Urteil des FG Düsseldorf vom 20.11.2003

FG Düsseldorf (Unechte Rückwirkung, Steuerliche Vergünstigung, Abfindung, Gesetzesänderung, Steuersatz, Bundesrat, Auszahlung, Rechtsstaatsprinzip, Gestaltungsspielraum, Einspruch)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 15 K 2182/01 E
20.11.2003
Finanzgericht Düsseldorf
15. Senat
Urteil
15 K 2182/01 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d:
Die Beteiligten streiten um die ermäßigte Besteuerung einer Abfindung.
Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger
war seit dem 01.02.1989 bei einer Tochtergesellschaft der "L-AG" als Geschäftsführer
beschäftigt. Mit Abwicklungsvertrag vom 16.12.1998 wurde ihm im Rahmen der Kündigung
des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 750.000,00 DM zugesagt. Diese
wurde auf Wunsch des Klägers am 30.03.1999 mit dem Gehalt für den Monat März
ausgezahlt, da er im Jahre 1998 bereits über ein hohes zu versteuerndes Einkommen
verfügte und seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Jahr 1999 deutlich niedriger
waren. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten befindliche
Abfindungsvereinbarung verwiesen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 beantragten die Kläger, einen
Betrag von 726.000,00 DM (= 750.000,00 DM ./. 24.000,00 DM) nach § 34 Abs. 1
Einkommensteuergesetz - EStG - in der bis einschließlich 31.12.1998 geltenden Fassung
(§ 34 Abs. 1 EStG a. F.) mit dem halben Steuersatz zu besteuern. Von ihrem Antragsrecht
auf Anwendung der ab 01.01.1999 geltenden Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG n. F.)
machten die Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises des Beklagten ausdrücklich
keinen Gebrauch. Mit Einkommensteuerbescheid vom 16.11.2000 setzte daraufhin der
Beklagte - das Finanzamt "F-Stadt" - die Einkommensteuer für das Streitjahr ohne
Anwendung der Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG n. F. fest.
Am 08.12.2000 legten die Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom
16.11.2000 ein. Zur Begründung trugen sie im wesentlichen vor, dass die im Gesetz
angeordnete rückwirkende Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG n. F. auf den 01.01.1999
verfassungswidrig sei. Sie hätten nicht damit gerechnet, dass im März/April 1999 eine
Gesetzesänderung mit rückwirkender Kraft verabschiedet werde. Es liege ein Verstoß
gegen das Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG - vor.
Mit Einspruchsentscheidung vom 06.03.2001 wies der Beklagte den Einspruch als
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unbegründet zurück. In seiner Einspruchsentscheidung führte er aus, dass keine
verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden, da vorliegend lediglich eine unechte
Rückwirkung gegeben sei. Denn die Einkommensteuer als Jahressteuer entstehe erst mit
Ablauf des Kalenderjahres. Außerdem seien die Kläger bereits im Rahmen der
Abfindungsvereinbarung auf mögliche Gesetzesänderungen hingewiesen worden und das
Gesetz sei vor Auszahlung der Abfindung verkündet gewesen. Die Änderungen durch das
Steuerentlastungsgesetz - StEntlG - seien darüber hinaus schon im Laufe des Jahres 1998
diskutiert worden. Eine rechtsstaatswidrige Rückwirkung liege daher im Ergebnis nicht vor.
Mit ihrer dagegen gerichteten Klage sind die Kläger der Auffassung, ihr Vertrauen auf das
im Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindung geltende Recht sei schutzwürdig. Bis zum
24.03.1999 sei aufgrund zahlreicher Änderungen im Gesetzgebungsverfahren nicht klar
gewesen, wie die Neuregelung letztlich aussehen werde. Nicht die Gesetzesinitiative und
die dazu erfolgte Berichterstattung, sondern erst der Gesetzesbeschluss des Bundestags
könnten daher einen ihrerseits bestehenden Vertrauensschutz zerstören. Hätten sie
gewusst, dass die steuerliche Vergünstigung des § 34 EStG im Jahr 1999 rückwirkend zum
Jahresanfang abgeschafft werde, hätten sie sich die Abfindung noch im Jahr 1998
auszahlen lassen. Aufgrund der rückwirkenden Änderung hätten sie ihr Handeln aber nicht
mehr auf die Rechtsänderung einstellen können. Der Gesetzgeber müsse jedoch für den
Fall, dass eine Neuregelung sich erkennbar nachteilig auf die Rechtsposition eines oder
mehrerer Steuerpflichtigen auswirke, eine Übergangsregelung schaffen. Dies habe er
schließlich mit § 52 Abs. 5 EStG in der für das Streitjahr 1999 geltenden Fassung auch für
den Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG getan. Zudem sei die unterschiedliche Behandlung von
Abfindungen und Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinnen höchst bedenklich. Dies müsse
insbesondere vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die kurzzeitige Versagung des
halben Steuersatzes für die Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne in den Jahren 1999 und
2000 verfassungsrechtlich keinen Bestand habe.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16.11.2000 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 06.03.2001 dahingehend zu ändern, dass die Abfindung in
Höhe von 726.000,00 DM mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz besteuert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, die Neuregelung sei nicht verfassungswidrig zum 01.01.1999 in Kraft getreten.
