Urteil des FG Hamburg vom 06.02.2014

FG Hamburg: vermieter, entschädigung, unternehmen, beendigung, anteil, gewerbesteuer, auflösung, einkünfte, mietobjekt, einspruch

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Gewerbesteuer: Abgrenzung laufender Gewinn - Betriebsaufgabegewinn
Eine Entschädigungszahlung für die Aufgabe eines langfristigen Geschäftsmietvertrages führt dann nicht
zu einem gewerbesteuerfreien Betriebsaufgabegewinn, wenn der Steuerpflichtige zwar in zeitlichem
Zusammenhang hiermit seinen Gewerbebetrieb an eine ihm gehörende GmbH veräußert, den Betrieb aber
in einem anderen Mietobjekt hätte fortsetzen können, dies aber aus gesundheitlichen Gründen
unterlassen hat.
FG Hamburg 2. Senat, Urteil vom 06.02.2014, 2 K 129/13
§ 5 Abs 1 S 1 EStG, § 16 Abs 1 EStG, § 240 Abs 1 HGB, § 240 Abs 2 HGB, § 242 Abs 1 HGB, § 246 Abs 1 HGB,
§ 7 GewStG
Verfahrensgang
nachgehend BFH, Az: X B 35/14
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Entschädigungszahlung zu einem laufenden oder zu einem steuerfreien Aufgabegewinn
führt.
Der Kläger ist in A wohnhaft und betrieb in B als Einzelunternehmer das ...-Einzelhandelsgeschäft XXX auf
dem Grundstück X-Straße .../Y-Straße ... in der Innenstadt. Diese Räumlichkeiten hatte er zusammen mit C
(C) -firmierend unter D- zum Betrieb eines ...-Fachgeschäftes und dazugehörigem Dienstleistungsangebot
aufgrund Mietvertrages vom ... 2003 angemietet. Der Mietvertrag hatte eine feste Laufzeit bis zum 31.
August 2008 mit der Option zur dreimaligen Verlängerung um fünf Jahre. Die Nettokaltmiete betrug bei
Vertragsbeginn 4.600 € für eine Gesamtfläche von 639,50 m2. Weil der Mietvertrag auf Verlangen des
Vermieters mit den beiden Unternehmen als Mietvertragspartei geschlossen worden war, vereinbarte der
Kläger gemäß Vertrag vom ... 2003 mit C, dass eine Mietvertragsgemeinschaft oder dergleichen zwischen
den Einzelunternehmen XXX und D nicht begründet worden sei. Im Innenverhältnis sollte ein Anteil von
497,15 m2 (= 77,74%) auf den Kläger und ein Anteil von 142,35 m2 (= 22,26 m2) auf C entfallen. Sämtliche
Zahlungsverpflichtungen sollten dem Kläger obliegen, die auf den Anteil D entfallende Miete sollte der Kläger
weiterberechnen. Dementsprechend stellte der Kläger C die auf die als ...-Werkstatt genutzten Flächen
anteilig entfallende monatliche Bruttomiete jeweils in Rechnung.
Nachdem das Mietgrundstück Mitte 2006 veräußert worden war, verlangte der neue Vermieter wegen eines
geplanten Abrisses des Gebäudes zunächst unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Mietvertrages die
Räumung zum 30. November 2006. Nach langwierigen Verhandlungen schlossen schließlich die E GmbH als
Vermieter sowie der Kläger und C als Mieter am ... 2007 eine Vergleichsvereinbarung über die vorzeitige
einvernehmliche Beendigung des Mietvertrages vom ... 2003 mit Wirkung zum 2. Januar 2008. Der Vermieter
verpflichtete sich zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 675.000 €. Hiervon entfielen 100.000 € auf
den Ersatz von Investitionen in die Räumlichkeiten, 162.000 € auf die vorzeitige Aufgabe des Mietvertrages
sowie 313.000 € auf die Mietdifferenz für die Restlaufzeit des Mietvertrages. Hierzu heißt es in der Anlage 2
zur Vergleichsvereinbarung, dass der Kläger in Verhandlungen bzw. kurz vor Abschluss eines neuen
Mietvertrages mit einem Quadratmeterpreis von 13,75 € stehe. Weitere 100.000 € entfielen auf
Rechtsverfolgungskosten und im Zusammenhang mit dem Umzug entstandene Aufwendungen. Bis
spätestens eine Woche vor Beginn der Abrissarbeiten konnten die Räumlichkeiten weiter genutzt werden. Der
Vermieter verpflichtete sich ferner im Vertrag, bis zum Einzug eines neuen Mieters ein Werbeplakat
(entsprechend Anlage 1 zur Vergleichsvereinbarung = Anlage zum Protokoll vom 15. Januar 2014) mit einem
Hinweis auf den Umzug des klägerischen Unternehmens an der Baustelle bzw. am Gebäude anzubringen.
