Urteil des FG Düsseldorf vom 26.06.2002

FG Düsseldorf (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Unterbringung, Eigentümer, Verfügung, Nebenleistung, Gehalt, Gewährleistung, Vieh, Sonderprüfung, Reitanlage)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 5 K 2483/00 U
26.06.2002
Finanzgericht Düsseldorf
5. Senat
Urteil
5 K 2483/00 U
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger betreibt eine Pferdepension und einen Reitstall in der Rechtsform . Im Rahmen
des von ihm betriebenen Unternehmens schloss er mit Pferdeeigentümern in den
Streitjahren 1994 - 1997 formularmäßige Pferdeeinstellungsverträge ab, nach denen er
sich gemäß § 1 der Verträge zu folgenden Leistungen zu einem Preis von mtl. 540,- DM
(brutto) verpflichtete:
- Vermietung einer Einstellbox in dem Stallgebäude des Betriebes
- Gestattung des Betriebs der Reitanlage
- Lieferung von Einstreu, Kraftfutter und Heu
- Misten der Box
Gemäß § 5 der Einstellverträge verpflichtete sich der Kläger gegenüber den
Pferdeeigentümern, das eingestellte Pferd mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Pflegers
zu füttern, zu versorgen und Krankheiten und besondere Vorkommnisse dem Einsteller
unverzüglich zu melden.
Der Kläger durfte außerdem nach § 7 des Vertrages für Rechnung des Einstellers einen
Hufschmied mit dem Beschlagen der Pferde beauftragen oder in dringenden Fällen einen
Tierarzt bestellen. In nicht dringenden Fällen hatte er hierfür die Zustimmung des
Eigentümers einzuholen.
Nach Darstellung des Klägers im Rahmen einer im Jahr 1999 durchgeführten
Umsatzsteuer-Sonderprüfung betreffend die Streitjahre (Prüfungsbericht vom 1.12.1999)
oblag die tägliche Bewegung und das tägliche Striegeln und Putzen der Pferde im
wesentlichen den Eigentümern, gelegentlich und bei Bedarf habe jedoch auch der Kläger
diese Aufgaben übernommen.
Der Kläger unterwarf die aufgrund der Pferdeeinstellungsverträge erzielten Umsätze als
Umsätze in dem Bereich der Viehhaltung in seinen Umsatzsteuererklärungen - denen das
Finanzamt zunächst zustimmte - dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs.2 Nr.3
Umsatzsteuergesetz - UStG -.
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Die Umsatzsteuersonderprüfung gelangte aufgrund des Inhalts der Einstellungsverträge zu
der Auffassung, dass die Umsätze des Klägers dem Regelsteuersatz des § 12 Abs.1 UStG
zu unterwerfen seien, da die von der Finanzverwaltung und von der Literatur entwickelten
Voraussetzungen für eine steuerermäßigte Pensionspferdehaltung vom Kläger nicht erfüllt
würden. Zu den Voraussetzungen gehöre neben der Unterbringung und Fütterung der
Tiere hiernach auch die Pflege der Pferde. Dies - also das tägliche Striegeln, Putzen und
Bewegen der Tiere - werde aber nach den Feststellungen der Umsatzsteuer-
Sonderprüfung hauptsächlich von den Eigentümern selbst und nicht vom Kläger
übernommen.
Im Anschluss an die Umsatzsteuer-Sonderprüfung änderte das Finanzamt die zunächst
erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen
Umsatzsteuerbescheide 1994 bis 1997 durch Bescheide vom 29.12.1999, in denen es die
Umsätze des Klägers aufgrund der Pferdeeinstellungsverträge dem Regelsteuersatz
unterwarf.
Der hiergegen vom Kläger eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg
(Einspruchsentscheidung vom 17.3.2000).
