Urteil des FG Düsseldorf vom 25.06.2004

FG Düsseldorf (Stille Reserven, Wesentliche Beteiligung, Kapitalerhöhung, Privatentnahme, Einlage, Stillen, Nennwert, Privatvermögen, Anteil, Stammkapital)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 8 K 2277/00 E
25.06.2004
Finanzgericht Düsseldorf
8. Senat
Urteil
8 K 2277/00 E
Dadurch, dass der Sohn der Kläger anlässlich der am 04.11.1994
beschlossenen Kapitalerhöhung der T B GmbH einen Kapitalanteil
erworben hat, der seine bisherige Beteiligungsquote übersteigt, ist es zu
einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Klägers gekommen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der
Kläger war im Streitjahr Inhaber eines Einzelunternehmens. Daneben erzielten die
Eheleute Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung.
Mit notariellem Vertrag vom 10.02.1978 gründete der Kläger zusammen mit seinem Sohn
die Firma T B GmbH mit einem Stammkapital von 100.000 DM. An der Gesellschaft waren
der Kläger zu 80 % und sein Sohn zu 20 % beteiligt. In der Folgezeit verpachtete der Kläger
der GmbH sämtliche Betriebsgrundstücke und das Anlagevermögen seines
Einzelunternehmens und begründete damit eine Betriebsaufspaltung zwischen beiden
Unternehmen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Betriebsaufspaltung auch
im Streitjahr 1994 bestand. Die GmbH-Anteile erfasste der Kläger im Betriebsvermögen
seines Einzelunternehmens. Der Sohn hielt seine Beteiligung im Privatvermögen.
Mit notariellem Vertrag vom 04.11.1994 beschloss die Gesellschafterversammlung der
GmbH eine Kapitalerhöhung von 100.000 DM. Die Eintragung der Kapitalerhöhung im
Handelsregister erfolgte am 09.12.1994. Die neuen Stammeinlagen wurden zum Nennwert
ohne Zahlung eines Aufgeldes für stille Reserven vom Kläger in Höhe von 40.000 DM und
vom Sohn in Höhe von 60.000 DM übernommen. Nach der Kapitalerhöhung waren der
Kläger zu 60 % und sein Sohn zu 40 % an der GmbH beteiligt.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Einzelunternehmens des Klägers vertrat der
Betriebsprüfer die Auffassung, dass 20 % der stillen Reserven der GmbH-Anteile des
Klägers im Zuge der Kapitalerhöhung unentgeltlich auf den Sohn übergegangen seien.
Unter Hinweis auf den Erlass des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
22.01.1985 (Az. S 1978 - 39 V B 1; Bundessteuerblatt - BStBl - I 1985, 97) beurteilte der
Betriebsprüfer diesen Vorgang als eine Privatentnahme beim Einzelunternehmen und
ermittelte einen Entnahmegewinn von 411.469 DM. Entsprechend erhöhte er den Gewinn
des Einzelunternehmens. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den
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Betriebsprüfungsbericht vom 29.12.1997 verwiesen.
Der Beklagte wertete die Prüfungsfeststellungen aus und erließ einen geänderten
Einkommensteuerbescheid für 1994, gegen den die Kläger fristgerecht Einspruch
einlegten. Mit Einspruchsentscheidung vom 16.03.2000 änderte der Beklagte den
Einkommensteuerbescheid 1994 insoweit ab, als er für den Kläger einen Entnahmegewinn
von nunmehr 380.660 DM ermittelte. Wegen der Einzelheiten dieser Gewinnermittlung wird
auf die Einspruchsentscheidung vom 16.03.2000 Bezug genommen. Im Übrigen wies er
den Einspruch unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
16.04.1991 (VIII R 63/87, BStBl II 1991, 832) als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage wenden sich die Kläger nur noch gegen die Erfassung des
Entnahmegewinns durch den Beklagten. Dazu tragen sie wie folgt vor: Im Streitfall seien
die Voraussetzungen für eine Privatentnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - nicht gegeben. Der Beklagte verkenne, dass nach der
Rechtsprechung des BFH die Privatentnahme einen Realakt voraussetze, der nicht allein
durch eine Kapitalerhöhung begründet werden könne. Auch stille Reserven als solche
seien kein entnahmefähiges Wirtschaftsgut im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 EStG. Zwar habe
der BFH in seinem Urteil vom 16.04.1991 (a.a.O.) eine Entnahme bejaht, wenn der
Unternehmer des Besitzunternehmens es einer nahestehenden Person ermögliche, Anteile
an der Betriebsgesellschaft gegen Leistung einer Einlage zu erwerben, die niedriger sei als
der Wert der übernommenen Anteile. Diese Grundsätze seien auf den vorliegenden
Streitfall aber nicht übertragbar. Denn im Gegensatz zu dem dem BFH zur Entscheidung
vorgelegten Sachverhalt sei im Streitfall eine Besteuerung der im Zuge der
Kapitalerhöhung auf die Anteile des Sohnes übergegangenen stillen Reserven
gewährleistet gewesen, da dieser nach der Kapitalerhöhung mit 40 % und damit wesentlich
i.S.d. § 17 EStG an der GmbH beteiligt gewesen sei.
