Urteil des FG Düsseldorf vom 12.06.2002

FG Düsseldorf (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Eigentümer, Unterbringung, Verfügung, Steuersatz, Kontrolle, Nebenleistung, Gehalt, Form, Unterhaltung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 5 K 8542/99 U
12.06.2002
Finanzgericht Düsseldorf
5. Senat
Urteil
5 K 8542/99 U
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten darum, ob die von der Klägerin im Rahmen einer Pferdepension in
den Jahren 1992 bis 1997 erbrachten Leistungen dem ermäßigten Steuersatz des § 12
Abs. 2 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen.
Die Klägerin ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein in Liquidation, der neben seinen
sportfachlichen und berufständischen Aufgaben im Bereich des Pferdesports eine
Pferdepensionshaltung betrieb. Sie schloß mit den Eigentümern der Pferde mündliche
Einstellungsverträge ab, auf Grund derer sie folgende Leistungen erbrachte:
- Gestellung eines Stellplatzes einschließlich Reinigung desselben,
- Fütterung des Pferdes,
- Pflegeleistungen: ständige Kontrolle der Pferde auf Verletzungen oder
Krankheiten, Behandlungen von kleineren Verletzungen oder Satteldruck durch
Personal der Klägerin, im Bedarfsfalle Benachrichtigung des Tierarztes
einschließlich Notversorgung bis zu dessen Eintreffen, Übernahme der vom
Tierarzt angeordneten Heilbehandlung wie z.B. Verabreichung von Medikamenten,
Salben, Bewegung des Pferdes bei Koliken,
- Bewegung der Pferde im Bedarfsfall ( z.B., wenn der Eigentümer verhindert ist)
durch Reiten, Longieren, Führen oder durch Weidegang.
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Nur bei einigen der Pensionpferde übernahm die Klägerin regelmäßig auch den Beritt und
die tägliche Körperpflege der Tiere.
Zusätzlich standen den Eigentümern der Pferde neben zwei Reithallen ein Dressurplatz,
ein Springplatz mit diversem Hindernismaterial, eine Waschbox, zwei Waschplätze, eine
Longierhalle nach Absprache und drei Sattelkammern oder abschließbare Schränke
außerhalb der Sattelkammern zur Verfügung.
Der Preis der von der Klägerin angebotenen Leistungen einschließlich der zur Verfügung
stehenden Reitsportanlagen belief sich ohne Beritt für Innenboxen auf 480,00 bis 500,00
DM und für Außenboxen auf 530,00 bis 550,00 DM für Einstellung, Fütterung und Pflege
der Tiere pro Monat. Mit Beritt belief sich der Preis für Innenboxen auf 680,00 bis 880,00
DM und Aussenboxen auf 730,00 bis 930,00 DM pro Monat.
Die Klägerin unterwarf sämtliche Umsätze aus der Pensionpferdehaltung dem ermäßigten
Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1993 bis 1995 vertrat die Prüferin die
Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG im Hinblick auf die
Pensionspferdehaltung nur insoweit erfüllt seien, als die Klägerin auch den Beritt der
Pferde und ihre tägliche Pflege übernommen habe.
Der Beklagte folgte dieser Auffassung auch für das Jahr 1992 und erließ am 22.12.1997
einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheid
für das Jahr 1992, mit dem die Umsätze aus der Pferdepension insoweit dem allgemeinen
Umsatzsteuersatz unterworfen wurden, als die Klägerin lediglich Leistungen für
Unterbringung, Fütterung und medizinische Kontrolle der Tiere erbrachte. Entsprechend
geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1993 bis 1995 ergingen jeweils am
21.07.1998. Für das Jahre 1996 erfolgte die Umsatzsteuerfestsetzung mit Bescheid vom
13.07.1999 und für das Jahr 1997 mit Bescheid vom 08.07.1999, jeweils unter
Berücksichtigung der Feststellungen der Betriebsprüfung.
