Urteil des FG Hamburg vom 09.07.2014

FG Hamburg: erlass, zusammensetzung, anteil, satzung, erhaltung, land hamburg, gefahr, grundstück, sanierung, wohnraum

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1. Die Erhaltungsziele einer sozialen Erhaltungssatzung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB korrespondieren mit den
zugehörigen Versagungsgründen nach Abs. 4 dieser Norm. Auch bei einer sozialen Erhaltungssatzung wird über die
Erhaltung baulicher Anlagen in zwei aufeinander folgenden Schritten - Satzung und Genehmigung - entschieden.
2. Bei der Aufstellung der Satzung hat die Gemeinde konkret zu bestimmen, wie sich die zu schützende Wohnbevölkerung
zusammensetzt, und die räumliche Abgrenzung des Erhaltungsgebiets so vorzunehmen, dass das Schutzziel in
wesentlichen Teilen des Gebietes erreicht werden kann. Ohne den Erlass der sozialen Erhaltungssatzung muss im
Erhaltungsgebiet die abstrakte Gefahr bestehen, dass infolge baulicher Maßnahmen eine unerwünschte Veränderung der
Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eintritt, und diese Veränderung zu negativen städtebaulichen Folgen führt.
3. Eine Erhebung über die im vorgesehenen Erhaltungsgebiet vorhandene Wohnbevölkerung muss repräsentativ sein. Hieran
fehlt es nicht deshalb, weil bei einer im Aufstellungsverfahren durchgeführten Erhebung nur im Gebiet ansässige Haushalte
und nicht auch die jeweiligen Grundstückseigentümer als Vermieter einbezogen worden sind.
4. Der Erlass einer sozialen Erhaltungssatzung erfordert im Vergleich zur Bauleitplanung nur eine eingeschränkte Abwägung
der Belange. Da mit dem Erlass der Satzung keine Entscheidung über die Erhaltung einer baulichen Anlage getroffen wird,
sind die privaten Belange der Grundstückseigentümer bei der Abwägung nur allgemein im Hinblick darauf zu
berücksichtigen, ob ein hinreichendes öffentliches Interesse an der Einführung eines besonderen
Genehmigungsvorbehaltes für bauliche Maßnahmen oder Wohnungseigentumsumwandlungen besteht.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 2. Senat, Urteil vom 09.07.2014, 2 E 3/13.N
§ 172 Abs 1 S 1 Nr 2 BauGB, § 172 Abs 1 S 4 BauGB, § 172 Abs 4 BauGB
Verfahrensgang
Tenor
Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
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Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vorläufig vollstreckbar.
Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der aufgrund
des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Antragsgegnerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Wirksamkeit der Sozialen
Erhaltungsverordnung G……
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des 165 m
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großen Grundstücks G.- straße ..
(Flurstück X der Gemarkung G. ….), das mit einem viergeschossigen Wohnmietshaus
bebaut ist, das zudem über ein Souterrain- und Dachgeschoss verfügt. Das um 1875
errichtete Gebäude ist in der Denkmalliste eingetragen und wurde von der Antragstellerin
mit hohem finanziellen Aufwand denkmalschutzgerecht saniert. Das Grundstück lag
zunächst im Geltungsbereich der Verordnung über die förmliche Festlegung des
Sanierungsgebietes G. S 1 (………..) vom 17. Juli 1979 (HmbGVBl. S. 240), die nach
erfolgreicher Durchführung der Sanierung durch Verordnung vom 17. Dezember 2002
(HmbGVBl. S. 357) aufgehoben wurde. Der Bebauungsplan G. 26 vom 27. Juni 1984
(HmbGVBl. S. 136) trifft für das Grundstück der Antragstellerin die Festsetzungen WB IV
(zwingend) und Erhaltungsbereich nach § 39h BBauG. Die Aufstellung des
Bebauungsplans diente insbesondere der Schaffung der planungsrechtlichen
Voraussetzungen für die Durchführung von Stadterneuerungsmaßnahmen in dem
festgelegten Sanierungsgebiet. Nach der Durchführung der Sanierung entrichtete die
Antragstellerin im Jahr 2007 einen Ausgleichsbeitrag für die Erhöhung des Bodenwertes
ihres Grundstücks.
Die Antragsgegnerin gab im Frühjahr 2009 eine Vorstudie für eine Soziale
Erhaltungsverordnung für ein Gebiet im Stadtteil in G. in Auftrag, die die ARGE K./J. im
Juli 2009 vorlegte. Daraufhin beschloss der Senat der Antragsgegnerin am 22. Juni 2010
(Amtl. Anz. S. 1111) die Aufstellung einer Sozialen Erhaltungsverordnung nach § 172
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für ein in einem Übersichtsplan abgegrenztes
Erhaltungsgebiet im Stadtteil G., in dem auch das Grundstück der Antragstellerin liegt.
Städtebauliches Ziel der Verordnung sei es, die Erhaltung der Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung in diesem innenstadtnahen Wohngebiet durch die Einführung eines
zusätzlichen Genehmigungsvorbehalts bei Anträgen auf Rückbau, bauliche Änderungen
und Nutzungsänderungen bestehender Wohngebäude sowie der Begründung von
Wohnungs- und Teileigentum aus besonderen städtebaulichen Gründen zu sichern. Das
Erhaltungsgebiet wurde dabei in fünf Teilräume eingeteilt, wobei die G. ......straße mit dem
Grundstück der Antragstellerin auf der Abgrenzungslinie zwischen den Teilräumen 4 und
5 liegt. Zur Vorbereitung und zum Vollzug der geplanten Sozialen Erhaltungsverordnung
gab die Antragsgegnerin bei der F. eine Repräsentativerhebung in Auftrag, bei der 530
Haushalte (von ca. 6.200 Haushalten bei 8.050 Einwohnern im Erhaltungsgebiet) in
Interviews mittels eines standardisierten Fragebogens zu ihren persönlichen
Verhältnissen befragt wurden (vgl. dazu die zugrundeliegende Verordnung der
Antragsgegnerin über eine Repräsentativerhebung zur Vorbereitung und zum Vollzug
einer Sozialen Erhaltungsverordnung für ein Gebiet im Stadtteil G. vom 22. Juni 2010,
HmbGVBl. S. 443). Über die Erhebungsergebnisse legte die F im September 2011 einen
Endbericht vor. Am 15. Dezember 2011 stimmte die Bezirksversammlung ……..dem
Erlass einer Sozialen Erhaltungsverordnung G. zu. Die Behörde für Stadtentwicklung und
Umwelt genehmigte den Verordnungsentwurf mit Schreiben vom 9. Januar 2012. Der
Leiter des Bezirksamtes ……… fertigte am 6. Februar 2012 den Erlass der Verordnung
zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung für ein Gebiet im Stadtteil G.
(Soziale Erhaltungsverordnung G.) aus. Die Soziale Erhaltungsverordnung wurde am 14.
Februar 2012 (HmbGVBl. S. 39) verkündet. Mit Schreiben vom 13. Februar 2013 machte
die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin Abwägungsmängel beim Erlass der
Erhaltungsverordnung geltend. Am 13. Februar 2013 hat sie zudem den
Normenkontrollantrag gestellt.
Zur Begründung trägt sie u.a. vor, durch die Erhaltungsverordnung könne das Ziel, die
erreichten Sanierungsziele nachhaltig zu sichern und drohende Aufwertungs- und
Verdrängungsprozesse in besonders nachgefragten Wohnlagen, insbesondere in der G.