Eine echte Rückwirkung liege nicht vor, da durch die Gesetzesänderung nicht zu Lasten
der Kläger in einen bereits abgeschlossenen Lebenssachverhalt eingegriffen werde. Zum
Lebenssachverhalt gehöre nämlich nicht nur der Vertragsabschluss, sondern auch die
tatsächliche Auszahlung des Abfindungsbetrags am 30.03.1999. Zudem sei zum Zeitpunkt
des Abschlusses des Auflösungsvertrags am 16.12.1998 die geplante Gesetzesänderung
bereits absehbar gewesen. Die bevorstehenden Änderungen seien ab Oktober 1998
umfangreich in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Auch werde in der
Abfindungsvereinbarung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Versteuerung nach
den im Auszahlungszeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften zu erfolgen habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie die Einspruchsentscheidung vom 06.03.2001 verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte hat auf die am 30.03.1999 zugeflossene Abfindungszahlung die Anwendung
des § 34 Abs. 1 EStG a. F. zu Recht abgelehnt. Dies begegnet auch keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
1. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - zum sog.
"Ankündigungseffekt" ist das rückwirkende Inkrafttreten des § 34 EStG n.F. nach § 52 Abs.
47 EStG auf den 01.01.1999 verfassungsgemäß. Dies gilt jedenfalls soweit, als hiervon
Entschädigungen erfasst werden, die zu einem Zeitpunkt vereinbart wurden, in dem die
beabsichtigte Änderung des § 34 Abs. 1 EStG a. F. bekannt geworden war und damit kein
schutzwürdiges Vertrauen auf ein Fortgelten der bis zum 31.12.1998 geltenden Rechtslage
mehr bestand.
a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zwischen echter
und unechter Rückwirkung bzw. Rückbewirkung der Rechtsfolgen und tatbestandlicher
Rückanknüpfung zu unterscheiden. Erstere liegt vor, wenn der Eintritt nachteiliger
Rechtsfolgen auf einen Zeitraum vor der Verkündung des Gesetzes erstreckt wird. Von
einer unechten Rückwirkung bzw. einer tatbestandlichen Rückanknüpfung ist hingegen
auszugehen, wenn das Gesetz auf in der Vergangenheit begründete, aber noch nicht
abgeschlossene Sachverhalte einwirkt (Beschluss des BVerfG vom 03.12.1997 2 BvR
882/97, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfGE - 97, 67, Finanzrundschau - FR - 1998, 377; Beschluss des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 09.05.2001 XI B 151/00, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2001, 552).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind vorliegend die zur
unechten Rückwirkung bzw. tatbestandlichen Rückbewirkung entwickelten
Rechtsgrundsätze anzuwenden, weil die Einkommensteuer erst mit Ablauf des
Veranlagungszeitraums (hier des 31.12.1999) entsteht und die Auszahlung als solche erst
im März 1999 erfolgt ist (vergleiche Urteil des BVerfG vom 14.05.1986 2 BvL 2/83, BStBl II
1986, 628; Urteil des BFH vom 25.06.1992 IV R 9/92, BStBl II 1992, 702).
b. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es auch im Falle einer
unechten Rückwirkung vor dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes einer besonderen
Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit
zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird im allgemeinen in
seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als einer Grundbedingung
freiheitlicher Verfassung enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene
Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der
Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Belastende Steuergesetze - dazu
gehören auch solche, die eine Vergünstigung einschränken oder aufheben - dürfen daher
ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht auf bereits abgeschlossene Tatbestände erstrecken
oder schutzwürdiges Vertrauen ohne hinreichende Rechtfertigung anderweitig
enttäuschen. Dies ist im Fall einer unechten Rückwirkung nur möglich, wenn das Vertrauen
des Einzelnen in die Fortgeltung der Rechtslage nicht schutzwürdig ist und die öffentlichen
Belange, die eine nachträgliche Änderung rechtfertigen, das Vertrauen in die bestehende
günstige Rechtslage überwiegen (Beschluss des BVerfG vom 05.02.2002 2 BvR 305,
348/93, FR 2002, 1011; Urteil des BVerfG vom 03.12.1997 2 BvR 882/97, Neue Juristische
Wochenschrift - NJW - 1998, 1547).