Der endgültige Auszug erfolgte zum Jahreswechsel 2007/2008, die Übergabe an den Vermieter am 4. Januar
2008. Bereits am ... 2007 hatte der Kläger seinen ... Mitarbeitern mit unterschiedlichen Fristen gekündigt.
Unter dem ... 2007 schloss sich der Kläger mit C zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit dem
Zweck zusammen, die Vergleichsvereinbarung vom ... 2007 über die Beendigung des Mietvertrages vom ...
2003 zu erfüllen. Die Höhe der Anteile sollte sich nach der Höhe der von dem jeweiligen Einzelunternehmen
in das Mietobjekt geleisteten Investitionen richten. Sitz der Gesellschaft war A. Unter dem 4. Januar 2008
stellte die GbR der E GmbH die Entschädigungszahlung mit 675.000,00 € zzgl. 128.250,00 € Umsatzsteuer
in Rechnung.
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Am ... 2008 veräußerte der Kläger sein Unternehmen im Ganzen an die F GmbH (GmbH), die er bereits 1998
zum Betrieb eines G-Geschäftes gegründet hatte und deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er
auch zu diesem Zeitpunkt war. Das G-Geschäft wurde von der GmbH nach dem Shop in Shop System
ebenfalls auf der Ladenfläche X-Straße/Y-Straße ... betrieben. Mit Vertrag vom ... 2008 mietete die GmbH
zur Fortführung ihres Gewerbebetriebes Geschäftsräumlichkeiten am ... mit Wirkung zum 1. März 2008 an.
Unter dem 1. April 2008 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er seinen Betrieb aus gesundheitlichen
Gründen zum ... 2008 aufgegeben und das Unternehmen veräußert habe. Den Veräußerungsgewinn gab er
mit 147.080 € an.
Am 24. Juni 2009 reichte der Kläger beim Finanzamt H einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung für die
GbR ein und erklärte den Beginn der Tätigkeit -Anmietungsgesellschaft X-Straße- in 2003. Nach dieser
Erklärung war der Kläger mit 82,81 % und C mit 17,19 % an der Gesellschaft beteiligt. Für 2008 erklärte die
GbR im Rahmen ihrer Feststellungserklärung die Entschädigungszahlung als Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung. Das Finanzamt H stellte dementsprechend mit Bescheid vom 25. Januar 2010 Einkünfte in
Höhe von 669.557,00 € fest, von denen ein Anteil von 554.460,15 € auf den Kläger entfiel. Dabei ging es
davon aus, dass die Gesellschaft nur in 2008 bestanden habe und erbat Unterlagen über die
Entschädigungszahlung. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO) und wurde am 30. September 2011 ersatzlos aufgehoben. Hiergegen richtete sich der
Einspruch der GbR vom 20. Oktober 2014; dieses Einspruchsverfahren ruht gegenwärtig. In seiner
Einkommensteuererklärung für 2008 erklärte der Kläger seinen Anteil an der Entschädigung als
Betriebsaufgabegewinn.
Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte am 16. August 2011 für das Streitjahr 2007 geänderte
Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie über den
Gewerbesteuermessbetrag, mit denen laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 534.200,92 €
berücksichtigt wurden. Dabei ging der Beklagte davon aus, dass die GbR keinen eigenen Anspruch auf die
Entschädigungszahlung begründet habe und die Zahlung als laufender Gewinn zu berücksichtigen sei. Die
Forderung sei bereits per 31. Dezember 2007 zu aktivieren gewesen und folglich im Streitjahr zu
berücksichtigen. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 31. August 2011, der erfolglos blieb. Gegen die
Einspruchsentscheidung vom 8. April 2013 hat der Kläger am 10. Mai 2013 Klage erhaben. Das Verfahren
betreffend die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2007 ist mit Beschluss vom 6.