......straße, abzuwenden, nicht erreicht werden. Die Sanierungen seien dort
abgeschlossen und der vom Verordnungsgeber vorgesehene Schutz vor Verdrängung
gehe ins Leere, weil die ihm vor Augen stehende einkommensschwache
Wohnbevölkerung dort nicht mehr lebe. Selbst nach dem Endbericht der F. seien
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grundlegende Modernisierungen in vielen Bereichen des Erhaltungsgebietes vollständig
abgeschlossen. So lägen Befunde vor, die „hinsichtlich des Wohnungs- und
Gebäudebestands sowie der Zusammensetzung der Bevölkerung eine in Teilbereichen
bereits stattgefundene Aufwertung dokumentieren“. Das gehe auch aus der Vorstudie der
ARGE K./J. hervor, in der deutlich über dem Mietenspiegel liegende Mieten konstatiert
worden seien. Allerdings leide der Endbericht unter dem Mangel, dass die Straßenzüge
nicht einzeln untersucht und die betroffenen Grundeigentümer nicht systematisch befragt
worden seien. Die im Endbericht für die Untersuchung gebildeten Teilräume seien viel zu
groß. Dies lasse ein vollkommen verzerrtes Bild entstehen, was insbesondere für die G.
......straße rund um ihr Wohnhaus gelte. Die unzureichende Binnendifferenzierung beruhe
dabei auf zufälligen Antworten verängstigter einkommensschwacher Mieter, die nicht als
repräsentativ gelten könnten. Nach ihren eigenen Ermittlungen für die in den Teilräumen
4 und 5 liegenden Wohnhäuser in der G. ......straße bzw. für das Eckhaus in der .-str. 44
stelle sich die Situation völlig anders dar (dies wird von der Antragstellerin in ihren
Schriftsätzen vom 13. Februar 2012 und 2. Mai 2014 im Einzelnen dargelegt, worauf
Bezug genommen wird). Das belege, dass repräsentative Stichproben nicht erhoben
worden seien. Die von der F. durchgeführte Stichprobenerhebung bei 530 Haushalten sei
unzureichend, weil damit lediglich knapp 9 % der Haushalte im Untersuchungsgebiet
befragt worden seien und es sich vorwiegend nur um die betroffenen Mieter gehandelt
habe. Auch in Anbetracht von erheblich weniger als jeweils 2.000 Menschen in den
Teilräumen 4 und 5 werde deutlich, dass die angestellte Stichprobenerhebung
unzureichend sei. Denn in Gebieten mit 1.000 bis 3.000 Einwohnern sei die Stichprobe
auf 50 % zu erhöhen (vgl. Killisch/ Holtmann/Ruf, Mitteilungen der Fränkischen
Geographischen Gesellschaft, Bd. 40, 1993, S. 155, 168). Das Untersuchungsgebiet
erstrecke sich zudem nicht auf die unmittelbar an der Alster liegenden Wohnhäuser in der
G. ......straße, die insoweit aus dem Erhaltungsgebiet ausgegrenzt worden seien. Die
Gebietsabgrenzung erscheine insgesamt willkürlich. Offenbar seien schlicht die Grenzen
der früheren Sanierungs- bzw. Quartiersentwicklungsgebiete übernommen worden.
Die Erhaltungsverordnung stelle einen unzulässigen Eingriff in ihr durch Art. 14 Abs. 1 GG
geschütztes Grundeigentum dar. Es liege eine enteignende Wirkung vor, weil der
Grundstückswert nachhaltig beeinflusst werde. Der Verkehrswert der Gebäude werde
infolge des Genehmigungsvorbehalts so weit reduziert, dass sich die aufgewandten
Erhaltungs- und Herstellungskosten nicht amortisieren ließen. Lediglich durch einen
Verkauf der Wohnungen könne vermieden werden, dass die von ihr erbrachten
Investitionskosten in Höhe von über 2 Millionen Euro zu einem Verlust führten. Der
Verordnungsgeber wolle mit der Sozialen Erhaltungsverordnung die Gefahr einer
unerwünschten Änderung der Struktur der Wohnbevölkerung mindern. Im
Erhaltungsgebiet bestehe jedoch kein Potential mehr zur Aufwertung und damit zur
Verdrängung von einkommensschwachen Einwohnern. Die Antragsgegnerin verhalte
sich widersprüchlich, wenn sie einerseits die Sanierung im Gebiet G. S 1 (. -straße) für
abgeschlossen erkläre und daraufhin die Erhöhung des Bodenwertes für ihr Grundstück
feststelle und andererseits dieses Gebiet als aufwertungsträchtig einstufe. Bei der
Bewertung des Verdrängungspotentials werde übersehen, dass heute immer mehr
Bevölkerungskreise bereit seien, einen immer größeren Anteil des Haushaltseinkommens
für das Wohnen einzusetzen. Bei der Abwägung werde übersehen, dass bereits
überwiegend einkommensstarke Bevölkerungskreise im Erhaltungsgebiet wohnten, was
insbesondere für die G. ......straße gelte. Mieter würden im Falle von Modernisierungen
bereits durch § 554 Abs. 2 BGB geschützt. In dem Fragebogen für die
Repräsentativerhebung habe zwar die Rubrik Eigentümer angekreuzt werden können,
gleichwohl seien die Eigentümerbelange in die Abwägung nicht einbezogen worden. Für
sie - die Antragstellerin - ergebe sich aus der Erhaltungsverordnung aber ein gravierender
Nachteil, weil sie ihr Wohnhaus nicht ohne vorherige Genehmigung in Wohnungen
aufteilen und verkaufen dürfe. Eine Genehmigungserteilung für zukünftige Änderungen
am Haus könne nicht erwartet werden, weil das Objekt bereits heute über dem
Ausstattungsstandard liege. Im gesamten Erhaltungsgebiet seien Sanierungsarbeiten
auch über das Jahr 2002, als die Sanierungsverordnung aufgehoben worden sei,
weitergegangen. In der G. ......straße seien die Modernisierungen bereits im Zeitpunkt des
Inkrafttretens der Verordnung abgeschlossen gewesen. Eine Erhaltungsverordnung
verfehle aber ihren Zweck, wenn der Strukturwandel abgeschlossen oder so weit
fortgeschritten sei, dass die wesentlichen Auswirkungen auf die Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung bereits eingetreten seien. Die Einkommen der Einwohner lägen hier
ohnehin über dem Durchschnitt. Das Gebiet zwischen .-straße und der A. sei in G.
wirtschaftlich am weitesten entwickelt und habe die wohlhabendsten Einwohner.
Die Antragstellerin beantragt,
die Verordnung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung für ein
Gebiet im Stadtteil G. (Soziale Erhaltungsverordnung G.), vom 6. Februar 2012,
bekannt gemacht am 14. Februar 2012, für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag abzulehnen.
Sie trägt vor, der erfolgreiche Abschluss der städtebaulichen Sanierung des Gebiets G. S
1 (……) im Jahr 2002 begründe nicht die Annahme, es bestehe kein weiteres
Modernisierungs- und Aufwertungspotential für dieses Gebiet. Die Sanierung habe weder
zum Ziel gehabt noch sei es ihr Ergebnis gewesen, seinerzeit bestehende
Modernisierungs- und Aufwertungspotenziale in dem Gebiet vollständig auszuschöpfen.
Vielmehr seien städtebauliche Missstände behutsam und sozialverträglich behoben
worden. Die Soziale Erhaltungsverordnung diene von daher der Sicherung der seinerzeit
erreichten Sanierungsziele. Im Übrigen seien bauliche Aufwertungen und
Modernisierungen u.a. durch den technischen Fortschritt und steigende bzw. sich
ändernde Wohnansprüche grundsätzlich immer möglich. Diesem Umstand werde in
Hamburg nach Erlass einer Sozialen Erhaltungsverordnung bzw.