Die am 16.01.1998 gegen den Änderungsbescheid 1992, am 28.07.1998 gegen die
Änderungsbescheide 1993 bis 1995 und am 16.07.1999 gegen die
Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997 eingelegten Einsprüche begründete die Klägerin
damit, dass sie alle drei Leistungselemente der Pensionpferdehaltung, nämlich
Stellplatzgestellung, Fütterung und Pflege abgelte. Die allein strittige Frage, wann eine
ausreichende Pflegeleistung vorliege, werde durch die Klägerin insoweit erfüllt, als sie die
medizinische Versorgung der Tiere im Rahmen des unstreitigen Leistungsumfanges
erbringe. Damit liege nach Literaturmeinung eine ausreichende Pflegeleistung vor.
Mit Beschluss vom 28.10.1998 hat das erkennende Gericht den Antrag der Klägerin auf
Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer 1992 bis 1995 ( 5 V 6127/98 A (U) )
abgelehnt.
Unter dem 10.12.1999 wies der Beklagte die Einsprüche unter Bezugnehme auf den
vorgenannten Beschluss als unbegründet zurück.
Mit ihrer am 24.12.1999 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Ergänzend führt sie aus, dass es unerheblich sei, ob das Pferd umfassend oder nur
teilweise gepflegt werde. Ausreichend sei, dass überhaupt Pflegeleistungen, gleichgültig in
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welchem Umfang, erbracht würden. Die von ihr erbrachten Pflegeleistungen, nämlich die
regelmäßige Reinigung der Stellplätze sowie die Kontrolle der Pferde auf Verletzungen
und ggf. die Einleitung der Behandlung erkrankter Tiere würden diesen Anforderungen
genügen. Das Reinigen der Pferde z. B. gehöre nicht in den Katalog der Pflegeleistungen,
weil es für das Wohlbefinden oder die Gesunderhaltung der Pferde nicht zwingend
erforderlich sei. Dies zeige sich bereits dadurch, dass Pferde, die in sogenannter robuster
Haltung, d.h. ohne Reinigung, untergebracht seien, sich in der Regel bester Gesundheit
erfreuen würden. Vertiefend hierzu legt die Klägerin eine Stellungnahme des Leiters in "X",
"E", vom 20.06.2001 (Bl. 50 ff.der Gerichtsakte) vor, auf die wegen ihres wesentlichen
Inhalts Bezug genommen wird.
Der Vergleich mit dem üblichen landwirtschaftlichen Leistungsangebot erfordere nicht die
Einbeziehung von Reinigungsleistungen in den Pflegebegriff, wie sich gerade am Beispiel
der Sommerweidegräsung zeige, bei der Reinigungsleistungen gerade nicht erbracht
würden und die insoweit mit der Robustpferdehaltung vergleichbar sei. Auch im Falle der
Unterbringung fremder Kühe in Abmelkstellen würden Reinigungsleistungen nicht erbracht.
Hier werde deutlich, dass nicht entscheidungserheblich auf die Reinigung der Pferde
abgestellt werden dürfe.
Hinzu komme, dass die Tiere dann, wenn ihre Eigentümer dies nicht wahrnehmen könnten,
auch bewegt würden. Damit sei der insoweit weitergefasste Pflegebegriff aus der
Verfügung der Oberfinanzdirektion ( OFD ) Hannover vom 26.01.2000 ( Az: S 7233 - 9 - StH
532 / S - 7233 - 6 - StO 353 ) erfüllt. Auch hiernach sei die teilweise Ausführung von
Pflegeleistungen durch die Eigentümer unschädlich, solange die ständige
Leistungsbereitschaft des Unternehmers gegeben sei, die vereinbarten Leistungen ohne
Aufforderung durch die Eigentümer zu erbringen.