Erstmals in der mündlichen Verhandlung haben die Kläger zudem Einwendungen gegen
die Höhe des vom Beklagten ermittelten Entnahmegewinns, insbesondere gegen die
Anwendung des Stuttgarter Verfahrens bei der Wertermittlung der GmbH-Anteile, erhoben.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 24.07.1998 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 16.03.2000 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus
Gewerbebetrieb um 380.660 DM gemindert werden,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, von den im Betriebsvermögen des Klägers gehaltenen
GmbH-Anteilen seien anteilig stille Reserven auf die neu an den Sohn ausgegebenen und
von diesem in seinem Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteile überführt worden. Diese
Vermögensverschiebung sei unentgeltlich erfolgt, da der Sohn die neu ausgegebenen
Anteile ohne die Zahlung eines entsprechenden Aufgeldes übernommen habe. Dieser
Vorgang stelle sich als Entnahme beim Einzelunternehmen dar.
Das Gericht hat die Steuerakten der GmbH zum Verfahren beigezogen.
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Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet gemäß § 99 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - durch
Zwischenurteil über den Grund des Steueranspruchs. Zwischen den Beteiligten sind
sowohl der Grund des Steueranspruchs als auch dessen Höhe streitig. Die Frage, ob es zu
einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Klägers dadurch gekommen ist, dass der
Sohn des Klägers anlässlich der am 04.11.1994 beschlossenen Kapitalerhöhung der
GmbH einen Kapitalanteil erworben hat, der seine bisherige Beteiligungsquote übersteigt,
ist entscheidungsreif. Hinsichtlich der Höhe des Gewinns sind weitere Ermittlungen
erforderlich.
Der Steueranspruch des Beklagten ist dem Grunde nach zu bejahen. Der Beklagte hat zu
Recht eine Privatentnahme beim Einzelunternehmen des Klägers erfasst.
1. Ermöglicht es der Inhaber bzw. ein Gesellschafter des Besitzunternehmens einem
Angehörigen, einen Teil des zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehörenden
Anteils an der Betriebs-GmbH gegen Leistung einer Einlage zu übernehmen, die niedriger
ist als der Wert des übernommenen Anteils, so liegt eine Entnahme in Höhe der Differenz
zwischen dem Wert des übernommenen Anteils und der geleisteten Einlage vor (Urteil des
BFH v. 16.04.1991, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Dadurch, dass der Kläger es seinem
Sohn ermöglicht hat, im Zuge der Kapitalerhöhung Anteile an der GmbH zum Nennwert
ohne die Zahlung eines Aufgeldes für stille Reserven in einem Umfang zu übernehmen,
der dessen bisherige Beteiligungsquote an der GmbH überstieg, hat er seinem
Einzelunternehmen Vermögenswerte für einen Angehörigen, mithin für betriebsfremde
Zwecke, entnommen (§ 4 Abs. 1 S. 2 EStG). Diesem Ergebnis liegen folgende
Erwägungen zu Grunde: Vor der Kapitalerhöhung war der Kläger mit 80 % am
Stammkapital der GmbH sowie an deren stillen Reserven beteiligt (vgl. insoweit Urteil des
BFH vom 08.04.1992 I R 162/90, BStBl II 1992, 764). Eine solche Beteiligung beinhaltet
nach herrschender gesellschaftsrechtlicher Auffassung (s. Scholz, GmbH-Gesetz, 9. A.
