Urteil des EuGH vom 05.02.2015

Verordnung, Arzneimittel, Tschechische Republik, Genehmigung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
5. Februar 2015
)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Drogenausgangsstoffe – Überwachung des Handels
zwischen den Mitgliedstaaten – Verordnung (EG) Nr. 273/2004 – Überwachung des
Handels zwischen der Europäischen Union und Drittländern – Verordnung
(EG) Nr. 111/2005 – Handel mit Arzneimitteln, die Ephedrin oder Pseudoephedrin
enthalten – Begriff ‚erfasster Stoff‘ – Zusammensetzung – Ausschluss von Arzneimitteln
als solchen oder nur derjenigen, die erfasste Stoffe enthalten und so zusammengesetzt
sind, dass diese Stoffe nicht leicht extrahiert werden können – Richtlinie 2001/83/EG –
Begriff ‚Arzneimittel‘“
In den verbundenen Rechtssachen C‑627/13 und C‑2/14
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom
Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidungen vom 22. Oktober und 5. Dezember
2013, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Dezember 2013 und 3. Januar 2014, in den
Strafverfahren gegen
Miguel M.
und
Thi Bich Ngoc Nguyen,
Nadine Schönherr
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda,
A. Rosas, E. Juhász und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof, vertreten durch H. Range als
Bevollmächtigten,
– der spanischen Regierung, vertreten durch L. Banciella Rodríguez‑Miñón als
Bevollmächtigten,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und
A. P. Antunes als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche und K. Talabér-
Ritz als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne
Schlussanträge über die Rechtssachen zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2 Buchst. a der
Verordnung (EG) Nr. 273/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
11. Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe (ABl. L 47, S. 1) und Art. 2 Buchst. a
der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 zur Festlegung
von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenausgangsstoffen
zwischen der Gemeinschaft und Drittländern (ABl. 2005, L 22, S. 1).
2
Sie ergehen im Rahmen von Revisionen gegen Urteile deutscher Strafgerichte, mit
denen Herr M. sowie Frau Nguyen und Frau Schönherr wegen unerlaubten
Handeltreibens bzw. Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit einem „Grundstoff“, der
zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll, verurteilt
wurden.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
3
Art. 12 („Für die unerlaubte Herstellung von Suchtstoffen oder psychotropen Stoffen
häufig verwendete Stoffe“) des am 20. Dezember 1988 in Wien geschlossenen und von
der Gemeinschaft mit dem Beschluss 90/611/EWG des Rates vom 22. Oktober 1990
(ABl. L 326, S. 56) genehmigten Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den
unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (United Nations Treaty
Series, Bd. 1582, Nr. 1-27627, im Folgenden: Übereinkommen der Vereinten Nationen
von 1988) sieht in seinem Abs. 1 vor, dass „[d]ie Vertragsparteien … die von ihnen für
zweckmäßig erachteten Maßnahmen [treffen], um zu verhindern, dass in Tabelle I und
Tabelle II aufgeführte Stoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtstoffen oder
psychotropen Stoffen abgezweigt werden, und … zu diesem Zweck
zusammen[arbeiten]“.
4
Art. 12 Abs. 14 dieses Übereinkommens lautet:
„Dieser Artikel findet weder auf pharmazeutische noch auf andere Zubereitungen
Anwendung, die in Tabelle I oder Tabelle II aufgeführte Stoffe enthalten und so
zusammengesetzt sind, dass diese Stoffe nicht ohne weiteres verwendet oder durch
leicht anwendbare Mittel zurückgewonnen werden können.“
5
Ephedrin und Pseudoephedrin gehören zu den in Tabelle I des Übereinkommens der
Vereinten Nationen von 1988 aufgeführten Stoffen.
Unionsrecht
Richtlinie 2001/83
6
Wie sich aus den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 2001/83/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines
Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der durch die
Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.
Dezember 2006 (ABl. L 378, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie
2001/83) ergibt, verfolgt die Richtlinie 2001/83 in erster Linie das Ziel des Schutzes der
öffentlichen Gesundheit, wobei die Verfolgung dieses Ziels nicht dazu führen darf, dass
die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie und der Handel mit Arzneimitteln
innerhalb der Europäischen Union gehemmt werden.
7
Die Erwägungsgründe 6, 29, 32 und 35 dieser Richtlinie lauten:
„(6) Um noch bestehende Unterschiede zu verringern, müssen einerseits Regeln für
die Kontrolle der Arzneimittel aufgestellt und andererseits die Aufgaben bestimmt
werden, welche die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu erfüllen haben,
um sich von der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu vergewissern.
(29) Die Bedingungen für die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit müssen
harmonisiert werden.
