Urteil des FG Düsseldorf vom 13.11.2002

FG Düsseldorf (Aufwendungen für die Herstellung, Herstellungskosten, Grundstück, Eltern, Stadt, Wohnung, Eigentümer, Miteigentumsanteil, Schenker, Auflage)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 16 K 4405/98 E
13.11.2002
Finanzgericht Düsseldorf
16. Senat
Urteil
16 K 4405/98 E
Unter Änderung des Bescheids vom 27.11.1996 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 27.5.1998 ist die Einkommensteuer des
Klägers für 1995 auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens
in Höhe von 23.912 DM festzusetzen. Die Berechnung der
Einkommensteuer erfolgt durch das Finanzamt.
Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war
notwendig.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger erwarb mit am 26.6.1995 notariell beurkundetem Vertrag von seinen Eltern
durch Schenkung 151,85/1.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück A-Str in C-Stadt.
Außerdem versprachen die Eltern, dem Kläger bis zum 1.9.1995 einen Betrag in Höhe von
100.000 DM zu schenken. Die Schenkung erfolgte ausschließlich unter der Auflage bzw.
mit dem Zweck, daß der Kläger diesen Betrag insgesamt für die Errichtung einer Wohnung
auf dem o.g. Grundstück gemäß der ihm vorliegenden und bekannten
Bauantragszeichnung des Architekten E in C-Stadt verwende. Der Kläger verpflichtete sich
gegenüber seinen Eltern auf seine Kosten nach den ihm bekannten Plänen und
Bauzeichnungen die Wohnungseigentumsanteile mit zu errichten und die auf ihren
Miteigentumsanteil entfallenden Kosten zu tragen - darüberhinaus, insoweit einen
entsprechenden privatschriftlichen Vertrag über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu
schließen. Geplant war die Errichtung eines Mehrfamilienhauses; dieses war Ende 1995
fertiggestellt - die Herstellungskosten beliefen sich zum 31.12.1995 auf insgesamt
957.999,41 DM.
Der Kläger ermittelte für sich auf dieser Grundlage Herstellungskosten in folgender Höhe:
Miteigentumsanteil 151,85/1.000
145.425,00 DM
Gerichtskosten
194,17 DM
Notarkosten
95,70 DM
145.714,87 DM
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Dementsprechend machte der Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für
1995 bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich seiner Wohnung im o.g.
Objekt an Absetzungen für Abnutzung - AfA - gemäß § 7 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - einen Betrag in Höhe von 10.201 DM (= 7 % von
145.714,87 DM) geltend.
Das Finanzamt folgte dem nur teilweise. Es rechnete - wegen der Schenkung - einen
Betrag in Höhe von 100.000 DM heraus und kam deshalb an AfA nur auf einen Betrag in
Höhe von 3.200 DM (= 7 % von 45.714,87 DM). Demzufolge setzte es die
Einkommensteuer des Klägers für 1995 auf 5.953,00 DM fest.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe - so die Ausführungen des Finanzamts
in den Gründen der Einspruchsentscheidung - an Herstellungskosten tatsächlich nur einen
Betrag in Höhe von 45.715,00 DM aufgewandt. Hier griffen nämlich die Grundsätze der
sog. mittelbaren Grundstücksschenkung. Im Schenkungsvertrag sei eindeutig festgehalten,
daß der Geldbetrag für die Errichtung einer Wohnung auf einem genau bezeichneten
Grundstück verwendet werden solle. Der Kläger habe somit über diesen Betrag nicht frei
verfügen dürfen. Auf § 11 d der Einkommensteuerdurchführungsverordnung - EStDV - in
Verbindung mit § 7 EStG könne sich der Kläger nicht berufen. Das setze voraus, daß ein
Wirtschaftsgut übertragen worden sei. So sei es hier aber nicht gewesen. Bei Abschluß des
Schenkungsvertrags am 26.6.1995 sei das Haus noch gar nicht fertiggestellt gewesen. Im
übrigen fehle es an Herstellungskosten des Rechtsvorgängers - die Eltern seien nie
Eigentümer des Objekts gewesen.