Seine hiergegen am 18.4.2000 erhobene Klage begründet der Kläger damit, dass die von
ihm aufgrund der Einstellungsverträge gegenüber den Pferdeeigentümern erbrachten
Leistungen alle Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung i.S. des § 12 Abs.2 Nr.3 UStG
erfüllten. Insbesondere habe der Kläger bereits im Vorverfahren nachgewiesen, dass auch
die Pflege der Tiere - so, wie dieser Begriff von der Finanzverwaltung verstanden werde -
vom Kläger im Bedarfsfalle sichergestellt werde. Dem Finanzamt habe der Kläger in
diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Bestätigungen der Pferdeeinsteller vorgelegt,
wonach die Tiere auf Wunsch und bei Bedarf der Eigentümer auf die Weide des Klägers
gelassen oder von freiwilligen Helfern longiert und nach Rückführung in die Box gesäubert
worden seien. Diese Tätigkeiten seien im Rahmen der Vereinsarbeit sowohl
vertretungsweise durch andere Pferdeeigentümer als auch durch die im Verein tätige
Jugend ausgeführt worden.
Zur weiteren Begründung seiner Auffassung verweist der Kläger auf eine Verfügung der
OFD Hannover vom 26.1.2000 (S-7233-9-StH 531/S-7233-6-StO 353), wonach zur "Pflege"
der Tiere das Bewegen der Pferde ohne Beritt, die Gewährleistung des
Gesundheitszustandes der Tiere, die Reinigung der Tiere und der Boxen sowie das
Ausmisten und Einstreuen des Einstellplatzes zähle. Alle diese Leistungen habe der
Kläger gegenüber den Pferdeeigentümern erbracht.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteueränderungsbescheide 1994 bis 1997 vom 29.12.1999 und die
Einspruchsentscheidung vom 17.3.2000 aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt hält an seiner Auffassung fest, wonach die Leistungen des Klägers
aufgrund der mit den Pferdeeigentümern abgeschlossenen Einstellverträge nicht als
steuerbegünstigte Viehhaltung i.S. des § 12 Abs.2 Nr.3 UStG angesehen werden könne.
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Zu Pflegeleistungen, wie sie in der von dem Kläger angeführten Verfügung der OFD
Hannover gefordert würden, sei der Kläger nach dem von ihm abgeschlossenen Verträgen
nicht grundsätzlich verpflichtet gewesen. Insbesondere habe hiernach keine Verpflichtung
bestanden, die eingestellten Pferden auf die Weide zu lassen oder den Tieren anderweitig
Bewegung zu verschaffen und diese zu säubern. Üblicherweise seien diese Pflegearbeiten
von den Pferdeeigentümern selbst durchgeführt worden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide 1994 bis 1997 ist
unbegründet, da das Finanzamt hierin zu Recht die Umsätze des Klägers, die dieser
gegenüber den Pferdeeigentümern aufgrund der Einstellungsverträge erbracht hat, als
sonstige Leistungen dem Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs.1 UStG unterworfen hat.
Die Leistungen des Klägers, die er im Rahmen seiner Pensionspferdehaltung erbringt,
unterliegen nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG.
Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG beträgt der Steuersatz für die Aufzucht und das Halten von
Vieh 7 vom Hundert. Unter Vieh sind solche Tiere zu verstehen, die als landwirtschaftliche
Nutztiere in Nr. 1 der Anlage des UStG aufgeführt sind. Hierunter fallen auch Reit- und
Rennpferde (Schumann in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Kommentar zum UStG, Stand:
Oktober 1998, § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 2), wie sie vom Kläger untergestellt werden.
Das Tatbestandsmerkmal "Halten von Vieh" ist nicht legaldefiniert. Nach allgemeiner
Auffassung wird von diesem Merkmal die Betreuung von Tieren, die anderen Personen
gehören, erfasst. Danach ist der Leistungstatbestand dann verwirklicht, wenn die Tiere dem
Unternehmer in Obhut gegeben werden. Typische Tatbestände dieser Vorschrift sind die
Pensionsviehhaltung in Form der Sommergräsung und der Winterpflege sowie das Halten
von Kühen in Abmelkstellen (Schumann in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 12 Abs.
2 Nr. 3 Rdz. 4).
1. Eine begünstigte Pensionsviehhaltung in Form der Unterbringung und Betreuung von
Reitpferden in Reitställen ist dann gegeben, wenn eine einheitliche Leistung, bestehend
aus der Unterbringung der Tiere in Boxenstellplätzen unter gleichzeitiger Übernahme der
Fütterung und Pflege erbracht wird. Die Steuerermäßigung setzt voraus, dass eine
einheitliche Leistung vorliegt, welche alle drei vorgezeichneten Leistungselemente enthält.