In diesem Zusammenhang sei allerdings die Unterscheidung zwischen Bewegung des
Pferdes und Beritt entscheidend. Die Bewegung der Pferde durch die Klägerin im
Bedarfsfalle durch Reiten, Longieren, Führen oder Weidegang sei ausreichend, um das
Merkmal der Pflege in diesem Sinne zu erfüllen.
Mit dem Begriff "Beritt" sei hingegen die Betreuung durch eine hierfür ausgebildete Person,
einen Bereiter z.B., gemeint. Diese Betreuung sei regelmäßig auf die Aus- und
Weiterbildung des betreffenden Pferdes oder dessen Eigentümers bzw. Reiters gerichtet,
wobei die Auseinandersetzung mit dem betreffenden Pferd im Vordergrund stehe. Das
Pferd solle in die Lage versetzt werden, als Mittel zur sportlichen Betätigung des Reiters
eingesetzt werden zu können. Hierbei handele es sich um eine von der Bewegung des
Tieres zu unterscheidende Leistung.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide vom 22.12.1997 (1992), 21.07.1998
(1993-1995), 13.07.1999 (1996) und 08.07.1999 (1997) und Aufhebung der
Einspruchsentscheidung vom 10.12.1999 die Umsätze aus der Pferdepensionshaltung
dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG zu unterwerfen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Unter Bezunahme auf seine Einspruchsentscheidung trägt er vertiefend vor:
Die Reinigung der Tiere (Striegeln und Auskratzen der Hufe) und ihre Bewegung gehörten
sehr wohl zum notwendigen Umfang der Pflegemaßnahmen; dies mache auch die von der
Klägerin benannte Verfügung der OFD Hannover im Beispielsfall 1 deutlich. Danach sei es
unschädlich, wenn gelegentliches Bewegen und Reinigen der Tiere durch die Eigentümer
vorgenommen werde.
Der Fall der Klägerin liege aber anders. Die Klägerin übernehme die Reinigung gar nicht
und die Bewegung der Tiere nur gelegentlich. Insbesondere bestehe keine vertragliche
Verpflichtung zur Reinigung und Bewegung der Tiere. Hierbei spiele es keine Rolle, ob die
Klägerin auf Grund ihrer Organisationsstruktur und ihrer Personalausstattung dazu in der
Lage gewesen wäre. Entscheidend sei, dass das Bewegen der Tiere nicht der Klägerin,
sondern den Eigentümern obliege. Soweit die Klägerin auf den Beritt der Tiere abstelle,
habe der Beklagte im Rahmen der Betriebsprüfung die hierauf entfallenden Leistungen in
Höhe von 50.000 DM dem ermäßigten Steuersatz zugrundegelegt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide 1992 bis 1995 und gegen die
Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997 gerichtete Klage ist unbegründet, weil der
Beklagte hierin zu Recht die Umsätze der Klägerin, die diese gegenüber den
Pferdeeigentümern aufgrund der Einstellverträge erbracht hat, als sonstige Leistungen dem
Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG unterworfen hat.
Die Leistungen der Klägerin, die sie im Rahmen ihrer Pensionspferdehaltung erbringt,
unterliegen nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG. Gemäß §
12 Abs. 2 Nr. 3 UStG beträgt der Steuersatz für die Aufzucht und das Halten von Vieh 7
vom Hundert.
Unter Vieh sind solche Tiere zu verstehen, die als landwirtschaftliche Nutztiere in Nr. 1 der
Anlage des UStG aufgeführt sind. Hierunter fallen auch Reit- und Rennpferde (Schumann
in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Kommentar zum UStG, Stand: Oktober 1998, § 12 Abs. 2
Nr. 3 Rdz. 2), wie sie von der Klägerin untergestellt werden.