Februar 2014 abgetrennt und zum Ruhen gebracht worden.
Der Kläger ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht der Auffassung, dass die Entschädigungszahlung nicht im
Streitjahr, sondern erst im Folgejahr zu berücksichtigen sei. Der für die Beurteilung der Realisierung des
Veräußerungsgewinns maßgebliche Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an den Räumlichkeiten
sei erst Anfang 2008 erfolgt.
In der Sache hält der Kläger daran fest, dass die Entschädigungszahlung nicht als laufender, sondern als
Aufgabegewinn nicht der Besteuerung zu unterwerfen sei. Eine Betriebsaufgabe liege vor, wenn die bisherige
betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt und alle wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert oder in das
Privatvermögen überführt würden. Dies gelte auch, wenn der Betrieb zwangsweise aufgegeben werde. Zum
Betriebsaufgabegewinn gehörten alle Einnahmen, die in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit
der Betriebsaufgabe anfielen.
Er, der Kläger, sei seit 1989 chronisch krank und im Oktober 2007 kollabiert. Im November 2007 sei ärztlich
festgestellt worden, dass er vollen Umfangs erwerbsunfähig sei. Seither habe er sich aus dem Geschäft
zurückgezogen; Warenbestand, Teile der Einrichtung und der Geschäftswert seien an die GmbH veräußert
worden. Die Betriebsaufgabe und die streitige Entschädigungszahlung stünden im Zusammenhang mit der
Aufgabe seines Gewerbebetriebes wegen Erwerbsunfähigkeit und der Räumung seines Ladenlokals. Der
Beklagte differenziere zu Unrecht zwischen Folge und Ursache für die Betriebsaufgabe.
Ergänzend beruft sich der Kläger auf das Urteil des Finanzgerichts Berlin vom 9. März 1998 (8 K 8192/97),
mit dem in einem vergleichbaren Fall der Klage stattgegeben worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 16.08.2011 und die Einspruchsentscheidung
vom 08.04.2012 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Entschädigungszahlung als Betriebsaufgabegewinn
und nicht als laufender Gewinn berücksichtigt und bei dem Gewerbesteuermessbetrag außer Ansatz
gelassen wird.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die Entschädigungszahlung per 31. Dezember 2007 zu aktivieren gewesen und
als laufender Gewinn zu qualifizieren sei. Der Kläger habe unzweifelhaft seinen Gewerbebetrieb aufgegeben.
Die Entschädigungszahlung sei aber nicht Folge der Betriebsaufgabe, sondern habe diese lediglich
verursacht, weil sie den wirtschaftlichen Spielraum geschaffen habe, den Betrieb aus gesundheitlichen
Gründen aufzugeben. Ursprünglich habe der Kläger versucht, seinen Betrieb andernorts fortzusetzen und
habe aktiv nach neuen Geschäftsräumen gesucht. Ausweislich der Honorarnoten seiner Anwälte habe er
beispielsweise schon ab Januar 2007 einen Gewerbemietvertrag prüfen lassen.
Die Entschädigungszahlung sei durch den Abschluss der Vergleichsvereinbarung vom ... 2007 entstanden
und nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung gem. § 252 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches
(HGB) bereits zum 31. Dezember 2007 zu aktivieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften vom 15. Januar und 6. Februar 2014
Bezug genommen.
Die den Kläger betreffende Steuerakte nebst Außenprüfungs- und Rechtsbehelfsakte zur Steuernummer ...
haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, in der Sache bleibt ihr der Erfolg versagt.
I.
Der angegriffene Gewerbesteuermessbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)). Die Entschädigungszahlung ist im Streitjahr
2007 (dazu a) als laufender Gewinn in Ansatz zu bringen (dazu 2.).
1.) Der Beklagte hat die Entschädigungszahlung zu Recht im Streitjahr 2007 berücksichtigt.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat der Kläger in seinen Bilanzen das
Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung
(GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich u. a. aus den Bestimmungen des Ersten
Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. HGB. Nach § 240 Abs. 2 i. V. m.
