Urteil des FG Hamburg vom 27.01.2014

FG Hamburg: allgemeine geschäftsbedingungen, lieferung, schlüssiges verhalten, eigentumsvorbehalt, unternehmen, zuständigkeitsvereinbarung, erhaltung, mahnung, energiesteuer, einspruch

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Energiesteuerrecht: Energiesteuervergütung gem. § 60 Abs. 1 EnergieStG
1. Zur Frage der örtlichen Zuständigkeit bei Vorliegen einer Zuständigkeitsvereinbarung zweier
Hauptzollämter gemäß § 27 AO, zu den Anforderungen an eine Zustimmung gemäß § 27 S. 1 AO und zu
den Anforderungen von § 125 AO bzw. § 127 AO im Zusammenhang mit der fehlenden örtlichen
Zuständigkeit.
2. Ein Anspruch wird dann nicht rechtzeitig i. S. v. § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG geltend gemacht, wenn
ein Mahnbescheid erst 78 Tage nach der Lieferung an den Warenempfänger beantragt wird.
3. Im Verkehr zwischen Unternehmen können Allgemeine Geschäftsbedingungen ohne besonderen
Hinweis Vertragsinhalt werden, sofern die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
branchenüblich ist und daher eine starke Verkehrsgeltung beanspruchen kann. Von einer derartigen
Branchenüblichkeit der Vereinbarung eines einfachen Eigentumsvorbehalts kann in Fällen des
gewerblichen Mineralölhandels ausgegangen werden.
FG Hamburg 4. Senat, Gerichtsbescheid vom 27.01.2014, 4 K 98/13
§ 23 AO, § 27 AO, § 125 Abs 3 Nr 1 AO, § 127 AO, § 60 Abs 1 EnergieStG
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Entlastung für im Verkaufspreis enthaltene Energiesteuer,
die beim Warenempfänger ausgefallen ist.
Mit Schreiben vom 29.12.2010, dort eingegangen am 30.12.2010, beantragte die Klägerin beim Hauptzollamt
A eine Steuerentlastung gem. § 60 EnergieStG (Sachakte Bl. 2). Mit weiterem Schreiben vom 29.12.2010
stellte die Klägerin beim Beklagten ebenfalls einen Antrag nach § 60 EnergieStG (Sachakte Bl. 29). Mit
Schreiben vom 04.01.2011 teilte das Hauptzollamt A der Klägerin mit, dass der Antrag an das zuständige
Hauptzollamt Hamburg-1, dem Beklagten, weitergeleitet worden sei. In der Folge wurde der Antrag vom
Beklagten bearbeitet.
Der Antrag betraf zwei Lieferungen von insgesamt 81.998 l Dieselkraftstoff an die B AG in C, die erstmalig
von der Klägerin beliefert wurde. Die erste Lieferung vom 22.12.2008 umfasste 31.850 l Dieselkraftstoff, die
zweite Lieferung am 13.01.2009 umfasste 50.148 l Dieselkraftstoff. Der Rechnungsbetrag für die erste
Lieferung war am 11.01.2009, der Rechnungsbetrag für die zweite Lieferung war am 02.02.2009 fällig. Die
Rechnungen wurden jeweils noch am Tag der Lieferung gestellt und enthielten einen Hinweis auf den
Fälligkeitszeitpunkt. Auf der Rückseite fanden sich Verkaufs- und Lieferbedingungen, auf die auf der
Vorderseite nicht hingewiesen wurde und die in § 6 einen Eigentumsvorbehalt enthielten (Sachakte Bl. 39).
Da die B AG nicht zahlte, mahnte die Klägerin mit Schreiben vom 11.02.2009, 25.02.2009 und 10.03.2009
(Sachakte Bl. 46-48).
Am ... 2009 beantragte die Klägerin gegen die B AG den Erlass eines Mahnbescheides.
Mit Beschluss vom ... 2009 bestellte das Amtsgericht Hamburg im Insolvenzeröffnungsverfahren über das
Vermögen der B AG einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom ...
2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 28.04.2009 meldete die Klägerin ihre Forderungen zur
Insolvenztabelle an.
