Urteil des FG Baden-Württemberg vom 13.07.2009
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FG Baden-Württemberg Urteil vom 13.7.2009, 9 K 289/06
Beitragsleistungen eines Mitgesellschafters für eine Risikolebensversicherung auf das Leben des anderen Mitgesellschafters sind nicht als
Sonderbetriebsausgaben abziehbar
Tatbestand
1 Streitig ist, ob Beiträge zu einer Risikolebensversicherung Betriebsausgaben sind.
2 Die Klägerin (Kl) ist eine Rechtsanwaltssozietät, die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben wird und im
Streitzeitraum ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs.3 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelte. Anlässlich einer
Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass der für die Jahre 2000 und 2001 festgestellte Gewinn der Gesellschaft unter anderem um Beiträge zu
Risikolebensversicherungen gemindert war, welche die beiden Gesellschafter A.B. und C.D. als Sonderbetriebsausgaben abgezogen hatten.
Nach § 17 Abs. 1 a) des Gesellschaftsvertrages vom 1. Juni 1998 waren die Gesellschafter A.B. und C.D. verpflichtet, das Leben des anderen
Gesellschafters mit einer Risikolebensversicherung zu versichern. C.D. verpflichtete sich, die Lebensversicherungssumme vorrangig dazu zu
verwenden, eine von F.D. gegebene Sicherheit auszulösen, welche diese zur Finanzierung eines Kanzleikaufs gewährt hatte. Die Beiträge hatten
bei A.B. im Jahr 2000 200,00 DM und im Jahr 2001 100,40 DM betragen, bei seiner Kollegin C.D. im Jahr 2000 2.677,50 DM und im Jahr 2001
1.368,98 DM. Der Prüfer stellte sich unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Februar 1992 IV R 30/91 (Sammlung
der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 167, 366, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1992, 653) auf den Standpunkt, die Versicherungen
deckten kein betriebsbezogenes, sondern ein privates Risiko der Gesellschafter ab und seien deshalb keine Betriebsausgaben. Dies gelte selbst
dann, wenn die Versicherungssumme für betriebliche Zwecke verwendet werden solle. In den geänderten Feststellungsbescheiden für 2000 und
2001 vom 19. Oktober 2005 folgte der Beklagte (Bekl) der Auffassung des Prüfers.
3 Hiergegen legte die Kl am 16. November 2005 Einspruch ein. Wieso der Tod der Mitgesellschafterin bzw. des Mitgesellschafters, zwischen denen
keine privaten Beziehungen bestünden, ein „privates Risiko“ darstellen solle, sei nicht zu verstehen. Zweck der Versicherungen sei es, das Risiko
von Umsatzausfällen für die Gesellschaft abzudecken. Im Falle des Todes eines Gesellschafters müsse nicht nur der Ausfall eines wesentlichen
Mitarbeiters verkraftet werden, sondern der verbliebene Gesellschafter müsse auch das Risiko der nach dem Gesellschaftsvertrag fortzuführenden
Kanzlei tragen. Wegen der betrieblichen Veranlassung der Lebensversicherung hätten die Gesellschafter auch Ansprüche auf einen dem
Verhältnis der Kosten entsprechenden Vorabgewinn gehabt.
4 Mit Entscheidung vom 22. Mai 2006 wies der Bekl den Einspruch der Kl als unbegründet zurück. Er verwies auf die Rechtsprechung des BFH in
dessen Urteilen vom 21. Mai 1987 (IV R 80/85, BFHE 150, 342, BStBl II 1987, 710), vom 10. November 1988 (IV R 15/86, Sammlung amtlich nicht
veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 1989, 499) und vom 11. Mai 1989 (IV R 56/87, BFHE 157, 152, BStBl II 1989,
657), aus denen die private Veranlassung der Versicherung folge.
5 Am 22. Juni 2006 hat die Kl Klage erhoben. Sie hält die betriebliche Veranlassung der Lebensversicherungen bei den gegebenen Umständen für
offensichtlich. Auch der Bekl habe dies in den Vorjahren wohl so gesehen. Denn er habe die Umstände gekannt und den Betriebsausgabenabzug
gleichwohl zugelassen. Der Sinn der Versicherungen, im Falle des Todes eines Umsatzträgers die Zeit bis zum Aufbau neuer Mandate zu
überbrücken, sei eindeutig als betrieblich zu qualifizieren. Die Durchsicht der zu dem Themenbereich vorhandenen Rechtsprechung führe zu
Ergebnissen, die weder ökonomisch noch intellektuell noch rechtsdogmatisch klar seien. Es falle auf, dass Auseinandersetzungen mit dem
Sachverhalt mehr im Tatbestand als in den Entscheidungsgründen stattfänden, welche stattdessen ohne Analyse oder Argumentation sehr schnell
den Sachverhalten Etiketten aufklebten, die vermeintlich durch vorangegangene, ebenfalls nicht mehr analysierte Rechtsprechung gedeckt sein
sollten. Die vorhandene Rechtsprechung setze sich auch unzureichend mit dem Begriff des versicherten Risikos auseinander. Nicht das Ableben
des Mitgesellschafters sei das Risiko, es seien vielmehr dessen wirtschaftliche Folgen. Der Abschluss der Versicherung diene der Abwendung
dieses den Betrieb gefährdenden Risikos. Die Kl beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2006 aufzuheben und die
Feststellungsbescheide 2000 und 2001 vom 19. Oktober 2005 dahin zu ändern, dass der festgestellte Gewinn 2000 um Sonderbetriebsausgaben
des Gesellschafters A.B. in Höhe von 200,00 DM und der Gesellschafterin C.D. in Höhe von 2.677,50 DM und der festgestellte Gewinn 2001 um
Sonderbetriebsausgaben des Gesellschafters A.B. in Höhe von 100,40 DM und der Gesellschafterin C.D. in Höhe von 1.368,98 DM gemindert
wird.