Umwandlungsverordnung dadurch Rechnung getragen, dass alle fünf Jahre die
Voraussetzungen für deren Erlass evaluiert und die gebietstypischen
Ausstattungsmerkmale zur Definition des „zeitgemäßen Ausstattungszustands“ (§ 172
Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB) neu erhoben würden. Für den Erlass einer Sozialen
Erhaltungsverordnung sei hinsichtlich des Zustands und der Ausstattung von Gebäuden
und Wohnungen von entscheidender Bedeutung, ob es in einem Gebiet ein
Aufwertungspotenzial gebe und ob dieses geeignet sei, im Zusammenhang mit einem
Verdrängungsdruck die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu gefährden, was
negative städtebauliche Auswirkungen zur Folge haben könne. Dieses
Aufwertungspotenzial sei für den Geltungsbereich der Sozialen Erhaltungsverordnung
zunächst in der Plausibilitätsprüfung der ARGE K./J. und dann durch die
Repräsentativerhebung der F anhand verschiedener Indikatoren für alle fünf Teilräume
repräsentativ erhoben, nachgewiesen und in der Repräsentativerhebung und der darauf
aufbauenden Begründung zur Verordnung umfassend dargestellt worden. Die Ermittlung
der gebietstypischen Ausstattungsmerkmale beweise, dass viele
Modernisierungsmaßnahmen bei einem Großteil der Gebäude und Wohnungen noch
nicht durchgeführt worden seien (u.a. Dachterrassen, Rollläden, hochwertige
Einbauküchen, Gegensprechanlagen mit Kamera, Aufzüge/Fahr-stühle,
Balkone/Loggien/Terrassen). Entgegen der Annahme der Antragstellerin sei eine
straßenabschnittsweise oder gar grundstücksbezogene Bewertung weder erforderlich
noch zweckmäßig. Aus dem Endbericht der F ergebe sich, dass im Untersuchungsgebiet
noch in nennenswertem Umfang eine unter städtebaulichen Aspekten schützenswerte
Wohnbevölkerung vorhanden sei. In allen fünf Teilräumen fänden sich relevante Anteile
an Haushalten, die aufgrund ihres Erwerbsstatus, Bildungsniveaus und Einkommens
sowie der Mietbelastung mit Verdrängung rechnen müssten. Der Anteil nicht-deutscher
Einwohner liege bei knapp einem Viertel - mit weiter abnehmender Tendenz. Die rege
Immobilienmarktentwicklung bewirke in G. weiterhin überdurchschnittliche
Preissteigerungen. In vielen Bereichen lägen die Mieten jetzt schon deutlich über dem
Mietenspiegelniveau, insbesondere Haushalte mit geringeren Einkommen müssten
erhebliche Mietbelastungen hinnehmen. Ein hoher Anteil an Mietern befürchte, den
Stadtteil verlassen zu müssen, Umzüge aufgrund nicht mehr bezahlbarer Mieten seien
geplant. Rund 80 % der Mietwohnungen könnten weiter aufgewertet werden, auch
Luxusmodernisierungen seien in größerem Umfang möglich. Noch lägen gut ein Viertel
der Nettokaltmieten unterhalb der jeweiligen Mittelwerte des Mietenspiegels. In ganz G.
sei es in den zurückliegenden Jahren zu Verdrängungsprozessen gekommen, die immer
noch nicht abgeschlossen seien. Es gebe weiterhin deutliche Hinweise auf einen sich
vollziehenden Aufwertungsprozess. Die Untersuchung der F habe keine
Straßenabschnitte oder gar einzelne Grundstücke besonders in den Blick nehmen
müssen, weil die eigentliche Abwägung zwischen den Interessen der
Grundstückseigentümer und denen der Allgemeinheit erst in dem auf der zweiten Stufe
angesiedelten Genehmigungsverfahren stattfinde. Für die Gültigkeit der
Erhaltungsverordnung sei es unerheblich, wenn einzelne Gebäude in ihrem
Geltungsbereich kein Aufwertungs- und Verdrängungspotenzial mehr aufwiesen. Die
Abgrenzung des Erhaltungsgebiets sei so vorzunehmen, dass das Schutzziel in
wesentlichen Teilen des Gebiets erreicht werden könne. Das der Einordnung der
Wohnlage gemäß dem Hamburger Mietenspiegel zugrunde liegende
Wohnlagenverzeichnis bewerte den in das Erhaltungsgebiet einbezogenen Bereich der
G. ......straße .. bis .. und .. bis .. als „normale“ Wohnlage im Gegensatz zur „guten“, die den
in größerer Nähe zur A….. gelegenen Bereich der G. ......straße erfasse, der nicht in das
Erhaltungsgebiet einbezogen worden sei.
Zwischenzeitlich hat die Antragsgegnerin die Geltungsdauer der Verordnung über eine
Umwandlungsgenehmigung in Gebieten zur Erhaltung der Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung vom 10. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 324) bis zum Ablauf des 31.
Dezember 2018 verlängert (vgl. Dritte Verordnung zur Änderung der
Umwandlungsverordnung v. 10.12.2013, HmbGVBl. S. 492), so dass für Grundstücke in
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den Erhaltungsgebieten nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB Sondereigentum an
Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzecken zu dienen bestimmt sind, nicht ohne
Genehmigung begründet werden darf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen
Verfahrensakten der Antragsgegnerin, insbesondere den Endbericht der F vom
September 2011, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden
sind.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist zulässig (I.), aber in der Sache
unbegründet (II.).
I. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Seine Statthaftigkeit ergibt sich aus § 47 Abs. 1
Nr. 1 VwGO, wobei zu berücksichtigen ist, dass im Land Hamburg gemäß § 246 Abs. 2
Satz 1 BauGB i.V.m. § 4 Satz 1 Bauleitplanfeststellungsgesetz (v. 30.11.1999, Hmb-GVBl.
S. 271; i.d.F. v. 14.6.2011, HmbGVBl. S. 256) als Form der Rechtsetzung für den Erlass
einer Erhaltungssatzung i.S.d. § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB eine Rechtsverordnung
bestimmt ist. Die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Stellung des
Normenkontrollantrages ist gewahrt worden. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt
i.S.d. Vorschrift, weil sie als Eigentümerin eines im Erhaltungsgebiet liegenden
Grundstücks geltend machen kann, durch die Statuierung eines
Genehmigungsvorbehaltes nach § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB in ihrer Eigentumsfreiheit
aus Art. 14 Abs. 1 GG konkret betroffen zu sein. Im Übrigen ergeben sich aus § 215 Abs. 1
Satz 1 BauGB, der wie die §§ 214 und 216 BauGB auch für Erhaltungssatzungen nach §
172 BauGB gilt (vgl. Dürr in: Brügelmann, BauGB, Bd. 5, Stand 2/2014, § 214 Rn. 13),
keine Einschränkungen bei der Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften, weil
die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit gegenüber der Antragsgegnerin fristgerecht
nachgekommen ist.
II. Der Normenkontrollantrag ist unbegründet, weil die formellen (1.) und materiellen (2.)
Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Rechtsverordnung
vorliegen. Die Soziale Erhaltungsverordnung G. kann deshalb Gültigkeit beanspruchen.
1. Die angegriffene Soziale Erhaltungsverordnung G. ist formell rechtmäßig.
Die Zuständigkeit für den Erlass der Erhaltungsverordnung liegt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3
Bauleitplanfeststellungsgesetz i.V.m. § 1 Satz 1 Weiterübertragungsverordnung-Bau (v.
8.8.2006, HmbGVBl. S. 481; i.d.F. v. 11.5.2010, HmbGVBl. S. 350, 370) beim Bezirks-amt
…... Der Aufstellungsbeschluss wurde - wie in § 1 Satz 2 Weiterübertragungsverordnung-
Bau vorgesehen - vom Senat der Antragsgegnerin gefasst.
