Urteil des FG Düsseldorf vom 07.06.2004

FG Düsseldorf (Gegenleistung, Zuwendung unter Lebenden, Grundstück, Bisherige Nutzung, Bedingung, Auflage, Erwerb, Einspruch, Nutzungsänderung, Schenkung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 4251/02 GE
07.06.2004
Finanzgericht Düsseldorf
7. Senat
Urteil
7 K 4251/02 GE
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 25.02.2002 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 15.07.2002 wird aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
Der Kläger, ein eingetragener Verein, erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 29.
12. 1998 von der katholischen Kirchengemeinde in ein Erbbaurecht an dem im Eigentum
der Kirchengemeinde stehenden, mit einem Altenheim bebauten Grundstück Straße . Das
Erbbaurecht wurde gemäß § 3 des Vertrages auf 60 Jahre vereinbart. Nach § 4 wurde es
bestellt für den Betrieb einer katholischen Einrichtung der Altenhilfe mit dem Namen Alten-
und Pflegeheim . Der Erbbauzins sollte nach § 16 des Vertrages 5 % des Verkehrswertes
des Grund und Bodens (15 DM/qm), insgesamt jährlich 15.915 DM betragen. Die
Kirchengemeinde verzichtete nach § 16 Nr. 4 des Vertrages auf die Entrichtung dieses
Erbbauzinses so lange, wie der Erbbauberechtigte - der Kläger - in dem Haus soziale
Aufgaben für bedürftige Menschen wahrnimmt.
Der Beklagte setzte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Grunderwerbsteuerbescheid
vom 25. 2. 2002 die Grunderwerbsteuer auf 194.670 DM fest, nachdem der Bedarfswert des
Grundstücks auf 5.562.000 DM festgestellt worden war. Gegen den Bescheid legte der
Kläger Einspruch ein und führte zur Begründung aus, der Ansatz des Bedarfswertes sei
unzutreffend. Bei Erbbaurechtsverträgen bestimme sich die Bemessungsgrundlage nach
dem Erbbauzins als Wert der Gegenleistung. Die Erbbauzinsverpflichtung sei unter
Berücksichtigung der Laufzeit mit dem Kapitalwert nach § 13 Abs. 1 BewG anzusetzen. Zu
berücksichtigen sei zudem, dass der Kläger bis zum Eintritt der Bedingung, nämlich der
Aufgabe der Nutzung des Grundstücks für soziale Zwecke, von der Zahlung befreit sei.
Damit liege eine freigebige Zuwendung unter Lebenden nach § 3 Nr. 2 GrEStG vor. Der
Beklagte wies den Einspruch am 15. 7. 2002 zurück. Die Gegenleistung sei aufschiebend
bedingt; da sie zunächst nicht zu ermitteln sei, habe die Besteuerung mit dem
Grundbesitzwert zu erfolgen. § 3 Nr. 2 GrEStG greife nicht ein, da der Erwerber durch die
Zuwendung des Erbbaurechts nicht bereichert sei.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger trägt vor:
Die Erbbaurechtsbestellung erfolge solange unentgeltlich, wie das Grundstück für soziale
Zwecke genutzt werde. Wenn die Gemeinde das Grundstück insgesamt unentgeltlich
übertragen hätte, wäre auch keine Grunderwerbsteuer angefallen. Die Einräumung des
Erbbaurechts und die damit verbundene Nutzungsmöglichkeit sei auch mit einer objektiven
Bereicherung des Klägers verbunden. Dies entspreche gerade dem Willen der
Kirchengemeinde. Wenn der Beklagte in der Nutzung für soziale Aufgaben eine
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Gegenleistung sehe, hätte der Wert dieser Gegenleistung ermittelt werden müssen. Eine
Auflage dahingehend, das Grundstück für soziale Aufgaben zu nutzen, habe zu keiner Zeit
bestanden. Sofern die Klägerin eine andere Nutzung vornehme, sei lediglich der
Erbbauzins von 15.915 DM p.a. zu entrichten. Der Tatbestand der Schenkung unter
Auflage sei damit nicht erfüllt. Jedenfalls habe die Klägerin auch ein erhebliches
Eigeninteresse an der Fortführung der Alteneinrichtung auf dem Grundstück. Gehe man
von einer Auflage aus, sei eine Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer von
285.355 DM anzusetzen, es sei nämlich der jährliche Erbbauzins mit dem Faktor von
17,930 auf Grund der Laufzeit des Vertrages von 60 Jahren zu multiplizieren. Dies ergebe
eine Steuer von 5.106,50 EUR.
Der Kläger beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 25. 2. 2002 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 15. 7. 2002 aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Das Grundstück könne nur zu sozialen Zwecken genutzt werden; in dieser sehr
eingeschränkten Nutzung müsse die Gegenleistung gesehen werden. Der Wert der
Nutzungsverpflichtung sei nicht zu ermitteln, so dass der Bedarfswert nach § 138 BewG
anzusetzen sei. Ein Wille zur Unentgeltlichkeit i.S. einer Bereicherungsabsicht könne hier
nicht angenommen werden. Der Kläger könne nicht frei über das Grundstück verfügen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtswidrig
und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
Zu Unrecht hat der Beklagte Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Erbbaurechts
festgesetzt. Denn der Erwerb durch die Klägerin erfolgte - zunächst - unentgeltlich mit der
Folge, dass die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG eingreift.
Der Kläger hat das Erbbaurecht auf Grund freigebiger Zuwendung der Kirchengemeinde
erworben. Durch den Erwerb des Erbbaurechts und der damit verbundenen Nutzung des
Grundstücks für den Betrieb des Altenheims ist er objektiv bereichert. Diese Bereicherung
ist ihm unentgeltlich zugewendet worden. Denn eine Gegenleistung ist hierfür nicht
vereinbart worden.
Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt sich die Einschränkung der Nutzung des
Grundstücks durch den Kläger - Wahrnehmung sozialer Aufgaben für bedürftige Menschen
- nicht als Gegenleistung dar. Zwar handelt es sich bei der von beiden Vertragsparteien
angestrebten weiteren Nutzung des Grundbesitzes für soziale und karitative Zwecke um
ein Motiv, das der vertraglichen Vereinbarung zu Grunde lag. Die Kirchengemeinde wollte
sich der wirtschaftlichen Belastung durch den Betrieb eines Altenheims entledigen; der
Kläger war auch wirtschaftlich und nach seiner Satzung in der Lage, diesen Betrieb
fortzuführen. Eine rechtliche Verknüpfung dahingehend, dass der Erwerb des Erbbaurechts
von dem Fortbestand des Altenheims oder die weitere Nutzung für soziale Zwecke
abhängen sollte, ist aber gerade nicht vereinbart worden. Es stand dem Kläger nach dem
Inhalt des Vertrages jederzeit frei, die bisherige Nutzung zu beenden und das Grundstück
anderweitig zu nutzen. Anders als bei einer Schenkung unter Auflage i.S. von § 3 Nr. 2
Satz 2 GrEStG war die Übertragung des Erbbaurechts nicht an ein bestimmtes Verhalten
des Klägers, nämlich den weiteren Betrieb des Heims, geknüpft.
Auch der Erbbauzins stellt derzeit keine Gegenleistung i.S. von §§ 9 Abs. 1, 8 Abs. 1
GrEStG dar. Denn die Kirchengemeinde hat nach § 16 Nr. 4 des Vertrages auf den
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Erbbauzins so lange verzichtet, wie der Kläger das Altenheim weiter betreibt. Diese
Regelung hat zur Folge, dass die Gegenleistung unter einer aufschiebenden Bedingung,
nämlich der Aufgabe der Nutzung des Grundstücks für soziale Zwecke, steht. Zwar kann
auch eine aufschiebend bedingte Verpflichtung Gegenleistung i.S. der §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1
GrEStG sein; dies aber erst dann, wenn sie mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung
zivilrechtlich wirksam geworden ist. Mit Eintritt der Bedingung wird dann ein neuer
Steuertatbestand i.S. von § 38 AO erfüllt, der die Steuerfestsetzung durch einen
selbstständigen Steuerbescheid zulässt und gebietet (BFH Urteile vom 4. April 2001II R
22/99 BFH/NV 2001,1146; vom 22. November 1995 II R 26/95 BFHE 179,177 BStBl II
1996,162).
Im Streitfall ist die Gegenleistung zivilrechtlich noch nicht wirksam geworden. Denn der
Kläger nutzt das Grundstück wie bereits die Kirchengemeinde für den Betrieb des
Altenheims weiter. Erst bei Aufgabe dieser Nutzung durch den Kläger wird der
Steuertatbestand erfüllt.
Die Vereinbarung stellt sich auch nicht als bloßes Hinausschieben der Fälligkeit der
Gegenleistung dar (vgl. Pahlke/Franz § 8 GrEStG Tz. 19; BFH Urteil vom 22. Januar 1997 II
R 23/96 BFH/NV 1997,705). Vielmehr entsprach es dem Willen von Veräußerer und
Erwerber, dass der Kläger das Erbbaurecht unentgeltlich erhalten sollte, wenn er die von
beiden Vertragsparteien angestrebte Nutzung des Grundstücks aufrecht erhielt. Erst bei
einer Nutzungsänderung entfällt das Motiv für die unentgeltliche Übertragung und damit der
Wille der Kirchengemeinde als Veräußerin, das Erbbaurecht dem Kläger freigebig
zuzuwenden. Dies ergibt sich auch daraus, dass für den Zeitraum vor Nutzungsänderung
nicht rückwirkend ein Entgelt in Form einer nachträglichen Zahlung von Erbbauzinsen zu
leisten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.