Urteil des FG Hessen vom 08.05.2008

FG Frankfurt: in verkehr bringen, biomasse, kommission, diesel, einheitliche europäische akte, european environment agency, anteil, europäische umweltagentur, stadt hamburg, erneuerbare energien

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2007
Aktenzeichen:
7 K 3015/07
Dokumenttyp:
EuGH-Vorlage
Quelle:
Normen:
§ 50 Abs 1 Nr 1 EnergieStG
vom 18.12.2006, Art 3 EGRL
30/2003, Art 5 Abs 3 EG,
BioKraftQuG, § 2a MinöStG
vom 15.12.2003
(Änderung von § 50 EnergieStG durch das BiokraftQuG -
Beimischungen bzw. Mischungen von Biokraftstoffen mit
fossilen Kraftstoffen - Übergangslose Gleichstellung in der
Besteuerung zu den fossilen Kraftstoffen - Auslegung der
Biokraftstoffrichtlinie)
Tatbestand
1.) Sachbericht
Der Gegenstand des von der Klägerin betriebenen und derzeit ruhenden
Unternehmens wird mit „Herstellung und Vermarktung von umweltfreundlichen
Kraftstoffen“ beschrieben.
Die Klägerin vertrieb ab 2005 einen mit dem Namen „ … -Diesel“ bezeichneten
Kraftstoff. Sie mischte dazu in einem hierfür speziell ausgerüsteten Tanklastwagen
natives Pflanzenöl unter Hinzufügung von Kraftstoff-Additiven mit fossilem
Dieselkraftstoff.
Als Pflanzenöl wird dabei raffiniertes Rapsöl, überwiegend aus inländischem Anbau
verwendet. Die Rapssaaten werden dafür gepresst und Reinigungsverfahren
unterzogen. Eine chemische Veränderung des Pflanzenöls findet - anders als bei
der Veresterung zu Biodiesel - nicht statt. Die Pressrückstände, der sog.
Rapskuchen, stellt ein einweißreiches, hochwertiges Nahrungs- bzw. Futtermittel
dar.
Gemäß den Spezifikationen der Lieferanten der Klägerin erfüllte das Rapsöl die
Anforderungen der Vornorm DIN V 51605.
Das Pflanzenöl hatte jeweils bereits vom Lieferanten die Zweckbestimmung
„Kraftstoff“ erhalten. Die Tätigkeit der Klägerin stellte ein erlaubnisfrei mögliches
Mischen von Energieerzeugnissen dar. Auf die der Klägerin hierfür erteilte
Erlaubnis, deren Gültigkeitsdauer zwischenzeitlich abgelaufen ist, kommt es daher
nicht an.
Das der aus Pflanzenöl und fossilem Dieselkraftstoff hergestellten Mischung
zugefügte Additiv mit dem Handelsnamen … ist von dem Geschäftsführer der
Klägerin im Rahmen des ebenfalls unter seiner Leitung stehenden Handelshauses
… entwickelt worden. Aufgabe des in einem Anteil von 3 % zugesetzten Additivs ist
es, die chemische Struktur des Pflanzenöls so aufzuschließen, dass es wie fossiler
Dieselkraftstoff zündet und verbrennt.
… -Diesel besteht zu 60 % (im Sommer) bzw. 50 % (im Winter) aus raffiniertem
Pflanzenöl, 3 % des Additivs … sowie 37 % bzw. 47 % fossilem Dieselkraftstoff.
Dieser Kraftstoff kann sowohl in den Dieselmotoren älterer Bauart wie auch in
modernen Dieselmotoren mit Direkteinspritzung (Pumpe-Düse, Common Rail)
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modernen Dieselmotoren mit Direkteinspritzung (Pumpe-Düse, Common Rail)
eingesetzt werden, ohne dass im Motorenbereich der jeweiligen Fahrzeuge
Umrüstungen oder technische Veränderungen nötig wären. Die Verwendung
des…-Diesel führt nach den bisherigen Erfahrungen weder zu höherem Verschleiß
im technischen Bereich noch zu kürzeren Inspektionsintervallen. Der Wechsel von
… -Diesel zu fossilem Dieselkraftstoff und umgekehrt ist problemlos möglich.
Die in … ansässige Klägerin lieferte … -Diesel für die kommunalen Fuhrparke der
Städte … , … , … und … . Auch die … GmbH, eine Tochter der … , verwandte … -
Diesel für den Busverkehr … . Auswertungen des Einsatzes von …-Diesel im
Rahmen einer an der Technischen Universität … erstellten Diplomarbeit ergaben
eine Reduzierung des Rußpartikelausstoßes gerade bei älteren Dieselmotoren
ohne Einbau von Abgasfilteranlagen um mehr als 50 %.
Die CO
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-Bilanz ist im Verbrennungsvorgang klimaneutral. Die Motoren
verbrauchen zwischen 5 und 10 % weniger Kraftstoff.
Das Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende
Rohstoffe in … hat in 2007 auf Grund entsprechender Untersuchungen mitgeteilt,
dass das mutagene (krebsauslösende) Potential von z.B. Rapsölkraftstoffen
lastabhängig nur 32 % bis 73 % des fossilen Dieselkraftstoffbetriebes ausmacht.
Die Neufassung des § 50 Abs. 1 Nr. 1 des Energiesteuergesetzes durch das
Biokraftstoffquotengesetz (siehe dazu unten) für den in … -Diesel enthaltenen
Pflanzenölanteil führte zur abgabenrechtlichen Inanspruchnahme der Klägerin. Für
den Zeitraum Januar bis einschließlich Mai 2007 sind danach … EUR Energiesteuer
entstanden. Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bezieht sich nur
auf den Monat Mai 2007 mit einem Betrag von … ,-- EUR.
Die Klägerin hat ihren Geschäftsbetrieb vorläufig zum 15. Juli 2007 eingestellt.
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 2. Oktober 2007 dem Antrag der
Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entsprochen (7 V 2274/07).
Über die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der
Verwaltungsbehörde hat der Bundesfinanzhof noch nicht entschieden.
Nach Ergehen der das Verwaltungsverfahren abschließenden
Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2007 erhob die Klägerin Klage.
Entscheidungsgründe
Für die Entscheidung dieses Verfahrens kommt es für den Senat wegen der
nachgehend dargestellten Überlegungen auf die Beantwortung der eingangs
gestellten Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften an.
2.) Zur gegenwärtigen Rechtslage und deren Entwicklung in Deutschland
Mit dem Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes und anderer Gesetze
vom 23. Juli 2002 (Bundesgesetzblatt –BGBl.- I S. 2778) fügte der
Bundesgesetzgeber einen neuen § 2a in das Mineralölsteuergesetz (MinöStG) mit
folgendem Wortlaut ein:
„§ 2a Steuerbegünstigung für Biokraftstoffe
(1) Die Steuersätze nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 sind bis zum 31. Dezember
2008 in dem Umfang ermäßigt, in dem die dort genannten Mineralöle nachweislich
Biokraftstoffe enthalten.
(2) Biokraftstoffe sind Energieerzeugnisse ausschließlich aus Biomasse im Sinne
der Biomasseverordnung vom 21. Juni 2001 (BGBl. I S. 1234) ohne die in § 2 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 und 2 der Biomasseverordnung genannten Stoffe.
Energieerzeugnisse, die anteilig aus Biomasse im Sinne von Satz 1 hergestellt
wurden, gelten in Höhe dieses Anteils als Biokraftstoffe. Pflanzenölmethylester
gelten als Biokraftstoffe.
(3) Das Bundesministerium der Finanzen hat unter Beteiligung des
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundesministerium
für Umwelt und Reaktorsicherheit alle zwei Jahre, erstmals zum 31. März 2004,
dem Bundestag einen Bericht über die Markteinführung der Biokraftstoffe und die
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dem Bundestag einen Bericht über die Markteinführung der Biokraftstoffe und die
Entwicklung der Preise für Biomasse und Rohöl sowie der Kraftstoffpreise
vorzulegen und darin ggf. eine Anpassung der Steuerbegünstigung für
Biokraftstoffe an die Marktlage vorzuschlagen.“
Damit führten (auch) die nativen Pflanzenölkraftstoffe als „ausschließlich aus
Biomasse“ bestehende Biokraftstoffe (Abs. 2 Satz 1) in dem Umfang zu einer
Steuerermäßigung, in dem sie in den der Steuer unterliegenden Mineralölen
enthalten waren. Diese Steuerermäßigung sollte bis zum 31. Dezember 2008
gelten (Abs. 1). Biokraftstoffe selbst - da nicht Mineralöle - unterlagen nicht der
Steuer.
Im Zweiten Gesetz zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften
(Steueränderungsgesetz 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I Seite 2645, 2672
f.) verlängerte der Bundesgesetzgeber diese „Steuerbegünstigung für
Biokraftstoffe“ um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2009 und erweiterte den
Anwendungsbereich auf Bioheizstoffe. Der mit Wirkung zum 01.01.2004 geänderte
§ 2a MinöStG lautete in dem hier interessierenden Bereich wie folgt:
„§ 2a Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe
(1) Mineralöle sind bis zum 31. Dezember 2009 in dem Umfang steuerbegünstigt,
in dem sie nachweislich Biokraft- oder Bioheizstoffe enthalten. Die
Steuerbegünstigung wird auf Antrag als Erlass oder Erstattung gewährt.
(2) Biokraft- oder Bioheizstoffe sind Energieerzeugnisse ausschließlich aus
Biomasse im Sinne der Biomasseverordnung vom 21. Juni 2001 (BGBl. I Seite
1234) in der jeweils geltenden Fassung (...).
(3) Die Steuerbegünstigung darf nicht zu einer Überkompensation der Mehrkosten
im Zusammenhang mit der Erzeugung der in Abs. 1 genannten Biokraft- und
Bioheizstoffe führen; zu diesem Zweck hat das Bundesministerium der Finanzen
unter Beteiligung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit jährlich,
erstmals zum 31. März 2005, dem Bundestag insbesondere einen Bericht über die
Markteinführung der Biokraft- und Bioheizstoffe und die Entwicklung der Preise für
Biomasse und Rohöl sowie die Kraft- und Heizstoffpreise vorzulegen und darin – im
Falle einer Überkompensation – eine Anpassung der Steuerbegünstigung für
Biokraft- und Bioheizstoffe entsprechend der Entwicklung der Rohstoffpreise an die
Marktlage vorzuschlagen. Hierbei sind die Effekte für den Klima- und
Umweltschutz, der Schutz natürlicher Ressourcen, die externen Kosten der
verschiedenen Kraftstoffe, die Versorgungssicherheit und die Realisierung eines
Mindestanteils an Biokraftstoffen und anderen erneuerbaren Kraftstoffen gemäß
der Richtlinie 2003/30/EG vom 8. Mai 2003 zur Förderung der Verwendung von
Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor
(Amtsblatt EU Nr. L 123 Seite 42) zu berücksichtigen (...).
Über die nach dem Biokraftstoffbericht vom Juni 2005 für erforderlich gehaltene
Rückführung der errechneten Überkompensation hinaus vereinbarten die
Fraktionen der neuen und derzeitigen Regierungskoalition in ihrem
Koalitionsvertrag vom 11. November 2005, den Verbrauch von Biokraftstoffen
nicht mehr durch eine Mineralöl- bzw. Energiesteuerbegünstigung zu fördern,
sondern dies durch eine Beimischungspflicht zu ersetzen.
Mit dem Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und
zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15. Juli 2006 (BGBl. I 2006 Seite 1534
ff.) wurde zum einen die Mineralölsteuer durch eine Energiesteuer auf
Energieerzeugnisse ersetzt, wodurch nunmehr auch Biokraftstoffe der Steuer
unterliegen (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 des Gesetzes), und zum anderen ein
Stufenplan zum Abbau der Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe
eingeführt.
Der hierfür maßgebliche § 50 hatte – auszugsweise – folgenden Wortlaut:
„§ 50 Steuerentlastung für Biokraft- und Bioheizstoffe
(1) Dem Steuerschuldner wird auf Antrag für nachweislich versteuerte
Energieerzeugnisse, die Biokraft- oder Bioheizstoffe enthalten, eine
Steuerentlastung gewährt. Der Steuerentlastungsanspruch entsteht in dem
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Steuerentlastung gewährt. Der Steuerentlastungsanspruch entsteht in dem
Zeitpunkt, in dem für die Energieerzeugnisse die Steuer nach den Steuersätzen
des § 2 in Person des Entlastungsberechtigten entsteht. Die Steuerentlastung wird
vorbehaltlich Absatz 2 Satz 3 bis zum 31. Dezember 2009 gewährt.
(2) Die Steuerentlastung wird in Höhe der auf den Biokraft- oder Bioheizstoffanteil
entfallenden Steuer gewährt. Abweichend von Satz 1 wird für Energieerzeugnisse,
die nach den Steuersätzen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 versteuert worden sind und die
Fettsäuremethylester oder Pflanzenöl als Biokraftstoff enthalten, für den Anteil
Fettsäuremethylester oder Pflanzenöl nur eine teilweise Steuerentlastung gewährt.