Das für den Erlass der Erhaltungsverordnung erforderliche Verfahren wurde eingehalten.
Bei der Rechtsetzung durch eine sonstige Satzung (bzw. Verordnung) findet das für die
Bauleitplanung vorgeschriebene Verfahren nach den §§ 3 ff. BauGB keine Anwendung;
insbesondere ist keine Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange wie im
Bauleitplanverfahren vorgesehen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25.4.1983, NJW 1983, 2905,
2906; Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. 5, Stand 1/2014, §
172 Rn. 66). Die in § 6 Abs. 2 Bauleitplanfeststellungsgesetz vorgesehene Zustimmung
der Bezirksversammlung zum Erlass der Rechtsverordnung wurde am 15. Dezember
2011 erteilt. Die gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Bauleitplanfeststellungsgesetz erforderliche
Genehmigung der zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt wurde mit
Schreiben vom 9. Januar 2012 erteilt.
Die für den Erlass der Erhaltungsverordnung beachtliche Form wurde ebenfalls gewahrt.
Die Ausfertigung der Rechtsverordnung durch den Leiter des Bezirksamtes …… erfolgte
am 6. Februar 2012. Das Gebiet, für das der Genehmigungsvorbehalt eingeführt wird, wird
in der Erhaltungsverordnung eindeutig bezeichnet: Zum einen werden dessen Grenzen in
§ 1 Abs. 2 der Verordnung detailliert textlich beschrieben und zum anderen wird der
Grenzverlauf des Erhaltungsgebiets durch einen der Verordnung anliegenden
Übersichtsplan kartographisch veranschaulicht. Dem Zitiergebot (vgl. Art. 53 Abs. 2 Satz 1
HV) wird dadurch genügt, dass in der Erhaltungsverordnung die Rechtsgrundlage, d.h.
welche der in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB bezeichneten Gründe auf das
festgelegte Gebiet zutreffen, ausdrücklich angegeben wird und zwar § 172 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BauGB. Die Beifügung einer besonderen Begründung schreibt das Gesetz nicht vor,
ist hier aber dennoch von der Antragsgegnerin erfolgt. Die Bekanntmachung der
Erhaltungsverordnung nach §§ 172 Abs. 1 Satz 3, 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB erfolgte am
14. Februar 2012 im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt.
2. Entgegen den von der Antragstellerin erhobenen Einwänden ist die Soziale
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Erhaltungsverordnung G. materiell rechtmäßig. Sie entspricht den Voraussetzungen der
Ermächtigungsgrundlage in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 BauGB (a) und
genügt auch im Übrigen den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen (b).
a) Die Gemeinde kann gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB in einem Bebauungsplan
oder durch eine sonstige Satzung Gebiete bezeichnen, in denen zur Erhaltung der
Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (§ 172 Abs. 4 BauGB) der Rückbau, die
Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen.
Nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die
Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen
erhalten werden soll. Die Antragsgegnerin hat zudem durch den Erlass der
Umwandlungsverordnung vom 10. Dezember 2002 von der Ermächtigung in § 172 Abs. 1
Satz 4 BauGB Gebrauch gemacht, für die Grundstücke in Gebieten einer Satzung nach §
172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zu bestimmen, dass die Begründung von
Wohnungseigentum oder Teileigentum (§ 1 des Wohnungseigentumsgesetzes) an
Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, ebenfalls
nicht ohne Genehmigung erfolgen darf.
Die Erhaltungsziele des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB, die für den Erlass einer
Satzung Voraussetzung sind, korrespondieren mit den Versagungsgründen für die
Genehmigung nach Absatz 3 bis 5; diese Absätze konkretisieren die allgemeinen
Erhaltungsziele in Absatz 1 Satz 1. In den Fällen der sog. „Milieuschutzsatzung“ nach
Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 ist das Erhaltungsziel die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung.
Dieses Erhaltungsziel wird durch den entsprechenden Versagungsgrund in § 172 Abs. 4
Satz 1 BauGB konkretisiert. Von daher bezweckt die Regelung die Erhaltung solcher
baulicher Anlagen, die aus besonderen städtebaulichen Gründen zur Wahrung der
Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erforderlich sind. Damit kann für die in einem
intakten Gebiet wohnenden Menschen der Bestand der Umgebung gesichert und so die
Bevölkerungsstruktur in einem bestimmten Stadtteil vor unerwünschten Veränderungen
geschützt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.1.1987, DVBl. 1987, 465 f.: zur Frage der
grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit des § 39h BBauG, der dem heutigen § 172
BauGB im Wesentlichen entspricht). Über die Erhaltung baulicher Anlagen aufgrund des
§ 172 BauGB wird mithin in zwei aufeinanderfolgenden Schritten - Satzung und
Genehmigung - entschieden. Aus dieser Zweistufigkeit folgt, dass die Gemeinde in der
Satzung gemäß § 172 Abs. 1 BauGB nur zu regeln hat, in welchem Gebiet und aus
welchen der in § 172 Abs. 3 bis 5 BauGB dafür vorgesehenen Gründe das Erfordernis
eines besonderen Genehmigungsverfahrens statuiert werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v.
3.7.1987, DÖV 1987, 966 f.; OVG Hamburg, Urt. v. 13.6.2012, NordÖR 2013, 366, 367).
Für den Erlass einer sog. Milieuschutzsatzung ergeben sich damit folgende materiellen
Voraussetzungen (vgl. dazu Stock, a.a.O., § 172 BauGB Rn. 40 ff.; Bank in: Brügelmann,
BauGB, a.a.O., § 172 Rn. 24 ff.; Schladebach, BauR 2000, 1137, 1139 ff.): Die Gemeinde
hat konkret zu bestimmen, wie sich die Wohnbevölkerung im Erhaltungsgebiet
zusammensetzt, die sie vor unerwünschten Veränderungen schützen will (aa). Die
Abgrenzung des Erhaltungsgebietes ist so vorzunehmen, dass das Schutzziel in
wesentlichen Teilen des Gebietes erreicht werden kann (bb). Außerdem muss die
abstrakte Gefahr bestehen, dass ohne den Erlass der Verordnung im Erhaltungsgebiet
infolge baulicher Maßnahmen i.S.d. § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB eine unerwünschte
Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erwarten ist (cc).
Schließlich muss die unerwünschte Veränderung in der Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung negative städtebauliche Folgen befürchten lassen (dd).
aa) Die Antragsgegnerin hat die Wohnbevölkerung im Erhaltungsgebiet, die sie vor
unerwünschten Veränderungen schützen will, als sozial gemischt charakterisiert. Der
Anteil der Bevölkerung ohne deutsche Staatsangehörigkeit liege im Erhaltungsgebiet im
Durchschnitt bei rund 23 %. In den Teilräumen 4 und 5 liege der Anteil zwar nur bei rund
18 %, damit aber immer noch höher als im gesamten Stadtgebiet, wo der Ausländeranteil
bei rund 15 % liege (siehe den Endbericht der F vom September 2011, S. 33). Im
Erhaltungsgebiet seien nicht weniger als rund 100 Nationalitäten vertreten. Die Haushalte
verfügten zu einem hohen Anteil über hohe Bildungsabschlüsse. Gleichzeitig fänden sich
aber in allen Teilräumen auch relevante Anteile an Haushalten, in denen Mitglieder über
einen Volks- oder Hauptschulabschluss oder die mittlere Reife verfügten. In den
Teilräumen 4 und 5 liege dieser Anteil bei 28 % bzw. 22 % (Endbericht, S. 34 f.). Das
monatliche Haushaltseinkommen erstrecke sich im Erhaltungsgebiet über eine große
Spannweite. Gut jeder Zehnte (13 %) der befragten Haushalte verfüge über ein
monatliches Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.000 Euro. Jeweils gut ein Viertel der
Haushalte weise Einkommen von 1.000 bis unter 2.000 Euro bzw. von 2.000 bis unter
3.000 Euro auf. 16 % der Haushalte verfügten über Einkommen von 3.000 bis unter 4.000
Euro und ein Fünftel habe 4.000 Euro und mehr monatlich zur Verfügung. Besonders
hoch sei hier der Anteil im Teilraum 5, wo ein gutes Viertel der Haushalte über ein
entsprechendes Einkommen verfüge. Aber auch in den Teilräumen 4 und 5 liege der
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Anteil von „Normalverdienern“ (von 1.000 bis unter 3.000 Euro) und Haushalten mit
geringen Einkommen bei 72 % bzw. 55 % (Endbericht, S. 36 ff.).