Das Tatbestandsmerkmal "Halten von Vieh" ist nicht legaldefiniert. Nach allgemeiner
Auffassung umfaßt dieses Merkmal die Betreuung von Tieren, die anderen Personen
gehören. Danach ist der Leistungstatbestand dann verwirklicht, wenn die Tiere dem
Unternehmer in Obhut gegeben werden. Typische Tatbestände dieser Vorschrift sind die
Pensionsviehhaltung in Form der Sommergräsung und der Winterpflege sowie das Halten
von Kühen in Abmelkstellen (Schumann in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 12 Abs.
2 Nr. 3 Rdz. 4).
1. Eine begünstigte Pensionsviehhaltung in Form der Unterbringung und Betreuung von
Reitpferden in Reitställen ist dann gegeben, wenn eine einheitliche Leistung, bestehend
aus der Vermietung von Stellplätzen bei gleichzeitiger Übernahme der Fütterung und
Pflege erbracht wird. Die Steuerermäßigung setzt voraus, dass eine einheitliche Leistung
vorliegt, die alle drei vorbezeichneten Leistungselemente enthält.
Unstreitig erfüllt die Klägerin die hiernach notwendigen ersten beiden Leistungselemente,
die Vermietung eines Stellplatzes und die Übernahme der Fütterung der Pferde.
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Die Klägerin hat jedoch die für die Anerkennung einer begünstigten Pensionsviehhaltung
erforderlichen Pflegeleistungen in Bezug auf die angenommenen Pensionspferde nicht in
ausreichendem Maße erbracht.
Nach der von der Klägerin angeführten Verfügung der OFD Hannover vom 26.1.2000 (S-
7233-9-StH 531/S-7233-6-StO 353), aber auch nach den Kommentierungen zum UStG
(u.a. Birkenfeld, USt.-Handbuch, Bd. II., Abschn. IV, Rz. 66; Schumann in:
Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 4.1; Waza in: Offerhaus/
Söhn/Lange, Kommentar zum UStG, Stand: Februar 2001, § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 14)
gehören zum Merkmal der "Pflege" das Bewegen der Pferde, die Gewährleistung des
Gesundheitszustandes der Tiere, die Reinigung der Tiere und der Boxen sowie das
Ausmisten und Einstreuen des Einstellplatzes.
Der Senat stimmt der Auffassung der Verwaltung, wie sie in der Verfügung der OFD
Hannover vom 26.1.2000 (a.a.O.) zum Ausdruck kommt, zu, wonach die ständige
Leistungsbereitschaft des Unternehmers gegeben sein muß, sämtliche der genannten
Pflegeleistungen jederzeit auch ohne Aufforderung durch den Tierbesitzer zu erfüllen.
Für diese strengen Anforderungen an die Erfüllung des Merkmals der "Betreuung fremder
Tiere" im Rahmen der Pensionspferdehaltung, wonach der Pferdepensionsbetreiber
verpflichtet sein muß, sämtliche für die artgerechte Haltung der jeweiligen Pferde
notwendigen Pflegeleistungen zu erbringen, spricht nach Auffassung des Senats die erst
dann gegebene Vergleichbarkeit mit den typischen landwirtschaftlichen Tatbeständen der
Betreuung fremder Tiere i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG. Hierzu zählen insbesondere die
Pensionsviehhaltung in Form der Sommergräsung und der Winterpflege sowie das Halten
von Kühen in Abmelkstellen (Schumann in: Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, a.a.O., § 12 Abs.
2 Nr. 3 Rdz. 4), bei denen die Eigentümer der Tiere regelmäßig keine weiteren
Betreuungsleistungen neben den Leistungen des Pensionsviehhalters mehr erbringen
müssen. Pferdepensionen, bei denen demgegenüber die
Eigentümer die für die Gesundheit der Pferde notwendige Bewegung und die tägliche
Körperpflege der Tiere (insbesondere das Striegeln und Putzen) selbst übernehmen,
entsprechen hingegen nicht diesem üblichen landwirtschaftlichen Leistungsangebot. Die
Übereinstimmung des Leistungsumfanges eines Pferdepensionsbetreibers mit den
Leistungen typischer landwirtschaftlicher Pensionsviehhaltungsbetriebe dürfte auch dem
Normzweck des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG entsprechen. Nur solche Unternehmer, die
Lieferungen und sonstige Leistungen anbieten, die üblicherweise zum landwirtschaftlichen
Leistungsangebot gehören, sollten im Wettbewerb zu den Landwirten nicht benachteiligt
werden (vgl. Schuhmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 3, Rdz. 1).