(32) Daher müssen zunächst die grundlegenden Prinzipien harmonisiert werden, die
für die Einstufung bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Gemeinschaft oder in
dem betreffenden Mitgliedstaat anwendbar sind. Man sollte sich dabei von den vom
Europarat in diesem Bereich bereits festgelegten Grundsätzen sowie von den
durchgeführten Harmonisierungsarbeiten im Rahmen der Vereinten Nationen im
Bereich der Suchtmittel und der psychotropen Stoffe leiten lassen.
(35) Das gesamte Vertriebsnetz im Arzneimittelbereich von der Herstellung bzw. der
Einfuhr in die Gemeinschaft bis hin zur Abgabe an die Öffentlichkeit muss einer
Kontrolle unterliegen, damit gewährleistet ist, dass Aufbewahrung, Transport und
Handhabung unter angemessenen Bedingungen erfolgen. Die zur Erreichung
dieses Ziels zu treffenden Maßnahmen werden beträchtlich dazu beitragen, dass
dieses Ziels zu treffenden Maßnahmen werden beträchtlich dazu beitragen, dass
mangelhafte Erzeugnisse vom Markt zurückgezogen und Fälschungen wirksam[er]
bekämpft werden können.“
8
Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:
2. Arzneimittel:
a) Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur
Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder
b) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen
Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um
entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine
pharmakologische,
immunologische
oder
metabolische
Wirkung
wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine
medizinische Diagnose zu erstellen.“
9
Art. 2 der genannten Richtlinie in deren Titel II („Anwendungsgebiet“) sieht in Abs. 2 vor:
„In Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner
Eigenschaften sowohl unter die Definition von ‚Arzneimittel‘ als auch unter die Definition
eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften
geregelt ist, gilt diese Richtlinie.“
10
Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht
werden, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie
eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde oder wenn eine Genehmigung
für das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 [des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von
Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und
Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl.
L 136, S. 1)] in Verbindung mit der Verordnung … Nr. 1901/2006 … erteilt wurde.
…“
11
In Titel IV („Herstellung und Import“) der Richtlinie 2001/83 regeln deren Art. 40 bis 53,
dass die Mitgliedstaaten alle zweckdienlichen Maßnahmen treffen, damit die Herstellung
von Arzneimitteln in ihrem Gebiet von einer Erlaubnis abhängig gemacht wird, die auch
dann erforderlich ist, wenn die hergestellten Arzneimittel für die Ausfuhr bestimmt sind,
und legen fest, welche Voraussetzungen und Modalitäten für die Erteilung dieser
Erlaubnis gelten.
12
In Art. 71 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:
„Arzneimittel dürfen nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden, wenn sie
– häufig und in sehr starkem Maße unter anormalen Bedingungen verwendet
werden und dies die Gesundheit direkt oder indirekt gefährden kann, …
…“
13
Die Art. 77 bis 81 der Richtlinie sehen vor, dass die Mitgliedstaaten alle geeigneten
Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass für den Großhandel mit Arzneimitteln der
Besitz einer Genehmigung zur Ausübung der Tätigkeit eines Arzneimittelgroßhändlers
vorgeschrieben ist, und regeln, welche Voraussetzungen und Modalitäten für die
Erteilung dieser Genehmigung gelten.
14
Art. 80 Buchst. b und c der Richtlinie 2001/83 lautet:
„Der Inhaber einer Großhandelsgenehmigung muss mindestens folgenden
Anforderungen genügen:
b) er darf sich seine Vorratsbestände an Arzneimitteln nur bei Personen beschaffen,
die entweder selbst Inhaber einer Großhandelsgenehmigung sind oder die gemäß
Artikel 77 Absatz 3 von dieser Genehmigung befreit sind;
c) er darf Arzneimittel nur an Personen liefern, die entweder selbst Inhaber einer
Großhandelsgenehmigung sind oder die in dem betreffenden Mitgliedstaat zur
Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit ermächtigt oder befugt sind.“
Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005
15
Um der Abzweigung von Stoffen, die häufig zur unerlaubten Herstellung von
Suchtstoffen und psychotropen Substanzen verwendet werden, entgegenzuwirken und
den in Art. 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1988 vorgesehenen
Anforderungen nachzukommen, hat der Unionsgesetzgeber Überwachungs- und
Kontrollmaßnahmen im Innen- und im Außenbereich erlassen, die in den Verordnungen
Nrn. 273/2004 und 111/2005 geregelt sind.
– Verordnung Nr. 273/2004
16
Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 273/2004 lautet:
„Zahlreiche weitere Stoffe, darunter viele, die in großen Mengen legal gehandelt werden,
wurden als Ausgangsstoffe für die unerlaubte Herstellung synthetischer Drogen und
psychotroper Substanzen ermittelt. Diese Stoffe denselben strengen Kontrollen zu
unterwerfen, die für die Stoffe des Anhangs I gelten, würde ein unnötiges
Handelshemmnis schaffen und für die Wirtschaftsbeteiligten eine Erlaubnispflicht sowie
ferner die Verpflichtung mit sich bringen, über jeden Vorgang Unterlagen zu führen.