Dagegen richtet sich die Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, vorliegend seien die Grundsätze der sog. mittelbaren
Grundstücksschenkung nicht heranzuziehen. Diese - von der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) ursprünglich im Schenkungssteuerrecht aufgestellt - gälten zwar
auch für das Einkommensteuerrecht, jedoch nur im Rahmen der §§ 7 b, 10 e EStG - also
bei Sonderausgaben. Hier gehe es dagegen um AfA nach § 7 Abs. 5 EStG und damit um
Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG. Im Gegensatz zu
Sonderausgaben sei es bei Werbungskosten nicht erforderlich, daß es sich um eigene
Aufwendungen handele. Zumindest greife § 11 d EStDV.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Bescheids vom 27.11.1996 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 27.5.1998 seine Einkommensteuer für 1995 auf der
Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von 23.912 DM festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Einkommensteuerfestsetzung des Klägers für 1995 ist rechtwidrig, soweit das
Finanzamt für das Objekt A-Str. in C-Stadt an AfA gemäß § 7 Abs. 5 Nr. 3 EStG nur einen
Betrag in Höhe von 3.200,00 DM angesetzt hat - statt in Höhe von 10.200,00 DM. Hierdurch
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ist der Kläger in seinen Rechten verletzt.
Zutreffend ist das Finanzamt zwar davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall die
Grundsätze zur sog. mittelbaren Grundstücksschenkung einschlägig sind. Jedoch kann der
Kläger den streitigen Differenzbetrag gemäß § 11 d Abs. 1 Satz 1 EStDV geltend machen.
In der Regel kommt es für einen Abzug von Aufwendungen als Betriebsausgaben oder
Werbungskosten nicht darauf an, wie diese finanziert wurden - mithin mindern Zuschüsse
von privater Seite, die aus privaten Gründen gegeben sind, Anschaffungs- und
Herstellungskosten nicht (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 2002,
§ 7 Rz 63). Das wird aus § 12 Nr. 2 EStG und § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG hergeleitet - aber
auch aus § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG und §§ 7, 11 d EStDV. Der darin zum Ausdruck kommende
Zuwendungsgedanke verlagere Aufwendungen des Dritten außerhalb der
Einkommensteuer in den Geschäftsbereich des Bedachten und rechtfertige so den Abzug
von Betriebsausgaben/Werbungskosten bei ihm als dem - ohne eigene finanzielle
Belastung - wirtschaftlich in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigten Steuerpflichtigen
(vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz 502). Allerdings ist auch anerkannt, daß Zuschüsse
Dritter die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts mindern können (Beschluß des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31.10.2001 X B 11/01, Sammlung amtlich nicht
veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2002, 193). Voraussetzung dafür ist
es, daß der Zuschuß in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der
Herstellung des Gebäudes steht (BFH-Urteil vom 26.3.1991 IX R 104/86, Sammlung der
Entscheidungen des BFH - BFHE - 164, 263, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1992, 999).
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang ist nach Ansicht des Senats auch bei einer sog.
mittelbaren Grundstücksschenkung gegeben. Nach den von der Rechtsprechung zum
Schenkungsteuerrecht entwickelten Grundsätzen der sog. mittelbaren
Grundstücksschenkung bestimmt sich der Gegenstand der Schenkung nach der
Schenkungsabrede und nach dem, was der Bedachte endgültig erhalten hat. Es kommt
also darauf an, was nach der Schenkungsabrede geschenkt sein soll und worüber der
Bedachte im Verhältnis zum Schenker tatsächlich und rechtlich verfügen kann.
Entscheidend ist nicht, auf welche Weise sich das Vermögen des Schenkers mindert,
sondern wie sich das Vermögen beim Bedachten vermehrt. Kann der Beschenkte nicht
über das ihm zugedachte Geld, sondern (erst) über das damit erworbene Grundstück
verfügen, ist Gegenstand der Schenkung das Grundstück. Die Grundsätze der sog.
mittelbaren Grundstücksschenkung gelten grundsätzlich auch für das
Einkommensteuerrecht (BFH-Urteil vom 8.6.1994 X R 51/91, BFHE 175, 76, BStBl II 1994,
779) - entschieden zu § 7 b EStG (BFH-Urteil vom 15.5.1990 IX R 21/86, BFHE 162, 26,
BStBl II 1992, 67) und § 10 e EStG (z.B. BFH-Beschluß vom 19.12.1995 X B 229/94
BFH/NV 1996, 548; BFH-Urteile vom 29.7.1998 X R 50/95, BFH/NV 1999, 301 und X R
54/95, BFHE 186, 400, BStBl II 1999, 128; vom 27.7.2000 X R 42/92, BFH/NV 2001, 307).
