Urteil des FG Düsseldorf vom 20.08.2008

FG Düsseldorf: mineralölsteuer, festsetzungsverjährung, erdgas, verfügung, steuervergütung, unternehmen, bekanntgabe, prozessvertreter, entlastung, ohg

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 1233/08 VM
Datum:
20.08.2008
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1233/08 VM
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Mineralölsteuer nach § 25a des
Mineralölsteuergesetzes MinöStG für das Jahr 2003.
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Ihre Rechtsvorgängerin, die A-X oHG (A), betrieb auf dem Gelände des B-kraftwerks in
X ein Kohlekraftwerk mit einer Vorschaltturbinenanlage. Die Gasturbine wurde
ausschließlich mit Erdgas betrieben und erzeugte über einen Generator elektrischen
Strom. Ihre heißen Abgase wurden zur zusätzlichen Erhitzung des Dampferzeugers des
Kohlekraftwerks eingesetzt. Weiter verwendete sie Erdgas beim Anfahren des
Kohleblocks und als Zünd- und Stützfeuer und zum Beheizen der Hilfsdampferzeuger
zur Beschleunigung des Anfahrprozesses des Kohleblocks. Durch die
Hilfsdampferzeuger wurde auch das Warmwasser für die Gebäudenutzung (Duschen)
und die Heizung erzeugt. Zudem verbrauchte sie in der DENOX-Anlage, die
Stickstoffoxid zu Stickstoff reduziere, Erdgas zum Aufheizen der Rauchgase.
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Die Geschäfte der A führte die Klägerin.
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Auf Anordnung des Beklagten vom 30.09.2004, durch Verfügung vom 06.04.2005
ergänzt, fand bei der A durch das Sachgebiet Prüfungsdienste des Hauptzollamts M
(HZA) eine Außenprüfung der Stromsteuer und der Mineralölsteuer für die
Kalenderjahre 2003 bis 2004 statt. Prüfungsbeginn war der 29.11.2004. Die Klägerin
wurde laufend über die Prüfungsergebnisse unterrichtet und hat auf eine
Schlussbesprechung verzichtet. Ein abschließendes Gespräch fand aber am
09.09.2005 statt.
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In ihrem Bericht vom 30.01.2006 stellten die Prüfer des HZA u.a. fest, dass die A für
2002 und 2003 fristgerecht Anträge auf Vergütung nach § 10 des Stromsteuergesetzes
StromStG gestellt habe (Tz. 3.4.4 und Anlage 1 zum Prüfungsbericht).
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Die Verwendung des Erdgases in den Hilfsdampferzeugern und in der DENOX-Anlage
sei ein Verheizen, für das der Vergütungssatz 2003 1,464 EUR je MWh betrage (Tz.
3.5.1.3, 3.5.1.4 und 3.5.2.3 des Prüfungsberichts).
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Für 2003 und 2004 habe die A Mineralölsteuervergütung nach § 25a MinöStG nicht
beantragt. Ihr stehe aber für 2004 Vergütung nach dieser Vorschrift in Höhe von
34.203,93 EUR zu, wenn sie dies beantrage (Tz. 3.5.6 und Anlage 8 zum
Prüfungsbericht).
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Am 06.09.2005 beantragte die A beim Beklagten für 2003 Mineralölsteuervergütung
nach § 25a MinöStG in Höhe von 42.451,83 EUR. Diesen Antrag lehnte der Beklagte
mit Verfügung vom 20.03.2007 ab, da die Festsetzungsfrist insoweit am 31.12.2004
abgelaufen sei.
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Zur Begründung ihres dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs trug die A vor,
Festsetzungsverjährung sei wegen § 171 Abs. 4 AO nicht eingetreten, da vor Ablauf der
Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen worden sei und die aufgrund der
Prüfung erlassenen Bescheide, die ihr erst am 27.12.2006 zugingen, noch nicht
bestandskräftig geworden seien.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 10.03.2008 wies der Beklagte den Einspruch als
unbegründet zurück, da insoweit Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Der
Vergütungsantrag vom 06.09.2005 sei nicht Gegenstand der Außenprüfung gewesen.
