Urteil des FG Düsseldorf vom 05.12.2002

FG Düsseldorf (Abschreibung, Wechsel, Wahlrecht, Vermietung, Verpachtung, Nummer, Bemessungsgrundlage, Steuererklärung, Einkünfte, Programm)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 8 K 4697/00 E
05.12.2002
Finanzgericht Düsseldorf
8. Senat
Urteil
8 K 4697/00 E
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 29.
November 1999 und der Einspruchsentscheidung vom 04. Juli 2000 wird
die Einkommensteuer 1998 auf 29.721,40 EUR (58.130 DM)
herabgesetzt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
Die Kläger sind Eigentümer einer Eigentumswohnung in der A-Str. in B . Nach Erwerb des
Grundstücks am 12. Dezember 1995 und Fertigstellung des Gebäudes zum 01.03.1997
machten die Kläger in der Einkommensteuererklärung für 1997 Absetzungen für Absetzung
-AfA- nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -EStG- (lineare AfA) mit 2 % geltend,
indem sie auf dem Formular der Anlage V in der Zeile 35 die Kästchen vor den
Auswahlmöglichkeiten "linear" und "lt. besonderem Blatt" ankreuzten und den AfA-Betrag
mit 4.614 DM ansetzten. Auf dem besonderen Blatt war die AfA-Bemessungsgrundlage mit
230.680,88 DM errechnet worden. Der Einkommensteuerbescheid für 1997 erging
erklärungsgemäß und wurde bestandskräftig. In der Einkommensteuererklärung für 1998
beantragten die Kläger für das Objekt nunmehr die degressive AfA gem. § 7 Abs. 5 EStG
mit 7 % zuzügl. der Nachholung für das Jahr 1997 mit 5 %. Auf Grund nachträglicher
Herstellungskosten hatte sich die AfA-Bemessungsgrundlage auf 233.710 DM erhöht; der
als Werbungskosten geltend gemachte AfA-Betrag belief sich demnach auf (12 % von
233.710 DM =) 28.045 DM. Der Beklagte berücksichtigte wie im Vorjahr die lineare AfA
nach § 7 Abs. 4 EStG mit 4.614 DM und lehnte im Einkommensteuerbescheid 1998 den
Ansatz der degressiven AfA mit der Begründung ab, dass eine Änderung der AfA-Methode
nach dem Ausüben des Wahlrechtes unzulässig sei.
Die Kläger legten gegen den Bescheid Einspruch ein und führten aus, in ihrem Fall
handele es sich nicht um einen Wechsel der AfA-Methode, sondern um die Berichtigung
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eines Irrtums. Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Kläger tragen vor:
Auf Grund ihrer Einkommenssituation sei im Hinblick auf das zu erwerbende
Vermietungsobjekt von vornherein die höchstmögliche Abschreibung beabsichtigt
gewesen. Demgemäß sei die mit der Erstellung der Steuererklärung beauftragte
Mitarbeiterin ihres Steuerberaters angewiesen worden, die Abschreibung gem. § 7 Abs. 5
EStG in Ansatz zu bringen. Auch ihre Einkommensteuererklärung sei mittels EDV nach
DATEV-Programmen erstellt worden. Bei der Eingabe der Gebäudeabschreibung führe
das Programm sämtliche AfA-Varianten untereinander auf und versehe sie mit einer
fortlaufenden Nummer. Dem Bearbeiter obliege es nun, diese laufende Nummer
einzugeben, wodurch die Abschreibungsart festgelegt werde. Durch die anschließende
Eingabe des Rechtsstandes, des AfA-Beginnes und der Bemessungsgrundlage errechne
das Programm die Abschreibung automatisch und übertrage das Ergebnis in die
entsprechende Anlage V.
Bei der Eingabe der entscheidenden Nummer zur Festlegung der Abschreibungsart habe
sich die Sachbearbeiterin insoweit vertan, als nicht die laufende Nummer für die AfA gem. §
7 Abs. 5, sondern diejenige gem. § 7 Abs. 4 EStG eingegeben worden sei. Auf Grund
dieses Irrtums habe das Programm die falsche AfA ermittelt. Erst bei der Durchsicht der
Unterlagen der Kläger zur Erstellung der Einkommensteuererklärung für 1998 sei der
Sachbearbeiterin aufgefallen, dass die Abschreibung im Vorjahr falsch eingegeben worden
sei. Bei abermaliger Überprüfung der Erklärung 1997 und unter Berücksichtigung der
handschriftlichen Aufzeichnungen sei festgestellt worden, dass es sich hierbei nur um
einen Irrtum handeln könne. Daraufhin sei für das Kalenderjahr 1998 die richtige, von den
Klägern als deren erklärter Wille anzusetzende Abschreibung in Ansatz gebracht worden.