2002, § 55 Rn. 41; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. A. 1996, § 55 Rn. 13) - für den
Fall einer Kapitalerhöhung - ein Bezugsrecht des Gesellschafters auf das erhöhte
Stammkapital bzw. eine Anwartschaft auf Teilnahme an der Kapitalerhöhung entsprechend
seinem bisherigen Geschäftsanteil (s. auch: Urteil des Finanzgerichts - FG - Münster vom
22.03.1995 13 K 97/93, Entscheidungen der FG - EFG - 1995, 794; Scholz, a.a.O., § 55 Rn.
41; Baumbach/Hueck, a.a.O., § 55 Rn. 13). Dieses Recht auf Teilhabe an der
Kapitalerhöhung hat der Kläger nicht in Höhe seiner bisherigen Beteiligungsquote
ausgeübt. Vielmehr hat er zu Gunsten seines Sohnes teilweise auf dieses Recht verzichtet,
indem er von den neu ausgegebenen Stammanteilen nicht einen Anteil von 80.000 DM
übernommen hat - was seiner bisherigen Beteiligungsquote entsprochen hätte -, sondern
lediglich einen Anteil im Nennwert von 40.000 DM; seine Gesamtbeteiligung hat sich
dadurch von 80 % auf 60 % reduziert. Da die neuen Anteile zum Nennwert ausgegeben
wurden und damit zu einem niedrigeren Kurs, als es ihrem inneren Wert entsprach,
verminderte sich der Substanzwert der alten Anteile des Klägers. Die in ihnen enthaltenen
stillen Reserven sind teilweise den neuen Anteilen zugeflossen (vgl. Urteil des BFH vom
05.03.1986, I R 218/81, n. v., Leitsatz 6; Scholz, a.a.O., § 55 Rn. 42). Da darüber hinaus die
neuen Anteile, soweit sie der Sohn des Klägers übernommen hat, kein Betriebsvermögen
darstellten, ist es durch den teilweisen Verzicht des Klägers auf sein Bezugsrecht zu einer
Entnahme dieses Rechts aus dem Betriebsvermögen gekommen (ebenso: Urteil des FG
Münster v. 15.03.2001, 7 K 5316/98 E, EFG 2003, 708).
2. Entgegen der Auffassung der Kläger kann eine Versteuerung der auf die Anteile des
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Sohnes übergegangenen Vermögenswerte auch nicht deshalb unterbleiben, weil dieser
nach Durchführung der Kapitalerhöhung mit 40 % an der GmbH beteiligt war und damit
eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG (in der damals geltenden Fassung)
hielt. Denn dies ändert nichts daran, dass es sich um die Überführung von
Vermögenswerten aus einem Betriebsvermögen in ein Privatvermögen handelt. Im Übrigen
wäre trotz der wesentlichen Beteiligung des Sohnes eine Besteuerung der auf seine
Anteile übergegangenen Vermögenswerte nicht sichergestellt. Für den Sohn bestand
jederzeit die Möglichkeit, zumindest den unter der Bagatellgrenze des § 17 EStG liegenden
Anteil an der GmbH steuerfrei zu veräußern. Darüber hinaus hätten sich im Zuge der
Durchführung weiterer Kapitalerhöhungen und der Aufnahme neuer Gesellschafter die
Beteiligungsverhältnisse an der GmbH dergestalt verändern können, dass der Sohn keine
wesentliche Beteiligung mehr hielt und danach eine Veräußerung seines Anteils sogar
insgesamt steuerfrei möglich gewesen wäre.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
4. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung wegen
grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Frage, ob die Zurechnung eines
Entnahmegewinns unterbleiben kann, wenn ein Gesellschafter des Besitzunternehmens es
einem Angehörigen im Zuge einer Kapitalerhöhung ermöglicht, einen Teil des zum
Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehörenden Anteils an der Betriebs-GmbH
gegen Leistung einer unter dem Wert des übernommenen Anteils liegenden Einlage zu
übernehmen, der Angehörige nach dem Anteilserwerb aber eine wesentliche Beteiligung
im Sinne des § 17 EStG an der Betriebs-GmbH hält, ist vom BFH bisher nicht entschieden
worden. Auch über die Revision gegen das Urteil des FG Münster vom 15.03.2001 (Az. des
BFH: III R 8/03) ist noch nicht entschieden worden.