Mit Bescheid vom 09.09.2011, bei der Klägerin eingegangen am 26.09.2011, entsprach der Beklagte dem
Antrag in Bezug auf die Lieferung vom 13.01.2009 und vergütete - nach Abzug des Selbstbehalts - 18.589,62
€. In Bezug auf die Lieferung vom 22.12.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil der Zahlungsausfall
nicht unvermeidbar i. S. v. § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG gewesen sei. Die Zweimonatsfrist sei nicht gewahrt,
zwischen der Lieferung am 22.12.2008 und dem Mahnbescheidsantrag am ... 2009 seien 78 Tage vergangen,
bis zur Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens am ... 2009 seien 80 Tage vergangen.
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Am 24.10.2011 legte die Klägerin Einspruch ein, soweit ihrem Antrag nicht entsprochen worden war. Sie trug
vor, die gerichtliche Verfolgung (Beantragung eines Mahnbescheides) habe zwei Monate nach Fälligkeit der
ersten Lieferung stattgefunden. Es handele sich zudem nicht um eine starre Frist und es dürfe nicht eine
einzelne Lieferung isoliert betrachtet werden, vielmehr müsse auf sämtliche Mineralölforderungen an einen
Kunden abgestellt werden.
Mit Schreiben vom 20.06.2012 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass eine erneute Prüfung ergeben
habe, dass hinsichtlich der betreffenden Energieerzeugnisse kein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden sei.
Zwar enthielten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Eigentumsvorbehalt, dieser sei jedoch nicht
wirksam vereinbart worden. Eine stillschweigende Vereinbarung komme nicht in Betracht, wenn es sich - wie
im Streitfall - nicht um eine laufende Geschäftsbeziehung, sondern um Erstlieferungen handele. Auf die auf
der Rückseite der Rechnung abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei nicht auf der Vorderseite
der Rechnung hingewiesen worden. Damit fehle es auch im Hinblick auf die zweite Lieferung an einer
Entlastungsvoraussetzung. Der Bescheid vom 09.09.2011 sei daher gem. § 37 Abs. 2 AO aufzuheben, dies
sei gem. §§ 155 Abs. 4, 169 Abs. 1, 171 Abs. 3a AO noch möglich. Die Festsetzungsfrist laufe nicht ab,
bevor über den Einspruch unanfechtbar entschieden worden sei. Auf die Möglichkeit einer Rückforderung und
die darin liegende Verböserung sei die Klägerin gem. § 367 Abs. 2 AO hingewiesen worden.
Die Klägerin wehrte sich gegen die Verböserung unter Hinweis darauf, dass der Bescheid vom 09.09.2011
bestandskräftig geworden sei, soweit sie ihn nicht angefochten habe. Eine Verböserung sei daher nicht mehr
möglich. Der Vorbehalt nach § 164 AO sei wegen § 164 Abs. 4 S. 1 AO durch Eintritt der
Festsetzungsverjährung weggefallen. Abgesehen davon sei der Eigentumsvorbehalt wirksam vereinbart
worden.
Mit Bescheid vom 12.09.2012 änderte der Beklagte den Bescheid vom 09.09.2011 und lehnte den Antrag auf
Steuerentlastung nach § 60 EnergieStG insgesamt ab. Er forderte die Klägerin auf, die bewilligte Entlastung
in Höhe von 18.589,62 € zurückzuzahlen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17.06.2013 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Bescheid vom
09.09.2010 in Gestalt des Bescheides vom 12.09.2012 zurück. Zur Begründung wies die Beklagte darauf hin,
dass die Entlastungsvoraussetzungen mangels Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts nicht vorlägen. Die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien nicht Vertragsbestandteil geworden. Eine stillschweigende
Einbeziehung sei nur im Falle einer laufenden Geschäftsbeziehung anzunehmen. Die B AG sei indes
Neukunde gewesen. Auch eine stillschweigende Einbeziehung hätte einen Hinweis auf die rückseitig
abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Vorderseite der Rechnung vorausgesetzt.