Im übrigen verweist der Senat auf die Rechtsprechung des BFH und des Europäischen
Gerichtshofes - EuGH - , wonach für eine ausdehnende Auslegung des Gesetzeswortlautes
oder eine analoge Anwendung umsatzsteuerrechtlicher Begünstigungsvorschriften auf
andere, im Gesetz nicht genannte Tatbestände zur Vermeidung einer
Wettbewerbsverzerrung grundsätzlich kein Raum ist (vgl. die Urteile des BFH vom 16. 7.
1970, V R 138/69, BStBl II 1970, 709; vom 4. 2. 1971, V R 86/70, BStBl II 1971, 430 und
vom 29. 8. 1974, V R 90/70, BStBl II 1975, 29; Urteile des EuGH vom 15. 6. 1989 - Rs
348/87, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1991, 28 und vom 18.1.2001, Rs C-83/99, UR
2001, 210).
Unstreitig erbrachte die Klägerin zwar diverse Leistungen, die nach allgemeiner
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Auffassung dem Merkmal der "Pflege" zuzuordnen sind. So war sie nach den mündlichen
abgeschlossenen Einstellverträgen zur Reinigung der vermieteten Stellplätze, zur
ständigen Kontrolle der Pferde auf Verletzungen oder Krankheiten, zur Behandlung von
kleineren Verletzungen oder Satteldruck, zur Benachrichtigung des Tierarztes im
Bedarfsfalle einschließlich der Notversorgung des Pferdes bis zu dessen Eintreffen sowie
zur Übernahme der vom Tierarzt verordneten Heilbehandlung wie z. B. der Verabreichung
von Medikamenten, Salben und zur Bewegung des Pferdes bei Koliken verpflichtet.
Streitig ist jedoch zwischen den Beteiligten, inwieweit die Klägerin auch Pflegeleistungen
in Form des Bewegens der Pensionspferde und des Reinigens der Tiere erbracht hat. Die
Klägerin hat hierzu angegeben, im Bedarfsfalle, wenn z. B. der Eigentümer des Pferdes
verhindert sei, die Pferde durch Reiten, Longieren, Führen oder durch Weidegang zu
bewegen. Das Reinigen der Pferde gehöre nach ihrer Auffassung nicht in den Katalog der
Pflegeleistungen, weil es für das Wohlbefinden oder die Gesunderhaltung der Pferde nicht
zwingend erforderlich sei, wie sich am Beispiel der Robustpferdehaltung zeige und sich
auch aus der Stellungnahme von Herrn "E" ergebe.
Auch wenn dieser Vortrag die Annahme rechtfertigt, dass bei Verhinderung des jeweiligen
Eigentümers die notwendige Bewegung der bei der Klägerin untergebrachten Tiere
sichergestellt war, so ergibt sich doch aus dem Inhalt der Einstellungsverträge und den
danach vereinbarten, von der Klägerin zu erbringenden Leistungen, dass sie zu diesen
Leistungen nicht vertraglich gegenüber den Pferdebesitzern verpflichtet war und dass die
Eigentümer hierfür auch kein Entgelt an die Klägerin zu entrichten hatten. Denn nach den
abgeschlossenen Verträgen war die Klägerin nicht dazu verpflichtet, den Pensionspferden
Auslauf zu verschaffen. Der Sachvortrag der Klägerin weist diesbezüglich darauf hin, dass
diese Arbeiten lediglich im Bedarfsfalle, d. h. ausnahmsweise und nicht im Rahmen einer
fortlaufend bestehenden Leistungsbereitschaft der Klägerin erbracht wurden.