Wenn die Antragstellerin Haushalte mit einem Haushaltsnettoeinkommen von bis zu
3.000 Euro als nicht mehr sozial schutzwürdig ansieht, weil sie ein überdurchschnittliches
Einkommen hätten, lässt sie außer Acht, dass das Gesetz an die Art der
Wohnbevölkerung, deren Zusammensetzung durch eine Erhaltungssatzung gewahrt
werden soll, keine besonderen Anforderungen stellt. Schutzwürdig ist deshalb ein Gebiet
mit grundsätzlich jeder Art von Wohnbevölkerung, soweit deren Zusammensetzung aus
besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v.
18.6.1997, BVerwGE 105, 67, 69; Schröer/Kullick, NZBau 2011, 404). Es kann daher
offen bleiben, ob die Annahme der Antragstellerin, ein Haushaltsnettoeinkommen von
3.000 Euro sei überdurchschnittlich hoch, zutreffend ist. Abgesehen davon ergibt sich die
Schutzwürdigkeit der von der Antragsgegnerin im Erhaltungsgebiet ermittelten sozial
gemischten Bevölkerungsstruktur nicht zuletzt aus dem bei der Bauleitplanung zu
berücksichtigenden Belang der Erhaltung sozial stabiler Bevölkerungsstrukturen (siehe
dazu § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB). Danach hat die Antragsgegnerin bei der Bauleitplanung
darauf zu achten, dass in Baugebieten sozial ausgewogene gesellschaftliche Strukturen
erhalten bleiben. Dieses Ziel verfolgt sie mit dem Erlass der Sozialen
Erhaltungsverordnung G..
Das Normenkontrollgericht teilt nicht die Bedenken der Antragstellerin gegen die
Repräsentativität der von der F durchgeführten Erhebung zur Ermittlung der ansässigen
Wohnbevölkerung, weil die eingeholte Stichprobe lediglich knapp 9 % der ca. 6.200
Haushalte im Erhaltungsgebiet erfasse. Die Antragstellerin kann die von ihr vertretene
Ansicht - in Gebieten mit 1.000 bis 3.000 Einwohnern (wie in den Teilräumen 4 und 5, wo
jeweils deutlich weniger als 2.000 Menschen lebten) müssten 50 % der Haushalte befragt
werden - jedenfalls nicht auf die Feststellung in dem Aufsatz von Killisch/Holtmann/Ruf (in
Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft, Bd. 40, 1993, S. 155, 168)
stützen, in Gebieten mit 1.000 bis 3.000 Einwohnern (oder mit weniger als 1.000
Einwohnern) reiche ein bloßer Stichprobenumfang nicht mehr aus. Denn diese
Feststellung bezieht sich nicht auf einzelne Teilräume eines Gebiets, sondern auf das
gesamte Erhaltungsgebiet, in dem hier aber rund 8.050 Einwohner leben. Die F weist in
ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 22. Mai 2014 darauf hin, dass das Statistikamt
Nord ihr bestätigt habe, dass auf der Basis einer Stichprobengröße von rund jedem
zehnten Haushalt die Struktur des Gebietes für die Untersuchungsfragen hinreichend
differenziert dargestellt würde. Das Normenkontrollgericht sieht keine sachlichen
Anhaltspunkte dafür, an der sachlichen Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Die
Repräsentativerhebung der F gibt auch im Übrigen keinen Anlass für methodische
Vorbehalte. Die Erhebung basiert auf der Auswertung des Melderegisters, das über
zahlreiche grundlegende Daten zur Bevölkerungsstruktur verfügt. Befragt wurden die
Haushalte auf der Grundlage des anerkannten Nürnberger Kriterienkataloges (siehe dazu
Peine, DÖV 1992, 85, 90 und die Liste der Erhebungsmerkmale, die als Anlage 2 der
Verordnung über eine Repräsentativerhebung v. 22.6. 2010, HmbGVBl. S. 445, beigefügt
ist), der wesentliche Indikatoren für eine erhaltenswerte Bevölkerungsstruktur und für ein
hohes Verdrängungspotential enthält. Zur Gewährleistung der Repräsentativität der
Erhebung wurde darauf geachtet, dass in allen fünf Teilräumen genügend Haushalte
befragt wurden und deren soziale Schichtung die Bevölkerungsstruktur jeweils
angemessen widerspiegelt. Die Mutmaßung der Antragstellerin, bei der Befragung hätten
überwiegend nur verängstigte Mieter Auskunft gegeben, so dass es zu verzerrten
Ergebnissen gekommen sei, entbehrt einer Grundlage. Die differenzierten
Erhebungsergebnisse in allen Teilräumen, insbesondere auch bei der
Einkommensstruktur, sprechen für das Gegenteil. Ebenso geht die Kritik der
Antragstellerin fehl, für eine aussagekräftige Erhebung hätten auch die
Grundstückseigentümer, die nicht selbst im Erhaltungsgebiet wohnten, befragt werden
müssen. Denn auf deren persönliche Verhältnisse kommt es bei der Festlegung des
Erhaltungsgebietes nicht an und die bei der Erhebung gestellten Fragen zum Gebäude-
bzw. Wohnungsbestand können grundsätzlich ebenso sachgemäß von den Mietern
beantwortet werden.
bb) Das Normenkontrollgericht kann nicht der Auffassung der Antragstellerin beitreten, die
G. ......straße, die auf der Abgrenzungslinie zwischen den Teilräumen 4 und 5 liegt, hätte
insgesamt aus dem Erhaltungsgebiet herausgenommen werden müssen, weil dort die
geschützte Wohnbevölkerung nicht mehr lebe und ein relevantes Verdrängungspotential
für diese nicht mehr bestehe.
Die Abgrenzung des Erhaltungsgebietes ist eine planerische Ermessensentscheidung,
die der Abwägung unterliegt (siehe Bank, a.a.O., § 172 Rn. 49). Sie ist so vorzunehmen,
dass das Schutzziel in wesentlichen Teilen des Gebietes erreicht werden kann, ohne
dass an die Grenzziehung zu hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. OVG Hamburg,
Urt. v. 13.6.2012, a.a.O., 367; OVG Koblenz, Urt. v. 31.7.2008, BauR 2009, 81, 83; Stock,
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a.a.O., § 172 Rn. 63). Dass alle in einem festgelegten Erhaltungsgebiet vorhandenen
baulichen Anlagen erhaltungswürdig sind, ist im Hinblick auf das zweistufig ausgestaltete
Verfahren für die Rechtmäßigkeit der Erhaltungssatzung grundsätzlich nicht erforderlich.