Es liege keine Änderung der Abschreibungsart, sondern die Anfechtung eines Irrtums vor.
Für die Besteuerung relevant sei ausschließlich der Wille der Beteiligten, nicht jedoch ein
zufällig in einem Formular angebrachtes Kreuzchen oder Häkchen. So habe das
Finanzgericht -FG- Köln im rechtskräftigen Urteil vom 09. Oktober 1997 (Entscheidungen
der Finanzgerichte -EFG- 1998, 552) den rückwirkenden Wegfall eines eingetretenen
Objektverbrauches i.S.d. § 7b EStG wegen Irrtums anerkannt. Auch der Bundesfinanzhof -
BFH- erkenne im Urteil vom 28. Oktober 1976 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1977, 73) die
Berichtigung eines Irrtums an. Im Übrigen sei es für den Beklagten ohne großen Aufwand
erkennbar gewesen, dass die Abschreibung für das fragliche Objekt viel zu niedrig
angesetzt worden sei.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 29. November 1999 unter Ansatz einer um
23.431 DM höheren AfA zu ändern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Bei Vorliegen der Voraussetzungen stehe dem Steuerpflichtigen bezüglich der
Abschreibung ein Wahlrecht zwischen den beiden Absetzungsmethoden des § 7 Abs. 4
und Abs. 5 EStG zu. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1997 sei eindeutig die
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lineare Abschreibung beantragt worden. Das Wahlrecht sei somit für ihn erkennbar
ausgeübt worden. Darüber hinaus sei die Abschreibung der Höhe nach geprüft und
anerkannt worden. Ein Wechsel von der linearen zu der degressiven Abschreibung sei
nicht zulässig, unabhängig davon, ob eine willentliche Ausübung des Wahlrechts erfolgt
sei oder nicht. Im Übrigen hätte bei der Überprüfung des Steuerbescheides die Ausübung
des Wahlrechts zu Gunsten der linearen Abschreibung auffallen müssen, weil die
Abschreibung gem. § 7 Abs. 5 EStG zu einer bedeutend höheren Erstattung geführt hätte.
Die Klage ist im Wesentlichen unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung der streitigen Eigentumswohnung lediglich einen nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
Buchst. a) EStG bemessenen AfA-Betrag i.H.v. 2 % berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift
sind bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, jährlich 2
% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als AfA bis zur vollen Absetzung
abzuziehen.
Gem. § 7 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 Buchst. a) EStG können bei einem Gebäude im Sinne der o.g.
Vorschrift, das Wohnzwecken dient und das der Steuerpflichtige durch einen vor dem 01.
Januar 1996 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag angeschafft hat, im
Jahr der Fertigstellung und in den folgenden drei Jahren jeweils 7 v.H. der
Anschaffungskosten als AfA abgezogen werden. Die Voraussetzungen beider
Abschreibungsvorschriften liegen im Streitfall vor, sodass den Klägern ein Wahlrecht
zustand, ob sie die lineare oder die degressive Gebäude-AfA in Anspruch nehmen wollen.
Das Wahlrecht kann nur zu Beginn der Absetzungsperiode ausgeübt werden (vgl. Handzik
in: Littmann/Bitz/Hellwig, Einkommensteuerrecht, § 7 Rdn. 237). Diese Wahl wird durch die
erstmalige Anwendung des § 7 Abs. 4 oder Abs. 5 EStG in der Steuererklärung und ihren
Anlagen ausgeübt. Der Steuerpflichtige kann die Wahl ändern, solange die Veranlagung
mit der erstmaligen Anwendung des Abs. 4 oder Abs. 5 noch nicht bestandskräftig ist. Ist
hingegen die Bestandskraft der Veranlagung des Jahres eingetreten, mit dem die
Absetzungsperiode beginnt, ist der Steuerpflichtige an seine Wahl gebunden (vgl. FG Köln,
Urteil vom 21. Mai 2001, EFG 2002, 11; FG Köln, Urteil vom 21. Mai 2001, EFG 2001,
1116; FG Münster, Urteil vom 22. Oktober 1996, EFG 1997, 654; FG Nürnberg, Urteil vom
02. August 2000, EFG 2001, 351).
Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die Kläger an ihre Wahl aus dem Jahr 1997,
eine lineare AfA gem. § 7 Abs. 4 EStG vorzunehmen, gebunden. Diese Wahl haben sie
eindeutig getroffen. Das ergibt sich aus der Erklärung selbst, in der die Wahlmöglichkeit
"linear" angekreuzt ist, und der AfA-Berechnung.
An diese Wahl sind die Kläger gebunden, weil der Einkommensteuerbescheid 1997
bestandskräftig geworden ist.