Abs. 1, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 HGB hat der Kaufmann in seine Bilanz für den Schluss eines
Geschäftsjahres u. a. seine Vermögensgegenstände und damit seine Forderungen vollständig aufzunehmen.
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sind u. a. auszuweisen, wenn die für die Entstehung
wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der
Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann (vgl. z. B. BFH-Urteile
vom 3. August 2005 I R 94/03, BStBl II 2006, 20 m. w. N.; vom 8. November 2000 I R 10/98, BStBl II 2001,
349, m. w. N.; vom 12. Mai 1993 XI R 1/93, BStBl II 1993, 786, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind
gegeben, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung erbracht, d. h. seine
Verpflichtung "wirtschaftlich erfüllt" hat, so dass dem Schuldner der Gegenleistung die Einrede des nicht
erfüllten Vertrags gemäß § 320 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht mehr zusteht. Damit ist dem
Leistenden der Anspruch auf die Gegenleistung (die Zahlung) so gut wie sicher. Ohne Bedeutung für die
Gewinnrealisierung ist, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt worden ist, ob die geltend
gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag
fällig wird (allg. A., z. B. BFH-Urteile vom 29. November 2008 IV R 62/05, BStBl II 2008, 557; vom 3. August
2005 I R 94/03, BStBl II 2006, 20 m. w. N.; Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 32. Aufl., § 5
Rz. 607).
Nach diesen Grundsätzen war der Anspruch des Klägers auf die Entschädigungszahlung mit Abschluss der
Vergleichsvereinbarung im Dezember 2007 wirtschaftlich erfüllt. Die Vertragsparteien hatten sich zu diesem
Zeitpunkt auf die einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses und zur Leistung der
Entschädigungszahlung spätestens per 4. Januar 2008 geeinigt. Die Forderung auf die
Entschädigungszahlung war mithin per 31. Dezember 2007 zu aktivieren.
2.) Die Entschädigungszahlung führt zu laufendem Gewinn und nicht zu einem gewerbesteuerfreien
Aufgabegewinn.
a) Gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist Gewerbeertrag grundsätzlich der nach den
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Vorschriften des EStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die
Hinzurechnungen und Kürzungen nach den §§ 8 und 9 GewStG. Als eine auf den tätigen Gewerbebetrieb
bezogene Sachsteuer erfasst die Gewerbesteuer bei natürlichen Personen nur die durch den laufenden
Betrieb anfallenden Gewinne (vgl. Urteil des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/63,
BStBl III 1964, 124; BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 X R 55/97, BStBl II 2001, 809). In den Gewerbeertrag sind
danach u. a. nicht die nach Einkommensteuerrecht mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuernden
Veräußerungs- und Aufgabegewinne einzubeziehen. Zu den aus dem Gewinn aus Gewerbebetrieb
auszugrenzenden Bestandteilen gehören auch solche, die zwar nach dem Einkommensteuerrecht nicht
Veräußerungs- oder Aufgabegewinne darstellen, die aber in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang
mit der Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe stehen und deshalb gleichfalls keine "laufenden" Gewinne
darstellen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 17. Februar 1994 VIII R 13/94, BStBl II 1994, 809). Ebenso sind auch
dann, wenn einkommensteuerrechtlich keine begünstigte Veräußerung oder Aufgabe vorliegt,
Veräußerungsgewinne bei der Ermittlung des Gewerbeertrags auszuscheiden, wenn die Veräußerung zu einer
-endgültigen- Einstellung der gewerblichen Betätigung des Veräußerers führt. Es widerspräche dem Charakter
der Gewerbesteuer als Objekt-steuer, auch die sich aus der Beendigung der gewerblichen Betätigung
ergebenden Gewinne als Gewerbeerträge zu erfassen, da sie in keinem stehenden Gewerbebetrieb
erwirtschaftet wurden (BFH-Urteil vom 26. Juli 2007 IV R 49/04, BStBl II 2009, 289 m. w. N.).