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c. Der Senat ist der Auffassung, dass im Streitfall ein Vertrauen der Kläger in die
Fortgeltung des § 34 EStG a. F. hinter die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers
zurückzutreten hat, weil das Vertrauen der Kläger im Zeitpunkt der Disposition (Abschluss
der Abfindungsvereinbarung am 16.12.1998) nicht mehr verfassungsrechtlich geschützt
war. Vielmehr steht dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang unter Berücksichtigung
des Ankündigungseffekts ein beträchtlicher Gestaltungsspielraum zu, den dieser nach
Meinung des erkennenden Senats durch die rückwirkende Anwendung des § 34 EStG n. F.
auf die ab dem 01.01.1999 geleisteten Abfindungszahlungen in verfassungsgemäßer
Weise genutzt hat (so auch Beschluss des BFH vom 27.08.2002 XI B 94/02,
Bundessteuerblatt II 2003, 18).
aa. Dem Gesetzgeber ist es von Verfassungs wegen grundsätzlich möglich, im Wege
tatbestandlicher Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) unter Änderung künftiger
Rechtsfolgen auf veränderte soziale Gegebenheiten mit einer Gesetzesänderung zu
reagieren. Dies gilt insbesondere, wenn aufgrund veränderter Verhältnisse ein ursprünglich
mit der Steuervergünstigung verfolgter Zweck wegfällt oder ein seit dem Inkrafttreten des
Gesetzes eingetretener Missstand aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen
steuerlichen Belastungsgleichheit (Artikel 3 Abs. 1 GG; Urteil des BVerfG vom 03.12.1997
2 BvR 882/97, NJW 1998, 1547) beseitigt werden soll. Solchen Zwecken diente die
Neufassung des § 34 Abs. 1 EStG. Die tarifbegünstigte Besteuerung nach § 34 EStG a. F.
sollte ausschließlich der Progressionsglättung bei einem zusammengeballtem Zufluss von
Einkünften dienen, die typischerweise über mehrere Veranlagungszeiträume erzielt oder
erwirtschaftet werden (vgl. Urteil des BFH vom 06.09.2000 XI R 19/00, BFH/NV 2001, 431).
Sie hatte jedoch zu - seit Jahren erkannten - unberechtigten Steuervorteilen bei solchen
Steuerpflichtigen geführt, die auf Grund ihrer regulären hohen Einkommen ohnehin dem
höchsten Steuersatz unterlagen, bei denen die hohe Steuerprogression also nicht durch
den zusammengeballten Zufluss von außerordentlichen Einkünften veranlasst war
(Beschluss des BFH vom 27.08.2002 XI B 94/02, Bundessteuerblatt II 2003, 18). Dem
Gesetzgeber ist daher ein Gestaltungsspielraum einzuräumen, um dieser aus Sicht der
Steuergerechtigkeit als misslich empfundenen Rechtsfolge durch eine Gesetzesänderung
alsbald abzuhelfen.
bb. Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Disposition des Klägers
(16.12.1998) die Änderung des § 34 Abs. 1 EStG bereits hinreichend festgestanden hat.
Über das nach dem Regierungswechsel im Herbst 1998 beabsichtigte
Steuersenkungsprogramm, dass zur Änderung des § 34 EStG - u. a. als
Gegenfinanzierungsmaßnahme - führte, war in den Medien ausführlich berichtet worden.
Der Fraktionsentwurf für das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurde dem
Bundestag am 09.11.1998 und der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung
dem Bundesrat am 20.11.1998 zugeleitet. Die erste Lesung im Bundestag fand am
13.11.1998 statt. Bis Ende 1998 hatten Finanz- und Haushaltsausschuss den
Gesetzentwurf beraten. Aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag
und Bundesrat war mit Änderungen des Gesetzesentwurfs im weiteren Verfahren nicht
mehr zu rechnen.
Da der Veranlagungszeitraum dem Kalenderjahr entspricht (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG),
erweist sich die rückwirkende Anwendung des § 34 EStG n. F. auf den 01.01.1999 für im
Veranlagungszeitraum 1999 geleistete Abfindungszahlungen daher als
verfassungsmäßige Ausgestaltung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, soweit
die zugrundeliegende Vereinbarung jedenfalls nach dem 20.11.1998 getroffen worden ist.