6 Der Bekl hält an seiner Rechtsauffassung fest und beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Klage ist unbegründet.
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1. Beiträge zu Versicherungen sind im Bereich der Einkommensteuer Betriebsausgaben, wenn sie durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs.4
des Einkommensteuergesetzes -EStG-); soweit sie privat veranlasst sind, können sie ggf. als Sonderausgaben abgezogen werden (§ 10 Abs.1
Nr.2 EStG). Die Abgrenzung erfolgt danach, ob durch den Versicherungsabschluss berufliche oder private Risiken abgedeckt werden sollen.
Risiken, die in der Person des Betriebsinhabers begründet sind, führen darum nur ausnahmsweise zum Betriebsausgabenabzug, wenn nämlich
durch die Ausübung des Berufs ein erhöhtes Risiko geschaffen wird und der Abschluss des Versicherungsvertrages entscheidend der
Abwendung dieses Risikos dient. Nur unter dieser Voraussetzung sind Beiträge zu einer Unfallversicherung als Betriebsausgaben angesehen
worden (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 11. Mai 1989 IV R 56/87, BFHE 157, 152, BStBl II 1989, 657 unter Hinweis auf seine früheren
Urteile vom 16. Mai 1963 IV 75/60 U, BFHE 77, 217, BStBl III 1963, 399; vom 5. August 1965 IV 42/65 S, BFHE 83, 417, BStBl III 1965, 650; vom
18. November 1971 IV R 132/66, BFHE 104, 71, BStBl II 1972, 277; vom 15. Dezember 1977 IV R 78/74, BFHE 124, 185, BStBl II 1978, 212). Da
für Krankheiten des Betriebsinhabers ein derartiger Zusammenhang durchweg nicht besteht, ist der Abzug von Beiträgen zu einer
Krankenversicherung als Betriebsausgaben versagt worden (Urteile vom 22. Mai 1969 IV R 144/68, BFHE 95, 447, BStBl II 1969, 489; in BFHE
137, 19, BStBl II 1983, 102). Aus diesem Grunde kommt auch der Abzug von Prämien für einen Lebensversicherungsvertrag als
Betriebsausgaben oder Werbungskosten regelmäßig nicht in Betracht (BFH-Urteile vom 21. Mai 1987 IV R 80/85, BFHE 150, 342, BStBl II 1987,
710; vom 29. Oktober 1985 IX R 56/82, BFHE 145, 52, BStBl II 1986, 143).
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Für diese Beurteilung ist ohne Bedeutung, dass aufgrund von Vereinbarungen die Versicherungsleistungen für den Betrieb verwendet werden
sollen; allein deswegen ist der Abschluss des Versicherungsvertrages noch nicht betrieblich veranlasst. Der BFH hat es deshalb auch als
unerheblich angesehen, dass die von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft empfangenen Leistungen aus einer
Krankentagegeldversicherung in das Gesellschaftsvermögen fallen sollten (BFH-Urteil vom 7.Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137, 19, BStBl II
1983, 101) oder dass die Leistung aus einer Lebensversicherung an den überlebenden Gesellschafter zu erbringen war (BFHE 150, 342, BStBl II
1987, 710). Ebenso lässt sich der Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht daraus herleiten, dass
der Darlehensgeber den Abschluss einer Risikolebensversicherung verlangt hat und er für die Versicherungsleistungen allein bezugsberechtigt
ist (BFHE 145, 52, BStBl II 1986, 143).
10 Dass im Todesfall die Versicherungsleistungen der Fortführung der Gesellschaft und damit im Weiteren dem Gesellschaftsvermögen zugute
kommen sollen, bedeutet nicht notwendig, dass die Prämienleistungen betrieblich veranlasst sind. Die Grundsätze über die Abgrenzung
zwischen Betriebs- und Privatvermögen gelten auch, wenn sich Mitunternehmer zu gemeinschaftlicher Einkünfteerzielung zusammenschließen
(BFHE 157, 152, BStBl II 1989, 657 m. w. N.). Deshalb sind auch Vertragsverhältnisse, die den Privatbereich der Gesellschafter betreffen, bei der
Gewinnermittlung für die Personengesellschaft außer Betracht zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1981 IV R 94/78, BFHE 133, 379, BStBl II
1981, 658).
11 Aus diesem Grunde müssen Aufwendungen und Erträge aus einem von einem Gesellschafter auf das Leben des Mitgesellschafters
geschlossenen Lebensversicherungsvertrag bei der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte der Gesellschafter außer Ansatz bleiben. Versichert
sind auch in diesem Fall nicht betriebliche Risiken, so dass der Empfang von Versicherungsleistungen durch die Gesellschaft so behandelt
werden muss, als seien sie den Gesellschaftern bzw. ihren Rechtsnachfolgern zugegangen und von ihnen in das Gesellschaftsvermögen
eingelegt worden. Hätten die Gesellschafter die fraglichen Risikolebensversicherungen als Einzelunternehmer abgeschlossen, könnten sie die
geleisteten Prämien nach dem Vorbild der BFH-Entscheidung in BFHE 145, 52, BStBl II 1986, 143 nicht als Betriebsausgaben abziehen. Ein
derartiger Abzug bleibt deshalb auch versagt, wenn sie die Versicherungen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter einer Personengesellschaft
wechselseitig abschließen.
12 II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
13 III. Die Revision wird nicht zugelassen, da die für die Entscheidung des Falles erheblichen Rechtsgrundsätze geklärt sind. Auf den BFH-
Beschluss vom 11. Dezember 2006 VIII B 5/06 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2007,
689) wird hingewiesen.