Die Antragsgegnerin durfte davon ausgehen, dass das Ziel des Milieuschutzes auch in
wesentlichen Teilen der Teilräume 4 und 5 erreicht werden kann. Dass sich die
Wohnbevölkerung in diesen beiden Teilräumen nämlich erheblich anders zusammensetzt
als im übrigen Erhaltungsgebiet, ist - wie bereits oben auf Seite 12 f. ausgeführt - auf der
Grundlage der maßgeblichen Erhebungsergebnisse der F in ihrem Endbericht vom
September 2011 nicht festzustellen. Die beiden Teilräume haben zudem eine Größe, die
der Antragsgegnerin keinen Anlass geben musste, eine Erhebung über die tatsächlichen
Verhältnisse in einer einzelnen Straße des Teilraums anzustellen. Das
Normenkontrollgericht musste daher der Frage, ob die Behauptung der Antragstellerin
zutrifft, in ihrem Teil der G. ......straße lebe die durch die Erhaltungsverordnung geschützte
Wohnbevölkerung nicht mehr und dort bestehe keinerlei Verdrängungspotential, weil alle
Gebäude bereits vollständig saniert seien, nicht weiter nachgehen, weil sie nicht
entscheidungserheblich ist.
Was die erfolgte Ausgrenzung des nordwestlichen Teils der G. ......straße aus dem
Erhaltungsgebiet angeht, stellt es ein sachgerechtes Differenzierungskriterium dar, wenn
die Antragsgegnerin insoweit an die unterschiedliche Bewertung der Wohnlagen im
Hamburger Mietenspiegel als „normal“ (Teil der G. ......straße innerhalb des
Erhaltungsgebietes) und als „gut“ (Teil der G. ......straße außerhalb des
Erhaltungsgebietes) angeknüpft hat. Die Bewertung der Wohnlage des Wohnmiethauses
der Antragstellerin als normal spricht jedenfalls für eine Einbeziehung in den räumlichen
Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung, weil bei diesem Mietenniveau Erhöhungen
durchaus noch zu erwarten sind und infolgedessen von einem Verdrängungspotential
ausgegangen werden kann.
cc) Zur Überzeugung des Normenkontrollgerichtes hat die Antragsgegnerin sachlich
begründet die Prognose aufgestellt, dass ohne den Erlass der Sozialen
Erhaltungsverordnung G. die abstrakte Gefahr besteht, dass im Erhaltungsgebiet infolge
baulicher Maßnahmen i.S.d. § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB eine unerwünschte Veränderung
der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erwarten ist. Dies gilt insbesondere
auch für die Teilräume 4 und 5.
Der städtebauliche Milieuschutz in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB ist ein Instrument des
Verdrängungsschutzes zugunsten der vorhandenen Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung in ihrer angestammten Umgebung. Von den mit § 172 Abs. 1 Satz 1
BauGB erfassten baulichen Maßnahmen muss daher im Geltungsbereich der Satzung die
abstrakte Gefahr ausgehen, dass ihre Verwirklichung zu einer relevanten Veränderung
der Wohnbevölkerung führen kann, weil sich die im Gebiet ansässige Wohnbevölkerung
hinsichtlich ihres Wohnraums neu orientieren muss und eventuell das angestammte
Quartier verlässt. Die baulichen Maßnahmen müssen daher prinzipiell geeignet sein, zu
einer Mieterhöhung und damit möglicherweise zu der Gefahr einer Verdrängung der
ansässigen Bevölkerung führen zu können (siehe BVerwG, Urt. v. 18.6. 1997, a.a.O., 70;
Schladebach, a.a.O., 1140). Auf die konkreten Verhältnisse einzelner Grundstücke, wie
etwa im Wohnmietshaus der Antragstellerin, kommt es insoweit nicht an.
Die Antragsgegnerin hat ein Aufwertungspotential, das bauliche Maßnahmen i.S.d. § 172
Abs. 1 Satz 1 BauGB bedingt, zunächst typischerweise damit begründet, dass ein
Altbauquartier in zentraler, innenstadtnaher Lage und zudem in Nähe der A. einem hohen
Nachfragedruck unterliege (siehe den Endbericht der F vom September 2011, S. 13 f.).
Die große Attraktivität des Wohnquartiers beruhe nicht zuletzt auf dem hohen Anteil
„gründerzeitlicher“ Altbauten in den Teilräumen 4 und 5. Dort bestehe der höchste Anteil
von Altbauten. Der Anteil der besonders stark nachgefragten großen Wohnungen mit
mindestens 90 m² Wohnfläche sei im Teilraum 5 mit rund 42 % sehr hoch
(Verordnungsbegründung, S. 14 f.). Der äußere Gebäudezustand sei zwar im
Allgemeinen gut, jedoch bei jedem vierten Gebäude sei eine Verbesserung des
Erscheinungsbildes noch möglich. Die Basis-Ausstattung der Wohnungen mit Bad/WC
und Sammelheizung sei zwar sehr gut (Endbericht, S. 15). Zum Gebäudestandard zählten
aber auch Isolierverglasung, Gegensprechanlage und Fernsehanschluss. Eine sehr gute
Ausstattung der Wohnung sei zwar bei 50 % des Wohneigentums, aber nur bei knapp 15
% der Mietwohnungen festzustellen (Endbericht, S. 17 f.). Bei 36 % der Wohnungen seien
seit 2005 keine Modernisierungs-/Instandsetzungsarbeiten erfolgt, in den Teilräumen 4
und 5 liege dieser Anteil bei 40 % bzw. 41 %. In 41 % der Gebäude sei dort ein
Dachgeschossausbau erfolgt.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Annahme eines relevanten
Aufwertungspotentials im Erhaltungsgebiet, aber insbesondere in den Teilräumen 4 und
5, mit dem Argument, von der Antragsgegnerin sei dort bereits ein Sanierungsverfahren
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zur Erneuerung des Gebietes (vgl. § 39h Abs. 3 Nr. 1 und 2 BBauG - heute § 172 Abs. 1
Nr. 1 BauGB) durchgeführt und nach dessen erfolgreichen Abschluss im Jahr 2002 noch
weitere zahlreiche Sanierungen bzw. Modernisierungen im Erhaltungsgebiet realisiert
worden. Diese Argumentation greift jedoch zu kurz: Denn die Instrumente des § 172 Abs.
1 Nr. 1 und 2 BauGB schließen einander nicht aus, sondern können nebeneinander bzw.
nacheinander genutzt werden (vgl. Lemmel in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl.
Stand Juni 2013, § 172 Rn. 5). Mit einer Erhaltungssatzung nach Nummer 1 werden
vornehmlich stadtgestalterische Ziele verfolgt, während nach Nummer 2
sozialgestalterische Ziele dominieren. Allerdings kann die erfolgreiche Durchführung
einer Sanierung zur Erneuerung eines Gebietes faktisch dazu führen, dass kein
relevantes Aufwertungspotential zur Begründung einer Sozialen Erhaltungssatzung mehr
vorhanden ist. Diese Problemlage hat die Antragsgegnerin aber durchaus erkannt, wenn
sie eingangs der Verordnungsbegründung (ebenda, S. 3) konstatiert, im Rahmen von
Sanierungs- und Stadtteilentwicklungsmaßnahmen im Stadtteil G. seien bereits seit
vielen Jahren Aufwertungs- und Stabilisierungsziele verfolgt und erreicht worden.
Dennoch könne aber im Gebiet nicht von einem abgeschlossenen Aufwertungsprozess
ausgegangen werden. Die Antragsgegnerin hat damit ein Gebiet, in dem ein
Aufwertungsprozess in Gang gesetzt worden ist und bereits zu erkennbaren Fortschritten
geführt hat, unter sozialen Erhaltungsschutz gestellt.