Betreffend das regelmäßige Reinigen der Pferde ist der Klägerin nicht zuzustimmen, dass
diese Leistungen unter Bezugnahme auf die Besonderheiten der Robustpferdehaltung
entbehrlich seien. Bei den bei der Klägerin eingestellten Pferden handelt es sich um
Reitpferde, die einer anderen Pflege bedürfen als Pferde in der Robusthaltung. Dies ergibt
sich bereits aus der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme des Herrn "E". Danach
bedürfen Pferde in der Robusthaltung oder Pferde in ganztägiger oder ganzjähriger
Weidehaltung keiner Reinigung, weil die naturnahen Haltungsbedingungen eine naturnahe
Stoffwechselleistung der Haut und ihrer Haare ermöglichen. Die hiernach notwendigen
Pflegeleistungen nehmen die Pferde durch Wälzen oder ggf. gegenseitiges Beknabbern
vor. Anders liegen die Verhältnisse bei Reit- und Sportpferden, bei denen das regelmäßige
Entfernen von Schmutz, Staub und Schweiß der Vermeidung von Gesundheitsschäden der
Haut, insbesondere durch Einwirken von Geschirr und Sattel dient.
Im übrigen geht die Klägerin selbst von der Notwendigkeit der täglichen Körperpflege bei
den Pferden aus, denn im Einzelfall vereinbart sie diese Leistung auch mit den
Eigentümern der Pferde.
Eine sich aus den abgeschlossenen Pferdeeinstellungsverträgen ergebende ständige
Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung sämtlicher zur artgerechten Haltung der Pferde
notwendigen Pflegeleistungen bestand somit nicht, sodass schon aus diesem Grunde nach
Auffassung des Senats eine Steuerermäßigung i.S. von § 12 Abs.2 Nr.3 UStG bezüglich
des Pferdepensionsbetriebes der Klägerin nicht in Betracht kommt.
2. Unabhängig von der Frage des für die Steuerermäßigung i.S. des § 12 Abs.2 Nr.3 UStG
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notwendigen Umfangs der zu erbringenden Pflegeleistungen kann die Klägerin diese
Ermäßigungsvorschrift jedoch auch deshalb nicht für sich in Anspruch nehmen, weil
zusätzlich zu der Unterbringung, der Fütterung und der ihrem Umfang nach
streitbefangenen Pflege der Tiere unstreitig auch die Nutzung der von der Klägerin
unterhaltenen Reitsportanlagen Gegenstand des Leistungsangebotes der Klägerin und
Inhalt der jeweils mit den Pferdeeigentümern abgeschlossenen Einstellungsverträge war.
Durch das Recht, zu einem einheitlichen Pensionspreis alle angebotenen Leistungen und
Einrichtungen der Klägerin in ihrer Gesamtheit zu nutzen, liegt eine einheitliche, nicht
aufteilbare Leistung vor, die den Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG überschreitet und
daher als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG zu unterwerfen
ist.
Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung der Verwaltung, wie sie von der OFD
Hannover in der von der Klägerin angeführten Verfügung vom 26.1.2000 (S-7233-9-StH
531/S-7233-6-StO 353) vertreten wird. Hiernach soll es sich bei der zusätzlich zu der
Pensionspferdehaltung dem Pferdeeigentümer vertraglich eingeräumten
Nutzungsmöglichkeit der Reitanlagen lediglich um eine unselbständige Nebenleistung zu
den Unterbringungs- und Betreungsleistungen handeln. Das Gericht ist vielmehr der
Ansicht, dass die von der Klägerin vereinbarungsgemäß erbrachten Leistungen insgesamt
als im wesentlichen gleichrangige Bestandteile einer nicht steuerbegünstigten
einheitlichen sonstigen Leistung, nämlich der Ermöglichung der Ausübung des Reitsports,
anzusehen sind.
Die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung, die das rechtliche Schicksal der
Hauptleistung, insbesondere deren Steuersatz, teilt, setzt nach der Rechtsprechung des
BFH voraus, dass sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng
zusammenhängt, die Hauptleistung wirtschaftlich ergänzt, verbessert oder abrundet und
üblicherweise mit der Hauptleistung ("in ihrem Gefolge") vorkommt (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des BFH vom 29. 4.1999, V R 72/98, BFH/NV 1999,
1523, vom 14.5.1998, V R 85/97, BFHE 186, 151, BStBl II 1999, 145 - Abgabe von Speisen
und Getränken in einem Kabarett - und vom 1.8.1996, V R 58/94 in BFHE 181, 208, BStBl II
1997, 160 - Pauschalreise auf Kabinenschiffen, jeweils m.w.N.).
Eine Nebenleistung liegt danach vor, wenn die Leistung für den Leistungsempfänger
keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern nur ein Mittel darstellt, um die Hauptleistung des
Unternehmers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, und wenn die
Leistung keinen oder nur einen geringen Anteil an der Gegenleistung hat (Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften, Urteile vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 - Card
Protection Plan Ltd., Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1999, 157 Rdnr. 30; vom 22.
Oktober 1998 Rs. C-308/96 und C-94/97 - Madgett und Baldwin, Umsatzsteuer-Rundschau
1999, 38 Rdnr. 24).
Bei der Zurverfügungstellung der Reitanlagen handelte es sich hiernach deshalb nicht um
eine - im Verhältnis zu den übrigen von der Klägerin den Pferdeeigentümern vertraglich
zugesicherten Leistungen - steuerlich unselbständige Nebenleistung, weil diese Leistung
der Klägerin im Vergleich insbesondere zu den Unterbringungs- und Fütterungsleistungen
der Klägerin nicht nebensächlich war und außerdem aus Sicht der Leistungsempfänger
auch einen eigenen Zweck - nämlich die Möglichkeit der Ausübung des Reitsports -
erfüllte. Nebensächlich im Verhältnis zu den übrigen Leistungen war die Benutzung der
von der Klägerin bereitgehaltenen Reitanlagen nicht, weil dieser Leistung sowohl aus Sicht
der Klägerin als auch aus Sicht der Nutzer ein eigenes wirtschaftliches Gewicht (vgl. Urteil
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des BFH vom 18.5.1994, XI R 107/92, BFH/NV 1994, 913) zukam. Den Pferdeeigentümern
kam es als Reitern nicht nur darauf an, durch den Abschluß der Pferdeeinstellungsverträge
die artgerechte Unterbringung und Fütterung ihrer Tiere sicherzustellen. Vielmehr ist bei
lebensnaher Betrachtung aus Sicht der Reiter davon auszugehen, dass wesentlich für den
Abschluß der Pferdeeinstellungsverträge auch die hiermit einhergehende Möglichkeit der
Nutzung der von der Klägerin unterhaltenen Reitanlagen war. Denn die Ausübung des
Reitsports dürfte für die Pferdeeigentümer der maßgebliche Zweck der Anschaffung und
Unterhaltung der Pferde gewesen sein. Auch aus Sicht der Klägerin ist die Bereitstellung
und Unterhaltung der zu ihrem Unternehmen gehörenden Reitanlagen schon allein wegen
der hiermit verbundenen zusätzlichen Kosten ein eigenständiges wirtschaftliches Gewicht
neben der Unterbringung und Fütterung der Pensionspferde beizumessen, wobei
naheliegend ist, dass auch die von der Klägerin für den Bau und die Unterhaltung der
Reitanlage aufzubringenden Kosten Einfluß hatten auf ihre Kalkulation hinsichtlich der
Höhe des von den Pferdeeigentümern aufgrund der Pferdeeinstellungsverträge zu
zahlenden Betrages in Höhe von monatlich 480,00 bis 500,00 DM für Innenboxen und
530,00 bis 550,00 DM für Außenboxen.