Hinsichtlich der Lieferung vom 22.12.2008 habe die Klägerin ihren Anspruch nicht hinreichend gerichtlich
verfolgt. Die gerichtliche Anspruchsverfolgung sei nicht spätestens zwei Monate nach der Belieferung in die
Wege geleitet worden. Vielmehr habe es 78 Tage gedauert.
Mit ihrer am 23.07.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Im
Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit des Beklagten trägt sie vor, sie wisse nichts von einer
verwaltungsinternen Zuständigkeitsabsprache. Auch greife § 127 AO nicht, da eine andere Entscheidung in
der Sache hätte getroffen werden können. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten seien wegen
dessen Unzuständigkeit nichtig gem. § 125 Abs. 1 AO. Die Entscheidung durch die örtlich unzuständige
Behörde entziehe sie auch dem gesetzlichen Richter, dem Finanzgericht A. In der Sache verweist sie auf ihr
Vorbringen im Einspruchsverfahren und vertieft dieses.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2011 in Gestalt des Bescheides vom
12.09.2012 und der Einspruchsentscheidung vom 17.06.2013 zu verpflichten, antragsgemäß
Energiesteuer zu vergüten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung. Hinsichtlich der Zuständigkeit betont er, dass die Klägerin
sowohl beim Hauptzollamt A als auch bei ihm die Steuerentlastung beantragt habe. Das Hauptzollamt A habe
den Antrag aufgrund einer verwaltungsinternen Zuständigkeitsabrede im Bezirk der Bundesfinanzdirektion
Nord an ihn weitergeleitet. Seine Zuständigkeit ergebe sich aus § 27 Abs. 1 AO. Die erforderliche
Zustimmung habe die Klägerin bereits durch die Antragstellung bei ihm bekundet.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht gemäß § 90a FGO durch Gerichtsbescheid.
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I.
Der Bescheid vom 09.09.2011 ist in Gestalt des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides vom
12.09.2012 und der Einspruchsentscheidung vom 17.06.2013 teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin
insoweit in ihren Rechten.
1.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht bereits wegen formeller Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Aus § 23 AO ergibt sich, dass, da die Klägerin ihren Sitz in A hat, das Hauptzollamt A und nicht der Beklagte
zuständig ist. Von einer Zuständigkeitsvereinbarung i. S. v. § 27 AO kann nicht ausgegangen werden. Es
mag sein, dass zwischen dem Hauptzollamt A und dem Beklagten eine Vereinbarung dahin besteht, dass der
Beklagte für Entscheidungen über Vergütungsanträge nach § 60 EnergieStG zuständig sein soll. Eine
Zuständigkeitsvereinbarung setzt jedoch nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 27 S. 1 AO die
Zustimmung des Betroffenen voraus. Eine solche Zustimmung hat die Klägerin nicht erkennbar erteilt. Die
Zustimmung muss ausdrücklich erklärt werden, Schweigen oder fehlender Widerspruch reichen nicht
(Tipke/Kruse § 47 AO Nr. 11). Eine ausdrückliche Zustimmung hat die Klägerin nach der Aktenlage nicht
erklärt. Zwar hat sie ihren Vergütungsantrag nicht nur beim Hauptzollamt A, sondern auch beim Beklagten
gestellt, dies jedoch offenbar aus Unsicherheit über die örtliche Zuständigkeit. Allein die - möglicherweise
irrtümliche - Antragstellung bei einem bestimmten Hauptzollamt kann nicht als Zustimmung zu einer
Zuständigkeitsvereinbarung angesehen werden. Diese würde voraussetzen, dass sich die Klägerin bewusst
gewesen wäre, dass der Beklagte nur aufgrund einer Vereinbarung mit dem Hauptzollamt A zuständig ist.
Eine Aufforderung durch den Beklagten gemäß § 27 S. 2 AO mit der Folge, dass der fehlende Widerspruch
der Klägerin als Zustimmung zu werten wäre, ist nicht ersichtlich. Insofern sind die Bescheide formell
rechtswidrig, indes entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nichtig. Schon wegen § 125 Abs. 3 Nr. 1 AO
ist eine Nichtigkeit der Bescheide ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung ist ein Verwaltungsakt nicht
schon deshalb nichtig, weil Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind.