Sie sind nach Ansicht des Senats auch im Rahmen des hier streitigen § 7 Abs. 5 EStG
heranzuziehen. Unterstellt man nämlich, daß Gegenstand der Schenkung das Grundstück
ist, besteht für eine entgeltliche Anschaffung des Grundstücks bzw. Herstellung eines auf
dem Grundstück befindlichen Gebäudes auf Seiten des Erbwerbers kein Raum mehr.
Diese Rechtsfolge ergibt sich unabhängig davon, ob es um eine Förderung nach § 7 b
EStG/10 e EStG geht oder um AfA nach § 7 EStG. Es geht in all diesen Regelungen
gleichermaßen um Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.
Im vorliegenden Fall ist Gegenstand der Schenkung nicht der dem Kläger von seinen
Eltern zugedachte Betrag in Höhe von 100.000 DM, sondern ein entsprechender Anteil der
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dem Kläger gehörenden Wohnung des Mehrfamilienhauses A-Str. in C-Stadt. Denn die
Schenkung erfolgte ausschließlich unter der Auflage bzw. mit dem Zweck, daß der Kläger
diesen Betrag insgesamt für die Errichtung einer Wohnung auf dem o.g. Grundstück gemäß
der ihm vorliegenden und bekannten Bauantragszeichnung des Architekten E in C-Stadt
verwende.
Indessen steht dem Kläger der streitige Differenzbetrag nach § 11 d Abs. 1 Satz 1 EStDV
zu. Danach bemessen sich die AfA bei den nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden
Wirtschaftsgütern, die der Steuerpflichtige unentgeltlich erworben hat, nach den
Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers oder dem Wert, der beim
Rechtsvorgänger an deren Stelle getreten ist oder treten würde, wenn dieser noch
Eigentümer wäre, zuzüglich der vom Rechtsnachfolger aufgewendeten Herstellungskosten
und nach dem Hundertsatz, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er
noch Eigentümer des Wirtschaftsguts wäre. Diese Voraussetzungen sind hier hinsichtlich
des einem Betrag in Höhe von 100.000 DM entsprechenden Anteils der dem Kläger
gehörenden Wohnung des Mehrfamilienhauses A-Str. in C-Stadt gegeben. Dem steht
entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht entgegen, daß bei Abschluß des
Schenkungsvertrags am 26.6.1995 das Haus noch gar nicht fertiggestellt war und es im
übrigen an Herstellungskosten des Rechtsvorgängers fehlt, weil die Eltern nie Eigentümer
des Objekts gewesen sind. Denn die Rechtsfolge einer sog. mittelbaren
Grundstücksschenkung ist eine Fiktion - es wird nur unterstellt, daß Gegenstand der
Schenkung das Grundstück ist. Diese Fiktion ist konsequent durchzuhalten - jedenfalls
besteht für etwas anderes kein sachlich gerechtfertigter Grund. Es erschiene gar willkürlich,
bei der Entscheidung über die Frage "Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten" auf eine
Fiktion abzustellen - bei der Entscheidung über § 11 d Abs. 1 EStDV hingegen auf
tatsächliche Gegebenheiten. Ist bei einer sog. mittelbaren Grundstücksschenkung
Gegenstand der Schenkung eben (erst) das Grundstück sowie ein darauf später errichtetes
Gebäude, sind die Aufwendungen für die Herstellung des Gebäudes folgerichtig allein dem
Schenker zuzurechnen. Diese Herstellungskosten hätten hier auch Grundlage für AfA der
Rechtsvorgänger sein können. Die Schenker - die Eltern des Klägers - waren ursprünglich
auch Alleineigentümer des Grundstücks A-Str. in C-Stadt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -.