Urteil des FG Düsseldorf vom 07.06.2004

FG Düsseldorf (Berechnung der Steuer, Rücklage, Anschaffungskosten, Fahrzeug, Herstellungskosten, Unangemessenheit, Buchführung, Verkehrsauffassung, Betrug, Investition)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 5808/02 E
07.06.2004
Finanzgericht Düsseldorf
7. Senat
Urteil
7 K 5808/02 E
Unter Änderung des Bescheides vom 16.7.2002 und der
Einspruchsentscheidung vom 23.9.2002 wird die Einkommensteuer auf
den Betrag herabgesetzt, der sich unter Berücksichtigung einer Rücklage
nach § 7 g Abs. 3 EStG in Höhe von DM 148.500,00 ergibt.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Kläger sind Eheleute. Die Klägerin ist Laborleiterin, der Kläger ist als selbständiger
Finanzdienstleister für namhafte Privatbankhäuser tätig. Sein Arbeitsfeld ist die Vermittlung/
Arrangierung von Finanzierungskonzepten für wohlhabende Kunden. Er erzielte
Betriebseinnahmen - ohne Erlöse aus Anlageverkäufen und Privatanteilen - von DM
152.000,00 in 1997, 202.500,00 in 1998 und 210.000,00 in 1999. Für 1997 betrug der
Gewinn DM 35.700,00, für 1998 70.800,00. In diesen Jahren wandte der Kläger jeweils
rund 45.000,00 Mietleasingraten für einen Porsche auf.
Für 1999, das Streitjahr, wurden die Kläger mit Schätzungsbescheid vom 6.8.2001
zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Zur Begründung ihres Einspruchs reichten sie
die Einkommensteuererklärung ein. Der Kläger erklärte einen nach § 4 Abs. 3
Einkommensteuergesetz - EStG - ermittelten Gewinn von DM 224,24, den er wegen einer
Verzinsung nach § 7 g EStG und nicht abzugsfähigen Betriebskosten auf DM 12.602,81
erhöhte. Der Kläger löste in seiner Gewinnermittlung eine Ansparabschreibung in Höhe
von DM 91.150,00 auf und bildete eine neue Ansparabschreibung in Höhe von DM
208.250,00. Die aufgelöste Ansparabschreibung hatte er in 1997 gebildet, sie diente im
wesentlichen der für 1999 geplanten Anschaffung eines Porsche 911 Cabriolet. Das
Fahrzeug konnte aber erst in 2000 ausgeliefert werden. Die neue Ansparabschreibung
begründete er im September 2001 damit, sie sei für das in 2000 angeschaffte Cabriolet und
ein Porsche Coupe gebildet worden. Die Anschaffungskosten für das Cabrio wurden mit
DM 176.500,00, die des Coupe mit DM 240.000,00 angesetzt. Das Cabrio wurde vom
Kläger u.a. mit einer Sportauspuffanlage, Front- und Seitenschwellern und einem
Sportfahrwerk und 18 Zoll Felgen ausgerüstet. Es wurde im Oktober 2001 mit einer
Fahrleistung von rund 20.000 km für DM 128.000,00 verkauft. Das Coupe konnte auf Grund
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Fahrleistung von rund 20.000 km für DM 128.000,00 verkauft. Das Coupe konnte auf Grund
von Lieferengpässen nicht ausgeliefert werden, der Kläger erwarb daher einen Mercedes -
Benz SL 500 Roadster zum Preis von rund DM 214.000,00.,
Der Beklagte ließ im Teilabhilfebescheid vom 16.7.2002 eine Ansparabschreibung von nur
DM 55.000,00 je Wagen zu, der Gewinn betrug damit DM 110.852,00. Im übrigen wies der
Beklagte den Einspruch mit Entscheidung vom 23.9.2002 ab mit der Begründung, die
geltend gemachten Aufwendungen seien nach allgemeiner Verkehrsauffassung
unangemessen und dürften nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG den Gewinn nicht mindern.
Angemessen sei ein Fahrzeugpreis von höchstens DM 110.000,00.
Die Kläger haben am 23.10.2002 Klage erhoben.
Sie tragen vor, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - seien
Anschaffungskosten für ein Kfz nicht generell unangemessen i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 7
EStG. Soweit gewisse absolute Betragsgrenzen nicht überschritten würden, komme es auf
die Umstände des Einzellfalles an. Die Anschaffung eines serienmäßig hergestellten
Fahrzeugs selbst der obersten Preisklasse sei regelmäßig nicht als unangemessen
anzusehen. Dies gelte selbst dann, wenn das Fahrzeug eine Reihe von
Sonderausstattungen ausweise, die es erheblich verteuerten. Es stehe nicht mit der
Rechtsprechung im Einklang, nur aus der Höhe des Umsatzes und des Gewinns auf die
Angemessenheit von Aufwendungen zu schließen. Danach sei die Ausstattung des Anfang
2000 ausgelieferten Cabriolet steuerunschädlich. Der häufige Fahrzeugwechsel habe
seine Ursache in dem Bestreben, das jeweilige Fahrzeug nach Auslaufen der zweijährigen
Herstellergarantie abzustoßen und die kostspielige erste Inspektion nicht selbst
veranlassen zu müssen. Der durchschnittliche - um die streitigen Rücklagen bereinigte -
Gewinn der Jahre 1997 bis 1999 habe unter Berücksichtigung der Kosten eines seinerzeit
geleasten Porsche 911 rund DM 105.000,00 betragen. Es sei auch der zu erwartende
Buchgewinn einzubeziehen, bekanntlich seien Fahrzeuge des Fabrikats Porsche
wertstabil. Dies zeige auch der Verkauf des Cabriolets. Der Wertverlust habe hier DM
48.500 betragen. Eine Limousine mit Anschaffungskosten von rund DM 110.000,00 habe
ausweislich der sog. Schwacke-Liste mindestens den gleichen Wertverlust. Da die vom
Beklagten bemühte Vorschrift allein auf die Höhe der Aufwendungen abstelle, könnten
allein aus den höheren Anschaffungskosten keine nachteiligen Konsequenzen gezogen
werden.
Die Kläger haben im Klageverfahren zunächst die Bildung einer Rücklage in Höhe von DM
208.250,00 begehrt. In der mündlichen Verhandlung haben sie ihr Begehren dahin
eingeschränkt, dass die Bildung einer Rücklage in Höhe von DM 88.250,00 für das
Porsche Cabrio und von DM 60.250,00 für den Mercedes - Benz begehrt wird.
Sie beantragen nunmehr,
unter Änderung des Bescheides vom 16.7.2002 und der Einspruchsentscheidung vom
23.9.2002 die Bildung einer Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG in Höhe von DM 148.500,00
anzusetzen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
14
15
16
17
18
19
20
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er trägt vor, die Kläger hätten nicht anhand der Umstände des Einzelfalles glaubhaft
dargestellt, in welchem Umfang die Anschaffung des PKWs der höchsten Preiskategorie
durch die Merkmale Größe des Unternehmens, Bedeutung des Repräsentationsaufwandes
für den Geschäftserfolg etc. gerechtfertigt gewesen sei. Zwischen dem Umsatz des
Unternehmens und der Höhe der Anschaffungskosten für die PKWs bestehe ein
Missverhältnis. Es sei nach den bei der Angemessenheitsprüfung anzulegenden
Maßstäben des Verhaltens eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns angesichts
des erzielten und erzielbaren Umsatzes und Gewinns nicht erkennbar, inwiefern die
Anschaffung der beiden Kfz angemessen sei und eine Steigerung des Geschäftserfolges
bewirken könne. Auch wenn man unterstelle, dass der Kläger überwiegend einen
gehobenen Kundenstamm betreue, sei für die Repräsentation nicht ein Fahrzeug der
höchsten Preisklasse, sondern ein Fahrzeug der gehobenen Preisklasse i.H.v. ca.
100.000,00 angemessen. Dies entspreche auch der in Branchenkreisen herrschenden
Auffassung, dass das Fahrzeug eines Finanzdienstleisters zwar den Eindruck von
Seriosität und wirtschaftlicher Potenz vermitteln solle, nicht aber von Luxus. Der
Gesetzgeber habe in das Jahressteuergesetz 1996 eine Obergrenze von DM 100.000,00
aufnehmen wollen, von einer starren Obergrenze aber Abstand genommen. Dieser
Umstand gebe einen eindeutigen Hinweis für die Angemessenheitsprüfung. Ein objektiver
Grund für die Mehraufwendungen, z.B. stabilere Verarbeitung, längere Haltbarkeit o.ä. liege
den Anschaffungen nicht zu Grunde. Insgesamt sei der Kläger einer dem persönlichen
Bereich zuzuordnenden Neigung zur Führung von Sportwagen der höchsten Klasse
gefolgt. Dies werde nicht zuletzt durch den häufigen Wechsel von Fahrzeugen der gleichen
Art in den Vorjahren dokumentiert.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger
in ihren Rechten ( § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-), soweit der
Steuerfestsetzung eine Ansparabschreibung nicht in Höhe von DM 148.500,00, sondern
nur von DM 110.000,00 zu Grunde liegt.
Zu Unrecht hat der Beklagte die in der Bilanz des Einzelunternehmens des Klägers zum
31.12.1997 gebildete Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG nicht anerkannt.
Gemäß § 7 g Abs. 3 Satz 1 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder
Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens eine den
Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Ansparrücklage darf dabei nach § 7 g Abs. 3 Satz
2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung 50 % der Anschaffungs- oder
Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsgutes nicht überscheiten, das
voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden
Wirtschaftsjahres angeschafft oder hergestellt wird. Eine Ansparrücklage kann auch
gebildet werden, wenn dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht. Die am Bilanzstichtag
insgesamt gebildeten Ansparrücklagen dürfen einen Betrag von DM 300.000,00 nicht
übersteigen. Spätestens am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres
ist eine Ansparrücklage gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7 g Abs. 4 EStG). Soweit die
Auflösung nicht auf Grund der Vornahme der begünstigten Investition erfolgt, ist im Jahr der
Auflösung eine Gewinnerhöhung vorzunehmen. (§ 7 g Abs. 5 EStG). Diese beträgt 6 % des
21
22
aufgelösten Rücklagebetrages für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage
bestanden hat. Für jedes einzelne Wirtschaftsgut, das voraussichtlich angeschafft oder
hergestellt wird, ist eine gesonderte Rückstellung zu bilden. Dementsprechend sind bei
mehreren künftigen Investitionen die einzelnen Rücklagen in der Buchführung jeweils
getrennt zu behandeln ( vgl. BFH vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00 BFHE 197, 448
BStBl II 2002, 385).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger hat für die beiden PKW jeweils
eine Ansparrücklage von 50 % der Anschaffungskosten in seiner Buchführung
ausgewiesen
Der Beklagte war nicht berechtigt, die nach § 7 g Abs.3 EStG gebildete Ansparrücklage
wegen einer Unangemessenheit der beabsichtigten Investitionen nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 7
EStG zu kürzen. Nach der letztgenannten Vorschrift dürfen Aufwendungen, die die
Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren, den Gewinn nicht mindern, soweit sie nach
allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind. Sie führt aber nicht
zu einer Kürzung der Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3 EStG. Diese kann auch dann
auf der Grundlage der gesamten Anschaffungskosten gebildet werden, wenn
unangemessener Aufwand betrieben wurde. Eine Unangemessenheit im Sinne von § 4
Abs. 5 S. 1 Nr.7 EStG hat die Rechtsfolge, dass Betriebskosten, soweit sie unangemessen
sind, den Gewinn nicht mindern dürfen. Sie hat keinen Einfluss auf die Zugehörigkeit eines
Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen. Auch ein unangemessenes Wirtschaftsgut wird in
vollem Umfang Betriebsvermögen, seine Anschaffungskosten werden nicht gemindert.
Auch dann, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftgutes
unangemessen sind, ist das Wirtschaftsgut nach allgemeinen Grundsätzen als
Betriebsvermögen mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren; eine
Aufteilung in einen angemessenen und einen unangemessenen Teil ist insoweit nicht
zulässig (BFH vom 8. Oktober 1987 IV R 5/85 BFHE 150, 558 BStBl II 1987, 853). Vielmehr
wirkt sich die Unangemessenheit in der laufenden Gewinnermittlung nur über die Höhe der
Absetzung für Abnutzung (AfA) aus (vgl. Meurer in Lademann Kommentar zum EStG § 4
Tz. 734). Dies führt etwa dazu, dass Veräußerungsgewinne in vollem Umfang zu
versteuern sind und ein privater PKW-Nutzungsanteil iSv §§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 4 Abs. 5 Nr. 6
EStG nach dem ungekürzten Listenpreis zu berechnen ist ( Heinicke in Schmidt,
Einkommensteuergesetz, 23. A. § 4 RdN. 603). An die Anschaffungskosten, die wie
dargestellt, auch bei Unangemessenheit nicht gemindert werden, knüpft die
Ansparabschreibung an. Nach § 7 g Abs. 1 EStG, auf den § 7 g Abs. 3 S. 1 EStG verweist,
muss die Investition sich auf ein neues bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens
beziehen; nach § 7 g Abs. 3 S. 2 EStG darf die Rücklage in der für das Streitjahr geltenden
Fassung des Gesetzes 50 vom Hundert der Anschaffungs- oder Herstellungskosten
betragen. Anschaffungs- oder Herstellungskosten in diesem Sinne sind aber die
tatsächlichen Aufwendungen, die der Steuerpflichtige zum Erwerb des Wirtschaftsgutes
tätigen muss. Für eine Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf einen
angemessenen Betrag i.S. von § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG ist in diesem Zusammenhang kein
Raum. Diese Auslegung ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern steht auch in
Einklang mit dem Zweck der Vorschrift. Dieser liegt darin, Liquidität und
Eigenkapitalausstattung kleiner und mittlerer Betriebe zu verbessern, indem die
Anschaffung von Anlagegütern erleichtert wird. Einem etwaigen Missbrauch der Vorschrift
stehen Abs. 4 und 5 entgegen, nach denen die Rücklage alsbald wieder aufgelöst werden
muss und unter Umständen ein Gewinnzuschlag erfolgt. Die volle Berücksichtigung hat
auch nicht zur Folge, dass im Investitionsjahr eine entsprechende Abschreibung in
Anspruch genommen werden kann. Die Höhe der Ansparabschreibung hat auf die Höhe
23
24
25
26
der nach der Anschaffung oder Herstellung anzusetzenden Abschreibungen keinen
Einfluss, trotz Bildung einer Ansparabschreibung in voller Höhe der Kosten können die
Abschreibungen nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 7 EStG gekürzt werden ( vgl. Meyer
in Herrmann/Heuer/Raupach Einkommensteuergesetz Lfg. 190, 1997, § 7g RdN 94).
Die Bildung der Ansparrücklage ist auch im übrigen in der beantragten Höhe zulässig.
Die Berechnung der Einkommensteuer wird nach § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Beklagten
übertragen.
Die Revision wird nach § 115 Abs.2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung
zugelassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.