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Unterbringung der Pensionspferde und
deren regelmäßige Fütterung vom Kläger aufgrund der mit den Pferdebesitzern
abgeschlossenen Pferdeeinstellungsverträge gewährleistet wurden.
Der Kläger hat jedoch die für die Anerkennung einer begünstigten Pensionsviehhaltung
erforderlichen Pflegeleistungen in Bezug auf die angenommenen Pensionspferde nicht in
ausreichendem Maße erbracht.
Nach der vom Kläger angeführten Verfügung der OFD Hannover vom 26.1.2000 (S-7233-9-
StH 531/S-7233-6-StO 353), aber auch nach den Kommentierungen zum UStG (u.a.
Birkenfeld, USt.-Handbuch, Bd.II., Abschn.IV, Rz.66; Schumann in:
Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 4.1; Waza in: Offerhaus/
Söhn/Lange, Kommentar zum UStG, Stand: Februar 2001, § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 14)
gehören zum Merkmal der "Pflege" das Bewegen der Pferde, die Gewährleistung des
Gesundheitszustandes der Tiere, die Reinigung der Tiere und der Boxen sowie das
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Ausmisten und Einstreuen des Einstellplatzes.
Der Senat stimmt der Auffassung der Verwaltung, wie sie in der Verfügung der OFD
Hannover vom 26.1.2000 (a.a.O.) zum Ausdruck kommt, zu, wonach die ständige
Leistungsbereitschaft des Unternehmers gegeben sein muss, sämtliche der genannten
Pflegeleistungen jederzeit auch ohne Aufforderung durch den Tierbesitzer zu erfüllen.
Für diese strengen Anforderungen an die Erfüllung des Merkmals der "Betreuung fremder
Tiere" im Rahmen der Pensionspferdehaltung, wonach der Pferdepensionsbetreiber
verpflichtet sein muss, sämtliche für die artgerechte Haltung der jeweiligen Pferde
notwendigen Pflegeleistungen zu erbringen, spricht nach Auffassung des Senats die erst
dann gegebene Vergleichbarkeit mit den typischen landwirtschaftlichen Tatbeständen der
Betreuung fremder Tiere i.S.d. § 12 Abs.2 Nr.3 UStG. Hierzu zählen insbesondere die
Pensionsviehhaltung in Form der Sommergräsung und der Winterpflege sowie das Halten
von Kühen in Abmelkstellen (Schumann in: Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, a.a.O., § 12 Abs.
2 Nr. 3 Rdz. 4), bei denen die Eigentümer der Tiere regelmäßig keine weiteren
Betreuungsleistungen neben den Leistungen des Pensionsviehhalters mehr erbringen
müssen. Pferdepensionen, bei denen demgegenüber die Eigentümer die für die
Gesundheit der Pferde notwendige Bewegung und die tägliche Körperpflege der Tiere
(insbesondere das Striegeln und Putzen) selbst übernehmen, entsprechen hingegen nicht
diesem üblichen landwirtschaftlichen Leistungsangebot. Die Übereinstimmung des
Leistungsumfanges eines Pferdepensionsbetreibers mit den Leistungen typischer
landwirtschaftlicher Pensionsviehhaltungsbetriebe dürfte auch dem Normzweck des § 12
Abs.2 Nr.3 UStG entsprechen. Nur solche Unternehmer, die Lieferungen und sonstige
Leistungen anbieten, die üblicherweise zum landwirtschaftlichen Leistungsangebot
gehören, sollten im Wettbewerb zu den Landwirten nicht benachteiligt werden (vgl.
Schumann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist UStG, § 12 Abs.2 Nr.3, Anm.1).
Im übrigen verweist der Senat auf die Rechtsprechung des BFH und des Europäischen
Gerichtshofes - EuGH - , wonach für eine ausdehnende Auslegung des Gesetzeswortlautes
oder eine analoge Anwendung umsatzsteuerrechtlicher Begünstigungsvorschriften auf
andere, im Gesetz nicht genannte Tatbestände zur Vermeidung einer
Wettbewerbsverzerrung grundsätzlich kein Raum ist (vgl. die Urteile des BFH vom 16. 7.
1970 V R 138/69, BStBl II 1970, 709; vom 4. 2. 1971 V R 86/70, BStBl II 1971, 430 und vom
29. 8. 1974 V R 90/70, BStBl II 1975, 29; Urteile des EuGH vom 15. 6. 1989 - Rs 348/87,
Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1991, 28 und vom 18.1.2001, Rs C-83/99, UR 2001, 210).