Die formelle Rechtswidrigkeit der Bescheide führt jedoch nicht zu deren Aufhebung. Gemäß § 127 AO kann
die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht schon allein deshalb
beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form und die örtliche
Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen
werden können. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es nur eine richtige Entscheidung in der Sache und
keine Alternative geben kann, wie dies typischerweise bei einer gebundenen Entscheidung der Fall ist (BFH,
Urteil vom 19.04.2012, III R 85/11). Im Übrigen kommt es darauf an, ob der formelle Verstoß sich kausal auf
die Sachentscheidung ausgewirkt hat oder nicht, ob er also entscheidungserheblich war (Seer in Tipke/Kruse,
§ 127 AO Rn. 13). Es muss also ausgeschlossen sein, dass der Inhalt des Bescheides durch den Verstoß
gegen die örtliche Zuständigkeit beeinflusst worden ist (BFH, Beschluss vom 02.08.2012, V B 68/11). Im
Streitfall gab es - unabhängig von der Richtigkeit der streitgegenständlichen Entscheidungen - nur eine
richtige Entscheidung in der Sache. Bei § 60 Abs. 1 EnergieStG handelt es sich um eine gebundene
Entscheidung, bei Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen ist die Energiesteuer zu vergüten,
ohne dass der zuständigen Behörde ein Ermessenspielraum eröffnet wäre. Entsprechend handelt es sich bei
der Rückforderungsvorschrift des § 37 Abs. 2 AO um eine gebundene Entscheidung. Dass sich die örtliche
Unzuständigkeit des Beklagten in irgendeiner Weise auf die Sachentscheidung ausgewirkt hätte, ist nicht
ersichtlich. Im Streitfall ging es ausschließlich um Rechtsfragen auf der Grundlage eines feststehenden und
unstreitigen Sachverhalts. Mangels Entscheidungsspielraums der Behörde liegt mithin ein Fall des § 127 AO
vor.
2.
Materiell steht der Klägerin im Hinblick auf die Lieferung vom 22.12.2008 kein Anspruch auf
Energiesteuerentlastung zu.
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Als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch kommt allein § 60
Abs. 1 EnergieStG in Betracht. Danach wird dem Verkäufer von nachweislich nach § 2 EnergieStG
versteuerten Energieerzeugnissen auf Antrag eine Steuerentlastung für die im Verkaufspreis enthaltene
Steuer gewährt, die beim Warenempfänger wegen dessen Zahlungsunfähigkeit ausfällt, wenn
1. Der Steuerbetrag bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit 5.000 € übersteigt,
2. keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Zahlungsunfähigkeit im Einvernehmen mit dem
Verkäufer herbeigeführt worden ist,
3. der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der
Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher
Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war,
4. Verkäufer und Warenempfänger nicht wirtschaftlich miteinander verbunden sind.
Danach besteht ein Vergütungsanspruch nicht, da die Klägerin es unterlassen hat, ihren Anspruch rechtzeitig
gerichtlich zu verfolgen, wie dies nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG Voraussetzung ist. Dabei kann offen
bleiben, ob alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
Im Streitfall hat die Klägerin zwar zeitnah und wiederholt gemahnt, indes hat sie es an der rechtzeitigen
gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs fehlen lassen.
"Gerichtlich verfolgen" bedeutet nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die
rückständigen Forderungen, mit denen der Abnehmer in Zahlungsverzug geraten ist, beim Zivilgericht mit den
Mitteln, die nach den Vorschriften der ZPO zur Verfügung stehen, rechtshängig zu machen sind. Es ist zum
Beispiel Klage zu erheben (§ 261 Abs. 1 ZPO) oder die Zustellung eines Mahnbescheids nach den
Vorschriften der §§ 688 ff. ZPO zu bewirken, mit ggf. anschließender Überleitung ins streitige Verfahren (§
669 Abs. 3 ZPO), und es ist aus dabei erlangten Titeln gegen den Schuldner im Wege der
Zwangsvollstreckung vorzugehen (§§ 704 ff. ZPO). Ob diese Handlungen letztlich zum Erfolg, d. h. zur
Eintreibung wenigstens eines Teils der offenen Forderungen führen, spielt keine Rolle (BFH, Urteil vom
17.12.1998, VII R 148/97).