Dennoch ist nach der Überzeugung des Normenkontrollgerichts das noch vorhandene
Potenzial für eine weitere Aufwertung des Gebietes groß genug, um eine
Verdrängungsgefahr für die ansässige Wohnbevölkerung zu begründen. Die Wohnungen
weisen zwar heute, wie die Antragsgegnerin feststellt, durchgängig eine zeitgemäße
Ausstattung auf, jedoch vor allem im Mietwohnungsbereich in Bezug auf zusätzliche
Ausstattungsmerkmale - wie Einbauküche, hochwertiges Fußbodenmaterial, Rollläden,
Balkon/Terrasse/Log-gia, Fahrstuhl und Nebenräume in den Gebäuden, wie Garage und
Fahrradkeller - besteht noch in allen Teilräumen ein erhebliches Potenzial für eine
Steigerung des Ausstattungsstandards der Wohnungen (Endbericht, S. 15 ff.;
Verordnungsbegründung, S. 7). Die Teilräume 4 und 5 befinden sich insoweit in keiner
Ausnahmesituation, weil dort in 40 % bzw. 41 % der Wohnungen noch keine
Modernisierungs-/Instandsetzungsarbeiten durchgeführt oder geplant worden sind. So
plant die Antragstellerin selbst in ihrem Mietshaus zur Erhöhung des Wohnkomforts den
Einbau eines Fahrstuhles. Im Erhaltungsgebiet ist immer noch - und zwar in allen fünf
Teilräumen - eine breite Schicht von „Normalverdienern“ und Haushalten mit geringen
Einkommen vertreten. Gut jeder Zehnte (13 %) der befragten Haushalte verfügt über ein
monatliches Haushaltseinkommen von unter 1.000 Euro. Der Anteil dieser
Einkommensgruppe variiert zwischen den fünf Teilräumen nur leicht. Jeweils gut ein
Viertel der Haushalte weist Einkommen von 1.000 bis unter 2.000 Euro bzw. von 2.000
bis unter 3.000 Euro auf. Der Anteil von „Normalverdienern“, die ein monatliches
Haushaltsnettoeinkommen von 1.000 bis unter 3.000 Euro haben, liegt in den Teilräumen
4 und 5 bei 60 % bzw. 42 % (Endbericht, S. 36 ff.). Die Mietbelastungsquote liegt bei rund
30 % und zeigt nur geringe Unterschiede zwischen den fünf Teilbereichen auf
(Endbericht, S. 38 f.). Im Gebiet werden immer noch viele Haushalte mit einer
vergleichsweise günstigen Miete versorgt, weil die Miethöhe der freifinanzierten
Wohnungen in 37 % der Fälle maximal bei der Vergleichsmiete oder darunter liegt
(Verordnungsbegründung, S. 7). Im Teilraum 4 liegt der Anteil von Haushalten mit einem
Haushaltseinkommen von unter 2.000 Euro monatlich mit 44 % besonders hoch.
Entsprechend ist dort mit rund 70 % der Anteil der Miethaushalte, die befürchten, sich G.
zukünftig nicht mehr als Wohnort leisten zu können, besonders groß
(Verordnungsbegründung, S. 15).
Im Erhaltungsgebiet besteht damit immer noch ein erhebliches Aufwertungspotenzial für
bauliche Modernisierungen, da nur 15 % der Mietwohnungen bei einem
Mietwohnungsbestand von 90 % bereits über eine sehr gute Ausstattung verfügen.
Zugleich sind bei 36 % der Wohnungen seit 2005 keine Modernisierungs-
/Instandsetzungsarbeiten durchgeführt oder geplant worden. Bei jedem vierten Gebäude
erscheint eine Verbesserung des Gebäudezustandes noch möglich. Damit besteht die
hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass es zu überzogenen Modernisierungen kommt, die
für eine Vielzahl von Haushalten mit „Normalverdienern“ oder mit geringen Einkommen,
die auch noch in den Teilräumen 4 und 5 leben, finanziell nicht mehr zu verkraften sein
werden. Denn die Mietbelastungsquote liegt mit rund 30 % bereits jetzt schon relativ hoch,
wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass der Anstieg der Miete Haushalte umso stärker
trifft, je niedriger deren Einkommen ist. Andererseits bestehen im gesamten Gebiet immer
noch viele Haushalte mit einer vergleichsweise günstigen Miete, die aus dem Gebiet
verdrängt werden können. Ein erheblicher Verdrängungsdruck besteht nicht zuletzt unter
dem Gesichtspunkt einer fortgesetzt zu erwartenden Umwandlung von Miet- in
Eigentumswohnungen. Hiervon sind bereits gut 6 % des Mietwohnungsbestandes
betroffen. Eine Verdrängung würde die Wohnbevölkerung in erhöhtem Maße treffen, weil
die durchschnittliche Wohndauer in einer Wohnung rund 11 Jahre beträgt. Ein knappes
Viertel der Bewohner im Erhaltungsgebiet wohnt schon mindestens 15 Jahre dort
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(Endbericht, S. 43 f.). Die Berufstätigen im Quartier arbeiten zudem häufig in G. oder
einem angrenzenden Stadtteil (Endbericht, S. 46), so dass sie mit ihrem Wohnort stark
verbunden sind.
dd) Die unerwünschte Veränderung in der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung lässt
auch negative städtebauliche Folgen befürchten.
Die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung muss aus besonderen städtebaulichen
Gründen erhalten werden sollen. Hierunter ist keine besondere Kategorie von
städtebaulichen Gründen zu verstehen. Diese Gründe müssen lediglich geeignet sein, als
auf die konkrete Situation bezogene und deshalb „besondere“ städtebauliche
Zielsetzungen den Erlass einer Erhaltungssatzung zu rechtfertigen (siehe BVerwG, Urt. v.
18.6.1997, a.a.O., 69 f.; Stock, a.a.O., § 172 Rn. 43).
Als besondere städtebauliche Gründe hat die Antragsgegnerin angeführt, dass eine
Gentrifizierung durch Haushalte mit höheren Einkommen und größeren Flächenbedarf zu
erwarten sei, so dass die Haushalte mit niedrigeren oder normalen Einkommen verdrängt
würden. Infolgedessen komme es zu einer Verdoppelung des Wohnflächenbedarfs und
verstärke sich die Wohnungsnachfrage in Innenstadtlagen, da die verdrängten Haushalte
dort bevorzugt alternativen Wohnraum suchten. Dies verschärfe die Lage in den derzeit
ohnehin sehr engen, nachgefragten innerstädtischen Wohnungssteilmärkten in Hamburg.
Einem sehr hohen ungedeckten Wohnungsbedarf stehe gleichzeitig eine weitere
Abnahme des Bestands an preiswerten Wohnungen gegenüber. Die fehlenden
Wohnflächen müssten an anderer Stelle neu geschaffen werden, was Zusatzbedarfe bei
günstigen Wohnungen und/oder Sozialwohnungen auslösen würde (vgl. zum Ganzen
den Endbericht der F vom September 2011, S. 51, 53 f.; Verordnungsbegründung, S. 17
f.). Außerdem verfügten 50 % der Haushalte im Erhaltungsgebiet über kein Auto. Beim
Zuzug einkommensstärkerer Haushalte sei mit einem steigenden Parkraumbedarf zu
rechnen, der nicht befriedigt werden könne. Die Aufnahmekapazität der Straßen und
Parkmöglichkeiten sei schon erreicht bzw. überschritten (Endbericht, S. 52,
Verordnungsbegründung, S. 18). Das Parkplatzangebot werde von der Hälfte der
Befragten jetzt schon als mangelhaft bewertet (Endbericht, S. 40).
