Urteil des FG Hamburg vom 03.12.2012

FG Hamburg: wiedereinsetzung in den vorigen stand, ablauf der frist, steuerfestsetzung, einspruch, verschulden, entlastung, erlöschen, unternehmen, gleichstellung, hamburger

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Energiesteuerrecht: Antragsfrist für eine Steuerentlastung gemäß § 53 EnergieStG
Mit der Formulierung "beim Hauptzollamt" in § 98 Abs. 1 S. 3 EnergieStV ist der Eingang beim zuständigen
Hauptzollamt gemeint.
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 03.12.2012, 4 K 107/12
§ 53 EnergieStG, § 98 Abs 1 EnergieStV, § 155 Abs 4 AO, § 169 Abs 1 AO, § 169 Abs 2 AO, § 170 Abs 1 AO, §
171 Abs 3 AO, § 110 AO
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine Energiesteuerentlastung.
Die Klägerin beantragte die Entlastung der Energiesteuer nach § 53 EnergieStG für das Kalenderjahr 2010. Den
Antrag hatte sie am 28.12.2011 formuliert und an das Hauptzollamt A gesandt, er trägt den Eingangsstempel
"30.12.2011" des Hauptzollamts A und wurde von dort an den Beklagten weitergeleitet, wo er am 05.01.2012
einging.
Mit Bescheid vom 07.03.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Steuerentlastung könne nicht gewährt
werden, weil die Festsetzungsfrist abgelaufen sei.
Am 02.04.2012 legte die Klägerin dagegen Einspruch ein. Sie meint, der Antrag sei rechtzeitig beim
Hauptzollamt A eingegangen. Dass er nicht beim Beklagten gestellt worden sei, könne ihr nicht angelastet
werden, da sie die Blockheizkraftwerke jeweils beim Hauptzollamt A angemeldet und keinen Hinweis erhalten
habe, dass dies der falsche Adressat sei. Außerdem sei der Antrag nach ihrer Faxbestätigung schon am
29.12.2011 um 10:19 Uhr beim Hauptzollamt A eingegangen und hätte noch am 29.12. oder 30.12.2011 -
beides seien reguläre Arbeitstage gewesen - weitergeleitet werden können. Auch hätte man sie, die Klägerin,
umgehend informieren können, dann hätte sie den Antrag noch rechtzeitig an den Beklagten faxen können.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 23.05.2012 zurückgewiesen. Die Festsetzungsfrist sei
am 31.12.2011 abgelaufen. Eingegangen sei der Antrag beim zuständigen Beklagten aber erst am 05.01.2012.
Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist nach § 169 AO komme nicht in Betracht. Auf Verschulden des
Steuerpflichtigen komme es für den Lauf der Frist nicht an. Das Risiko des nicht fristgerechten Eingangs bei
der zuständigen Behörde trage der Steuerpflichtige.
Mit ihrer am 22.06.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie
wiederholt die Einspruchsbegründung.
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich der Antrag,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 07.03.2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23.05.2012 zu verpflichten, ihr die beantragte Steuerentlastung für das
Kalenderjahr 2010 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, das Blockheizkraftwerk hätte nicht
förmlich angemeldet werden müssen. Auf entsprechende Nachfrage der Klägerin wäre ihr das
Steuerentlastungsverfahren erläutert worden. Gerade am letzten Tag des Jahres ginge eine Vielzahl von
Anträgen und Steueranmeldungen ein, die einen vorgegebenen Geschäftsgang durchliefen und in der
Reihenfolge des Eingangs bearbeitet würden. Dies könne je nach Arbeitsanfall ein bis zwei Arbeitstage in
Anspruch nehmen. Er habe auch nicht notwendigerweise davon ausgehen können, nicht der richtige Adressat
zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Sachakte des Beklagten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte entscheiden, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2012 nicht
vertreten war. Der für sie erschienene Bevollmächtigte war nach Maßgabe von § 62 Abs. 2 FGO nicht
vertretungsberechtigt und musste daher gem. § 62 Abs. 3 S. 1 FGO zurückgewiesen werden. Die Klägerin
wurde ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne
sie verhandelt und entschieden werden kann, § 91 Abs. 2 FGO.
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
I.
Der Bescheid vom 07.03.2012 ist in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2012 rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte
Energiesteuerentlastung (§ 101 S. 1 FGO).
Die Klägerin hat keinen Entlastungsanspruch, weil sie die Steuerentlastung gemäß § 53 EnergieStG nicht
fristgerecht beantragt hat.
Nach § 98 Abs. 1 S. 3 EnergieStV wird die Steuerentlastung nur gewährt, wenn der Antrag spätestens bis zum
31. Dezember des Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Energieerzeugnisse verwendet worden
sind, beim Hauptzollamt gestellt wird. Durch die Formulierung "beim Hauptzollamt" wird deutlich, dass der
Antrag beim zuständigen Hauptzollamt gestellt werden muss, dass es also für die Frage der Antragsfrist auf
den Eingang beim zuständigen Hauptzollamt ankommt. Andernfalls hätte es des Hinweises "beim
Hauptzollamt" (bei dem und nicht bei einem Hauptzollamt) nicht bedurft. Zuständiges Hauptzollamt war hier der
Beklagte. Da die Klägerin die Entlastung für die im Kalenderjahr 2010 verwandten Energieerzeugnisse
beantragt hat, lief die Frist demzufolge bis zum 31.12.2011. Beim Beklagten ging der Antrag ausweislich des
Eingangsstempels erst am 05.01.2012 ein und war daher verfristet. Der Umstand, dass der Antrag ausweislich
des Eingangsstempels bereits am 30.12.2011 - oder nach dem Vortrag der Klägerin bereits am 29.11.2011 -
beim Hauptzollamt A einging, ist unerheblich, weil es sich dabei nicht um das zuständige Hauptzollamt
handelte. Ebenso unerheblich ist, ob die Klägerin die Einreichung des Antrags beim unzuständigen
Hauptzollamt zu vertreten hat, da es für die Frage des Fristablaufs auf Verschulden nicht ankommt.
Darüber hinaus ist der materielle Anspruch infolge des Ablaufs der Festsetzungsfrist erloschen. Gemäß § 155
Abs. 4 AO sind die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften auf die Festsetzung von
Steuervergütungen sinngemäß anzuwenden. Nach § 169 Abs. 1 S. 1 AO ist eine Steuerfestsetzung nicht mehr
zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese beträgt gem. § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO für
Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 170 Abs.
1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Klägerin eine Steuerentlastung beantragt hat, hier also am
31.12.2010. Sie endete also am 31.12.2011 mit der Folge, dass bei Eingang des Antrags am 05.01.2012
Festsetzungsverjährung eingetreten war. Mit Ablauf der Festsetzungsfrist ist der Anspruch gem. § 47 AO
erloschen.
Der Klägerin kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist gem. §
110 Abs. 1 AO gewährt werden. Fällt - wie hier - der Ablauf der Frist für die Beantragung einer Steuerentlastung
mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist zusammen und wird ein entsprechender Antrag erst nach Ablauf der
Festsetzungsfrist und damit nach dem Erlöschen des Vergütungsanspruchs gestellt, kommt eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Folge einer rückwirkenden Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3
AO nicht in Betracht (BFH, Entscheidungen vom 08.10.2010, VII B 66/10 und vom 24.01.2008, VII R 3/07).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe des § 115
Abs. 2 FGO nicht vorliegen.