Urteil des FG Düsseldorf vom 23.09.2002

FG Düsseldorf (Aufschiebende Bedingung, Kaufvertrag, Steuer, Auflage, Urkunde, Verpflichtungsgeschäft, Rechtsgeschäft, Genehmigung, DDR, Entstehung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 7145/01 GE
23.09.2002
Finanzgericht Düsseldorf
7. Senat
Urteil
7 K 7145/01 GE
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22.5.2001 die in der
Urkunde näher beschriebene Landwirtschaftsfläche in "N" zu
einem Kaufpreis in Höhe von 405.650,-- DM.
In dem Vertrag heißt es:
I. Kaufgegenstand
.....
Dieser Kaufvertrag wird unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, daß ein
Bebauungsplan, der räumlich auch den vorstehend verkauften Grundbesitz umfaßt
und der eine Wohnbebauung vorsieht, in Kraft tritt.
Von der vorstehenden aufschiebenden Bedingung werden nicht die in dieser Urkunde
enthaltenen Vollmachten, Bewilligungen und dinglichen Erklärungen, insbesondere nicht
die Auflassung, erfaßt. Jeder Beteiligte ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung
gegenüber dem anderen Vertragsbeteiligten auf diese aufschiebende Bedingung zu
verzichten; haben beide Vertragsbeteiligten auf die Bedingung verzichtet, wird dieser
Vertrag unverzüglich rechtswirksam.
VI. Grundbuchliche Durchführung
Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß das Eigentum an dem unter Teil I. dieser
Urkunde bezeichneten Grundbesitz auf den Käufer zu Alleineigentum übergeht.
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Sie bewilligen und beantragen die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch.
VIII. Besondere Rücktrittsrechte
.....
1. Der Käufer behält sich das Recht vor, von diesem Vertrag einseitig zurückzutreten,
falls nicht bis zum 1. Dezember 2004 ein Bebauungsplan, der räumlich auch den
vorstehend verkauften Grundbesitz umfaßt und der eine Wohnbebauung vorsieht,
in Kraft getreten ist .....
Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die in den beigezogenen Steuerakten
enthaltene Ablichtung Bezug genommen.
Der Beklagte ging davon aus, daß der vorgenannte Rechtsvorgang der Grund-
erwerbsteuer unterliege und setzte mit Bescheid vom 13.6.2001 die Steuer auf
14.197,-- DM (§ 3,5 v.H. von 405.650,-- DM) fest. Die Klägerin erhob Einspruch und verwies
auf die im Vertrag enthaltene aufschiebende Bedingung. Der Beklagte wies den
Rechtsbehelf als unbegründet zurück.
Dazu führte er aus, daß die Steuer bei einem aufschiebend bedingt abgeschlossenen
Vertrag zwar erst bei Eintritt der Bedingung entstehe (§ 14 des Grunderwerbsteuergesetzes
- GrEStG -), daß aber im Streitfall offenbar schon vor dem Eintritt der Bedingung ein
Anspruch auf Übereignung des Grundbesitzes bestanden habe. Insoweit habe die
vereinbarte "Bedingung" lediglich den Charakter eines Rücktrittsrechts. Ein Fall des
§ 14 Nr. 1 GrEStG liege daher nicht vor.
Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor:
Der angefochtene Steuerbescheid sei rechtswidrig.
Zwar sei ein Kaufvertrag im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG abgeschlossen worden, die
daraus möglicherweise resultierende Grunderwerbsteuer sei aber noch nicht entstanden.
Der Vertrag vom 22.5.2001 enthalte eindeutig eine aufschiebende Bedingung, die zum
gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht eingetreten sei. Daher könne sie von den Verkäufern
des Grundbesitzes derzeit auch noch nicht dessen Übereignung fordern. Der Beklagte
gehe auch zu Unrecht davon aus, daß die Bedingung gleichsam als Rücktrittsrecht zu
behandeln sei. Ein Rücktrittsrecht sei nämlich ausweislich des Vertragstextes ebenfalls
vereinbart worden und eine daneben bestehende Bedingung sei nicht erforderlich
gewesen, wenn es den Vertragsparteien nur um das Rücktrittsrecht gegangen sei.
Eine Festsetzung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG komme ebenfalls nicht in Betracht, denn
diese Regelung greife nur ein, wenn kein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG abgeschlossen worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 13.6.2001 und die dazu ergangene
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Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG seien bereits mit
Abschluß der Vereinbarung vom 22.5.2001 erfüllt worden. Aus Abschnitt I. des Vertrages
sei nämlich ersichtlich, daß sich die Bedingung nicht auf den Übereignungsanspruch habe
beziehen sollen.
Das Gericht hat einen Grundbuchauszug angefordert. Danach ist die Klägerin nicht als
Eigentümerin eingetragen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin wird durch den angefochtenen Steuerbescheid vom 13.6.2001 nicht in
ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -), denn
dieser Bescheid ist rechtmäßig.
Allerdings teilt das Gericht nicht die Rechtsauffassung des Beklagten, daß sich aus dem
Vertrag vom 22.5.2001 ein unbedingter Anspruch auf Übereignung des Grundbesitzes
ergebe und schon deshalb die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt seien.
Der Kaufvertrag ist in dieser Hinsicht einer Auslegung nicht zugänglich. Die Wirksamkeit
des Vertrages ist vom Erlaß eines Bebauungsplanes abhängig gemacht worden (Abschnitt
I. des Kaufvertrages) und diese Klausel ist von den Ver-tragsbeteiligten bzw. von dem mit
der Beurkundung betrauten Notar ausdrücklich
als "aufschiebende Bedingung" bezeichnet worden. Eine solche Bedingung ist sinn-
voll und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Vertragsbeteiligten im Streitfall
eine solche Bedingung abweichend vom Wortlaut des Vertrages gerade nicht haben
vereinbaren oder darauf sogleich wieder haben verzichten wollen. Insbesondere er-
gibt sich dieser Schluß nicht aus dem weiter vereinbarten Rücktrittsrecht der Klägerin
(Abschnitt VIII. des Vertrages). Auch dieses Recht hat einen Sinn, denn es ermöglicht der
Klägerin, den bis zum Eintritt oder endgültigen Ausfall der Bedingung bestehenden
Zustand der Ungewißheit nach einer genau festgelegten Wartezeit zu beenden.
Dennoch unterliegt der Kaufvertrag vom 22.5.2001 schon vor Eintritt der Bedingung
der Grunderwerbsteuer. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, denn im Vertrag vom
22.5.2001 ist die Auflassung des Grundstücks erklärt worden. Die Vertragsbeteiligten sind
sich nämlich einig gewesen, daß das Eigentum auf die Klägerin übergeht (Abschnitt VI.).
Die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wird auch nicht durch die Regelung des
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§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausgeschlossen.
Es ist bereits fraglich, ob durch den unter einer Bedingung abgeschlossenen Kaufvertrag
der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt wird. Der Erwerber erlangt nämlich
zunächst keinen einklagbaren Anspruch auf Übereignung des Grundbesitzes (vergl. dazu
Wolf in Soergel, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB -, 12. Auflage, § 158 Tz
14; Westermann in Münchener Kommentar, Kommentar zum BGB,
4. Auflage, § 158 Tz 38 - 40), denn der Verpflichtungsvertrag ist schwebend unwirksam (§
158 Abs. 1 BGB). Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof - BFH - für den Bereich des
(insoweit wortgleichen) Grunderwerbsteuergesetzes der ehemaligen DDR schon den
Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 als nicht erfüllt angesehen, wenn eine nach dem Recht der
DDR erforderliche Genehmigung nicht erteilt war (vergl. dazu die Urteile vom 19. Mai 1993
- II R 23/92, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1993, 628 und vom 21. April 1999 - II R 44/97,
BStBl II 1999, 493). Ob dies auch für den Bereich des GrEStG gilt, hat der BFH im Hinblick
auf seine Rechtsprechung zu § 23 GrEStG (Urteile vom 18. Mai 1999 - II R 16/98, BStBl II
1999, 606 und vom 8. Februar 2000 - II R 51/98, BStBl II 2000, 318) offen gelassen.
Auch im Streitfall kann die Frage dahinstehen.
Selbst wenn mit dem Vertrag vom 22.5.2001 bereits ein Erwerbsvorgang nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden ist, unterliegt die Auflassung der
Grunderwerbsteuer. Nach Auffassung des Senats steht nämlich die Regelung des § 1 Abs.
1
Nr. 1 GrEStG der Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nur dann entgegen, wenn der
vorangegangene Erwerbsvorgang auch zur Entstehung der Steuerschuld geführt hat. Das
ergibt sich aus der Struktur des GrEStG, die mit dem GrEStG 1940 neu festgelegt worden
und seither unverändert geblieben ist (Hinweis auf Boruttau, Kommentar
zum GrEStG, 15. Auflage, Vorbemerkung zu § 1 Tz 35, 36). Der Steuer unterliegt danach
der Umsatz von Grundstücken (vergl. dazu die Begründung zum GrEStG 1940
Reichssteuerblatt - RStBl - 1940, 387 Abschnitt I. 1.), genauer der Erwerb von Grundbesitz
(vergl. dazu Boruttau, § 1 Tz 1 ff). Dennoch knüpft das Gesetz regelmäßig nicht an den
eingetretenen Erfolg an, sondern an vorgelagerte Rechtsvorgänge. Insoweit hat der
Gesetzgeber eine genau abgestufte Reihenfolge von Vorgängen festgelegt, welche die
Festsetzung der Grunderwerbsteuer ermöglichen, nämlich das Verpflichtungsgeschäft (§ 1
Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), die Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) und letzt-lich den
Eigentumsübergang (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG). Dabei hat er die Vorstellung gehabt, daß er
ausgehend von den verschiedenen Arten des Übergangs von Grund-besitz genau
voneinander abgegrenzte Tatbestände (Teilmengen) geschaffen habe,
mit deren Verwirklichung die Steuerschuld entstehe (vergl. dazu die Begründung zum
GrEStG 1940 RStBl 1940, 389 rechte Spalte). Im Hinblick auf den in den Nr. 2 und 3
enthaltenen Ausschluß der jeweils vorangegangenen Tatbestände erweist sich diese
Vorstellung auch als zutreffend, wenn in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ein klagbarer Anspruch
auf Übertragung des Eigentums gefordert wird. Sieht man aber bereits das
unter einer Bedingung abgeschlossene oder von einer Genehmigung abhängige
Verpflichtungsgeschäft als Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
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an, schafft man eine Schnittmenge zwischen den Nummern 1 und 2, die der Gesetz-geber
so nicht gesehen hat und bei deren steuerliche Würdigung die Wertungen des Gesetzes
nicht außer Acht gelassen werden können. Insbesondere darf nicht aus den Augen
verloren werden, daß der Gesetzgeber mit den Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2
GrEStG zwar die Besteuerung des Grunderwerbs in dessen Vorbereitungsphase verlagert
hat, das Ziel der Besteuerung aber nicht hat verändern wollen (vergl. dazu auch das Urteil
des BFH vom 10. Dezember 1997 - II R 27/97, BStBl II 1998, 159).
Eine solche Änderung träte jedoch ein, wenn ein unter einer Bedingung abgeschlossenes
oder genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäften über § 14 GrEStG generell die
Entstehung der Steuer hinderte, denn selbst die Eintragung im Grundbuch und damit das
übergegangene Eigentum könnte dann nicht mehr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der
Besteuerung unterworfen werden.
Der Senat sieht sich in seiner Rechtsauffassung durch die Rechtsprechung des BFH
bestätigt. Danach ist die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nur dann durch § 1 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG ausgeschlossen, wenn durch die Auflassung ein "Anspruch auf
Eigentumsverschaffung" erfüllt wird (Urteil vom 16. Juni 1999 - II R 20/98, Sammlung
amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2000, 80). Ferner hat der
BFH entschieden, daß auch der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG durch ein unter einer
Bedingung abgeschlossenes oder genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft nicht
zwangsläufig ausgeschlossen sei (Entscheidungen vom 17. Januar 1996
- II R 47/93, BFH/NV 1996, 579 und vom 12. Dezember 1968 - II B 42/68, Sammlung der
Entscheidungen des BFH Bd. 94, 359).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Zur Frage, in welchem Verhältnis die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GrEStG
zueinander stehen, wenn trotz eines unter einer Bedingung abgeschlossenes
Kaufvertrages die Auflassung erklärt wird, liegt, soweit ersichtlich, keine Entscheidung des
BFH vor. Soweit er sich im Rahmen verschiedener Regelungen des GrEStG mit
genehmigungsbedürftigen oder unter einer Bedingung abgeschlossenen Rechtsgeschäften
befaßt hat, lassen die Entscheidungen hinsichtlich der systematischen Einordnung
derartiger Verträge unterschiedliche Deutungen zu. Offen ist insbesondere, ob bei einem
sich überlappenden Anwendungsbereich der Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2
GrEStG die Regelung des § 14 GrEStG auch auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 GrEStG
"durchschlägt".