Die Bindung an die AfA-Methode des Anschaffungsjahres entspricht dem Charakter der
planmäßigen Abschreibung und der Abschreibungskontinuität. § 7 Abs. 5 EStG enthält für
die gesamte Dauer der Absetzungen starre, unveränderliche Staffelsätze für die gesamte
Dauer der Absetzungen, die in den einzelnen Jahren weder über- noch unterschritten
werden dürfen. Infolgedessen ist ein späterer Wechsel zu einer anderen AfA-Methode
ausgeschlossen. Denn mit der feststehenden Anwendung der AfA nach § 7 Abs. 4 EStG im
ersten Abschreibungsjahr würde bei Übergang zu der Abschreibungsmethode des § 7 Abs.
5 EStG der Staffelsatz des ersten Jahres unzulässigerweise unterschritten. Dies kann auch
nicht durch eine Nachholung des unterlassenen AfA-Betrages nachgeholt werden, weil
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damit die feststehenden Staffelsätze des Nachholjahres überschritten würden. Im Falle des
Übergangs von der linearen zur degressiven AfA würde folglich das System der starren
unveränderlichen Staffelsätze des § 7 Abs. 5 EStG gestört. Zudem verbliebe bei dem von
den Klägern begehrten Wechsel der Abschreibungsmethode infolge der Unzulässigkeit der
Nachholung unterlassener Absetzungen nach dem Abschreibungszeitraum ein nicht
abgeschriebener Restwert, der seinerseits bedingte, dass ein nochmaliger Wechsel der
AfA-Methode (von degressiv zu linear) stattfinden müsste, um nunmehr diesen Restwert
abzuschreiben.
Nach dem Grundsatz der Planmäßigkeit und Kontinuität der AfA ist es unerheblich, welche
Gründe zum Ansatz der linearen AfA im Jahr der Anschaffung geführt haben. Deswegen
können sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass die Wahl auf einem Irrtum beruht.
Ob es sich um ein Versehen oder um den gewollten Ansatz der linearen AfA handelt, ist
objektiv nicht überprüfbar. Zwar hat das FG Köln mit Urteil vom 09. Oktober 1997 (a.a.O.)
bei der Wahl der AfA nach § 7b EStG die Irrtumsanfechtung für zulässig erachtet.
Abgesehen davon, dass in diesem Fall die anderweitige Wahl zu denselben steuerlichen
Ergebnissen geführt hat, vermag sich der erkennende Senat dieser Rechtsprechung nicht
anzuschließen. Eine solche Änderungsmöglichkeit über die vorhandenen
Berichtigungsmöglichkeiten hinaus würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit in einem
Bereich führen, der von Berechenbarkeit über einen langen Zeitraum geprägt ist.
In der von den Klägern herangezogenen BFH-Entscheidung vom 28.10.1976 IV R 76/72
geht es nicht um die Ausübung eines Wahlrechts und deren Anfechtung, sondern um die
Nachholung einer nicht willkürlich unterlassenen AfA. Die Problematik ist mit dem Streitfall
nicht vergleichbar.
Die Klage hat insoweit zu einem geringen Teil Erfolg, als ein Rechenfehler zu korrigieren
ist und die Beteiligten übereinstimmend nunmehr von einer höheren
Bemessungsgrundlage der Abschreibung, nämlich von 233.710 DM, ausgehen.
Der Beklagte hat die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 100 DM zu hoch
erfasst, indem er das lt. Anlage V errechnete Ergebnis von ./. 3.127 DM statt mit ./. 1.564
DM und ./. 1.563 DM nur mit ./. 1.513 DM und ./. 1.514 DM auf die Kläger verteilte und
infolgedessen im Steuerbescheid nur mit ./. 3.027 DM ansetzte.
Die lineare AfA in Höhe von 2 % von 233.710 DM beträgt 4.674 DM.
Die Einkommensteuer errechnet sich wie folgt:
AfA: 2 % von 233.710 DM 4.674 DM
AfA lt. Steuererklärung 28.045 DM
Erhöhung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 23.371 DM
Vermietung und Verpachtung lt. Erklärung ./. 26.558 DM
VuV lt. Urteil ./. 3.187 DM
VuV lt. Bescheid ./. 3.027 DM
Minderung des zu versteuernden Einkommens 160 DM
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zu versteuerndes Einkommen lt. Bescheid 192.935 DM
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil 192.775 DM
Einkommensteuer lt. Splittingtabelle 58.130 DM
umgerechnet 29.721,40 EUR.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S. 3 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.
Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
Zwar hat der BFH mit Urteil vom 03. April 2001 IX R 16/98, BStBl II 2001, 599, den Wechsel
von der AfA nach § 7 Abs. 4 EStG zur AfA nach § 7 Abs. 5 EStG grundsätzlich für
ausgeschlossen erachtet, die Frage aber, ob im Wege der Irrtumsanfechtung der Wechsel
der AfA-Methode möglich ist, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden.