 in BFHE 112, 183, BStBl II 1974, 427; vom 10. Juli 1974 I R
54/72, BFHE 113, 123, BStBl II 1975, 42; vom 12. Oktober 1977 I R 227/75, BFHE 124,
65, BStBl II 1978, 160; Hofmeister, a.a.O., § 30 GewStG Rz. 4 mwN). Die für die
Annahme einer einheitlichen Betriebsstätte notwendigen Merkmale müssen nach dieser
Rechtsprechung grundsätzlich kumulativ erfüllt sein, damit mehrere
Geschäftseinrichtungen oder Anlagen eine mehrgemeindliche Betriebsstätte bilden.
Dabei setzt die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte nach dem Sinn und
Zweck des § 30 GewStG voraus, dass alle Teile der mehrgemeindlichen Betriebsstätte
in der jeweiligen Gemeinde je für sich die Merkmale einer Betriebsstätte erfüllen (vgl.
BFH-Urteil vom 12. Oktober 1977 in BFHE 123, 500, BStBl II 1978, 111; vom 28.
Oktober 1987 I R 275/83, BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292; vom 8. März 1988 VIII R
270/81, BFH/NV 1988, 735; vom 13. September 2000 X R 174/96, BFHE 194, 222,
BStBl II 2001, 734).
41
bb) Wendet man die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze auf den Streitfall an, so
liegt bezogen auf das Festnetz der X-AG eine mehrgemeindliche Betriebsstätte vor:
42
aaa) Für den Senat besteht insoweit zunächst kein Zweifel daran, dass es sich bei den
von der X-AG betriebenen VSt, also größeren und mit technischen Anlagen
ausgestatteten Gebäuden, um feste und mit dem Erdboden verbundene
Geschäftseinrichtungen handelt, welche dem Geschäftszweck der Gesellschaft dienen
und über welche diese auch dauerhaft verfügen kann. Nichts anderes gilt für die von der
X-AG in nahezu allen Gemeinden unterhaltenen KVz (die sog. grauen Kästen), welche
dauerhaft mit dem Erdboden verbundene technische Anlagen darstellen, die der
technischen Verbindung des Telefonnetzes mit den APL in oder an den Häusern der
Kunden dienen und ohne die das Telefonnetz nicht betrieben werden könnte. Anders
als die Klägerin meint unterhält die X-AG schließlich aber auch in denjenigen 280
Gemeinden Betriebsstätten im vorgenannten Sinne, in denen lediglich ober- oder
unterirdische Kabel verlaufen. Der Senat kann es insoweit offenlassen, ob nicht bereits
die APL als in jeder deutschen Gemeinde vorhandene und mit fester Erdverbindung
ausgestattete technische Einrichtungen als solche Betriebsstättenqualität aufweisen.
Denn aus seiner Sicht weisen auch die zum Telefonnetz der X-AG gehörenden ober-
oder unterirdisch verlaufenden Kabel die Eigenschaften einer Betriebsstätte i.S. des §
12 AO 1977 auf: Ein Kabel erfüllt zunächst das Merkmal der Geschäftseinrichtung oder
Anlage, weil dazu allgemein jeder körperliche Gegenstand bzw. jede
Zusammenfassung körperlicher Gegenstände gezählt wird, die geeignet sind,
Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1993 in
BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462). Diese Voraussetzungen liegen für die von der X-
AG betriebenen Telefonkabel vor, weil die Gesellschaft ohne sie ihr Telefonnetz nicht
betreiben und ihren Unternehmenszweck, der im Streitjahr im Wesentlichen in der
Erzielung von Umsätzen mit Telekommunikationsdienstleistungen lag, nicht erfüllen
könnte. Dass die betroffenen Kabel nur einen unselbständigen, für sich allein nicht
funktionstüchtigen Teil einer Gesamtanlage darstellen, ist insoweit unschädlich, weil
auch ein Anlagenbestandteil die Eigenschaften einer Geschäftseinrichtung aufweisen
kann (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1996 II R 12/92, BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12).
Die streitbefangenen Kabel weisen auch eine auf Dauer angelegte feste Verbindung
zum Erdboden auf, weil sie entweder bereits in der Erde verlaufen oder aber zwar
oberirdisch geführt werden, aber dann über Masten oder ähnliche technische
Einrichtungen mit dem Erdreich fest verbunden sind. Auch ist es in der Rechtsprechung
anerkannt, dass der Einsatz von Personen in oder an der Geschäftseinrichtung nicht in
jedem Fall erforderlich ist, sondern insbesondere bei vollautomatisch arbeitenden
Einrichtungen das Tätigwerden des Unternehmens mit der Geschäftseinrichtung
ausreicht (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1996 in BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12). Dem
Urteil des I. Senats des BFH vom 12. Oktober 1977 (I R 226/75, BFHE 123, 500, BStBl II
1978, 111), wonach das bloße Durchführen von Rohrleitungen eines Ölunternehmens
nur Transportfunktion habe und keine Ausübung eines Gewerbebetriebes darstelle,
soweit nicht eine Abgabe des Transportgutes erfolge, kommt nach dem Wegfall des §
16 Abs. 4 des Steueranpassungsgesetzes insoweit keine Bedeutung mehr zu. Das gilt
umso mehr als sich gerade im Umkehrschluss aus § 28 Abs. 2 Nr. 2 GewStG ergibt,
dass der Gesetzgeber inzwischen bei Anlagen, die alleine der Weiterleitung fester,
flüssiger oder gasförmiger Stoffe bzw. elektrischer Energie dienen, vom Vorhandensein
einer Anlage ausgeht. Dabei ist im Streitfall auch noch zu berücksichtigen, dass im
Streitfall die elektrischen Impulse auch noch in jeder deutschen Gemeinde an
Endverbraucher abgegeben werden und die 280 reinen "Kabelgemeinden" sich
lediglich KVz mit Nachbargemeinden teilen, was sich aus der relativ geringen
43
Anschlusszahl ergibt. Der Senat geht insoweit davon aus, dass der jeweilge KVz
letztlich beiden Gemeinden zugerechnet werden muss. Die Richtigkeit dieser Annahme
erhellt sich schließlich wirtschaftlich auch daraus, dass der Zerlegungsanteil der 280
reinen Kabelgemeinden mit 0,02 vH (vgl. das Schreiben der X-AG vom 7. September
2006, Bl. 785 f. d.A.) kaum ins Gewicht fällt.
bbb) Die vorgenannten und in allen deutschen Gemeinden liegenden Betriebsstätten
sind auch organisatorisch-technisch miteinander verbunden und treten aus Sicht des
Senats etwaige größere räumliche Entfernungen insoweit als nachrangig in den
Hintergrund. Abgesehen davon, dass nämlich in nahezu allen Gemeinden zumindest
KVz vorgehalten werden, hat der BFH für Unternehmen der Elektrizitätsversorgung und
der Mineralölwirtschaft bereits anerkannt, dass der räumliche Zusammenhang bei einer
besonders engen, wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Verbindung in
den Hintergrund treten kann (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1977 in BFHE 124, 65,
BStBl II 1978, 160). Eine solche enge Verknüpfung ist im Streitfall aber zu bejahen, weil
die zuvor beschriebenen Betriebsstätten letztlich Komponenten des Telefonnetzes sind
und es ohne die einzelnen Komponenten nicht betrieben werden könnte.