Umsatzsteuerlich bildet die Einräumung der Nutzung der Reitanlage zusammen mit den
übrigen Leistungen, zu denen sich die Klägerin gegenüber den Pferdeeigentümern
verpflichtete, eine einheitliche sonstige Leistung.
Eine einheitliche Leistung ist dann anzunehmen, wenn deren einzelne Faktoren so
ineinander greifen, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise hinter dem ganzen
zurücktreten. Im Gegensatz dazu lässt sich ein auf einem Gesamtvertrag beruhendes
Leistungsverhältnis umsatzsteuerrechtlich aufteilen, wenn hierin mehrere, ihrem
wirtschaftlichen Gehalt nach selbstständige und voneinander unabhängige
Einzelleistungen zusammengefasst sind. Eine einheitliche, nicht aufteilbare Leistung kann
danach nicht schon auf Grund der Erwägung bejaht werden, dass sie auf einem
einheitlichen Vertrag beruht und gegen ein einheitliches Entgelt erfolgt. Entscheidend ist
vielmehr der wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen (BFH, Urteil vom 08.09.1994,
V R 88/92, BStBl 1994, 959 und Urteil vom 28.09.2000 - V R 14/99 - BStBl. II 2001, 78).
Der wirtschaftliche Gehalt der Leistungen der Klägerin an die Eigentümer der Pferde
bestand in der Unterbringung, der Fütterung und der Betreuung der Pferde in dem als
unstreitig beschriebenen Umfang sowie in der Bereitstellung der Reitsportanlagen zur
Nutzung durch die Eigentümer der Pferde. Dabei verlangte die Klägerin einen einheitlichen
monatlichen Pensionspreis als Entgelt für die Eröffnung der Möglichkeit, auch die
vorhandenen Reitsportanlagen in Anspruch zu nehmen. Insoweit war kein zusätzliches
Nutzungsentgelt zu leisten. Die Eröffnung der Nutzungsmöglichkeiten der Reitsportanlagen
neben der Unterbringung, Fütterung und des entsprechend beschriebenen Versorgens der
fremden Tiere diente offensichtlich dazu, interessierte Pferdebesitzer "rundherum" mit
einem Angebot zu versorgen, das die Ausübung des Reitsports mit dem eigenem Pferd
ermöglichte.
Mit dem Abschluß des von der Klägerin angebotenen Pferdeeinstellungsvertrages erwarb
der Pferdeeigentümer zu einem monatlichen Festpreis das Recht, dieses Angebot in seiner
Gesamtheit in Anspruch zu nehmen. In der Bereitstellung der unmittelbaren Versorgung
des Pferdes und der Reitsportanlagen bestand der Umsatz der Klägerin. Dabei war es für
die Preisgestaltung unerheblich, ob und in welchem Umfang der Eigentümer der Pferde die
ihm zur Verfügung gestellten Einrichtungen auch tatsächlich in Anspruch nahm. Dies lag im
Belieben des jeweiligen Pferdebesitzers und entzog sich im Übrigen weitgehend der
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Kontrolle durch die Klägerin.
Danach greifen - abgestellt auf den wirtschaftlichen Gehalt der Leistungen - die einzelnen
Bestandteile des Leistungsangebots der Klägerin dergestalt ineinander, dass sie bei
ganzheitlicher Betrachtung eine einheitliche Leistung ergeben. Für die Aufteilung dieses
Leistungsangebots in Einzelleistungen bleibt kein Raum.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Ziffer 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung
zuzulassen, weil zu den hier streitigen Fragen des Vorliegens steuerermäßigter Leistungen
i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG im Rahmen eines Pferdepensions- und Reitsportbetriebes
bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen ist.