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cc. Das Vertrauen der Kläger in die Fortgeltung der alten Rechtslage ist zudem auch nicht
schutzwürdig, weil der Kläger bei Vereinbarung der Abfindungszahlung eine Gestaltung
wählte, die erst im folgenden Veranlagungszeitraum steuerlich zum Tragen kam. Ein
Steuerpflichtiger, der zur Erzielung steuerlicher (Progressions-) Vorteile Einnahmen gezielt
in spätere Jahre verlagert, trägt im Hinblick auf die nach § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG geltende
Abschnittsbesteuerung das Risiko einer bis dahin geänderten Rechtslage. Er kann sich
jedenfalls nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn ein Zufluss der Abfindung - wie hier
zwischen den Beteiligten unstreitig - noch im Jahr 1998 möglich gewesen wäre.
2. Die von den Klägern in ihrer Klageschrift und in der mündlichen Verhandlung angeführte
Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis.
a. Die Entscheidung des BFH vom 05.03.2001 IX B 90/00, BStBl II 2001, 405 erging zur
Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a EStG. Der Beschluss des Finanzgerichts Münster vom 15.11.2000 unter den Az.
4 V 1612/00 E und 4 V 1617/00 E, EFG 2001, 77 bezog sich auf die
Verlustverrechnungsregelung des § 2 Abs. 3 EStG. Der Senat setzt sich auch nicht in
Widerspruch zu dem Vorlagebeschluss des BFH vom 06.11.2002 XI R 42/01, BStBl 2003,
257. Danach verstoßen die Regelungen der §§ 34 Abs. 1 EStG n. F., 52 Abs. 47 EStG nur
insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), als sie Entschädigungen
erfassen, die nach dem Beschluss des Gesetzes zur Fortsetzung der
Unternehmensteuerreform - UntStRFogG - durch den Bundestag am 05.08.1997 und vor
Zuleitung des Regierungsentwurfs zum StEntlG 1999/2000/2002 an den Bundesrat am
20.11.1998 vereinbart und im Veranlagungszeitraum 1999 ausgezahlt worden sind. Denn
anders als im hier zu entscheidenden Fall war in diesem Zeitraum mit einer
Gesetzesänderung gerade nicht zu rechnen.
c. Der Hinweis auf die (angeblich) verfassungswidrige Lage bei der Besteuerung von
Veräußerungsgewinnen vermag gleichfalls nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass
die Sach- und Rechtslage (Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, 5 EStG und
Stichtagsprinzip gegenüber Überschussermittlung nach §§ 8, 9 EStG und Zuflussprinzip
nach § 11 Abs. 1 EStG) nicht vergleichbar ist, hat der Bundesfinanzhof in dem zeitweisen
Wegfall des halben Steuersatzes in den Jahren 1999 und 2000 keinen Verstoß gegen das
GG gesehen (vgl. Beschlüsse des BFH vom 21.01.2003 X B 106/02, BFH/NV 2003, 618
und vom 25.03.2003 III B 130/02, BFH/NV 2003, 773). Gegen die Verfassungsmäßigkeit
des § 34 Abs. 1 EStG a. F. spricht auch nicht, dass der Gesetzgeber den ermäßigten
Steuersatz auf Veräußerungsgewinne unter geänderten Voraussetzungen und unter
Ausgestaltung als Sozialzwecknorm zur Sicherung einer Altersvorsorge ab dem
Veranlagungszeitraum 2001 wieder eingeführt hat. Das Verhalten des Gesetzgebers kann
unter Berücksichtigung des geänderten Regelungszwecks und der Einführung des
Halbeinkünfteverfahrens nicht als willkürlich angesehen werden.
3. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des BFH und des BVerfG sieht der
erkennende Senat daher keine Anhaltspunkte für eine verfassungswidrige Rückwirkung.
Da im vorliegenden Fall die Abfindungsvereinbarung erst im Dezember 1998 und somit
nach dem vom BFH als maßgeblich angesehenen Zeitpunkt - Zuleitung des
Gesetzesentwurfs an den Bundesrat am 20.11.1998 - getroffen wurde, ist der Senat -
ebenso wie der BFH mit Beschluss vom 27.08.2002 XI B 94/02, Bundessteuerblatt II 2003,
18 - der Auffassung, dass das Vertrauen der Kläger in den Bestand der bisherigen
Rechtslage (halber Steuersatz) nicht bis zum Zeitpunkt des endgültigen
Gesetzesbeschlusses über die Neuregelung am 04.03.1999 verfassungsrechtlich
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geschützt war.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -. Die
Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
zuzulassen, da die Rechtslage seit der Entscheidung des BFH vom 27.08.2002 XI B 94/02,
Bundessteuerblatt II 2003, 18 höchstrichterlich geklärt ist.