Diese beiden Gründe haben in der konkreten städtebaulichen Situation das erforderliche
Gewicht, um die Soziale Erhaltungsverordnung G. zu tragen. Der Senat der
Antragsgegnerin verfolgt derzeit das Ziel, dass zur Behebung der in Hamburg
herrschenden Wohnungsnot jährlich 6.000 neue Wohnungen - davon 2.000 geförderte
Mietwohnungen für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen - gebaut werden. Bis
dieses Ziel erreicht ist, dient die Erhaltungsverordnung der vorübergehenden
Entspannung am Wohnungsmarkt, die durch einen akuten Mangel an preiswertem
Wohnraum gekennzeichnet ist. In dem innenstadtnahen Wohngebiet G. ist noch
vergleichsweise preisgünstiger Mietwohnungsbestand in Altbauten vorhanden, der
infolge der zu erwartenden baulichen oder wohnungseigentumsrechtlichen Änderungen
wegzufallen droht, so dass für die im Gebiet eingesessenen Haushalte mit unteren und
normalen Haushaltseinkommen an anderer Stelle in Hamburg Sozialwohnungen oder
anderer preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden müsste. Ebenso ist von
städtebaulichem Gewicht, dass der niedrige Motorisierungsgrad von 50 % der Haushalte
im Erhaltungsgebiet gewahrt werden soll, um nicht die bereits bestehende
Parkraumknappheit zu vergrößern. Nach der Lebenserfahrung entspricht es einer
typischen Entwicklung, dass infolge des Zuzugs durch einkommensstärkere Haushalte
die Pkw-Dichte steigen würde, weil einkommensstärkere Haushalte seltener bereit sind,
auf einen eigenen Pkw zu verzichten.
b) Die Antragsgegnerin hat bei dem Erlass der Sozialen Erhaltungsverordnung G. nicht
gegen das Abwägungsgebot verstoßen (vgl. dazu § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Auch wenn das Erhaltungsgebiet nicht in einem Bebauungsplan festgelegt wird, sondern
in einer sonstigen Satzung (bzw. in einer Verordnung), unterliegt Ihr Erlass dem
Abwägungsgebot (Bank, a.a.O., § 172 Rn. 53). Allerdings unterliegt die Erhaltungsatzung
im Vergleich zur Bauleitplanung nur einer eingeschränkten Abwägung. Denn zum einen
ist der Inhalt der Satzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB - ein
Genehmigungsvorbehalt für den Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung
baulicher Anlagen bzw. für die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum
an Wohngebäuden - mit den komplexen Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht
vergleichbar und zum anderen ist der Erlass einer Erhaltungssatzung - anders als bei der
Bauleitplanung - an eng gefasste materiell-rechtliche Voraussetzungen gebunden.
Maßgeblich kommt hinzu, dass die Entscheidung über die Erhaltung der einzelnen
baulichen Anlage oder der Eigentumszuordnung nicht auf der ersten Stufe mit dem Erlass
der Erhaltungssatzung getroffen wird, sondern erst auf der zweiten Stufe im
Genehmigungsverfahren für das einzelne Vorhaben bzw. Wohngebäude (vgl. OVG
Hamburg, Urt. v. 12.12.2007, NordÖR 2008, 216 f.; v. 13.6.2012, a.a.O.; OVG Lüneburg,
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Urt. v. 25.4.1983, a.a.O., 2908; ebenso Stock, a.a.O., § 172 Rn. 68 ff.; Lemmel, a.a.O., §
172 Rn. 19; Wurster/Schöneweiß in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen
Baurechts, Bd. 1, Stand 4/2013, Teil D Rn. 445 ff.). Der Erhaltungssatzung können daher
nicht die Erfordernisse der erst auf der zweiten Stufe (Einzelfallgenehmigung)
anzustellenden Abwägung entgegengehalten werden, wie z.B. die Zumutbarkeit einer
Genehmigungsversagung (vgl. Mitschang in: Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl.
2014, § 172 Rn. 30 f.). Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt nur das
Abwägungsergebnis, also das „Ob“ und „Wie“ der Erhaltungssatzung. Die privaten
Belange der Grundstückseigentümer sind auf dieser Stufe nur allgemein im Hinblick auf
die Frage zu berücksichtigen, ob ein hinreichend starkes öffentliches Interesse an der
Einführung eines Genehmigungsvorbehaltes und der Möglichkeit der Verhinderung
baulicher Maßnahmen oder einer Eigentumsumwandlung besteht (vgl. Stock, a.a.O., §
172 Rn. 69). Die Abwägung zwischen dem städtebaulichen Erhaltungsziel des § 172 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 BauGB und dem auf bauliche Veränderung oder Eigentumsumwandlung
gerichteten Eigentümerinteresse wird mit anderen Worten nicht bereits bei der
Unterschutzstellung des Gebiets abschließend vollzogen und auch nicht „verbraucht“ (so
Mitschang, a.a.O., § 172 Rn. 30).
Dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Gebietsabgrenzung sachgerecht ist
und damit ein angemessenes Abwägungsergebnis darstellt, hat das
Normenkontrollgericht bereits oben unter a) bb) ausgeführt.
Das öffentliche Interesse an der Einführung des Genehmigungsvorbehaltes ist trotz des
relativ weit fortgeschrittenen Aufwertungsprozesses noch hinreichend stark, um die auf
bauliche Veränderung oder Eigentumsumwandlung gerichteten Eigentümerinteressen
zurückzudrängen. Denn zum einen ist der bauliche Aufwertungsprozess gerade im
Mietwohnungsbereich noch nicht abgeschlossen und kann es von daher zu erheblichen
Mieterhöhungen mit einer verdrängenden Wirkung für Haushalte mit geringen und
mittleren Einkommen kommen. Zum anderen besteht noch ein erhebliches Potential für
die unerwünschte Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, das von der
Antragstellerin nicht hinreichend in den Blick genommen wird. Auch die Umwandlung von
Miet- in Eigentumswohnungen ist geeignet, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung
aus den mit der Verordnung verfolgten besonderen städtebaulichen Gründen zu
gefährden. Der Erlass der Sozialen Erhaltungsverordnung dient zudem dem
stadtteilübergreifenden städtebaulichen Ziel, den akuten Mangel an preiswerten
Wohnraum zu bekämpfen. Dabei geht es nicht um den Schutz des einzelnen Mieters, wie
bei dem von der Antragstellerin angeführten Vorschriften der §§ 554 Abs. 2, 559 ff. BGB
im sozialen Mietrecht bei Modernisierungsmaßnahmen, sondern um die Erhaltung der
vorhandenen Struktur der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, weil sich aus deren
Verdrängung negative städtebauliche Auswirkungen ergeben können, die durch den
Erlass der Erhaltungsverordnung verhindert werden sollen. Die angemessene
Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbaren Wohnraum und mit hinreichenden
Parkraum sind zwei besondere städtebauliche Gründe, die ein höheres Gewicht haben
als das private Interesse der Antragstellerin, von einem Genehmigungsverfahren nach §
173 BauGB verschont zu bleiben. Der für ihr Grundstück befürchtete Wertverlust realisiert
sich im Übrigen erst, wenn die nunmehr erforderliche Genehmigung versagt wird. Der von
Ihr beklagte Abwägungsmangel bei der Ermittlung und Bewertung ihrer individuellen
Eigentümerinteressen kann sich nicht auf der hier streitigen ersten Stufe der
Gebietsfestlegung und der Konstituierung des Genehmigungsvorbehaltes auswirken,
sondern würde erst in einem Genehmigungsverfahren relevant werden können. Der
Gesetzgeber hat aber die Belange der Grundstückseigentümer durch das der
Erhaltungssatzung folgende Genehmigungsverfahren ausreichend berücksichtigt (so
BVerfG, Beschl. v. 26.1.1987, a.a.O., 466; OVG Hamburg, Urt. v. 13.6.2012, a.a.O.; OVG
Lüneburg, Urt. v. 25.4.1983, a.a.O., 208).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Revision gemäß § 132 Abs. 1 und 2 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.