b) Der Kläger hat seinen Betrieb aufgegeben. Mit Verträgen vom ... 2008 hat er sein Unternehmen an die F
GmbH veräußert. Mit Geschäfts-Kaufvertrag und Waren-Kaufvertrag hat er seinen gesamten Warenbestand,
das Inventar und den Firmenwert übertragen. Damit hat er die wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem
einheitlichen Vorgang auf einen Erwerber entgeltlich übertragen, dadurch ist die gewerbliche Betätigung des
Klägers mit den veräußerten Betriebsgrundlagen beendet worden (vgl. zur Betriebsveräußerung z. B. BFH-
Urteile vom 9. August 1989 X R 62/87, BStBl II 1989, 973; vom 24.Juli 1986 IV R 137/84, BStBl II 1986,
808). Der Betriebsveräußerung i. S. von § 16 Abs. 1 EStG steht nicht entgegen, dass die Erwerberin der
wesentlichen Betriebsgrundlagen eine GmbH war, deren alleiniger Gesellschafter -und zum fraglichen
Übertragungszeitpunkt auch alleiniger Geschäftsführer- der Kläger war. Maßgeblich ist insoweit, dass die
GmbH trotz der Beteiligung des Klägers ein anderes Rechtssubjekt ist (vgl. BFH Urteil vom 9. August 1989 X
R 62/87, BStBl II 1989, 973). Auf diesen Zeitpunkt, den ... 2008, hat der Kläger auch seine Betriebsaufgabe -
aus gesundheitlichen Gründen- gegenüber dem Beklagten erklärt.
c) Zum Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn gehört nach ständiger Rechtsprechung alles, was der Veräußerer
im Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes vom Erwerber oder einem Dritten erhält
(z. B. BFH Urteil vom 4. März 1998 X R 56/95, BFH/NV 1998, 1354 m. w. N.). Ertragsteuerlich erfasst § 16
EStG vornehmlich die anlässlich einer Veräußerung/Aufgabe durch die Aufdeckung stiller Reserven
entstandenen Gewinne, während Einnahmen aus der Erfüllung oder Auflösung von laufenden Verträgen, die
nicht durch die Betriebsveräußerung/-Aufgabe veranlasst sind, als laufende Gewinne zu qualifizieren sind
(BFH Beschluss vom 11. September 1997 VIII B 101/96, BFH/NV 1998, 452; Urteile vom 14. Juli 1993 I R
84/92, BFH/NV 1994, 23; vom 7. April 1989 III R 9/87, BStBl II 1989, 874). Veräußerungsgewinne sind
allerdings nicht schon wegen eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen Veräußerung und Betriebsaufgabe
tarifermäßigt bzw. nicht gewerbesteuerbar; maßgeblich für die Zuordnung zum laufenden oder zum
Aufgabegewinn ist vielmehr der wirtschaftliche Zusammenhang (ständige Rechtspr., vgl. BFH Urteile vom 26.
Juni 2007 IV R 49/04, BStBl II 2009, 289; vom 19. Mai 1971 I R 467/70, BStBl II 1971, 688). Auch eine
Entschädigung, beispielsweise für den Verzicht auf ein bestehendes Mietrecht an Geschäftsräumen, kann
dem Aufgabegewinn zuzuordnen sein, wenn die Entschädigung für die Aufgabe eines Betriebs oder
Teilbetriebs bzw. zur Abgeltung der durch die Betriebseinstellung aufgetretenen Nachteile gezahlt wird (BFH
Urteile vom 4. März 1998 X R 56/95, BFH/NV 1998, 1354; vom 24. November 1982 I R 60/79, BStBl II 1983,
243).
Dies gilt auch aus gewerbesteuerrechtlicher Sicht: Veräußerungsgewinne sind nicht schon wegen des
zeitlichen Zusammenhangs zwischen Veräußerung und Betriebsaufgabe als nicht gewerbesteuerbar
anzusehen. Gewinne aus betriebsgewöhnlichen Geschäftsvorfällen, die auf der im Wesentlichen
unveränderten Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit beruhen, unterliegen im Regelfall der
Gewerbesteuer. Für die Zuordnung zum laufenden bzw. zum Aufgabegewinn kommt es mithin ebenfalls auf
den wirtschaftlichen Zusammenhang an. Gewinne aus ihrer Natur nach laufenden Geschäftsbeziehungen
gehören auch dann zum Gewerbeertrag, wenn sie im Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe erzielt
werden (BFH-Urteil vom 26. Juli 2007 IV R 49/04, BStBl II 2009, 289 m. w. N.).
d) Nach Maßgabe dieser Grundsätze fehlt es im Streitfall jedenfalls an dem erforderlichen wirtschaftlichen
Zusammenhang der Entschädigungszahlung mit der Betriebsveräußerung. Die Veräußerung des Mietobjekts
an einen Investor Mitte 2006 und die in der Folgezeit geführten Gespräche und Auseinandersetzungen mit
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dem neuen Vermieter um eine vorzeitige Beendigung des langfristigen Mietvertrages erfolgten ohne einen
Zusammenhang mit einer möglichen Betriebsaufgabe. Vielmehr ging der Kläger zunächst selbst lediglich von
einer ggfs. notwendig werdenden Betriebsverlegung aus. Hierfür hatte er eine neue Mietfläche gesucht und
auch gefunden. Den unterschiedlichen Mietkonditionen ist in der Vergleichsvereinbarung durch eine
Ausgleichszahlung von 313.000 € ausdrücklich Rechnung getragen worden. Weil der Kläger "in
Verhandlungen bzw. kurz vor Abschluss eines neuen Mietvertrages mit einem Quadratmeterpreis von 13,75
€" stehe, errechnete sich eine Differenz zu dem bisherigen Mietpreis von 6,25 €/m2. In der
Vergleichsvereinbarung ist auch bereits vereinbart worden, dass an der Baustelle auf der bisherigen
Ladenfläche werbend auf die Betriebsverlegung "nur 10 Minuten Fußweg" entfernt hinzuweisen war. Auch die
Durchführung eines Räumungsverkaufs und die Kündigung von Mitarbeitern ab November 2007 ist vor dem
Hintergrund der Betriebsverlegung und geänderter Konditionen bei dem neuen Mietobjekt zu sehen und als
nicht zwingender Ausdruck einer beabsichtigten Betriebsaufgabe.
Ursache für die Betriebsveräußerung/Betriebsaufgabe war nach den eigenen Angaben des Klägers sein
gesundheitlicher Zustand. Er litt bereits seit 1989 an einem ... Im Oktober 2007 erfolgte ein Zusammenbruch,
seit dem ... November 2007 war er von seiner behandelnden Ärztin in vollem Umfang als erwerbsunfähig
eingestuft worden. Der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Auflösung des
Mietverhältnisses und der Betriebsaufgabe bestand danach nicht; tatsächlich ist die Betriebsveräußerung
lediglich in einem zeitlichen Zusammenhang erfolgt.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin vom 9. März 1998
(8 K 8192/97, EFG 1998, 1178) berufen. Offen bleiben kann, ob der erkennende Senat die Rechtsauffassung
des Gerichts teilen könnte, denn jedenfalls liegt jener Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort
war die Aufhebung des betrieblichen Mietvertrages auslösend für die Verlagerung des Betriebs in einen
anderen Stadtteil und Veräußerung der Betriebsgrundlagen an eine der dortigen Klägerin gehörende GmbH im
Rahmen eines "geschlossenen Konzepts". Im Streitfall ist die Geschäftsaufgabe demgegenüber kausal durch
den Gesundheitszustand des Klägers ausgelöst worden. Auch die mit Urteil des BFH vom 4. März 1998
entschiedenen Sache X R 56/95 (BFH/NV 1998, 1354) weicht insoweit vom Streitfall ab, als dort die
Auflösung eines Pachtvertrages über ein Hotel mit Gaststätte unmittelbar zur Betriebsaufgabe führte, ohne
dass, wie im Streitfall, andere Ursachen die Betriebsaufgabe beeinflusst hätten.
Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des BFH in der Sache IV R
43/74 (vom 20. Juli 1978, BStBl II 1979, 9) berufen, die sich mit den Voraussetzungen einer Entschädigung i.
S. von § 24 Nr. 1a i. V. m. § 34 Abs. 1 und 2 EStG befasst. Denn beim Gewerbeertrag bleiben
Entschädigungen nur außer Ansatz, wenn sie im Rahmen der Aufgabe des Betriebes gezahlt werden und
einkommensteuerrechtlich dem begünstigten Aufgabegewinn zuzurechnen sind (vgl. Drüen in Blümich,
GewStG, § 7 Rz.142; GewStH 7.1 Abs. 3). Dies ist im Streitfall aber gerade nicht gegeben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO nicht
zuzulassen.