Unstreitig erbrachte der Kläger zwar diverse Leistungen, die nach allgemeiner Auffassung
dem Merkmal der "Pflege" zuzuordnen sind. So war er nach § 1 der von ihm
abgeschlossenen Verträge zum Einstreuen der vermieteten Stellplätze und zum Ausmisten
der Boxen verpflichtet. Pflichten zur Gewährleistung des Gesundheitszustandes der Tiere
ergaben sich für den Kläger desweiteren aufgrund der in § 5 des Vertrages normierten
Sorgfaltspflichten und aus § 7, wonach der Kläger im Bedarfsfalle berechtigt war, im
Namen des Einstellers einen Tierarzt herbeizurufen oder einen Hufschmied zu
beauftragen.
Streitig ist jedoch zwischen den Beteiligten, inwieweit der Kläger auch Pflegeleistungen in
Form des Bewegens der Pensionspferde und des Reinigens der Tiere erbracht hat. Der
Kläger hat hierzu vorgetragen, nach Absprache und bei Bedarf seien derartige Tätigkeiten
von freiwilligen Helfern, insbesondere anderen Pferdeeigentümern und den im Verein
tätigen Jugendlichen im Rahmen der Vereinsarbeit wahrgenommen worden. Auch wenn
dieser Vortrag wohl die Annahme rechtfertigt, dass auch bei Verhinderung des jeweiligen
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Eigentümers die notwendige Bewegung der beim Kläger untergebrachten Tiere und deren
Säuberung sichergestellt waren, so ergibt sich doch aus dem Inhalt der
Einstellungsverträge und den hierin aufgeführten, vom Kläger zu erbringenden Leistungen,
dass er zu diesen Pflegeleistungen nicht vertraglich gegenüber den Pferdebesitzern
verpflichtet war und dass die Eigentümer hierfür auch kein Entgelt an den Kläger zu
entrichten hatten. Denn nach den abgeschlossenen Verträgen war der Kläger weder dazu
verpflichtet, den Pensionspferden Auslauf zu verschaffen noch, diese zu reinigen. Der
Sachvortrag des Klägers weist bezüglich dieser Pflegeleistungen darauf hin, dass diese
Arbeiten im Rahmen des Vereinslebens lediglich vertretungsweise von anderen
Pferdebesitzern im Bedarfsfalle übernommen wurden bzw. dass die jugendlichen
Vereinsmitglieder diese Arbeiten ohne gesonderte Bezahlung und ausserhalb einer
bestehenden vertraglichen Verpflichtung des Klägers gegenüber den Pferdeeinstellern
gefälligkeitshalber ausführten.
Eine sich aus den abgeschlossenen Pferdeeinstellungsverträgen ergebende ständige
Verpflichtung des Klägers zur Erbringung sämtlicher zur artgerechten Haltung der Pferde
notwendigen Pflegeleistungen bestand somit nicht, so dass schon aus diesem Grund nach
Auffassung des Senats eine Steuerermäßigung i.S. von § 12 Abs.2 Nr.3 UStG bezüglich
des Pferdepensionsbetriebes des Klägers nicht in Betracht kommt.
2. Unabhängig von der Frage des für die Steuerermäßigung i.S. des § 12 Abs.2 Nr.3 UStG
notwendigen Umfangs der zu erbringenden Pflegeleistungen kann der Kläger diese
Ermäßigungsvorschrift jedoch auch deshalb nicht für sich in Anspruch nehmen, weil
zusätzlich zu der Unterbringung, der Fütterung und der ihrem Umfang nach
streitbefangenen Pflege der Tiere unstreitig auch die Nutzung der vom Kläger
unterhaltenen Reitsportanlagen Gegenstand des Leistungsangebotes des Klägers und
Inhalt der jeweils mit den Pferdeeigentümern abgeschlossenen Einstellungsverträge war.
Durch das Recht, zu einem einheitlichen Pensionspreis alle angebotenen Leistungen und
Einrichtungen des Klägers in ihrer Gesamtheit zu nutzen, liegt eine einheitliche, nicht
aufteilbare Leistung vor, die den Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG überschreitet und
daher als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs.1 UStG zu unterwerfen
ist.
Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung der Verwaltung, wie sie von der OFD
Hannover in der vom Kläger angeführten Verfügung vom 26.1.2000 (S-7233-9-StH 531/S-
7233-6-StO 353) vertreten wird. Hiernach soll es sich bei der zusätzlich zu der
Pensionspferdehaltung dem Pferdeeigentümer vertraglich eingeräumten
Nutzungsmöglichkeit der Reitanlagen lediglich um eine unselbständige Nebenleistung zu
den Unterbringungs- und Betreungsleistungen handeln. Demgegenüber ist das Gericht der
Ansicht, dass die vom Kläger in § 1 der Pferdeeinstellungsverträge erbrachten Leistungen
insgesamt als im wesentlichen gleichrangige Bestandteile einer nicht steuerbegünstigten
einheitlichen sonstigen Leistung, nämlich der Ermöglichung der Ausübung des Reitsports,
anzusehen sind.
Die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung, die das rechtliche Schicksal der
Hauptleistung, insbesondere deren Steuersatz, teilt, setzt nach der Rechtsprechung des
BFH voraus, dass sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng
zusammenhängt, die Hauptleistung wirtschaftlich ergänzt, verbessert oder abrundet und
üblicherweise mit der Hauptleistung ("in ihrem Gefolge") vorkommt (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des BFH vom 29. 4.1999, V R 72/98, BFH/NV 1999,
1523, vom 14.5.1998 V R 85/97, BFHE 186, 151, BStBl II 1999, 145 - Abgabe von Speisen
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und Getränken in einem Kabarett - und vom 1.8.1996, V R 58/94 in BFHE 181, 208, BStBl II
1997, 160 - Pauschalreise auf Kabinenschiffen, jeweils m.w.N.).
Eine Nebenleistung liegt danach vor, wenn die Leistung für den Leistungsempfänger
keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern nur ein Mittel darstellt, um die Hauptleistung des
Unternehmers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, und wenn die
Leistung keinen oder nur einen geringen Anteil an der Gegenleistung hat (Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften, Urteile vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 - Card
Protection Plan Ltd., Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1999, 157 Rdnr. 30; vom 22.
Oktober 1998 Rs. C-308/96 und C-94/97 - Madgett und Baldwin, Umsatzsteuer-Rundschau
1999, 38 Rdnr. 24).
Bei der Zurverfügungstellung der Reitanlagen handelte es sich hiernach deshalb nicht um
eine - im Verhältnis zu den übrigen vom Kläger den Pferdeeigentümern vertraglich
zugesicherten Leistungen - steuerlich unselbständige Nebenleistung, weil diese Leistung
des Klägers im Vergleich insbesondere zu den Unterbringungs- und Fütterungsleistungen
des Klägers nicht nebensächlich war und ausserdem aus Sicht der Leistungsempfänger
auch einen eigenen Zweck - nämlich die Möglichkeit der Ausübung des Reitsports -
erfüllte. Nebensächlich im Verhältnis zu den übrigen Leistungen war die Benutzung der
vom Kläger bereitgehaltenen Reitanlagen nicht, weil dieser Leistung sowohl aus Sicht des
Klägers als auch aus Sicht der Nutzer ein eigenes wirtschaftliches Gewicht (vgl. Urteil des
BFH vom 18.5.1994, XI R 107/92, BFH/NV 1994, 913) zukam. Den Pferdeeigentümern kam
es als Reitern nicht nur darauf an, durch den Abschluss der Pferdeeinstellungsverträge die
artgerechte Unterbringung und Fütterung ihrer Tiere sicherzustellen. Vielmehr ist bei
lebensnaher Betrachtung aus Sicht der Reiter davon auszugehen, dass wesentlich für den
Abschluss der Pferdeeinstellungsverträge auch die hiermit einhergehende Möglichkeit der
Nutzung der vom Kläger unterhaltenen Reitanlagen war. Denn die Ausübung des
Reitsports dürfte für die Pferdeeigentümer der maßgebliche Zweck der Anschaffung und
Unterhaltung der Pferde gewesen sein. Auch aus Sicht des Klägers ist der Bereitstellung
und Unterhaltung der zu seinem Unternehmen gehörenden Reitanlagen schon allein
wegen der hiermit verbundenen zusätzlichen Kosten ein eigenständiges wirtschaftliches
Gewicht neben der Unterbringung und Fütterung der Pensionspferde beizumessen, wobei
naheliegend ist, dass auch die vom Kläger für den Bau und die Unterhaltung der
Reitanlage aufzubringenden Kosten Einfluss hatten auf seine Kalkulation hinsichtlich der
Höhe des von den Pferdeeigentümern aufgrund der Pferdeeinstellungsverträge zu
zahlenden Betrages in Höhe von monatlich 540,- DM (brutto).
Umsatzsteuerlich bildet die Einräumung der Nutzung der Reitanlage zusammen mit den
übrigen Leistungen, zu denen sich der Kläger gegenüber den Pferdeeigentümern
verpflichtete, eine einheitliche sonstige Leistung.
Eine einheitliche Leistung ist dann anzunehmen, wenn deren einzelne Faktoren so
ineinander greifen, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise hinter dem ganzen
zurücktreten. Im Gegensatz dazu lässt sich ein auf einem Gesamtvertrag beruhendes
Leistungsverhältnis umsatzsteuerrechtlich aufteilen, wenn hierin mehrere, ihrem
wirtschaftlichen Gehalt nach selbstständige und voneinander unabhängige
Einzelleistungen zusammengefasst sind. Eine einheitliche, nicht aufteilbare Leistung kann
danach nicht schon auf Grund der Erwägung bejaht werden, dass sie auf einem
einheitlichen Vertrag beruht und gegen ein einheitliches Entgelt erfolgt. Entscheidend ist
vielmehr der wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen (BFH, Urteil vom 08.09.1994,
V R 88/92, BStBl 1994, 959 und Urteil vom 28.09.2000 - V R 14/99 - BStBl. II 2001, 78).
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Der wirtschaftliche Gehalt der Leistungen des Klägers an die Eigentümer der Pferde
bestand in der Unterbringung, der Fütterung und der Betreuung der Pferde in dem als
unstreitig beschriebenen Umfang sowie in der Bereitstellung der Reitsportanlagen zur
Nutzung durch die Eigentümer der Pferde. Dabei verlangte der Kläger einen einheitlichen
monatlichen Pensionspreis als Entgelt für die Eröffnung der Möglichkeit, auch die
vorhandenen Reitsportanlagen in Anspruch zu nehmen. Insoweit war kein zusätzliches
Nutzungsentgelt zu leisten. Die Eröffnung der Nutzungsmöglichkeiten der Reitsportanlagen
neben der Unterbringung, Fütterung und des entsprechend beschriebenen Versorgens der
fremden Tiere diente offensichtlich dazu, interessierte Pferdebesitzer "rundherum" mit
einem Angebot zu versorgen, das die Ausübung des Reitsports mit dem eigenem Pferd
ermöglichte.
Mit dem Abschluss des vom Kläger verwendeten formularmäßigen
Pferdeeinstellungsvertrag erwarb der Pferdeeigentümer zu einem monatlichen Festpreis
das Recht, dieses Angebot in seiner Gesamtheit in Anspruch zu nehmen. In der
Bereitstellung der unmittelbaren Versorgung des Pferdes und der Reitsportanlagen
bestand der Umsatz des Klägers. Dabei war es für die Preisgestaltung unerheblich, ob und
in welchem Umfang der Eigentümer der Pferde die ihm zur Verfügung gestellten
Einrichtungen auch tatsächlich in Anspruch nahm. Dies lag im Belieben des jeweiligen
Pferdebesitzers und entzog sich im Übrigen weitgehend der Kontrolle des Klägers.
Danach greifen - abgestellt auf den wirtschaftlichen Gehalt der Leistungen - die einzelnen
Bestandteile des Leistungsangebots des Klägers dergestalt ineinander, dass sie bei
ganzheitlicher Betrachtung eine einheitliche Leistung ergeben. Für die Aufteilung dieses
Leistungsangebots in Einzelleistungen bleibt kein Raum.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Ziffer 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung
zuzulassen, weil zu den hier streitigen Fragen des Vorliegens steuerermäßigter Leistungen
i.S. des § 12 Abs.2 Nr.3 UStG im Rahmen eines Pferdepensions- und Reitsportbetriebes
bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen ist.