Der Begriff "rechtzeitig" in § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG bezieht sich zwar nur auf die Mahnung, die
gerichtliche Verfolgung hat sich jedoch unmittelbar an den fruchtlosen Ablauf der dem Schuldner gesetzten
(letzten) Zahlungsfrist anzuschließen (BFH, Urteil vom 08.01.2003, VII R 7/02). Da der Bestimmung des § 60
Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG kein schuldnerschützender Charakter zukommt, die dem Gläubiger der Forderung
abverlangten Maßnahmen vielmehr im eigenen Interesse zur Erhaltung seines Vergütungsanspruchs
gegenüber dem Fiskus zu treffen sind, kann es für die Erhaltung des Anspruchs letzten Endes nicht darauf
ankommen, ob der Gläubiger im Falle des Zahlungsverzugs seines Schuldners den in der Vorschrift
aufgezeigten typischen Weg (letzten Mahnung unter Fristsetzung) einschlägt oder unter Verzicht auf diese
Präliminarien den Anspruch unmittelbar gerichtlich verfolgt. Wenn die Vorschrift sicherstellen soll, dass der
Gläubiger seine Rechte gegenüber seinem Schuldner zügig verfolgt, damit Zahlungsausfälle möglichst
verhindert werden, kann letztlich nur entscheidend sein, dass die gerichtliche Geltendmachung des
Anspruchs "rechtzeitig" im Sinne der Vorschrift erfolgt. Hierzu hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die
gerichtliche Verfolgung des Anspruchs spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung des Schuldners in
die Wege zu leiten ist (Urteil vom 08.01.2003, VII R 7/02; Beschluss vom 05.03.2007, VII B 189/06). Bei
dieser Frist handelt es sich um eine Ausschlussfrist mit der Folge, dass der Mineralölhändler seinen
Vergütungsanspruch verliert, wenn er nicht spätestens zwei Monate nach der Belieferung seines Kunden
konkrete Schritte zur gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs unternommen hat (BFH, Urteil vom 08.01.2003,
VII R 7/02; FG Hamburg, Urteil vom 05.11.2003, IV 208/03). Mit Beschluss vom 05.03.2007 (VII B 189/06)
hat der Bundesfinanzhof bestätigt, dass die Frist von zwei Monaten ausreichend bemessen ist und keine
Veranlassung besteht, sie weiter auszudehnen. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist weiter
geklärt, dass der Mineralöllieferant die Zweimonatsfrist nicht in jedem Fall ausschöpfen kann, bevor er die
gerichtliche Anspruchsverfolgung einleitet. Vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, welche
Maßnahmen als ausreichend anzusehen sind, um den Vergütungsanspruch zu erhalten. So kann eine
Situation eintreten, die vom Lieferanten unverzügliches Handeln erfordert (BFH, Beschluss vom 19.04.2007,
VII 45/05). Weiter geklärt ist, dass die gerichtliche Verfolgung des Kaufpreisanspruchs auch bei einem Antrag
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht
entbehrlich ist (BFH, Beschluss vom 05.03.2007, VII B 189/06).
Diesen Anforderungen für die Erhaltung des Vergütungsanspruchs ist die Klägerin nicht gerecht geworden, da
sie ihren Anspruch nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht hat. Die streitgegenständliche Lieferung
erfolgte am 22.12.2008. Die Klägerin hat erst am ... 2009, mithin nach deutlich mehr als zwei Monaten - nach
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78 Tagen -, den Erlass eines Mahnbescheids beantragt. Die gerichtliche Verfolgung ist nach der
grundlegenden Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 08.01.2003 (VII R 7/02) spätestens zwei Monaten
nach der Belieferung des Schuldners "in die Wege zu leiten". Insofern ist es ausreichend, wenn der
Mahnbescheidsantrag innerhalb der 2-Monatsfrist gestellt wird, auch wenn der Mahnbescheid erst außerhalb
dieser Frist erlassen wird (so bereits FG Hamburg, Urteil vom 08.06.2006, 4 K 115/05; Urteil vom 11.03.2005,
IV 153/04). Die Stellung des Mahnbescheidsantrags erfolgte aber, wie bereits ausgeführt, deutlich außerhalb
der 2-Monatsfrist. Mit Beschluss vom 01.06.2001 (VII B 232/00) hat der Bundesfinanzhof einen Zeitraum von
74 Tagen zwischen der Belieferung und der Einleitung gerichtlicher Maßnahmen als übermäßig lang
bezeichnet, das muss dann erst recht für einen Zeitraum - wie hier - von 78 Tagen gelten. Aus den zitierten
Entscheidungen ist auch eindeutig ersichtlich, dass es für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt der Lieferung
und nicht etwa auf den der Fälligkeit der Zahlung ankommt.
Mit dem Argument, es dürfe nicht isoliert auf die einzelne Mineralöllieferung abgestellt werden, dringt die
Klägerin nicht durch. Der Bundesfinanzhof hat zwar mit Urteil vom 17.01.2006 (VII R 42/04) ausgeführt, das
Erfordernis einer laufenden Überwachung beziehe sich auf sämtliche Mineralöllieferungen, so dass eine
isolierte Betrachtung jeder einzelnen Lieferung nicht in Betracht komme, dies meint aber ersichtlich nicht
einen Fall wie den vorliegenden. Aus dem Kontext dieser Entscheidung ergibt sich, dass der
Bundesfinanzhof strenge Anforderungen an die Überwachungspflicht des Mineralölhändlers stellen wollte. Der
Mineralölhändler darf danach nicht isoliert jede einzelne Lieferung betrachten, sondern muss bei seinem
Verhalten einem Warenempfänger gegenüber etwa Unregelmäßigkeiten bei vorangegangenen Lieferungen
berücksichtigen. Er, der Mineralölhändler, darf also einzelne Lieferungen nicht isoliert betrachten. Dieses
Gebot richtet sich an den Mineralölhändler und nicht an das Hauptzollamt. Das Hauptzollamt muss im
Hinblick auf jede Lieferung, für die ein Vergütungsantrag gestellt wird, das Vorliegen der Voraussetzungen
des § 60 Abs. 1 EnergieStG prüfen. Insofern ist auch das Einhalten der Frist zur gerichtlichen Verfolgung des
Anspruchs für jede einzelne Lieferung gesondert zu prüfen.
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Im Hinblick auf die Lieferung vom 13.01.2009 steht der Klägerin indes ein Entlastungsanspruch zu, insofern
war der Bescheid vom 09.09.2011 rechtswidrig.
In diesem Fall hat die Klägerin die gerichtliche Anspruchsverfolgung rechtzeitig eingeleitet, der Anspruch
scheitert - und nur insoweit besteht zwischen den Beteiligten Streit - auch nicht daran, dass sie entgegen §
60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG mit dem Warenempfänger keinen wirksamen Eigentumsvorbehalt vereinbart
hätte. Der Eigentumsvorbehalt ergibt sich aus § 6 der von der Klägerin verwandten Verkaufs- und
Lieferbedingungen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen in die mit der B AG geschlossenen
Lieferverträge einbezogen worden sind.
Zwar wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen - soweit ersichtlich - nicht ausdrücklich einbezogen. Bei
Verträgen mit Unternehmen - um einen solchen handelt es sich im Streitfall - kommt jedoch auch die
stillschweigende Einbeziehung durch schlüssiges Verhalten bzw. in Fällen von Branchenüblichkeit in
Betracht.