44
b) Ist mit dem Senat von einer sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckenden
mehrgemeindlichen Betriebsstätte auszugehen, so ist nach § 30 GewStG der
Steuermessbetrag oder Zerlegungsanteil auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich
die Betriebsstätte erstreckt, und zwar nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter
Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden
Gemeindelasten. Bezüglich der Beteiligung der betroffenen Gemeinden an der
Zerlegung gilt dabei Folgendes: § 30 GewStG schreibt im ersten Halbsatz zunächst
zwingend eine Zerlegung vor, wenn sich eine Betriebstätte auf mehrere Gemeinden
erstreckt, während erst der zweite Halbsatz des § 30 GewStG den Maßstab enthält,
nach dem die Zerlegungsanteile festzusetzen sind. Mit dieser Regelung hat das Gesetz
eine Trennung zwischen der Verpflichtung zur Zerlegung einerseits und dem dabei
anzuwendenden Maßstab andererseits vorgenommen. Während die Zerlegung als
solche alleine vom Faktum einer mehrgemeindlichen Betriebstätte abhängt, ist beim
Zerlegungsmaßstab mit unbestimmten Rechtsbegriffen ein grober Maßstab gesetzt
worden. Wenn das Gesetz also vorschreibt, dass die der Gemeinde erwachsenen
Lasten zu berücksichtigen seien, so besagt das nur, dass derartige Lasten dann zu
berücksichtigen sind, wenn sie entstehen. Die Vorschrift besagt jedoch nicht, dass eine
Zerlegung derartige Lasten voraussetzt (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 in BFHE 152,
138, BStBl II 1988, 292; Güroff, aaO, § 30 GewStG Rz. 6). Daraus wiederum folgt, dass –
insoweit mit dem Beklagten— selbst dann eine Zerlegung nach § 30 GewStG
stattzufinden hat, wenn (teilweise) keine gemeindlichen Lasten festzustellen sind. Hat
der Beklagte damit dem Grunde nach zu Recht eine Zerlegung nach § 30 GewStG
vorgenommen, so ist allerdings bei der Zerlegung der Höhe nach zu prüfen, ob er
einerseits von den Vorgaben des § 30 GewStG gedeckte Zerlegungsfaktoren verwendet
und diese in ein entsprechendes Zerlegungsverhältnis gesetzt hat. § 30 GewStG enthält
insoweit die zwingende Vorgabe, dass beim Zerlegungsmaßstab der Lage der örtlichen
Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte
erwachsenden Gemeindelasten Rechnung zu tragen ist. Das Gesetz räumt der
Finanzverwaltung insoweit kein Ermessen ein, sondern verwendet hinsichtlich der zu
treffenden Zerlegungsentscheidung unbestimmte Rechtsbegriffe (BFH-Beschluss vom
18. Dezember 1986 I B 31/86, BFH/NV 1987, 394; BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 in
BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292; Hofmeister, aaO, § 30 GewStG Rz. 7). Damit legt es
der Finanzbehörde die Pflicht auf, die im betroffenen Einzelfall in Betracht kommenden
45
Zerlegungsmaßstäbe nach Art einer Schätzung mit dem Ziel zu ermitteln, den
entstandenen Gemeindelasten mit einem Höchstmaß an Wahrscheinlichkeit nahe zu
kommen (vgl. Güroff, aaO, § 30 GewStG Rz. 4; Woring, aaO, § 30 Rz. 2). Der
entsprechende von der Finanzbehörde gewählte Zerlegungsmaßstab unterliegt der
vollen tat- und revisionsrechtlichen Überprüfung und es haben die Finanzgerichte ggf.
eine eigene Schätzungsbefugnis (Güroff, aaO, § 30 GewStG Rz. 7; Hofmeister, aaO, §
30 GewStG Rz. 7; Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 30 GewStG Rz. 20).
aa) Da sich ausweislich der spezialgesetzlichen Regelung in § 30 GewStG die
Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten als Sonderfall darstellt, dem durch
den Regelmaßstab des § 29 GewStG nur in ungenügender Weise Rechnung getragen
werden kann, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Anwendungsbereich des §
30 GewStG neben dem Faktor "Wohnen der Arbeitnehmer" stets die Berücksichtigung
zumindest eines weiteren Faktors gefordert. Dies liegt darin begründet, dass eine
Zuordnung von Löhnen zu bestimmten Teilen einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte
in aller Regel nicht möglich ist (vgl. Hofmeister, aaO, § 30 GewStG Rz. 7 mwN). Die
Rechtsprechung hat demgemäß in vielen Fällen auch auf den Faktor der
Betriebsanlagen (nach Größe und Wert) abgestellt (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 28.
Oktober 1964 I B 403/61 U, BFHE 81, 310, BStBl III 1965, 113; BFH-Urteil vom 28.
Oktober 1987 in BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292). Sie hat aber bei
Versorgungsunternehmen auch etwa die von den jeweiligen Betriebsstättenteilen
erzielten Betriebseinnahmen zugelassen (vgl. Hofmeister, aaO, § 30 GewStG Rz. 10
mwN). Die vorgenannten Grundsätze zeigen, dass die Entstehung von Gemeindelasten
nur schematisch berücksichtigt wird und --insbesondere beim Faktor Betriebsanlagen--
von solchen Lasten ausgegangen wird (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 in BFHE 152,
138, BStBl II 1988, 292). Im Streitfall hat der Beklagte danach zu Recht neben dem
Faktor der Arbeitslöhne den Faktor der Umsätze je Gemeinde herangezogen: Ein
Abstellen auf den Wert bzw. die Fläche der einzelnen Betriebsstättenteile war schon
deshalb nicht möglich, weil die X-AG entsprechende Daten für das Streitjahr nicht liefern
konnte. Hinzu kommt, dass die X-AG ein Unternehmen ist, welches nach den Vorgaben
des TKG die Grundversorgung der deutschen Bevölkerung mit
Telekommunikationsdienstleistungen sicherzustellen hat und also als
Versorgungsunternehmen anzusehen ist. Es ist dann aber nicht rechtsfehlerhaft,
insoweit neben dem Faktor der Arbeitslöhne auch denjenigen der Umsätze je
Gemeinde als weiteren Zerlegungsfaktor heranzuziehen. Insoweit ist auch zu bedenken,
dass der vorgenannte und gewissermaßen hilfsweise gewählte Umsatzfaktor die
Anlagenintensität ebenfalls berücksichtigt, weil davon ausgegangen werden kann, dass
an Orten, an denen besonders hohe Telekommunikationsumsätze erzielt werden, auch
eine entsprechend hohe Anlagenintensität vorgehalten wird. Auf die entsprechenden
Einlassungen der X-AG, nach denen in Großstädten eine Vielzahl an entsprechenden
VSt bzw. KVz vorgehalten wird, wird insoweit verwiesen.
46
bb) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Beklagten, dass eine hälftige
Berücksichtigung der Faktoren "Arbeitslöhne" einerseits und "Umsätze je Gemeinde"
anderseits zu einem Zerlegungsergebnis führen kann, welches den entstandenen
Gemeindelasten mit einem Höchstmaß an Wahrscheinlichkeit nahe kommt. Deshalb
ersetzt er die vom Beklagten vorgenommene schätzungsweise Berücksichtigung der
vorgenannten Teilfaktoren durch eine eigene Schätzung.
47
aaa) Die Gewichtung der Zerlegungsfaktoren hat sich stets an den Einzelfallumständen
auszurichten (vgl. Hofmeister, aaO, § 30 GewStG Rz. 12). Die Rechtsprechung hat dazu
48
stets betont, dass dem Wohnen der Arbeitnehmer und den dadurch für die Gemeinden
entstehenden Lasten aus der Zurverfügungstellung gemeindlicher Infrastruktur
(Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, etc.) stets eine wesentliche Bedeutung
beizumessen ist (vgl. bereits BFH-Urteil vom 28. Oktober 1964 in BStBl III 1965, 113).
Welches Gewicht den Lasten aus dem Wohnen der Arbeitnehmer gegenüber
denjenigen aus den Betriebsanlagen bzw. anderen Zerlegungsfaktoren zukommt, ist
danach zwar im Einzelnen nur schwer zu ermitteln, es ist aber im Rahmen des groben
Maßstabes nach § 30 GewStG für den Regelfall nicht zu beanstanden, wenn dem
Faktor der Arbeitslöhne zumindest 50 vH zuerkannt wird (vgl. dazu Lenski/Steinberg,
aaO, § 30 GewStG Rz. 24; Hofmeister, aaO, § 30 GewStG Rz. 12 mwN). Etwas anderes
muss allerdings gelten, wenn Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, welche die hälftige
Berücksichtigung der arbeitnehmerbezogenen Lasten als unangemessen erscheinen
lassen (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1964 in BStBl III 1965, 113), denn dann kann aus
Sicht des erkennenden Senats nicht mehr angenommen werden, dass die Zahl der
Arbeitnehmer auch Rückschlüsse auf den Zuschnitt des Betriebs und damit auf die
Lasten zulassen, die den Gemeinden aus den Betriebsanlagen (ggf. nach Maßgabe der
weiteren Zerlegungsfaktoren) erwachsen.
bbb) Als ein solcher Sonderfall stellt sich aus Sicht des Senats der Streitfall dar, weil
dort rein anlagenbezogene Gemeindelasten --also solche Lasten, die nicht mit der
Ansiedlung von Arbeitnehmern zu tun haben-- in sehr weiten Teilen durch die
Regelungen des TKG abgedeckt sind, durch welche wiederum einerseits die Nutzung
der Verkehrswege den Telekommunikationsunternehmen wegen der
verfassungsrechtlich gebotenen Grundversorgung unentgeltlich eingeräumt und diesen
ansonsten die durch die Anlagen verursachten Kosten auferlegt werden. Eine hälftige
Berücksichtigung der Faktoren "Arbeitnehmer" und "Umsatz" erscheint dem Senat
danach unangemessen.
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(1) Zunächst ist festzuhalten, dass bei der Berücksichtigung des Faktors "Umsätze"
arbeitnehmerbezogene Lasten, welche im Faktor "Arbeit" abgebildet werden, keine
Rolle spielen dürfen. Die Tatsache, dass die X-AG nicht alle VSt mit Personal ausstattet,
sondern einen großen Teil der VSt lediglich mit Personal beschickt, muss danach bei
der Frage, ob insoweit anlagebezogene Gemeindelasten entstehen ebenso außer
Betracht bleiben wie die Tatsache, dass in sehr vielen Gemeinden lediglich KVz stehen
bzw. in 280 Gemeinden sogar nur Kabel verlaufen. Zu fragen ist insoweit alleine
danach, ob von den VSt, KVz oder den Kabeln überhaupt gemeindebezogene Lasten
ausgehen können. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass nach § 30 GewStG die
Entstehung von Gemeindelasten nur schematisch berücksichtigt wird und insbesondere
beim Faktor Betriebsanlagen von solchen Lasten ausgegangen wird (vgl. BFH-Urteil
vom 28. Oktober 1987 in BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292), dass aber andererseits im
Streitfall lastenbezogene Spezialregelungen im TKG enthalten sind, welche zu einer
weitgehenden Überwälzung der gemeindebezogenen Lasten auf die
Telekommunikationsanbieter führen.
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(2) Aus Sicht des Senates stellt zunächst die der X-AG vom Bund übertragene
unentgeltliche Nutzung gemeindlicher Verkehrswege nach § 50 Abs. 1 und 2 TKG keine
im Bereich der Gewerbesteuerzerlegung berücksichtigungsfähige Gemeindelast dar.
Dies folgt zunächst bereits daraus, dass das TKG den Gemeinden lediglich ein
Nutzungsentgelt verwehrt und also nicht von der potentiellen Abgeltung gemeindlicher
Lasten ausgeht. Wichtiger ist es aber, dass der Gesetzgeber deshalb eine
unentgeltliche Nutzung der Verkehrswege vorgesehen hat, weil der Bund bzw. seine
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Lizenznehmer die Nachfrage nach angemessenen und ausreichenden Dienstleistungen
im Bereich der Telekommunikation zu erfüllen und damit die flächendeckende
Grundversorgung der Bürger mit den entsprechenden Dienstleistungen sicherzustellen
haben (vgl. Ulmen in Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, § 50 TKG Rz. 6
mwN). Es besteht also zwischen der unentgeltichen Nutzung einerseits und dem
Grundversorgungsauftrag andererseits eine Akzessorietät, die auch mit den Vorgaben
des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist. Diesbezüglich hat das
Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 7. Januar 1999 (2 BvR 929/97, DÖV
1999, 336) entschieden, dass die Regelung einer unentgeltlichen
Nutzungsberechtigung an öffentlichen Verkehrswegen in § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG den
Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht berührt und
die entsprechenden Gemeinden auch nicht in ihrer insoweit geschützten
Planungshoheit betroffen werden. Da danach hoheitliche Aufgaben im Bereich der
Telekommunikation durch Art. 87f Abs. 2 Satz 2 GG der bundeseigenen Verwaltung
zugewiesen werden, scheiden sie als Angelegenheiten der örtlichen Verwaltung nach
Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG aus und sind die Gemeinden auch nicht in ihrer durch Art. 28
Abs. 2 Satz 1 und 3 GG geschützten Finanzhoheit betroffen, die ihnen lediglich die
Eigenverantwortlichkeit des gemeindlichen Wirtschaftens mit Einnahmen und
Ausgaben, nicht aber einzelne Vermögenspositionen gewährleistet. Soweit der
Gesetzgeber sich trotz entgegenstehender Stimmen (vgl. Schütz in Beck´scher TKG-
Kommentar, § 50 TKG Rz.1) bewußt für eine unentgeltliche Nutzung der Verkehrswege
entschieden hat, ist es aus Sicht des erkennenden Senats nicht Aufgabe des
Gewerbesteuerrechts den Gemeinden nunmehr entsprechende Entgelte zu verschaffen.
Es ist auch abwegig, wenn einzelne Beigeladene insoweit die Auffassung vertreten, die
Gewerbesteuerzerlegung müsse ggf. das Ergebnis des kommunalen Finanzausgleichs
korrigieren, weil doch dieser gerade dem Ausgleich ungleicher Steuereinnahmen dient.
(3) Auch die von den einzelnen VSt, KVz bzw. Kabeln ausgehenden Lasten, welche
insbesondere durch die von der X-AG geschilderten und auf das gesamte
Telekommunikationsnetz sich erstreckenden Montage- und Wartungsarbeiten (nach den
Angaben der X-AG für 2005 und vergleichbar für das Streitjahr ca. 146.000 Aufträge für
die Herstellung der Anschluss- und Verbindungsleitungen sowie den Bau und die
Ergänzung der APL und ca. 58.000 Kabelschadensfälle) werden aber weitgehend den
Telekommunikationsanbietern auferlegt: Abgesehen davon, dass bereits die Verlegung
neuer Telekommunikationslinien ebenso der Zustimmung der Gemeinden bedarf wie
die Änderung bestehender Linien (§ 50 Abs. 3 TKG), ist bereits der Lizenznehmer nach
§ 52 Abs. 1 TKG verpflichtet, eine Erschwerung der Unterhaltung der Verkehrswege
bzw. temporäre Beschränkung ihres Widmungszweckes zu vermeiden. Wird die
Unterhaltung dennoch erschwert, so hat der Lizenznehmer den unterhaltungspflichtigen
Gebietskörperschaften die daraus erwachsenden Kosten zu erstatten (§ 52 Abs. 2 TKG)
und zudem die Verkehrswege nach der Durchführung von entsprechenden Arbeiten auf
eigene Kosten wieder instandzusetzen (§ 52 Abs. 3 TKG). Hinsichtlich der
letztgenannten Verpflichtung besteht Konsens darüber, dass der status quo ante
wiederherzustellen ist und die geltenden Regeln der Straßenbautechnik zu
berücksichtigen sind (vgl. Ulmen, aaO, § 52 TKG Rz. 6 mwN). Die vorgenannten
Regelungen werden noch dadurch ergänzt, dass neu errichtete
Telekommunikationslinien nach Maßgabe des § 53 Abs. 1 TKG auf Kosten der
Nutzungsberechtigten (§ 53 Abs. 3 TKG) abzuändern sind, soweit sie etwa den
Widmungszweck eines Verkehrsweges nicht nur vorübergehend beschränken oder
erforderliche Unterhaltungsmaßnahmen verhindern. § 54 TKG gebietet darüber hinaus
die Schonung von Baumpflanzungen (samt etwaiger Kostenerstattungsregelung in Abs.
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3 bei eingetretenen Schäden) und zudem sind auch bereits vorhandene Anlagen nach §
55 TKG geschützt bzw. müssen auf Kosten der Nutzungsberechtigten der
Telekommunikationslinien geschützt werden (§ 55 Abs. 1 Satz 2 TKG). Selbst in dem
Fall, dass vorhandene Anlagen verlegt werden müssen, hat dafür der
Nutzungsberechtigte aufzukommen (§ 55 Abs. 2 TKG) und muss die
Verlegung/Änderung der Telekommunikationslinien in Fällen der Unverhältnismäßigkeit
sogar ganz unterbleiben (§ 55 Abs. 3 TKG). Ähnliches gilt unter umgekehrten
Vorzeichen für später hinzukommende besondere Anlagen (vgl. § 56 TKG).
(4) Es ist zwar richtig, dass durch die Vorschriften des TKG nicht alle den Gemeinden
entstehenden anlagebezogenen Lasten abgedeckt werden, was schon beim Erlass des
TKG gemeindeseitig bemängelt worden ist. Das gilt insbesondere für die von den
Beigeladenen zu 3, 4, 11 bis 14, 20 sowie 24 bis 85 angesprochenen Kosten der
Abnahme, der Koordinierung und der Verkehrsregelung. Dennoch geht der Senat nach
den vorgenannten Ausführungen davon aus, dass die wesentlichen anlagenbezogenen
Gemeindelasten durch die Regelungen der §§ 50 ff. TKG den Nutzungsberechtigten der
Telekommunikationslinien auferlegt werden.
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ccc) Geht man von dem vorgenannten Befund aus, dann erscheint eine jeweils hälftige
Berücksichtigung der Faktoren "Arbeit" einerseits und "Umsatz je Gemeinde"
andererseits im Streitfall unangemessen. Auf Grund der Regelungen der §§ 50 ff. TKG
liegen Anhaltspunkte dafür vor, welche eine nur hälftige Berücksichtigung der
arbeitnehmerbezogenen Lasten als nicht sachgerecht erscheinen lassen. Da die
wesentlichen gemeindlichen Lasten sich im Streitfall aus dem "Arbeitnehmerfaktor"
ergeben und dem Senat hinsichtlich der Gewichtung der Zerlegungsfaktoren eine
eigene Schätzungsbefugnis zukommt, hält er eine angemessene Berücksichtigung der
anlagenbezogenen Gemeindelasten für dann gegeben, wenn dieser Faktor lediglich mit
25 vH Berücksichtigung findet. Diese Schätzung berücksichtigt einerseits, dass den
betroffenen Gemeinden auf Grund der das gesamte Telekommunikationsnetz
betreffenden Montage-, Wartungs- und Reparaturarbeiten der X-AG insgesamt Lasten in
Form von Koordinierungs-, Abnahme- und Verkehrsregelungsaufwand sowie der
Nutzung der Verkehrswege durch Baustellenfahrzeuge, Container, etc. angefallen sind
und eine komplette Überwälzung dieses Aufwandes äußerst unwahrscheinlich ist,
andererseits trägt die Schätzung aber dem Umstand Rechnung, dass ein erheblicher
Teil der anlagebezogenen Lasten wegen der §§ 50 ff. TKG auf die X-AG überwälzt
wurde.
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3. Das vorgenannte Ergebnis einer Unterzerlegung unter Berücksichtigung des Faktors
"Arbeit" zu 75 vH und des Faktors "Umsatz je Gemeinde" zu 25 vH führt auch zu keinem
offenbar unbilligen Ergebnis, da jedenfalls nicht davon ausgegangen werden kann,
dass Gemeinden, auf deren Gebiet lediglich KVz bzw. Kabel vorhanden sind, keinerlei
anlagebezogene Gemeindelasten entstanden sein können. Die von der X-AG
geschilderten ca. 146.000 Aufträge für die Herstellung der Anschluss- und
Verbindungsleitungen sowie den Bau und die Ergänzung der APL und die ca. 58.000
Kabelschadensfälle beziehen sich nämlich auf das gesamte Telekommunikationsnetz
und ist es daher äußerst wahrscheinlich, dass auch in den vorgenannten Gemeinden
entsprechende Arbeiten in einem mit den übrigen Gemeinden vergleichbaren Maße
vorgenommen worden sind. Im Übrigen berücksichtigt der Faktor "Umsatz" auch, dass
von besonders vielen Anlagen betroffene Gemeinden ggf. einen höheren
anlagebezogenen Aufwand zu leisten haben, weil dort erfahrungsgemäß auch höhere
Umsätze erzielt werden.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO, diejenige zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus § 151 FGO i.V. mit § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (analog).
Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO war nicht geboten, da sich der
Streitfall –trotz seiner wirtschaftlichen Bedeutung und der Betroffenheit aller deutscher
Gemeinden— als Einzelfall darstellt und der Senat nicht von Vorgaben der
höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist.
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