Die Steuerentlastung beträgt 1. für 1.000 Liter Fettsäuremethylester
...
(3) ...
Diese neue Regelung trat zum 1. August 2006 in Kraft.
Der vorgenannte § 50 des Energiesteuergesetzes wurde durch das Gesetz zur
Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des
Bundesimmissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und
stromsteuerrechtlicher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz – BiokraftQuoG –)
vom 18. Dezember 2006 (BGBl. I. Seite 3180) mit Wirkung vom 1. Januar 2007 neu
gefasst. Dabei wurden erstmals besonders förderungswürdige Biokraftstoffe, die
insoweit vollständig von der Energiesteuer entlastet werden, in Absatz 5 der Norm
aufgezählt.
Die Vorschrift hat nunmehr - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
„§ 50 Steuerentlastung für Biokraft- und Bioheizstoffe
(1) Auf Antrag wird dem Steuerschuldner eine Steuerentlastung gewährt
1. für nachweislich nach den Steuersätzen des § 2 Abs. 1 versteuerte
Biokraftstoffe, unvermischt mit anderen Energieerzeugnissen, ausgenommen
Biokraftstoffen oder Additiven der Position 3811 der Kombinierten Nomenklatur,
2. für nachweislich nach den Steuersätzen des § 2 Abs. 1 versteuerte
Energieerzeugnisse, die besonders förderungswürdige Biokraftstoffe nach Abs. 5
Nr. 3 sind,
3. für nachweislich nach den Steuersätzen des § 2 Abs. 1 versteuerte
Energieerzeugnisse, die besonders förderungswürdige Biokraftstoffe nach Abs. 5
Nr. 1 oder Nr. 2 sind oder enthalten,
4. für nachweislich nach den Steuersätzen des § 2 Abs. 2 versteuerte
Energieerzeugnisse, die durch Vergärung oder synthetisch aus Biomasse erzeugt
ist und auf Erdgasqualität aufbereitetes Biogas (Biomethan) sind oder enthalten,
dass die Anforderungen des § 5 der 10. Verordnung zur Durchführung des
Bundesemissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Beschaffenheit und die
Auszeichnung der Qualitäten von Kraftstoffen) in seiner jeweils geltenden Fassung
erfüllt,
5. für nachweislich nach den Steuersätzen des § 2 Abs. 3 versteuerte
Energieerzeugnisse, die Biokraft- oder Bioheizstoffe sind oder enthalten.
(2) ...
(3) Die Steuerentlastung wird in Höhe der auf den Biokraft- oder Bioheizstoffanteil
entfallenden Steuer gewährt. Abweichend von Satz 1 wird für Fettsäuremethylester
und Pflanzenöl, die nach den Steuersätzen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 versteuert worden
sind, nur eine teilweise Steuerentlastung gewährt. Diese beträgt
1. für 1.000 Liter Fettsäuremethylester
...
2. für 1.000 Liter Pflanzenöl
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(4) ...
Energieerzeugnisse, die anteilig aus Biomasse hergestellt werden, gelten in Höhe
dieses Anteils als Biokraft- oder Bioheizstoffe. Fettsäuremethylester gelten in
vollem Umfang als Biokraft- oder Bioheizstoffe, wenn sie durch Veresterung von
pflanzlichen oder tierischen Ölen oder Fetten gewonnen werden, die selbst
Biomasse im Sinne der Biomasseverordnung sind und wenn ihre Eigenschaften
mindestens den Anforderungen der DIN IN 14214 (Stand: November 2003)
entsprechen. ..
Pflanzenöl gilt nur dann als Biokraftstoff, wenn seine Eigenschaften mindestens
den Anforderungen der Vornorm DIN V 51605 (Stand: Juli 2006) entsprechen.
(5) Besonders förderungswürdige Biokraftstoffe sind
1. synthetische Kohlenwasserstoffe oder synthetische Kohlenwasserstoffgemische,
die durch thermochemische Umwandlung von Biomasse gewonnen werden,
2. ...
3. Energieerzeugnisse, die einen Bioethanolanteil von 70 bis 90 % enthalten,
hinsichtlich des Bioethanolanteils.
...
In einer Fußnote heißt es zu dem jeweiligen Gesetz, dass es der Umsetzung
folgender Richtlinien diene:
- Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der
gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von
Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt EU Nr. L 283 Seite 51),
zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29. April 2004
(Amtsblatt EU Nr. L 157 Seite 100) und
- Richtlinie 2003/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai
2003 zur Förderung zur Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen
erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor (Amtsblatt EU Nr. L 123 Seite 42).
Von Bedeutung für das vorliegende Verfahren ist insbesondere die Änderung des
§ 50 Abs. 1 Nr. 1 des Energiesteuergesetzes durch das Biokraftstoffquotengesetz,
weil nur noch für diejenigen als Energieerzeugnis versteuerten Biokraftstoffe eine
Steuerentlastung in Betracht kommt, die nicht mit anderen Energieerzeugnissen -
ausgenommen Biokraftstoffen oder Additiven der Position 3811 KN - vermischt
sind. Eine Entlastungsmöglichkeit für den in dem Energieerzeugnis enthaltenen
Anteil an Biokraftstoff ist also nicht mehr vorgesehen.
Mit dem Biokraftstoffquotengesetz wurde auch das
Bundesimmissionsschutzgesetz geändert und eine Beimischquote, also ein
Mindestanteil von Biokraftstoff an der Gesamtmenge des in Verkehr gebrachten
Kraftstoffs, festgelegt. In § 37a Bundesimmissionsschutzgesetz heißt es in Absatz
3:
„Verpflichtete nach Absatz 1 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Absatz 2
(Verpflichtete), die Dieselkraftstoff in Verkehr bringen, haben einen Anteil
Dieselkraftstoff ersetzenden Biokraftstoffs von mindestens 4,4 % sicherzustellen.
Verpflichtete, die Ottokraftstoff in Verkehr bringen, haben einen Anteil
Ottokraftstoff ersetzenden Biokraftstoffs von mindestens 1,2 % für das Jahr 2007,
von mindestens 2 % für das Jahr 2008, von mindestens 2,8 % für das Jahr 2009
und von mindestens 3,6 % ab dem Jahr 2010 sicherzustellen. Unbeschadet der
Sätze 1 und 2 beträgt der Mindestanteil von Biokraftstoff an der Gesamtmenge
Otto- und Dieselkraftstoffs, die von einem Verpflichteten in Verkehr gebracht wird,
im Jahr 2009 6,25 Prozent, im Jahr 2010 6,75 Prozent, im Jahr 2011 7,0 Prozent, im
Jahr 2012 7,25 Prozent, im Jahr 2013 7,5 Prozent, im Jahr 2014 7,75 Prozent und
ab dem Jahr 2015 8 Prozent. Satz 3 gilt entsprechend für Verpflichtete, die
ausschließlich Ottokraftstoff oder ausschließlich Dieselkraftstoff in Verkehr bringen.
Die Mindestanteile von Biokraftstoff beziehen sich in den Fällen der Sätze 1, 2 und
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Die Mindestanteile von Biokraftstoff beziehen sich in den Fällen der Sätze 1, 2 und
4 jeweils auf den Energiegehalt der Gesamtmenge Otto- oder Dieselkraftstoffs
zuzüglich des Biokraftstoffanteils, in den Fällen des Satzes 3 auf den Energiegehalt
der Gesamtmenge Otto- und Dieselkraftstoffs zuzüglich des Biokraftstoffanteils.
Die Gesamtmengen nach Satz 5 sind um die Mengen zu berichtigen, für die eine
Steuerentlastung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 des Energiesteuergesetzes
gewährt wurde.
(4) Der Mindestanteil von Biokraftstoff nach Absatz 3 kann durch Beimischung zu
Otto- oder Dieselkraftstoff oder durch Inverkehrbringen reinen Biokraftstoffs
sichergestellt werden.
...“
3.) Bisherige nationale Rechtsprechung:
Das Bundesverfassungsgericht wurde wegen der ab dem 1. Januar 2007 geltenden
Fassung des § 50 des Energiesteuergesetzes (= Änderung durch
Biokraftstoffquotengesetz vom 18. Dezember 2006) zunächst von 29
beschwerdeführenden Firmen angerufen. Diese Verfassungsbeschwerde richtete
sich nicht gegen den für das vorliegende Verfahren einschlägigen § 50 Abs. 1 Nr. 1
des Energiesteuergesetzes, sondern betraf die in § 50 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5
sowie in Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 des Energiesteuergesetzes in der vorgenannten
Fassung enthaltenen Regelungen. Bei den Beschwerdeführerinnen handelte es
sich um Firmen, die Biokraftstoffe, und zwar Biodiesel und Umrüstsysteme für den
Betrieb von Dieselmotoren mit Biokraftstoffen, produzierten oder vertrieben. Zur
Herstellung von Biodiesel wird Pflanzenöl (in Deutschland in der Regel Rapsöl) mit
ca. 10 % Methanol sowie verschiedenen Reagenzien versetzt. Bei ca. 60°C werden
die Esterbindungen der Triglyzeride des Pflanzenöls getrennt und die
entstehenden Fettsäuren mit dem Methanol verestert. Das Glyzerin wird dabei
abgetrennt. Eine Verwendung als Kraftstoff ist nur nach technischer Anpassung
der Motoren möglich. Die Beschwerdeführerinnen machten im Wesentlichen
geltend, sie würden durch den Wegfall der steuerlichen Begünstigung in ihrem
Grundrecht auf Schutz des Eigentums und der Berufsfreiheit verletzt. Darüber
hinaus verstoße die Neuregelung gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Sie sei zudem unverhältnismäßig und berücksichtige nicht hinreichend die Pflicht
des Staates zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gemäß Art. 20a
Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht nahm diese Verfassungsbeschwerde
(1 BvR 1031/07) gemäß Beschluss vom 25. Juli 2007 nicht zur Entscheidung an.
Gemeinschaftsrechtliche Regelungen werden in diesem Beschluss nicht
angesprochen. Das Bundesverfassungsgericht vertritt unter anderem die
Auffassung, dass der Gesetzgeber mit der Entscheidung, die vollständige
Steuerbefreiung für Biokraftstoffe auslaufen zu lassen, legitime Gemeinwohlziele
verfolgt habe. Diese sieht das Bundesverfassungsgericht darin, dass die bisherige
Förderung des Verbrauchs von Biokraftstoffen über Steuervergünstigungen zu
ansteigenden Steuerausfällen geführt hätte und dies mit der angestrebten
Haushaltskonsolidierung nicht mehr vereinbar gewesen wäre. Um diese Ziele
miteinander in Einklang zu bringen, habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden,
die bis dahin gewährten Steuerbegünstigungen weitgehend durch eine
unternehmensbezogene Quotenpflicht zu ersetzen. Dabei sei die schrittweise
Anhebung der Biokraftstoffquoten beabsichtigt. Durch die Umstellung der
Biokraftstoffförderung auf die Beimischpflicht der Unternehmen sichere der
Gesetzgeber den Biokraftstoffherstellern und Vertreibern sowie sonstigen
gewerblichen Nutzern im Grundsatz weiterhin einen mit steigender Quote
wachsenden Absatzmarkt.
Mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde vom 31. Juli 2007 wandten sich 14
andere Firmen an das Bundesverfassungsgericht und rügten die in § 50 Abs. 3
Satz 2 und Satz 3 Nr. 2 des Energiesteuergesetzes in der durch das
Biokraftstoffquotengesetz vom 18. Dezember 2006 geschaffenen Fassung als
verfassungswidrig. Die Beschwerdeführerinnen dieser Verfassungsbeschwerde sind
klein- und mittelständische Unternehmen in der Produktion (Anbau), der
Herstellung, dem Vertrieb, der Fahrzeugumrüstung und der
Technologieentwicklung im Wirtschaftszweig native Pflanzenölkraftstoffe. Diese
nativen Pflanzenöle werden chemisch unverändert als Kraftstoffe eingesetzt. Im
Gegensatz zu Biodiesel, bei dem durch die Veresterung eine chemische
Umwandlung stattfindet, wird das Pflanzenöl chemisch unverändert eingesetzt.
Das Bundesverfassungsgericht hat bisher über diese Verfassungsbeschwerde (Az.
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Das Bundesverfassungsgericht hat bisher über diese Verfassungsbeschwerde (Az.
1 BvR 1981/07) nicht entschieden. Nach telefonischer Mitteilung der
Geschäftsstelle vom 10. April 2008 ist ein Entscheidungstermin noch nicht
absehbar.
Soweit erkennbar gibt es im Bereich der steuerlichen Rechtsprechung bisher nur
den Beschluss des vorlegenden Senates in dem von der Klägerin geführten
Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Beschluss vom 2. Oktober
2007 Geschäftszeichen 7 V 2274/07). Der Senat war dabei zu dem Ergebnis
gekommen, dass ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung des § 50
Abs. 1 Nr. 1 Energiesteuergesetz in der ab 01.01.2007 geltenden Fassung mit den
Bestimmungen der Richtlinie 2003/30/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 8. Mai 2003 - Biokraftstoffrichtlinie - bestehen.
4.) Regelungen der Gemeinschaft, Berichte, Stellungnahmen, Gutachten u.a. von
Institutionen der Gemeinschaft und von anderen Stellen zum Umweltschutz im
Allgemeinen und zur Erzeugung und Nutzung von Biokraftstoffen im Besonderen
a) Regelungen der Gemeinschaft
Während der 1958 in Kraft getretene Vertrag zur Gründung der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft keine umweltrechtlichen Vorschriften enthielt, nahm die
am 1. Juli 1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte hierfür einen
besonderen Abschnitt - Titel VII „Umwelt“ (jetzt Titel XIX) - in den EG-Vertrag auf.
Vorausgegangen war ein Umdenken bezüglich der zunehmenden
Umweltbelastungen, wie sie z.B. in wissenschaftlichen Berichten über das Ausmaß
der Umweltbeeinträchtigungen (z.B. Meadows und andere, Die Grenzen des
Wachstums, Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, 1971) verdeutlicht
wurden. Das in der Folgezeit wachsende Umweltbewusstsein und nicht zuletzt die
durch die Konferenz von Rio in Gang gesetzte internationale Entwicklung führten
zur Verankerung des Umweltschutzes als Unionsschutzziel in Art. 37 der am
7. Dezember 2000 in Nizza beschlossenen Charta der Grundrechte der EU. Art. 37
der Charta der Grundrechte lautet wie folgt:
„Ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität müssen
in die Politiken der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen
Entwicklung sichergestellt werden.“
Mit der Unterzeichnung des EU-Vertrages in Maastricht ist der Umweltschutz zu
einem Ziel der Gemeinschaft geworden. Dabei sind die Erreichung eines hohen
Maßes an Erhaltung und Verbesserung des natürlichen Lebensraums sowie die
Hebung der Lebensqualität als Gemeinschaftsziele in Art. 2 EG verankert. Die
Erfordernisse des Umweltschutzes müssen gemäß Art. 6 EG bei der Festlegung
und Durchführung der in Art. 3 EG genannten Gemeinschaftspolitiken und -
maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung
einbezogen werden. Auch der Vertrag über eine Verfassung für Europa sieht vor,
dass ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität in
die Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen
Entwicklung sichergestellt werden müssen (zu der geschichtlichen Entwicklung vgl.
im Einzelnen die Schlussanträge des Generalanwalts Damaso Ruiz-Jarabo Colomer
vom 26. Mai 2005 in der Rechtssache C-176/03, Sammlung 2005 I-7881). Der
Gerichtshof hat in dem Urteil in dieser Rechtssache vom 13. September 2005
(Sammlung 2005 I-7907 ff.) die Bedeutung des Umweltschutzes als eines der
wesentlichen Ziele der Gemeinschaft bekräftigend hervorgehoben. Darüber hinaus
müssten - so der Gerichtshof weiter (Randnummer 42 des Urteils) - die
Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der
Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen einbezogen werden, was den
Querschnittscharakter und die grundlegende Bedeutung dieses Zieles
verdeutlicht.
Mit der Richtlinie 2003/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
8. Mai 2003 zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen
erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor (Biokraftstoff-Richtlinie) hat die
Gemeinschaft Regelungen geschaffen, um den Ausstoß von
Kohlendioxidemissionen im Verkehrssektor zu senken. Eine stärkere Verwendung
von Biokraftstoffen im Verkehrsbereich soll dazu dienen, den im Kyoto-Protokoll
übernommenen Verpflichtungen nachzukommen.
Mit der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur
Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von
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Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von
Energieerzeugnissen und elektrischem Strom wird den Mitgliedstaaten die
Möglichkeit eingeräumt, unter anderem solche Energieerzeugnisse von der
Energiesteuer zu befreien oder einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, die aus
Biomasse gewonnen wurden. Dabei wird den Mitgliedstaaten die Verpflichtung
auferlegt, angewandte Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen entsprechend der
Entwicklung der Rohstoffpreise zu modellieren, damit sie nicht zu einer
Überkompensation der Mehrkosten in Zusammenhang mit der Erzeugung z.B. der
Erzeugnisse aus Biomasse führen.
In den Erwägungen zur Biokraftstoff-Richtlinie wird unter anderem darauf
hingewiesen, dass auf den Verkehrssektor mehr als 30 % des
Energieendverbrauchs in der Gemeinschaft mit steigender Tendenz entfällt. Für
die infolgedessen ansteigenden CO
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-Emissionen wird vor allem der
Straßengüterverkehr verantwortlich gemacht, auf den 84 % der verkehrsbedingten
CO
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-Emissionen zurückgehen sollen. Aus ökologischer Sicht wird daher im
Weißbuch der Kommission gefordert, im Verkehrssektor die derzeit 98 %
betragende Abhängigkeit vom Erdöl durch den Einsatz alternativer Kraftstoffe wie
Biokraftstoffe zu verringern. Dies sei zudem erforderlich, um die Einhaltung des im
Kyoto-Protokoll festgelegten Maßnahmepaketes zu erreichen. Die Förderung des
Einsatzes von Biokraftstoffen im Verkehr sei ein Schritt in Richtung einer stärkeren
Nutzung der Biomasse. Die Förderung der Erzeugung und Verwendung von
Biokraftstoffen könnte zu einer Verringerung der Abhängigkeit von
Energieeinfuhren und der Treibhausgasimmissionen beitragen. Darüber hinaus
könnten Biokraftstoffe in Reinform oder als Mischung grundsätzlich in den
bestehenden Kraftfahrzeugen und mit den bestehenden Kfz-
Die Beimischung von
Biokraftstoff zu fossilen Kraftstoffen könnte eine mögliche
Kostenersparnis beim Vertriebssystem in der Gemeinschaft erleichtern
(Hervorhebung hinzugefügt).
Artikel 3 Abs. 2 a) der Biokraftstoff-Richtlinie sieht vor, dass Biokraftstoffe als reine
Biokraftstoffe oder in hoher Konzentration in Mineralölderivaten, in Einklang mit
den besonderen Qualitätsnormen für Verkehrsanwendungen, bereit gestellt
werden könnten.
Gemäß Artikel 4 Abs. 1 der Biokraftstoff-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten der
Kommission vor dem 1. Juli eines jeden Jahres die Maßnahmen zu melden, die
ergriffen wurden, um die Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen
erneuerbaren Kraftstoffen als Ersatz für Otto- und Dieselkraftstoffe im
Verkehrssektor zu fördern.
Mit der an die Mitgliedstaaten gerichteten Entscheidung Nr. 280/2004/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 wurden die
Verfahren für ein System zur Überwachung der Treibhausgasemissionen in der
Gemeinschaft und zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls geschaffen.
b) Äußerungen von Institutionen der Gemeinschaft und anderen Stellen
In der Mitteilung der Kommission „Aktionsplan für Biomasse“ vom 7. Dezember
2005 (KOM (2005) 628 endgültig) legt die Kommission dar, wie die Nutzung von
Biomasseenergie durch Schaffung wirtschaftlicher Anreize und durch die
Beseitigung von Hindernissen, die der Entwicklung eines Marktes entgegenstehen,
gefördert werden könnte. Dadurch könnte Europa seine Abhängigkeit von fossilen
Brennstoffen verringern, die Immission von Treibhausgasen senken und die
Wirtschaftstätigkeit in sämtlichen Gebieten beleben. Unter Punkt 4.2. hält die
Kommission fest, dass sie bezüglich des Fahrzeugmarktes in Kürze einen
Legislativvorschlag vorlegen wolle, mit dem öffentliche Stellen dazu angehalten
werden sollten, umweltfreundliche und effiziente Fahrzeuge zu beschaffen; dazu
die mit Kraftstoffmischungen mit hohem
Biokraftstoffanteil betrieben würden
In dem von der Kommission erstatteten Fortschrittsbericht Biokraftstoffe vom 10.
Januar 2007 (KOM (2006) 845 endgültig) wird hervorgehoben, dass nur
Deutschland und Schweden die für das Jahr 2005 vorgesehene Zielvorgabe von
mindestens 2 % Marktanteil für Biokraftstoff erreicht hätten. Dabei heißt es, dass
in beiden Ländern ohne mengenmäßige Beschränkung Steuerbefreiungen für
Biokraftstoffe gewährt würden. Seit Anfang 2005 seien in insgesamt
13 Mitgliedstaaten staatliche Beihilfen in Form von Steuerbefreiungen für
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13 Mitgliedstaaten staatliche Beihilfen in Form von Steuerbefreiungen für
Biokraftstoffe genehmigt worden. In 2005 und 2006 hätten mehrere
Mitgliedstaaten die Einführung einer neuen Form der Unterstützung durch
„Biokraftstoffverpflichtung“ angekündigt. Dabei handele es sich um
Rechtsinstrumente, durch die den Kraftstofflieferanten die Verpflichtung auferlegt
werde, einen bestimmten Prozentanteil ihres Gesamtkraftstoffabsatzes in Form
von Biokraftstoffen zu vermarkten. Es gebe gute Gründe, die dafür sprechen
würden, dass solche Verpflichtungen langfristig die Kosten der Nutzung von
Biokraftstoffen reduzieren und sich als wirkungsvollste Lösung erweisen könnten.
Die Kommission unterstütze diesen Ansatz. Über die Auswirkung auf die Kosten
lägen keine Daten vor. Die Kommission werde die weiteren Fortschritte im Bereich
der Biokraftstoffverpflichtungen aufmerksam verfolgen.
Bezüglich der Herstellungskosten wird in diesem Bericht ausgeführt, dass selbst
bei Einsatz modernster Technologien die in der EU erzeugten Biokraftstoffe
aufgrund ihrer hohen Kosten zumindest auf kurze und mittlere Sicht kaum mit
fossilen Kraftstoffen konkurrieren könnten. Für Biodiesel und Bioethanol läge der
break-even-point, der in einem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen
errechnet worden sei, bei 69,-- bis 76,-- EUR bzw. 63,-- bis 85,-- EUR. Wenn es
gelänge, bis 2020 einen in erster Linie aus heimischer Produktion stammenden
Biokraftstoffanteil von 14 % zu erreichen, so würde dies zu einer bis um 144.000
Arbeitsplätze höheren Beschäftigung und zu einem bis um 0,23 % höheren EU-BIP
führen, als dies ansonsten der Fall wäre.
Damit eine Erhöhung des derzeitigen Biokraftstoffanteils von 1 % auf 10 % erreicht
werden kann, hält es die Kommission unter anderem für erforderlich, für den
Betrieb mit Kraftstoffen mit höherem Biokraftstoffanteil benötigte (preiswerte)
technische Anpassungen bei neuen Fahrzeugen zu entwickeln. Außerdem sei ein
ausgewogenerer Ansatz im internationalen Biokraftstoffhandel weiter zu verfolgen
, damit auch die heimischen Produzenten im Vertrauen auf die durch einen
wachsenden europäischen Markt geschaffenen Chancen Investitionen tätigen
könnten.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat unter dem 8. Februar 2006
in ihrer Mitteilung zu einer EU Strategie für Biokraftstoffe (KOM/2006/0034 endg.)
hervorgehoben, dass der Verkehr in der EU schätzungsweise 21 % aller
Treibhausgasemissionen verursacht. Diese trügen zur globalen Erwärmung bei.
Die Tendenz sei steigend. Diese Mitteilung befasse sich daher mit der Rolle, die
Biokraftstoffe in diesem Zusammenhang zur Verringerung der Importabhängigkeit
sowie insbesondere zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen
könnten. Die Kommission geht dabei davon aus, dass die Kosten der meisten
Biokraftstoffe noch immer über denen fossiler Kraftstoffe liegen. Die EU fordere
Biokraftstoffe, um die Treibhausgasemissionen zu verringern, den
verkehrsindizierten CO
2
-Ausstoß zu senken, die Kraftstoffquellen zu
diversifizieren und auf lange Sicht einen Ersatz für Erdöl zu entwickeln. Außerdem
werde die Erweiterung der Biokraftstofferzeugung voraussichtlich neue
Möglichkeiten zur Einkommensdiversifizierung und neue Arbeitsplätze in ländlichen
Gebieten schaffen.