Diese habe sich nämlich nicht auf die Vergütung nach § 25a MinöStG für 2003 erstreckt.
Insoweit komme es nicht darauf an, dass der Klägerin ein sich aus der Außenprüfung
ergebender Änderungsbescheid erst am 27.12.2006 zugegangen sei.
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Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin, die Rechtsnachfolgerin der
A geworden ist, ihr Begehren weiter und trägt dazu vor: Sie habe für die A innerhalb der
Festsetzungsfrist einen Vergütungsantrag gestellt. Vor Ablauf der Festsetzungsfrist habe
die Außenprüfung begonnen.
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Schon mit der Antragstellung für die Stromsteuer habe sie auch einen Vergütungsantrag
für die Mineralölsteuer gestellt. Dies ergebe sich aus § 25a Abs. 3 MinöStG, der beide
Anträge miteinander verknüpfe. Die A habe in ihren Vergütungsanträgen das Erdgas der
Stromerzeugung zugeordnet und schon mit ihrem Antrag auf Vergütung der Stromsteuer
die volle Entlastung erreicht. Für einen Vergütungsantrag nach § 25a MinöStG sei
deshalb kein Raum mehr gewesen. Erst durch die Feststellungen der Außenprüfung,
nach der sich durch die Verwendung des Erdgases auch zum Verheizen eine
abweichende Steuervergütung ergeben habe, habe sie Anlass gehabt, die
Mineralölsteuervergütung zu beantragen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 20.03.2007 in der Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 10.03.2008 zu verpflichten, ihr 42.451,83 EUR
Mineralölsteuer nach § 25a MinöStG zu vergüten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er
aus, die Außenprüfung habe sich nicht auf die Vergütung nach § 25a MínöStG für 2003,
sondern auf andere strom- und mineralölsteuerrechtliche Tatbestände erstreckt.
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Einem Vergütungsberechtigten wie der A habe es frei gestanden, welche
Vergütungsanträge er habe stellen wollen. Alle ausdrücklich zu stellenden Anträge
hätten nebeneinander gestanden. Eine nachträgliche Erweiterung eines
Vergütungsantrags nach § 10 StromStG auf Vergütung der Mineralölsteuer nach § 25a
MinöStG sei nicht möglich.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid vom 20.03.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
10.03.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1
der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Hauptzollamt hat es zu Recht
abgelehnt, der Klägerin für das Kalenderjahr 2003 Mineralölsteuer nach § 25a MinöStG
zu vergüten.
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Der Vergütungsanspruch der Klägerin, bei dem es sich um einen Anspruch aus dem
Steuerschuldverhältnis handelt (§ 37 Abs. 1 AO), war bei Antragstellung am 06.09.2005
bereits auf Grund Verjährung erloschen (§ 47 AO). Nach den §§ 155 Abs. 4, 169 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 3 MinöStG galt für die Festsetzung der von ihr
begehrten Steuervergütung eine Festsetzungsfrist von einem Jahr. Diese Frist begann
nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch
entstanden ist. Gemäß § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis,
sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Für
das Entstehen eines Steuervergütungsanspruchs ist allein das Vorliegen der
materiellen Vergütungsvoraussetzungen erforderlich, ohne dass es der Durchführung
eines Festsetzungsverfahrens bedarf (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 30. März
1993 VII R 108/92, BFH/NV 1993, 583). Gemäß § 25a Abs. 1 MinöStG entsteht der
Vergütungsanspruch eines Unternehmens des Produzierenden Gewerbes dadurch,
dass die dort aufgeführten versteuerten Mineralöle von einem Unternehmen des
Produzierenden Gewerbes zu begünstigten Zwecken verwendet werden. Der
Vergütungsanspruch der Klägerin ist daher in dem Kalenderjahr 2003 entstanden mit
der Folge, dass die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des 31.
Dezember 2003 begann (BFH-Urteil vom 24.01.2008, VII R 3/07, BStBl. II 2008, 462 ff.).
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Der im September 2005 von der Klägerin dem beklagten Hauptzollamt übersandte
Antrag konnte den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht nach den §§ 155 Abs. 4, 171 Abs.
3 AO hemmen.
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Innerhalb der Festsetzungsfrist hat die Klägerin keinen Vergütungsantrag nach § 25a
MinöStG gestellt. Der von ihr gestellte Antrag vom 16.03.2004 bezog sich nach seinem
eindeutigen Wortlaut nur auf die Stromsteuervergütung. Ein Antrag auf
Mineralölsteuervergütung nach § 25a MinöStG war damit nicht verbunden, da die
Klägerin seinerzeit davon ausging, wegen anderer Vergütungen darauf keinen
Anspruch mehr zu haben.
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Die Festsetzungsverjährung ist hinsichtlich des geltend gemachten
Vergütungsanspruchs , der im Jahr 2003 entstanden ist, nicht durch die Außenprüfung
nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt worden. Diese tritt nur "für die Steuern, auf die
sich die Außenprüfung erstreckt "ein. Nur für die in der Außenprüfungsanordnung
genannten und tatsächlich geprüften Steueransprüche (s. BFH Urteil v. 02.07.1998, IV R
39/97, BStBl. II 1999, 28 ff., 32) ist die Festsetzungsfrist gehemmt. Die
Prüfungsanordnung bezeichnet in diesem Fall lediglich den äußersten Rahmen der
Ablaufhemmung; tatsächliche Prüfungshandlungen müssen hinzukommen. Dies folgt
auch aus der Regelung der zeitlichen Begrenzung der Ablaufhemmung, denn sie knüpft
an die Unanfechtbarkeit der aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden
Steuerbescheide bzw. die Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO an.
Damit hat der Gesetzgeber für die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO grundsätzlich
die tatsächliche Durchführung einer Außenprüfung vorausgesetzt. Zweck dieser
Vorschrift ist es, den Finanzbehörden zu ermöglichen, die Ergebnisse einer
Betriebsprüfung steuerlich auszuwerten, ohne durch den Eintritt der Verjährung daran
gehindert zu werden . Auch wenn in dem für den Eintritt der Ablaufhemmung
maßgebenden Zeitpunkt, dem Beginn der Außenprüfung oder dem Antrag auf
Verschiebung derselben, der Umfang der vorgesehenen Prüfung nur durch die
Prüfungsanordnung festgelegt werden kann, schließt dies es nicht aus, den Umfang der
Ablaufhemmung erst anhand der späteren tatsächlichen Prüfungshandlungen
abschließend zu bestimmen. Im Zeitpunkt des Eintritts der Ablaufhemmung muss deren
Umfang noch nicht zwingend feststehen (BFH Urteil vom 17.06.1998, IX R 65/95, BStBl.
II 1999, 4 ff., 6).
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Eine Prüfung des Vergütungsanspruchs nach § 25a MinöStG für 2003 hat nicht
stattgefunden. Der Prüfungsbericht enthält insoweit keine Feststellungen. Auch hat der
Prüfungsbeamte diesen Anspruch nicht geprüft. Er soll sich sogar, wie die
Prozessvertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, geweigert
haben, diesen Anspruch zu prüfen.
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Aus dem Umstand, dass in die Berechnung der Mineralölsteuervergütung nach § 25a
MinöStG gemäß den Absätzen 2 und 3 dieser Vorschrift etwaige Vergütungen nach § 25
MinöStG und § 10 StromStG einzubeziehen sind, folgt kein anderer Ablauf der
Festsetzungsverjährung. Die Festsetzungsverjährung bezieht sich nur auf den
konkreten Vergütungsanspruch. Ist sie eingetreten, ist der Vergütungsanspruch
entfallen.
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Werden aufgrund einer Außenprüfung von den angemeldeten Vergütungen
abweichende Beträge ermittelt, können daraus im Rahmen der Regelungen des § 174
Abs. 2 und 3 AO unter den dort genannten Voraussetzungen Folgerungen für die
Berichtigung anderer, bereits festgesetzter Steueransprüche gezogen werden. Eine
weitergehende Berücksichtigung verjährter, nicht festgesetzter Steuer- oder
Vergütungsansprüche sieht die AO nicht vor.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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