Die stillschweigende Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in Verträgen mit Unternehmen
grundsätzlich zulässig, § 305 Abs. 2 BGB gilt gem. § 310 Abs. 1 BGB nicht. Eine Einbeziehung durch
schlüssiges Verhalten setzt grundsätzlich voraus, dass der Verwender - hier die Klägerin - erkennbar auf
seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen verweist und der andere Teil - die B AG - nicht widerspricht
(Palandt, Grünberg, BGB, § 305 Rn. 51). Ein derartiger Verweis findet sich nicht. Die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen sind lediglich auf der Rückseite der Rechnung aufgedruckt, ohne dass sich auf der
Vorderseite ein Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen fände. Problematisch ist auch, dass
Allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich bei Vertragsschluss und nicht erst mit Rechnungsstellung
vereinbart bzw. einbezogen werden müssen.
Letztlich bedarf dies jedoch keiner näheren Erörterung, weil die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits
wegen Branchenüblichkeit als einbezogen anzusehen sind und der Eigentumsvorbehalt daher als vereinbart
anzusehen ist. Im Verkehr zwischen Unternehmen können Allgemeine Geschäftsbedingungen ohne
besonderen Hinweis Vertragsinhalt werden, sofern die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
branchenüblich ist und daher eine starke Verkehrsgeltung beanspruchen kann. Möglich ist auch, dass
einzelne Klauseln - wie etwa ein Eigentumsvorbehalt - in einer Branche einen Handelsbrauch darstellen. In
Branchen, in denen die Lieferung unter Eigentumsvorbehalt die Regel ist, gilt das auch für den einfachen
Eigentumsvorbehalt (Palandt/Grünberg, BGB, § 305 Rn. 56 f.; BGH, Urteil vom 22.09.2003, II ZR 172/01,
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OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2001, 11 U 23/00). Von einer derartigen Branchenüblichkeit der
Vereinbarung eines einfachen Eigentumsvorbehalts kann in Fällen des gewerblichen Mineralölhandels
ausgegangen werden. Dies hat der Senat bereits wiederholt entschieden (Urteile vom 15.03.2001, IV 156/98
und vom 07.11.2002, IV 273/99). In diesen Entscheidungen hat der Senat festgestellt, dass die Aufnahme
eines Eigentumsvorbehalts in Allgemeine Geschäftsbedingungen des Lieferers auch schon in den Jahren
1988 und 1992 als branchenüblich beim Handel mit Mineralöl anzusehen sei, wie eine Anfrage des Gerichts
beim Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen ergeben habe. An der Banküblichkeit hat sich
in den Folgejahren bis heute nichts geändert. Eine telefonische Nachfrage beim Bundesverband
mittelständische Unternehmen ergab, dass es beim gewerblichen Kraftstoffhandel (nach wie vor)
branchenüblich ist, dass seitens der Lieferanten Allgemeine Geschäftsbedingungen verwandt werden, die
auch einen Eigentumsvorbehalt enthalten. Anlässlich einer Umfrage des Bundesverbandes mittelständischer
Unternehmen im Jahr 2009 haben, wie der Geschäftsführer des Verbandes berichtete, alle an der Umfrage
teilnehmenden Verbandsmitglieder erklärt, im gewerblichen Handel nur gegen Eigentumsvorbehalt, der in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt ist, zu liefern. Im Streitfall kam die Einbeziehung der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Eigentumsvorbehalts für die B AG auch deshalb nicht
überraschend, weil bereits die vorangegangene Rechnung vom 22.12.2008 auf der Rückseite einen Abdruck
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielt. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des Finanzgerichts
Sachsen Anhalt (Urteil vom 30.06.2010, 2 K 1440/07) kann nicht gefolgt werden. Das Finanzgericht Sachsen-
Anhalt begründet seine abweichende Rechtsauffassung mit § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB, der aber - wie gesagt -
bei Verträgen zwischen Unternehmen gemäß § 310 Abs. 1 BGB keine Anwendung findet.
Auf die von den Beteiligten diskutierte Frage, ob der Bescheid vom 09.09.2011 geändert und ob die gewährte
Vergütung zurückgefordert werden konnte, kommt es daher nicht an.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird zugelassen, da -
im Hinblick auf die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des darin enthaltenen
Eigentumsvorbehalts als Voraussetzung des § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG - die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesfinanzhofs erfordert, § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 FGO.