Unter der Überschrift „Das Biokraftstoffpotenzial ausschöpfen – ein strategisches
Konzept“ beschreibt die Kommission drei Ziele, die zur Verfolgung der EU
Strategie für Biokraftstoffe verfolgt werden sollen. Danach sollen Biokraftstoffe
sowohl in der EU wie auch in den Entwicklungsländern stärker gefördert werden. Es
soll unter Berücksichtigung des Aspekts der Wettbewerbsfähigkeit darauf geachtet
werden, dass ihre Erzeugung und Verwendung insgesamt umweltfreundlich ist und
es soll der Biokraftstoffnutzung auf breiter Basis der Weg bereitet werden. Darüber
hinaus soll untersucht werden, welche Möglichkeiten in den Entwicklungsländern
und besonders den von der Reform der EU-Zuckerregelung betroffenen Ländern
bestehen, um Rohstoffe für Biokraftstoffe zu erzeugen, und es soll festgelegt
werden, welche Rolle die EU bei der Förderung der nachhaltigen
Biokraftstofferzeugung spielen könnte. Als einfachster Weg für den Verkehrssektor,
um unmittelbar zur Verwirklichung der Kyoto-Ziele beizutragen, wird dabei
Anteil
ersetzen. Zudem würde dann der gesamte Fahrzeugbestand einen Beitrag leisten.
Dabei sei die Entwicklung eines Ersatzes für Dieselkraftstoff für Europa besonders
wichtig, da die EU derzeit Nettoimporteur von Dieselkraftstoff ist, während sie
Ottokraftstoff exportiert. Die Förderung der Verwendung der derzeit verfügbaren
Biokraftstoffe könne dabei als notwendiger Zwischenschritt gesehen werden, um
Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die Energiequellen des Verkehrssektors zu
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Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die Energiequellen des Verkehrssektors zu
diversifizieren und die EU-Wirtschaft auf Alternativen im Verkehrssektor
vorzubereiten, auch wenn diese derzeit noch nicht ausgereift seien.
Die Kommission weist in diesem Zusammenhang weiter darauf hin, dass in
Ländern, in denen die Rohstofferzeugung voraussichtlich deutlich zunehmen wird,
die umweltsensiblen Gebiete wie Regenwälder zunehmend unter Druck geraten
könnten. Es gäbe auch Befürchtungen betreffend die Beeinträchtigung der
Bodenfruchtbarkeit, die Verfügbarkeit und die Qualität von Wasser, den Einsatz
Zudem gäbe es Vorbehalte wegen
der Konkurrenz zwischen der Erzeugung von Biokraftstoffen und von
Nahrungsmitteln.
jeweiligen Wirkungen müssten quantifiziert und erforderlichenfalls durch eindeutige
Gesetzesrahmen verhindert werden (Hervorhebungen jeweils hinzugefügt).
Unter den sieben politischen Schwerpunkten, die zur Biokraftstoffstrategie
aufgeführt werden, nennt die Kommission die Aufforderung an den Rat und das
Europäische Parlament, den Legislativvorschlag in Bezug auf die Beschaffung
umweltfreundlicher und energieeffizienterer Fahrzeuge – einschließlich von
hoher Anteil Biokraftstoff beigemischt
(Hervorhebung hinzugefügt) ist - im öffentlichen Auftragswesen rasch zu
genehmigen.
Die Europäische Umweltagentur (European Environment Agency - EEA) hat in dem
am 3. März 2008 dem Ausschuss des Europäischen Parlamentes zum
Klimawandel vorgestellten Bericht „Climate for a transport change“ darauf
hingewiesen, dass etwa 12 % der gesamten CO
2
-Emissionen in der EG durch die
Kraftstoffverbrennung von Personenkraftwagen verursacht werden. Das
Personenverkehrsaufkommen steige stetig und der Güterverkehr wachse schneller
als die Wirtschaft. Dabei seien die durch den internationalen Flug- und Seeverkehr
verursachten Treibhausgasemissionen, die nicht nur aus CO
2
bestehen, nicht mit
erfasst.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat am 24. Oktober 2007 seine
Stellungnahme zum Thema „Mitteilung der Kommission an den Rat und das
Europäische Parlament – Fortschrittsbericht Biokraftstoffe – Bericht über die
Fortschritte bei der Verwendung von Biokraftstoffen und anderen erneuerbaren
Kraftstoffen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (KOM (2006) 845
endg.)“ vorgelegt.
Der Ausschuss setzt sich dabei kritisch mit dem genannten Fortschrittsbericht
Biokraftstoffe der Kommission auseinander, wobei er sich insbesondere mit dem
Einsatz der Biokraftstoffe der ersten Generation befasst. Diese würden im Hinblick
auf ihre Produktions- und Umweltkosten nicht ganz den europäischen Zielen
entsprechen. Außerdem gingen den Menschen und Tieren dadurch Getreide als
Nahrungsmittel verloren. Dies sei laut der FAO für den Anstieg der Getreidepreise
auf den Weltmärkten mitverantwortlich. Sowohl hinsichtlich des
Biodieselkraftstoffes wie auch hinsichtlich Bioethanol werden als Risikofaktoren
insbesondere die begrenzte Wirtschaftlichkeit, für Biodieselkraftstoff hohe Kosten
sowie Stabilitätsprobleme und für Bioethanol erhöhter Wasser- und
Düngemittelverbrauch sowie die Tatsache, dass die Beförderung derzeit nicht in
den für Kraftstoffe auf Erdölbasis verwendeten Pipelines erfolgen könne,
hervorgehoben. Der Ausschuss verweist unter anderem darauf, dass es
unerlässlich sei, besonderes Augenmerk auf die Pflege und den Schutz der Böden
zu richten. Sie müssten ebenso geschützt werden, wie auf die Sicherheit der
Grundwasserqualität und die Erhaltung des Grundwasserspiegels zu achten sei. Es
müsse für einen Fruchtwechsel gesorgt werden, um die Revitalisierung der Böden
zu fördern. Neueste Studien des internationalen Wasserwirtschaftsinstitutes
hätten ergeben, dass je nach Produktart und Produktionsgebiet für die Herstellung
von einem Liter Biokraftstoff mindestens 1.000 Liter und bis zu 4.000 Liter Wasser
benötigt würden.
Der Ausschuss befasst sich ausdrücklich mit dem als Biokraftstoff der dritten
Generation bezeichneten Biobutanol. Dessen Entwicklung müsse weiter
vorangetrieben werden. Denn der niedrige Dampfdruck des Biobutanols und seine
hohe Toleranz gegenüber Wasserverunreinigungen in Ottokraftstoffgemischen
ermögliche seinen Einsatz in bestehenden Kraftstoffliefer- und -vertriebskanälen.
Biobutanol könne Benzin in höheren Konzentrationen als bisherige Biokraftstoffe
beigemischt werden, ohne dass die Fahrzeuge nachgerüstet werden müssten.
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beigemischt werden, ohne dass die Fahrzeuge nachgerüstet werden müssten.
Darüber hinaus biete es einen günstigeren Kraftstoffverbrauch als
Benzinethanolgemische und verbessere so die Energieeffizienz und den
Kraftstoffverbrauch pro Liter.
Hinsichtlich Biobutanol hatte die Wirtschaftswoche im Juni 2006 berichtet, dass der
Energiekonzern BP gemeinsam mit dem US Chemiekonzern Dupont die
Entwicklung und Erforschung einer neuen Generation von Biotreibstoffen
vorantreibe. BP habe 500 Millionen Dollar für ein Institut bereitgestellt, das in den
kommenden Jahren mit Hilfe der Biotechnologie neue umweltfreundliche
Treibstoffe entwickeln solle. Biobutanol wird durch die Fermentation von Pflanzen
erzeugt, die heute auch im großen Maßstab für die Produktion von Bioethanol
eingesetzt werden, also z.B. Zuckerrohr, Zuckerrüben oder Mais. Laut BP könne
der Biokraftstoff aber auch aus speziell angepflanzten Gräsern, Stroh und
Ernteabfällen erzeugt werden. Durch das Institut solle erforscht werden, wie mehr
organische Materie für die Treibstoffproduktion genutzt werden könnte. Zudem soll
es neue Pflanzenarten entwickeln, die einen hohen Energieertrag bringen und auf
Böden angebaut werden können, die bisher nicht für den Ackerbau nutzbar sind.
Die Herstellung von Biobutanol galt allerdings bislang als zu teuer und zu wenig
effektiv.
In der genannten Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschusses wird ferner darauf hingewiesen, dass auf die Wahrung der
biologischen Vielfalt zu achten ist und dass ausschließlich Non-Food-Kulturen für
die Herstellung von Biokraftstoffen genutzt werden dürften. Denn angesichts der
Millionen von Menschen, denen es an Nahrungsmitteln fehlt und die verhungern
müssen, müsse die Gefahr eines Wettbewerbs zwischen Nahrungsmitteln und
Brennstoffen ausgeräumt werden. Der Ausschuss schlägt zur Verwirklichung der
Ziele Umweltschutz und Verringerung der Treibhausgase, der Optimierung des
Energieverbrauchs und Nutzung alternativer Energieträger sowie der
Unabhängigkeit und Sicherheit bei der Energieversorgung eine differenzierte
Behandlung (Steueranreize, administrative Anreize usw.) der Produkte vor, die
mehr als andere und in erheblichem Maße dazu beitragen, diese Ziele zu
erreichen. Dabei sei auch darauf zu achten, dass Biokraftstoffe aus nationalen
„Null-Kilometer-Agrarerzeugnissen“ hergestellt würden. Sie dürften nicht über
lange Entfernungen von einem Land zum anderen transportiert werden, womit ein
entsprechender Verbrauch an fossilen Brennstoffen einherginge. Aus diesen
Gründen sollte diese Art von Biomasse vorzugsweise vor Ort verarbeitet werden.
Der Ausschuss sieht auch die besondere Problematik, die eine wirtschaftliche
Belastung gerade für die EU-Bürger der erst kürzlich der EU beigetretenen
Mitgliedstaaten mit sich bringen könnte. Dort gibt es einen Fahrzeugbestand, der
besonders stark überaltert ist und sich aus technisch veralteten
Gebrauchtfahrzeugen der reichen Märkte zusammensetzt. Gerade dort sei es
aber überhaupt nicht denkbar, diesen EU-Bürgern, für die das Auto ein
unentbehrliches Arbeitsinstrument ist, Verpflichtungen und Kosten aufzuerlegen.
Zur Problematik der intensiven Landnutzung und ihrer Auswirkung für die Umwelt
hat Greenpeace unter dem 8. Januar 2008 in einem Report zu Klima und
Landwirtschaft darauf hingewiesen, dass insbesondere durch die Überdüngung der
Äcker mit Stickstoff die Landwirtschaft für bis zu 1/3 der weltweiten Treibhausgase
verantwortlich sei.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat in seinem im Juli 2007 vorgestellten
Sondergutachten „Klimaschutz durch Biomasse“ darauf hingewiesen, dass die
Nutzung von Biomasse für die Verwirklichung der Klimaschutzziele zwar eine
wichtige Rolle spielen könne, jedoch keine unerschöpfliche Ressource darstelle. So
könnten bis 2030 nur etwa 10 % des Primärenergieverbrauchs in Deutschland
durch hier angebaute Biomasse abgedeckt werden, wenn dabei Umwelt- und
Naturschutzgesichtspunkte angemessen berücksichtigt würden. In Deutschland
sei durch den Ausbau der nachwachsenden Rohstoffe mit einem vermehrten
Düngemittel- und Pestizideinsatz vor allem in den großflächigen Raps- und
Maisanbaumonokulturen und einer weiteren Intensivierung der Landwirtschaft zu
rechnen. Risiken würden sich auch aus der mit dem Klimawandel verbundenen
Wasserknappheit verbinden. Um Umweltschäden zu vermeiden, müssten daher
die bestehenden Umweltauflagen für die Landwirtschaft konsequent umgesetzt
und in Einzelpunkten weiterentwickelt werden. Nur durch eine belastbare Ökobilanz
lasse sich abschließend beurteilen, inwieweit durch Biomassenutzung tatsächlich
ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden könne. Darüber hinaus sei zu
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ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden könne. Darüber hinaus sei zu
bedenken, dass der Importsog für Biokraftstoffe unter anderem den
Nutzungsdruck auf schützenswerte Tropenwälder in Südostasien und Südamerika
verstärke. Deren weitere Abholzung sei indes auch klimapolitisch kontraproduktiv.
Professor Faulstich, der Mitglied dieses Sachverständigenrates ist, führte dazu
weitergehend aus, dass das Potenzial für erneuerbare Energien aus
nachwachsenden Rohstoffen in Deutschland klare Grenzen habe. Im Jahr 2007
seien etwa 2 Millionen Hektar, was 17 % der Ackerfläche entspreche, für den
Anbau von nachwachsenden Rohstoffen genutzt worden. Für 2030 gehe der
Sachverständigenrat für Umweltfragen von einem Potenzial von 3 bis 4 Millionen
Hektar aus. Allein die Zielvorgabe des Kraftstoffquotengesetzes, ab 2010 einen
Anteil von 6,75 % des gesamten Kraftstoffverbrauches durch alternative
Kraftstoffe zu ersetzen, benötige eine Fläche von 3 Mio. Hektar. Nach
Einschätzung von Professor Faulstich erfolge jedenfalls derzeit keine optimale
Nutzung der zur Verfügung stehenden Flächen.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hatte diese vielschichtige Problematik in den
beiden aus dem Jahre 2003 stammenden Richtlinien schon verdeutlicht. Denn
einerseits wird es als sinnvoll und notwendig zum Schutze unserer Umwelt
angesehen, Biomasse stärker zu nutzen (Erwägungsgrund Nr. 10 der Richtlinie
2003/30/EG), andererseits verlangen die mit einem verstärkten Einsatz von
Biokraftstoffen verbundenen vielfältigen Auswirkungen eine genaue Analyse der
ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen (Randnummer 25 der
Erwägungen der Richtlinie 2003/30/EG) sowie eine rechtzeitige Verhinderung
unerwünschter Ergebnisse. Prof. Dr. Rahmstorf vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung sieht in den Kyoto-Protokoll nur einen ersten kleinen Schritt
zum Klimaschutz, da die weltweiten Emissionen bis 2012 nur geringfügig reduziert
werden würden. Um den weiteren Anstieg der klimawirksamen Gase (CO
2
,
Methan, Stickoxide und andere) in der Atmosphäre zu stoppen und damit das
Klima zu stabilisieren, müssten die Emissionen dieser Gase weltweit um rund 60 %
verringert werden.
In einem von der EU-Kommission und dem EU-Ministerrat gemeinsam
erarbeiteten und am 8. März 2008 veröffentlichten Papier werden bereits dann
ernste Gefahren für die Sicherheit der Europäischen Union befürchtet, wenn es
gelingen würde, den Temperaturanstieg bis 2050 auf 2°C zu begrenzen. Denn die
Auswertungen des Klimawandels würden vor allem in schwachen Staaten zur
Radikalisierung und zu Spannungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen
führen. Es sei absehbar, dass zwei Regionen durch die klimatischen
Veränderungen besonders betroffen sein werden: in Nordafrika drohe der Verlust
von drei Vierteln des landwirtschaftlich nutzbaren Landes, im Nahen Osten sei
akuter Wassermangel vorhersehbar.
Der Generalanwalt hat in seinen in der Rechtssache C-176/03 im Mai 2005
gestellten Schlussanträgen darauf hingewiesen (Randnummer 60), dass das
Anliegen des Umweltschutzes nicht auf Europa beschränkt ist, sondern eine
weltweite Dimension angenommen hat.
5.) Zur Umweltrelevanz des weltweiten Energiebedarfs
a) Weltweiter Energiebedarf
Bereits im Jahr 2003 gingen die Institutionen der Europäischen Gemeinschaft
davon aus, dass auf den Verkehrssektor mehr als 30 % des Energieendverbrauchs
- mit steigender Tendenz - der Gemeinschaft entfällt. Bis zum Jahr 2010 wird mit
CO
2
-Emissionen in diesem Sektor von 1,113 Milliarden Tonnen gerechnet. 84 %
hiervon beruhen auf dem Straßengüterverkehr.
Der Energiebedarf steigt aber nicht nur im Bereich der Europäischen Gemeinschaft
und den übrigen Industrienationen, sondern insbesondere und sprunghaft in den
als Schwellenländern bezeichneten, sehr bevölkerungsstarken Staaten China und
Indien.
Die Bereiche, für die die Energie verwendet wird, sind unterschiedlich. Der
Energieeinsatz erfolgt zum einen zur Wärmegewinnung, sei es im Bereich von
industriellen Prozessen oder auch zur Nutzung der durch den
Verbrennungsvorgang gewonnenen Wärme, wie andererseits als Kraftstoff.
So sollen in Indien ab Ende 2008 in einer ersten Ausbaustufe jährlich 250.000 Pkw-
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So sollen in Indien ab Ende 2008 in einer ersten Ausbaustufe jährlich 250.000 Pkw-
Einheiten mit Benzin- bzw. Dieselmotoren gebaut werden. Die Kapazität soll auf
eine Million Fahrzeuge gesteigert werden.
b) Energieträger und ihre Klima- und Ökobilanz
– Fossile Energieträger
Die Menschheit verbrennt derzeit jährlich (so Prof. Dr. Rahmstorf) etwa soviel
fossile Brennstoffe, wie sich in einer Million Jahre gebildet hatten.
Ganz überwiegend erfolgt derzeit in allen Bereichen des Energieeinsatzes die
Verwendung von fossilen Energieträgern, nämlich Erdöl, Erdgas und Kohle. Die
Vorräte sind begrenzt, wobei es aus Sicht des Senates letztlich keinen Unterschied
bedeutet, ob evtl. durch das Auffinden weiterer Lagerstätten die prognostizierte
Versorgungsmöglichkeit der Erdbevölkerung für ein bis zwei Jahrzehnte oder
vielleicht auch 50 Jahre sich verlängern könnte. Denn jedenfalls steht fest, dass die
Vorräte endlich sind. Es kommt hinzu, dass die Nutzung dieser Vorräte
zunehmend andere Probleme aufwirft. So hat das durch den Steinkohleabbau im
Saarland im Februar 2008 ausgelöste Erdbeben nicht nur zu erheblichen
Sachschäden geführt, sondern auch gezeigt, wie fragil die Ausbeutung derartiger
Lagerstätten ist. Denn wenn der Kohleabbau in diesem Bereich eingestellt werden
müsste, würde dies nicht nur zum Verlust der ca. 4.000 Arbeitsplätze unter Tage
führen, sondern auch bis zu – geschätzten – 4.000 weitere Arbeitsplätze aus dem
Zulieferbereich betreffen. Die Suche nach Lagerstätten führt darüber hinaus im
Einzelfall zu ökologischen Problemen. Wenn im Wattenmeer der Nordsee
Bohrungen nach Erdöl niedergebracht werden sollen und bei entsprechendem
Erfolg dort eine Ausbeutung der Ressourcen beginnen würde, lassen sich
Beeinträchtigungen des dortigen als besonders schützenswert angesehenen
Meeresgebietes nicht ausschließen. Soweit die Nutzung von im Meeresgrund
eingeschlossenem Methan als weitere natürliche Ressource in Erwägung gezogen
wird, ist ein entsprechendes marktreifes Verfahren bisher nicht vorhanden.
Ungewiss ist darüber hinaus, inwieweit sich der Entzug dieses in gefrorenem
Zustand befindlichen Gases gerade aus dem Randbereich der Küsten auf die
Stabilität der Erdoberfläche auswirken könnte.
In Deutschland wird derzeit der Neubau von Kohlekraftwerken forciert, obwohl es
noch keine einsetzbare Technik gibt, um die gewaltigen Mengen CO
2
klimaneutral
aufzufangen.
– Holz
29 Staaten der Erde besitzen nur noch weniger als 10 % ihrer ursprünglichen
Wälder, 25 Staaten sind praktisch völlig entwaldet. Die Waldfläche in tropischen
Regionen ging zwischen 1990 und 2000 weltweit um 1,2 Millionen Quadratkilometer
zurück. Mit diesem Flächenverlust von jährlich durchschnittlich 120.300
Quadratkilometern ist auch ein enormer Artenverlust verbunden. Der Verbrauch
der Menschheit an natürlichen Ressourcen überstieg - entgegen dem Gebot der
Nachhaltigkeit - bereits im Jahre 2002 die Kapazität der Erde um 20 %.
Am 22. Januar 2008 gab die Regierung von Brasilien bekannt, dass die monatliche
Zerstörungsrate des Amazonasregenwaldes von 234 Quadratkilometern im
August 2007 auf 948 Quadratkilometer im Dezember 2007 angewachsen ist. Die
so allein in einem Monat vernichtete Fläche ist größer als die Fläche der Stadt
Hamburg. Seit 1970 verlor der Amazonas-Urwald bereits knapp 700.000
Quadratkilometer Fläche. Das entspricht nahezu der zweifachen Ausdehnung
Deutschlands. Die Brandrodung der Amazonas-Regenwälder wirkt sich nach
Auffassung z.B. von Prof. Meinrad Andrew vom Mainzer Max-Planck-Institut für
Chemie auf das Klima weltweit aus. Großflächige Brände in den tropischen Wäldern
sind mit starker Rauchentwicklung verbunden. Diese Rauchteilchen können indirekt
Wetter und Klima beeinflussen, weil sie die Eigenschaften der Wolken verändern.
Messungen im Amazonasgebiet hätten gezeigt, dass durch Brandrodung extrem
hohe Mengen an Aerosolen freigesetzt würden. Dies seien mikroskopisch kleine
Teilchen in der Luft, wie Staub, Sand oder Ruß. Sie könnten das Sonnenlicht
absorbieren und streuen. Dadurch trügen sie zu einer Abkühlung der
Erdoberfläche bei. Durch die große Menge freigesetzter Aerosole infolge der
Waldbrände könnten sich die Wolken auflösen, ohne dass es regnet oder sie
könnten in große Höhen aufsteigen, wo das Wasser gefrieren würde. In den
tropischen Gebieten, wo die meisten Feuer brennen und somit der Aerosoleintrag
durch Rauch am größten ist, hat im letzten Jahrhundert die Regenmenge um etwa
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durch Rauch am größten ist, hat im letzten Jahrhundert die Regenmenge um etwa
0,3 % pro Dekade abgenommen. Gleichzeitig ist die Niederschlagsmenge in der
nördlichen Hemisphäre, in Europa und den USA, um ca. 0,5 % pro Dekade
gestiegen. Deswegen sei zu befürchten - so Prof. Andrew - dass die veränderte
Wolkenphysik auch für mehr Stürme in Europa sorgen werde. Die Erfahrungen
gerade des letzten Jahres (vgl. z.B. den Sturm Kyrill im Januar 2007, der allein in
Deutschland 20 Mio. Festmeter Holz umwarf) sprechen für die Richtigkeit dieser
Überlegungen. Rund 20 % des Klimawandels dürften auf die weltweiten
Waldabholzungen zurückgehen.
Im Rahmen eines Schutzprogramms für Orang-Utans auf Borneo will die Borneo
Orang-Utan Survival Foundation (BOS) 364.000 Hektar des Waldgebietes im
Süden der Insel (Marwasgebiet) zu einem Nationalpark erklären lassen. Hier
befinden sich bis zu 18 Meter dicke Torfschichten, in denen so viel Kohlenstoff
gespeichert ist, dass bei deren Verbrennung rund 3,5 Milliarden Tonnen CO
2
in die
Atmosphäre entweichen würden. Rund 1/3 der globalen Kohlenstoffreserven ist in
Torfsümpfen gespeichert. Jedes Jahr bilden die indonesischen Sumpfwälder aus zu
Boden fallenden Blättern und anderem organischen Material 1 bis 2 mm Torf neu.
Nimmt man 1 mm als Ausgangswert, sind das pro Jahr und Hektar insgesamt 10
Kubikmeter Torf. Da dieser zu rund 90 % aus Wasser besteht, verbleiben 10 %
organisches Material, das sich etwa zur Hälfte aus Kohlenstoff zusammensetzt.
Dies ergibt pro Hektar und Jahr eine halbe Tonne Kohlenstoff oder 1,84 Tonnen CO
2
. Im Bereich dieses 500.000 Hektar umfassenden Marwasgebietes, von dem
etwa die Hälfte wachsender Torf ist, werden mithin jährlich 1 Mio. Tonnen CO
2
gespeichert werden. Dieses Marwasgebiet befindet sich in der Provinz
Zentralkalimantan, in der es rund 12 Mio. Hektar Torfsumpf gibt. Würden diese
nicht erhalten, sondern z.B. in Ölpalmenplantagen umgewandelt, würden nach und
nach 84 Milliarden Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre entweichen. Diese
Berechnung von BOS bestätigt Dieter Teufel, der Leiter des Heidelberger
Umweltprognoseinstituts UPI. 84 Milliarden Tonnen CO
2
entsprechen knapp dem
hundertfachen der jährlichen CO
2
-Emissionen Deutschlands, dem vierzehnfachen
der Emissionen Europas und dem dreifachen des CO
2
-Welt-ausstoßes von 2004.
Der weltweit größte Mangrovenwald im Delta des Ganges und Brahmaputra
(Sundabans) ist zu 3/4 als Weltnaturerbe ausgewiesen. Ein Report der Unesco
warnt davor, dass dieses Areal bis zum Ende des Jahrhunderts im Meer versinken
könnte, falls der Wasserspiegel um 45 cm ansteigen würde. In diesem Gebiet
leben mehr als 4 Millionen Menschen. In den vergangenen 200 Jahren ist die
Waldbedeckung dort bereits um die Hälfte zurückgegangen.
Die bewaldete Fläche in fast allen Ländern Europas ist hingegen in den letzten
Jahren stark gewachsen, wie sich aus einer Studie der Universität von Helsinki
ergibt. Der Forscher Pekka Kauppi, Mitglied des Weltklimarats IPCC, hat dazu
ausgerechnet, dass der seit 1990 hinzugekommene Baumbestand jedes Jahr 126
Millionen Tonnen Kohlenstoff unschädlich machen würde. Dies stelle rund 11 % des
Europäischen Gesamtausstoßes dar. Die wachsenden Wälder hätten insgesamt
einen doppelt so hohen Effekt auf die CO
2
-Bilanz Europas wie alle existierenden
Windkraft- und Solaranlagen zusammen.
– Andere
Für die Deckung des Energiebedarfs steht als alternative Quelle neben Sonnen-,
Wind- und Wasserenergie insbesondere Biomasse zur Verfügung. Sonne, Wind und
Wasser können vor allem zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Die
Entwicklungen in diesen Bereichen sind durchaus ermutigend. So wurde in Spanien
bereits eine Photovoltaikanlage entwickelt, die über einen Pufferspeicher in der
Lage ist, die tagsüber aus dem Sonnenlicht gewonnene Energie entsprechend zu
sammeln, um sie dann auch während der Nachtzeit in Form von Strom abgeben
zu können. EON betreibt bereits seit einiger Zeit an der Westküste von England ein
spezielles Wasserkraftwerk, das ohne Eingriffe in den natürlichen Küstenverlauf die
Kräfte von Ebbe und Flut über entsprechend große, am Meeresboden angebrachte
Turbinen zur Stromerzeugung nutzt. Für die Windenergie zeigen sich derzeit
deutliche Grenzen, denn die geplanten Offshore-Windparks scheinen noch nicht
realisierbar zu sein. Die technische Beherrschung der auf die groß dimensionierten
Windflügel einwirkenden immensen Kräfte der Luftströmungen bereite ebenso
Probleme wie die Kapazität der Leitungsnetze. Das Zweite Deutsche Fernsehen
berichtete am 26. Februar 2008 in der Sendung „Frontal 21“, die Stromkunden
würden zwar jedes Jahr geschätzte 20 Milliarden Netzentgelte zahlen, im Jahr 2000
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würden zwar jedes Jahr geschätzte 20 Milliarden Netzentgelte zahlen, im Jahr 2000
seien allerdings gerade einmal 2 Milliarden Euro in das Netz investiert worden. Die
Unzulänglichkeiten des Stromnetzes und seine begrenzte Aufnahmekapazität
führten dazu, dass z.B. im Januar 2008 im Bereich von Husum der Netzbetreiber
EON die Windmühlen abgeschaltet gehabt hätte. Damit konnte umweltfreundliche
Energie nicht erzeugt, weil nicht ins Netz eingespeist werden. Die Netzkapazität sei
in erster Linie für die von den großen Energiekonzernen selbst in den ihnen
gehörenden großen Kraftwerksblöcken erzeugte Stromenergie genutzt worden.
Bei aller Problematik im Einzelfall ist aber erkennbar, dass Wasser, Wind und
Sonne zur Stromerzeugung hervorragend geeignet sein können. Gerade die
Nutzung der Sonnenenergie ermöglicht den Einsatz dezentraler und kleiner
Anlagen, so dass damit der Energiebedarf in sonnenreichen Ländern wie z.B. in
Afrika kostengünstig gedeckt werden kann. Strom ermöglicht nicht nur das
Zubereiten von Mahlzeiten, ohne dass das wenige noch vorhandene Holz
verbraucht wird, sondern auch eine Verbesserung der Lebensbedingungen z.B.
durch Bildung und Information.
Jedenfalls in Deutschland wird Gas zur Stromerzeugung und auch zum Einspeisen
in das Erdgasnetz als sogenanntes Biogas aus den Rohstoffen Mais und Raps
hergestellt. Während im Jahr 2005 auf 69.674 Hektar Mais zur Biogasnutzung
angebaut wurde, betrug die in 2007 hierfür verwandte Fläche bereits 239.177
Hektar. Dies mag relativ wenig erscheinen, jedoch sind die ökologischen
Auswirkungen erheblich. Denn seit 2005 darf Mais zur Energiegewinnung auch auf
Stilllegungsflächen angebaut werden. Die hier zuvor entstandene Biodiversität fällt
der Monokultur zum Opfer.
Zudem wird bei der Verwandlung natürlichen Graslandes in Energieäcker 93mal
mehr Kohlendioxid freigesetzt als später jährlich durch die Herstellung z.B. eines
pflanzlichen Kraftstoffes gespart würde.
Die vielfältigen Forschungen zum Ersatz der auf fossilen Energieträgern
beruhenden derzeitigen Kraftstoffe (Benzin und Diesel) für den Verkehrssektor
bieten - von aus Biomasse hergestellten Kraftstoffen abgesehen - aus den
unterschiedlichsten Gründen bisher keine zeitnahe umfassende Entlastung.
Der Einsatz von strombetriebenen Fahrzeugen in größerer Anzahl scheitert derzeit
an den Mehrkosten für entsprechend leistungsfähige Lithium-Batterien bei
begrenzter Reichweite und nur eingeschränkter Verfügbarkeit entsprechender
Aufladestationen. Entsprechendes gilt für die auf den Einsatz von Wasserstoff als
Treibstoff (Brennstoffzelle) ausgerichteten Versuche. Auch hier ist eine Marktreife
noch in weiter Ferne. Soweit durch technische Weiterentwicklungen der
Schadstoffausstoß der Motoren vermindert wird, kommen diese Neuerungen
regelmäßig nur bei Neufahrzeugen zum Einsatz. Selbst bei Vorliegen relativ
günstiger wirtschaftlicher Gegebenheiten wie z.B. in Deutschland zieht sich der
Austausch der Fahrzeugflotte über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren hin.
Aus dem allen folgt für den Senat, dass diese unterschiedlichen Ansätze
möglicherweise erfolgversprechend sein könnten, jedoch nicht geeignet sind, hier
und heute zu einer Verminderung der Treibhausgase im Bereich des
Verkehrssektors beizutragen.
Demgegenüber stehen Biokraftstoffe bereits jetzt zur Verfügung.
6.) Bedeutung der Richtlinien für den nationalen Rechtsbereich
a) Allgemein
Aus den in den genannten Richtlinien enthaltenen Vorgaben wird für den Senat
deutlich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber dem Bereich der Vermeidung von
Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor besondere Aufmerksamkeit widmet
und dabei den Mitgliedstaaten zur Zielerreichung sogar die Möglichkeit einräumt,
finanzielle Vergünstigungen zu gewähren. Der Verkehrssektor stellt wegen seiner
Vielfältigkeit, den volkswirtschaftlichen Bedürfnissen für entsprechende
Transportkapazitäten aber auch dem Interesse des einzelnen Unionsbürgers an
Mobilität einen besonders sensiblen Bereich dar. Hinzu kommt, dass die
technischen Möglichkeiten für den Ersatz von fossilen Treibstoffen durch
regenerative Energien oder andere Antriebsarten auf absehbare Zeit
eingeschränkt ist.
Demgegenüber ist das Kraftstoffgemisch aus nicht chemisch verändertem
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Demgegenüber ist das Kraftstoffgemisch aus nicht chemisch verändertem
Pflanzenöl und fossilem Dieselkraftstoff unter Zuführung von Additiven sofort
einsetzbar. Als Pflanzenöl kann nicht nur Rapsöl verwendet werden, sondern auch
z.B. das aus den Früchten der Jatropha-Pflanze gewonnene Öl. Die Jatropha-
Pflanze kann zwar unter den klimatischen Bedingungen in Deutschland nicht
wachsen, ihre Nutzung würde aber dazu beitragen können, z.B. in weiten Teilen
Afrikas Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen. Denn die Pflanze ist anspruchslos
hinsichtlich ihrer Anforderungen an den Nährstoffgehalt des Bodens und auch in
Bezug auf die benötigte Niederschlagsmenge. Sie kann über Jahrzehnte hin
genutzt werden und stellt zugleich durch ihre Größe und ihren Wuchs einen Schutz
für die dort lebenden Menschen dar. Die Pflanzen selbst speichern sehr viel CO
2
.
So würde durch einen Export des Jatropha-Öles für die entsprechenden
Anbauländer in Afrika ein eigener Wertschöpfungsbereich entstehen können.
Darüber hinaus könnte eine Eigennutzung dieses Öles als Kraftstoff gerade in
diesen Ländern den Import des teuren Rohöls vermeiden helfen.
Entgegen den Bestimmungen des originären Gemeinschaftsrechtes und den aus
der Sicht des Senates eindeutigen Zielvorgaben der beiden genannten Richtlinien,
wie sie auch in den späteren Stellungnahmen der Gemeinschaftsinstitutionen
vertiefend betont werden, werden die mit einfachen Mitteln technisch problemlos
umsetzbaren Möglichkeiten zu einer sofortigen und deutlichen Reduzierung von
Treibhausgasemissionen im Bereich des Verkehrssektors durch die seit
01.01.2007 in Deutschland geltende Regelung des § 50 Abs. 1 Nr. 1
Energiesteuergesetz wirtschaftlich eliminiert. Eine Korrektur dieser Regelung ist
durch den nationalen Gesetzgeber nicht beabsichtigt.
Entgegen den Vorgaben der genannten Richtlinien wurde auch vor Abschaffung
der Steuerbegünstigung für den aus Pflanzenöl hergestellten Kraftstoffanteil in
einem Kraftstoffgemisch aus fossilem Kraftstoff und Pflanzenölkraftstoff nicht
abgewogen, wie sich eine derartige Maßnahme im Hinblick auf die
Nachhaltigkeitskriterien auswirken würde. Bis heute ist nicht erkennbar, dass
seitens der Bundesrepublik Deutschland für importierten Biodiesel oder
importierte Pflanzenöle der Nachweis der Einhaltung der
Nachhaltigkeitsgrundsätze aus den Erzeugerländern verlangt würde. Allein im
Jahre 2007 wurde z.B. eine Million Tonnen Biodiesel aus den Vereinigten Staaten
von Amerika importiert. Infolge der dortigen steuerlichen Begünstigung konnte
dieser Biodiesel z.B. im Mai 2007 zu einem Preis von 53,25 EUR für 100 Liter in
Deutschland angeboten werden. Dieser Betrag stellt nach Angaben des
Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. den Preis dar, den deutsche
Biodieselhersteller allein für die Rohstoffe aufwenden mussten. Die Firma Biofuel
Industries in Houston, Texas, wirbt damit, dass in ihren Biodieselraffinerien nicht
nur aus Rapsöl, sondern z.B. auch aus Jatropha-Öl, Jojoba-Öl und Palmen-Öl B99
Biodiesel zu einem Preis von weniger als 25 US Cents pro Gallon (= 3,78 l) plus der
Kosten für Rohstoffe hergestellt werden könne. Riesige Ackerflächen, die bisher für
den Anbau von Getreide genutzt wurden, gehen damit der
Nahrungsmittelproduktion verloren. Mit den auf diese Art und Weise
subventionierten Biodieselpreisen des importierten Kraftstoffes können deutsche -
und vermutlich auch andere europäische Biodieselhersteller - nicht konkurrieren.
Die gesetzlich vorgesehene Beimischquote hat mithin zur Sicherung ihrer
Existenzgrundlage absolut nichts beigetragen. Nicht erkennbar wird, dass die
geänderte gesetzliche Regelung die Besonderheiten für Pflanzenöle als Kraftstoff
überhaupt berücksichtigt hätte. Denn diese kommen als Beimischung im Bereich
der Biokraftstoffquote überhaupt nicht in Betracht, weil sie nicht chemisch
verändert, nämlich verestert worden sind.
b) Pflichten des Mitgliedstaates gemäß Art. 249 Abs. 3 EG
Der Senat ist der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland durch § 50
Abs. 1 Nr. 1 des Energiesteuergesetzes in der Fassung des
Biokraftstoffquotengesetzes vom 18. Dezember 2006, wonach eine
Steuerentlastung nicht mehr für den in einem Kraftstoffgemisch enthaltenen
Biokraftstoffanteil aus nativem Pflanzenöl erfolgt, gegen ihre Pflicht, im Rahmen
ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zu
gewährleisten, verstoßen hat (vgl. hierzu Urteil des Gerichtshofs vom 12. Februar
2008 in der Rechtssache C-2/06, Randnummer 34). Mit dieser Regelung hat sich
Deutschland nämlich nicht an die ihm durch die genannten Richtlinien insgesamt
auferlegte Ergebnispflicht gehalten, alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich
sind, um zu gewährleisten, dass die mit den Richtlinien verfolgten Ziele erreicht
werden. Denn insoweit ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs
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werden. Denn insoweit ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs
die Sache des jeweiligen Mitgliedstaates, die Form und die Mittel zu wählen, die zur
Erreichung des Ergebnisses geeignet sind und dabei die ihnen am geeignetsten
erscheinende Rechtsetzungstechnik anzuwenden (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom
17. Oktober 1998 in den verbundenen Rechtssachen 231/87 und 129/88 in
Sammlung 1989, I-3269 ff.). Mit der von Deutschland getroffenen Regelung einer
uneingeschränkten Gleichstellung der Biokraftstoffanteile mit den fossilen
Kraftstoffanteilen in einem Kraftstoffgemisch verfolgt die Bundesrepublik
Deutschland aber das durch die Richtlinien vorgegebene Ziel, den Ausstoß von
Treibhausgasen im Verkehrssektor nach besten Kräften zu mindern, gerade nicht.
Die Bundesrepublik Deutschland behauptet in der Fußnote auch zu der hier
maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 50 Energiesteuergesetz vom
18. Dezember 2006, dass die gesetzlichen Regelungen zur weiteren Umsetzung
der Richtlinie 2003/96/EG des Rates sowie der Richtlinie 2003/30/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates dienen würden. Dies ist mit dem
Verständnis des vorlegenden Senates nicht in Einklang zu bringen, sodass es für
die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erheblich ist, wie der Gerichtshof
die Vorgaben der genannten Richtlinie versteht.
Die Bundesrepublik Deutschland kann sich zur Rechtfertigung des mit Wirkung
vom 01.01.2007 neu gefassten § 50 Abs. 1 Energiesteuergesetz auch nicht darauf
berufen, dass dies etwa wegen sonst bestehender Überkompensation der
Biokraftstoffe oder zum wirksamen Schutz der Ansprüche der Staatskasse
erforderlich wäre.
Der Bericht des Bundesministeriums der Finanzen an den Deutschen Bundestag
zur Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe - Biokraftstoffbericht 2007 -
, der im Februar 2008 vorgelegt wurde, ist für Fälle der vorliegenden Art schon
deswegen nicht einschlägig, weil insoweit für die Ermittlung der Überkompensation
ausschließlich auf die Verwendung der Biokraftstoffe als Reinkraftstoff abzustellen
sein soll (Seite 13 des Berichtes). Abgesehen davon bezieht sich die Untersuchung
nur auf Großanlagen, d.h. solche Anlagen, die eine Kapazität ab 50.000 Tonnen
pro Jahr (insoweit Biodiesel) aufweisen. Entsprechend wurde auch die Betrachtung
der Überkompensation bei Pflanzenöl nur auf Großanlagen bezogen. Dabei fällt
auf, dass der ganz überwiegende Anteil des als Überkompensation errechneten
Betrages darauf zurückzuführen ist, dass die Nebenprodukterlöse kostenmindernd
angesetzt wurden. Derartige Erlöse erzielt der Anlagenbetreiber aber nicht bei der
Herstellung des Kraftstoffs, sondern vielmehr im Bereich der
abrechnungstechnisch integrierten Ölmühle. Ohne dass die
Berechnungsgrundlagen insoweit offen gelegt werden, kommt aber auch schon
dieser Bericht bei der Betrachtung der Kostenentwicklung bei Kleinanlagen zur
Produktion von Biodiesel durchgängig zu einer Unterkompensation, d.h. die
Anlagen haben mit Verlust gearbeitet. Für die Pflanzenölherstellung trifft dies
jedenfalls für den Zeitraum ab August 2006 bis einschließlich Juni 2007 zu.
Da die Rohstoffpreise im 2. Halbjahr 2007 keinesfalls gesunken sind, verlieren die
Biokraftstoffe, die als Biokraftstoffanteil in einem Kraftstoffgemisch aus fossilem
Diesel und Pflanzenöl verwendet werden sollen, ihre Wettbewerbsfähigkeit
vollständig.
Nach Angaben des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. hatte die
Biokraftstoffindustrie bis Anfang 2007 in der gesamten Verarbeitungskette
150.000 Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. In der zweiten Hälfte 2007
mussten zahlreiche Betriebe wie z.B. die Biowerk Kleisthöhe GmbH (Verlust von 7
Arbeitsplätzen und 1,4 Millionen Euro Fördermitteln) aufgeben oder stehen wie die
Biodiesel GmbH Kyritz (11 Millionen Euro Fördermittel) vor der Insolvenz.
Die Bundesregierung beantwortete eine Parlamentsanfrage der oppositionellen
FDP-Fraktion wegen der Auswirkungen des Energiesteuer- und
Biokraftstoffquotengesetzes auf die Biodieselbranche im April 2007 dahin gehend,
dass sie sich wegen fehlender Daten nicht zu einer fundierten Bewertung der
wirtschaftlichen Situation der Biokraftstoffbranche in der Lage sehe. Bereits im
März 2007 hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung hingegen von drastischen
Kurseinbrüchen bei Aktien von Biodiesel- und Bioethanolherstellern berichtet.
Dass die Umweltschutzziele der Richtlinien zur Verminderung von Treibhausgasen
im Verkehrssektor nicht durch eine Erhöhung der Beimischquote erreicht werden
können, hat sich gerade jüngst in Deutschland daran gezeigt, dass die
vorgesehene Erhöhung der Beimischquote von Ethanol in Benzin
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vorgesehene Erhöhung der Beimischquote von Ethanol in Benzin
zurückgenommen werden musste, weil mehr als drei Millionen Pkw sich als mit der
neuen Kraftstoffmischung unverträglich herausgestellt haben. Die für die Erfüllung
der Beimischquote beim Dieselkraftstoff benötigten ca. 2 Millionen Tonnen
Biodiesel beziehen die Mineralölkonzerne nach einer Pressemitteilung des
Verbandes der deutschen Biokraftstoffindustrie vom 11.09.2007 überwiegend nicht
aus heimischer Produktion, sondern aus billiger Importware.
c) Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung
Die seit dem 01.01.2007 geltende Fassung des § 50 Abs. 1 Nr. 1 des
Energiesteuergesetzes trägt nach Auffassung des Senats den allgemeinen
Rechtsgrundsätzen der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes sowie der
Verhältnismäßigkeit, die Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind, nicht
hinreichend Rechnung.
Das Gebot der Rechtssicherheit verlangt, dass Rechtsakte eindeutig und ihre
Anwendung für die Betroffenen vorhersehbar sein müssen. Dieses Gebot der
Rechtssicherheit gilt in besonderem Maße, wenn es sich um eine Regelung
handelt, die sich finanziell belastend auswirken kann, denn die Betroffenen müssen
in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau
zu erkennen (Urteil des Gerichtshofes vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-
17/01, Sammlung 2004, I-4271 ff.).
Mit der in § 50 des durch das Biokraftstoffquotengesetz geänderten
Energiesteuergesetzes enthaltenen Regelung hat der Gesetzgeber die
Steuerentlastung für Biokraft- und Bioheizstoffe umgestaltet. Zwar ist in den
Absätzen 3 und 4 dieser Bestimmung für die dort genannten Fälle eine steuerliche
Entlastung für Biokraftstoffanteile vorgesehen, jedoch wird eine derartige teilweise
Entlastung für andere Biokraftstoffe nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes nicht
gewährt. Eine Begründung hierfür wird nicht gegeben. Der gesetzgeberische
Zweck dieser Maßnahme erschließt sich mit Mitteln der Auslegung nicht.
Diese Neufassung des § 50 Abs. 1 Nr. 1 Energiesteuergesetz ist für die davon
Betroffenen von erheblicher finanzieller Bedeutung. Denn dadurch wurden
übergangslos im Verhältnis zu der zuvor bestehenden gesetzlichen Regelung die
aus nativen Pflanzenölen bestehenden Anteile in einem Kraftstoffgemisch der
vollen Energiesteuer unterworfen.
Diese Regelung war für die betroffenen Wirtschaftskreise nicht vorhersehbar. Das
Gemeinschaftsrecht war zwischenzeitlich nicht geändert worden. Vielmehr
bestanden die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung
der insbesondere in der Richtlinie 2003/30/EG vorgegebenen Gemeinschaftsziele
uneingeschränkt fort. Bei dieser Sachlage musste ein Wirtschaftsteilnehmer nicht
damit rechnen, dass genau zur Umsetzung dieser Richtlinienvorgaben ein
Teilbereich von Biokraftstoffen, nämlich der aus Pflanzenölen hergestellte,
unvermittelt von jeglicher steuerlichen Entlastung ausgeschlossen würde.
Darin liegt zugleich eine Verletzung des berechtigten Vertrauens des
Steuerpflichtigen auf die korrekte Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie
2003/30/EG (Biokraftstoffrichtlinie). Denn in Art. 2 Abs. 2 j) der Richtlinie wird reines
Pflanzenöl ausdrücklich als Biokraftstoff bezeichnet. Darüber hinaus geht die
Richtlinie durchgängig davon aus, dass Biokraftstoffe in Reinform oder als
Beimischung zu konventionellen Kraftstoffen (vgl. z.B. die Erwägungen 14, 22 und
27 sowie Art. 3 Abs. 2 a) der Richtlinie) zur Erreichung der vorgesehenen Ziele in
Betracht kommen.
Der Wegfall der Steuerentlastung für den in Kraftstoffgemischen enthaltenen aus
Pflanzenölen bestehenden Kraftstoffanteil entspricht auch nicht dem allgemeinen
Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofes dürfen die Mitgliedstaaten gemäß diesem Grundsatz Mittel
einsetzen, die es erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam
zu erreichen, jedoch dürfen dadurch die Ziele und Grundsätze des einschlägigen
Gemeinschaftsrechts nur möglichst wenig beeinträchtigt werden. Demnach ist es
zwar legitim, dass die Maßnahmen eines Mitgliedstaates darauf abzielen, die
Ansprüche der Staatskasse möglichst wirksam zu schützen, sie dürfen jedoch
nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (Urteil des Gerichtshofs
vom 21. Februar 2008 in der Rechtssache C-271/06, Randnummer 18 bis 20).
Die Begründung für die durch das Biokraftstoffquotengesetz geschaffene
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Die Begründung für die durch das Biokraftstoffquotengesetz geschaffene
Neuregelung beeinträchtigt die Ziele und Grundsätze der Biokraftstoffrichtlinie
nachhaltig und ist zudem nicht erforderlich, um die Ansprüche der Staatskasse
möglichst wirksam zu schützen.
Die Biokraftstoffrichtlinie beschränkt die Mittel zur Zielerreichung einer Förderung
der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im
Verkehrssektor gerade nicht dadurch, dass etwa nur bestimmte Biokraftstoffe
oder diese nur in reiner Form als geeignet angesehen werden. Die Fassung des
Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie macht durch die einleitende Formulierung „zumindest“
deutlich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Aufzählung der damals
bekannten Biokraftstoffe keine abschließende Regelung treffen wollte. In den
Erwägungen wird zudem (vgl. Randnummer 10) hervorgehoben, dass nicht nur
Biokraftstoffe zur Ersetzung von fossilen Kraftstoffen geeignet sein könnten,
sondern andere Optionen, insbesondere die Wasserstofftechnik, keinesfalls durch
eine vermehrte Nutzung von Biomasse ausgeschlossen werden sollten. Dieser
Zielvorgabe entspricht es mithin nicht, wenn die nationale Regelung die steuerliche
Entlastung des Pflanzenölanteils in einem Kraftstoffgemisch beseitigt, andererseits
aber zugleich in dieser Neuregelung besonders förderungswürdige Biokraftstoffe
bestimmt, die - wie z.B. E85 - ebenfalls eine Kraftstoffmischung darstellen. Ein
sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung ist weder erkennbar noch wird er
genannt.
Gerade aus der vollständigen steuerlichen Entlastung für die als besonders
förderungswürdig anerkannten Biokraftstoffe wird deutlich, dass der Wegfall der
Steuerentlastung für Pflanzenölkraftstoffanteile nicht darauf beruhen kann,
Ansprüche der Staatskasse wirksam zu schützen. Bei der im deutschen
Bundestag geführten Biospritdebatte vom 20. September 2007 (Plenarprotokoll)
erklärte der Bundestagsabgeordnete Schindler, dass vor der Abstimmung über
das Biokraftstoffquotengesetz, das die hier streitgegenständliche Regelung
beinhaltet, keine Berechnungen dahin gehend vorgelegen hätten, mit welchen
steuerlichen Ausfällen zu rechnen wäre, falls die Entwicklung bei Biodiesel
weitergehen würde wie bisher. Man habe vielmehr die Investitionsbereitschaft
dringend bremsen wollen, zumal auch in Ungarn und Frankreich für den deutschen
Biokraftstoffmarkt produziert würde. Es habe sich gezeigt, dass die
Mineralölkonzerne die für die Erfüllung der Beimischungsquote erforderlichen
Mengen an Biokraftstoff aus billigen Importen decken würden, wobei hinreichend
bekannt sei, dass in den Herkunftsländern nicht unter Berücksichtigung des
Nachhaltigkeitsgrundsatzes gewirtschaftet würde. Berechnungen zu möglichen
Steuerausfällen durch die Beimischung von nativem Pflanzenöl zu fossilem
Dieselkraftstoff gibt es nicht. Ein Schutzbedürfnis für Ansprüche der Staatskasse
ist mithin nicht erkennbar.
d) Notwendigkeit der Anrufung des Gerichtshofes
Die Anrufung des Gerichtshofs ist notwendig. Denn wenn ein nationales Gericht zu
der Überzeugung kommt, dass eine nationale Bestimmung mit dem Recht der
Gemeinschaft nicht in Einklang steht, so ist es nur verpflichtet, diese Norm
unangewendet zu lassen. Eine solche Handhabung wäre für den hier zu
entscheidenden Fall schon deswegen nicht ausreichend, weil die zu treffende
Entscheidung des Gerichtes nur diesen konkreten Streitfall umfassen würde.
Damit wäre aber weder für die Klägerin noch für vergleichbare Steuerpflichtige die
notwendige Rechtssicherheit hergestellt, die zur Fortführung der Geschäftstätigkeit
und insbesondere zur Weiterentwicklung im technischen Bereich erforderlich ist.
7.) Antrag gemäß Art. 104a der Verfahrensordnung des Gerichtshofes der
Europäischen Gemeinschaften
Der Senat hält die Entscheidung über die zur Vorabentscheidung vorgelegten
Fragen im Hinblick auf die nachstehend aufgeführten Umstände für
außerordentlich dringlich.
Die Existenz der Klägerin hängt von der Entscheidung des Klageverfahrens ab.
Zwar ist die Zahlungsverpflichtung der festgesetzten Energiesteuer ausgesetzt,
dennoch kann die Klägerin keine gewerbliche Tätigkeit mehr ausführen, weil die
derzeitige energiesteuerrechtliche Regelung keine Kostendeckung, geschweige
denn eine Gewinnerzielung zulässt. Die Klägerin hat ihr Personal entlassen
müssen. Für eine Wiederaufnahme ihres Betriebes (im Erfolgsfalle) wäre die
Klägerin darauf angewiesen, zur Vermeidung von Transportwegen
(Gesamtökobilanz) das native Pflanzenöl aus möglichst nahe gelegenen Ölmühlen
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(Gesamtökobilanz) das native Pflanzenöl aus möglichst nahe gelegenen Ölmühlen
beziehen zu können.
Gerade die kleinen, dezentralen Ölmühlen haben ihren Betrieb bereits eingestellt
oder kämpfen um ihr Überleben. Denn sie liefern überwiegend an
Biodieselhersteller, die ihrerseits infolge der steuerlichen Belastung und der
gestiegenen Rohstoffkosten sowie des Imports von in außergemeinschaftlichen
Herstellungsländern subventioniertem Biodiesel nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Die Bundesregierung beabsichtigt jedoch nicht, zu einer steuerlichen Entlastung
des nativen Pflanzenölkraftstoffanteils zurückzukehren.
Im Februar 2008 legte das Bundesministerium der Finanzen dem Deutschen
Bundestag den Bericht zur Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe
(Biokraftstoffbericht 2007) vor. Das Ministerium unterbreitet dabei dem Parlament
den Vorschlag:
„Die Bundesregierung kommt nach Abwägung aller Aspekte zu dem Ergebnis,
dass sich aus der Entwicklung des Biokraftstoffmarktes im Berichtszeitraum
(Januar 2006 bis Juni 2007), insbesondere nach Maßgabe der von der EU-
Kommission vorgegebenen beihilferechtlichen Verpflichtungen, insgesamt kein
gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt.“
Dieser Bericht wird von den Fachverbänden insbesondere deswegen kritisiert, weil
die Berechnungen nicht transparent seien und aufgrund von nicht mehr aktuellen
Rohstoffpreisen Empfehlungen für die Zukunft gegeben würden (so der Verband
der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. Berlin in einer Pressemitteilung vom
26.02.2008).
Der Bundesverband Biogene und regenerative Kraft- und Treibstoffe e.V. weist
darauf hin, dass zwischenzeitlich über 80 % der dezentralen Biodieselanlagen und
über 40 % der Pflanzenölpressen ihren Betrieb eingestellt hätten. Darüber hinaus
weist der Verband der Deutschen Bioethanolwirtschaft darauf hin, dass bei
heimischer Erzeugung von Bioethanol die Nachhaltigkeitskriterien schon jetzt
erfüllt würden. Demgegenüber vertritt das Bundesministerium der Finanzen die
Auffassung, dass das Ende der Steuerbegünstigungen die finanz- und
wirtschaftspolitische Entscheidung sei. Mit der Einführung der Biokraftstoffquote
zum 1. Januar 2007 seien nur noch reine Biokraftstoffe steuerbegünstigt. Mit
fossilen Kraftstoffen vermischte Biokraftstoffe würden dagegen ausschließlich über
die Biokraftstoffquote gefördert. So würden den Biokraftstoffen auf dem deutschen
Markt auch in Zeiten massiv gestiegener Rohstoffkosten langfristig verlässliche
Rahmenbedingungen geboten, damit sie zur umweltfreundlichen Energie beitragen
könnten. Die zum 01.01.2009 vorgesehene Erhöhung dieses Beimischungsanteils
für Bioethanol in Ottokraftstoff von 5 auf 10 Volumenprozent wird allerdings nicht
umgesetzt werden, weil mehrere Millionen Pkw älterer Bauart diesen Kraftstoff
nicht vertragen. Damit entfällt nicht nur die Nachfrage nach Biodiesel, sondern
auch die bei der Verwendung sonst eingetretene Verminderung der Emissionen
von Treibhausgasen im Verkehrssektor.
Die Arbeitsgemeinschaft Qualitätsmanagement Biodiesel teilte Mitte März 2008
mit, dass die verkaufte Menge an Biodiesel im Januar 2008 nur noch 37 % des
Niveaus des Vorjahresmonats erreicht hätte. Die Anhebung des Steuersatzes
sowie hohe Rohstoffkosten drosselten auch den Absatz von reinem Biodiesel.
Trotzdem hätten sich 78 % der 500 befragten freien Mineralölhändler dafür
ausgesprochen, die Vermarktung von Biodiesel als reinen Kraftstoff weiter zu
führen. Dies setze allerdings entsprechende steuerpolitische Signale voraus.
Die Bundestagsabgeordnete Dr. Happach-Kasan (FDP) erklärte in einer
Presseinformation vom 27. Februar 2008, dass sich aus dem vorgelegten
Biokraftstoffbericht ergebe, dass sofortiges Handeln erforderlich sei. Die
Investitionen, die im Vertrauen auf die Steuervergünstigungen getätigt worden
seien, dürften nicht außer Wert gesetzt werden. Biokraftstoff sei aufgrund der
verfehlten Politik der Bundesregierung inzwischen genauso teuer wie fossiler
Kraftstoff und damit nicht mehr konkurrenzfähig. Es sei volkswirtschaftlicher
Unsinn, durch schnelle Änderung der Förderinstrumente bereits getätigte
Investitionen wertlos werden zu lassen. Das Gutachten des Beirats beim
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zeige,
dass die CO
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-Belastungbeim Biodiesel nur halb so hoch sei wie bei der Produktion
von Strom aus Biogas. Dies müsste, um die finanziellen Belastungen der
Verbraucher in Grenzen zu halten, bei der Entwicklung einer langfristigen Strategie
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Verbraucher in Grenzen zu halten, bei der Entwicklung einer langfristigen Strategie
zur Förderung erneuerbaren Energien genutzt werden.
Wenn richtigerweise davon ausgegangen wird, dass Biokraftstoffe nur unter den
Bedingungen und Berücksichtigung der Vorgaben herzustellen sind, wie sie in den
Richtlinien aufgeführt werden, dann kann dies nach dem Verständnis des Senates
nur bedeuten, dass den Landnutzern und den Produzenten von Biokraftstoffen,
ganz gleich ob in Reinform oder als Mischung mit fossilen Energieträgern, eine
realistische Möglichkeit gegeben werden muss, zur nachhaltigen Verminderung
von Treibhausgasen beizutragen. Der zunächst in Deutschland eingeschlagene
Weg der steuerlichen Entlastung wird auch unter Umweltschutzgesichtspunkten
geradezu ins Gegenteil verkehrt, wenn nach kurzer Zeit eine vollständige
Umstellung der Mittel, mit Hilfe derer die Ziele erreicht werden sollen, erfolgt. Der
Einsatz von Millionen von steuerlichen Fördergeldern erweist sich als sinnlos. Eine
den Nachhaltigkeitsgrundsätzen entsprechende Landnutzung und Förderung des
ländlichen Raumes wird abrupt abgebrochen. Die im Biokraftstoffbericht 2007
festgestellte teilweise Überkompensation überzeugt nicht, weil die
Berechnungsansätze nicht dargestellt werden und weil zudem bei den sog.
integrierten Großanlagen Nebenprodukterlöse kostenmindernd angesetzt wurden,
obwohl eine solche Berechnungsmethodik bezogen auf das zu betrachtende
Produkt betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist.
Für die Landnutzer und für die Weiterentwicklung der ländlichen Bereiche ist es von
besonderer Bedeutung, welche Erwerbschancen zu erkennen sind. Da seitens der
Regierung der Bundesrepublik Deutschland anscheinend keine Unterstützung zu
erwarten ist, wird die Entscheidung der vorgelegten Fragen über den
zugrundeliegenden Sachverhalt hinaus von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung
sein.
Dies gilt umso mehr, als die letzten Äußerungen der EU-Kommission, dass die
Förderung von Biokraftstoffen vollständig eingestellt werden solle, man an den
Umweltschutzzielen aber festhalten wolle, zu einer weitergehenden
Verunsicherung führen wird. Den Versorgungsengpässen bzw. den gestiegenen
Nahrungsmittelpreisen, die beide durch spekulative Geschäftspraktiken zum
Nutzen einiger weniger verschärft werden, wird nicht dadurch entgegengewirkt,
dass in Deutschland respektive der Gemeinschaft die Förderung der gesamten
Biokraftstoffbranche für Biokraftstoffe der ersten Generation gekappt wird.
Das Problem, die Treibhausgasemissionen möglichst weltweit zu verringern, ist zu
wichtig und die Auswirkungen unzureichender Maßnahmen sind zu gravierend, als
dass durch plötzliche Entscheidungen der Vielschichtigkeit, wie sie in den
Erwägungen der Biokraftstoffrichtlinie Ausdruck gefunden hat, angemessen
Rechnung getragen werden könnte.
Als Alternative zu den Biokraftstoffen der ersten Generation werden sich die der
sog. zweiten Generation (Biomasse to Liquid = BtL) nicht erweisen, selbst wenn sie
- was derzeit nicht der Fall ist - in ausreichendem Umfang zur Verfügung stünden.
In Freiberg/Sachsen ist jetzt durch die Firma Choren die erste Anlage in Betrieb
gegangen, die aus Holz sog. Sonnen-Diesel herstellt. Für die Gewinnung von
200.000 Tonnen „Sonnen-Diesel“ werden eine Million Tonnen Holz bzw. andere
Trockenmasse benötigt.
Der Verband der Europäischen Papierindustrie befürchtet bereits für 2010 ein
Defizit von 27 Millionen Kubikmetern Holz.
Die Firma Choren hat in ihrer im September 2004 erstellten „Vergleichenden
Ökobilanz“ ausgeführt, dass zu Beginn der Produktion Biomasse aus der
Forstwirtschaft sowie der holzverarbeitenden Industrie neben Stroh den Großteil
des Bedarfs abdecken sollte, da die Bereitstellungskonzepte für speziell
angebaute Biomasse erst etabliert werden müsste. Diese soll landwirtschaftlich
erzeugt werden, wobei nicht nur die übliche Flächenprämie, sondern darüber
hinaus eine spezielle Prämie in Höhe von 45,-- EUR pro Hektar und Jahr aus
Steuergeldern geleistet werden solle (Stand 2005). Gedacht ist dabei
insbesondere an sog. Kurzumtriebsplantagen mit schnell wachsenden Baumarten
wie Weide und Pappel.
Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg (Baden Württemberg)
hat dazu nach einem zwischen 1994 und 2005 durchgeführten Versuch u.a.
festgestellt, dass der jährliche Holzzuwachs bei Weide und Pappel in derartigen
Plantagen starken Schwankungen unterlag und die Bodenuntersuchungen
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Plantagen starken Schwankungen unterlag und die Bodenuntersuchungen
erhebliche Nährstoffverluste ergaben.
Das Herstellungsverfahren für den Sonnen-Diesel ist energieintensiv. Mögliche
Umweltentlastungspotenziale hängen sehr stark von den verschiedenen
Produktionsbedingungen (z.B. Transportweg Holz, Kronen- oder Stammholz,
Entfernung zu Tankstellen) ab. Eine uneingeschränkt positive Gesamtökobilanz
ergibt sich aus den Untersuchungen nicht. Auch ohne jede steuerliche Belastung,
aber bei hoher Förderung aus öffentlichen Mitteln, liegen die Kosten für einen Liter
BtL bei ca. 1,-- EUR.
Aus diesen sehr unterschiedlichen Aspekten ergibt sich für den Senat die
außerordentliche Dringlichkeit dafür, dass der Gerichtshof die Bestimmungen der
Biokraftstoffrichtlinie auslegt und dabei erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinn
und mit welcher Bedeutung diese Richtlinie seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen
und anzuwenden ist oder gewesen wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar
2008, Rs C-2/06 Rdnr. 35).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.