Daher sollte auf Gemeinschaftsebene ein flexiblerer Mechanismus eingeführt werden,
aufgrund dessen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verdächtige Vorgänge
mit diesen Stoffen gemeldet werden.“
17
Art. 2 Buchst. a dieser Verordnung bestimmt:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
a) ,erfasste Stoffe‘: alle in Anhang I aufgeführten Stoffe, einschließlich Mischungen
und Naturprodukten, die derartige Stoffe enthalten. Ausgenommen sind Arzneimittel
gemäß der Definition der Richtlinie [2001/83], pharmazeutische Zubereitungen,
Mischungen, Naturprodukte und sonstige Zubereitungen, die erfasste Stoffe
enthalten und so zusammengesetzt sind, dass sie nicht einfach verwendet oder
leicht und wirtschaftlich extrahiert werden können.“
18
In Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verordnung heißt es:
„(2) Wirtschaftsbeteiligte benötigen für den Besitz oder das Inverkehrbringen erfasster
Stoffe der Kategorie 1 des Anhangs I eine vorherige Erlaubnis der zuständigen
Behörden. …
(3) Jeder Wirtschaftsbeteiligte, der Inhaber einer Erlaubnis gemäß Absatz 2 ist, gibt
erfasste Stoffe der Kategorie 1 des Anhangs I nur an natürliche oder juristische Personen
ab, die Inhaber einer solchen Erlaubnis sind und eine Kundenerklärung nach Artikel 4
Absatz 1 unterzeichnet haben.“
19
Anhang I der Verordnung Nr. 273/2004 stellt die erschöpfende Liste der erfassten Stoffe
im Sinne von Art. 2 Buchst. a dieser Verordnung auf, zu denen in Kategorie 1 Ephedrin
und Pseudoephedrin gehören.
– Verordnung Nr. 111/2005
20
Die Definition des Begriffs „erfasster Stoff“ in Art. 2 Buchst. a der Verordnung
Nr. 111/2005 ist im Wesentlichen deckungsgleich mit der in Art. 2 Buchst. a der
Verordnung Nr. 273/2004.
21
Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt, dass „[i]n der Gemeinschaft niedergelassene
Wirtschaftsbeteiligte, ausgenommen Zollagenten und Spediteure, wenn sie
ausschließlich in dieser Eigenschaft handeln, die erfasste Stoffe der Kategorie 1 des
Anhangs ein- oder ausführen oder diesbezügliche Vermittlungsgeschäfte betreiben, …
im Besitz einer Erlaubnis sein [müssen]. …“.
22
Der Anhang der Verordnung Nr. 111/2005, auf den in deren Art. 2 Buchst. a verwiesen
wird, deckt sich ebenfalls im Wesentlichen mit Anhang I der Verordnung Nr. 273/2004.
Verordnungen (EU) Nr. 1258/2013 und (EU) Nr. 1259/2013
23
Die Definition des Begriffs der erfassten Stoffe im jeweiligen Art. 2 Buchst. a der
Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005 wurde durch die Verordnungen (EU)
Nr. 1258/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013
(ABl. L 330, S. 21) und (EU) Nr. 1259/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 20. November 2013 (ABl. L 330, S. 30) geändert. Da diese Verordnungen aber erst
am 30. Dezember 2013 in Kraft traten, sind sie auf die Ausgangsverfahren nicht
anwendbar.
Deutsches Recht
24
§ 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die
unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können
(Grundstoffüberwachungsgesetz – GÜG), definiert den Begriff „Grundstoff“ als „erfassten
Stoff“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a in Verbindung mit Anhang I der Verordnung
Nr. 273/2004 und von Art. 2 Buchst. a in Verbindung mit dem Anhang der Verordnung
Nr. 111/2005.
25
Nach § 3 GÜG „ist [es] verboten, einen Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von
Betäubungsmitteln verwendet werden soll, zu besitzen, herzustellen, mit ihm Handel zu
treiben, ihn, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, durch den oder im
Geltungsbereich dieses Gesetzes zu befördern, zu veräußern, abzugeben oder in
sonstiger Weise einem anderen die Möglichkeit zu eröffnen, die tatsächliche Verfügung
über ihn zu erlangen, zu erwerben oder sich in sonstiger Weise zu verschaffen“.
26
§ 19 GÜG bestimmt:
„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. entgegen § 3 einen Grundstoff besitzt, herstellt, mit ihm Handel treibt, ihn, ohne
Handel zu treiben, einführt, ausführt, durch den oder im Geltungsbereich dieses
Gesetzes befördert, veräußert, abgibt oder in sonstiger Weise einem anderen die
Möglichkeit eröffnet, die tatsächliche Verfügung über ihn zu erlangen, erwirbt oder
sich in sonstiger Weise verschafft,
…“
Verfahren vor dem Gerichtshof
27
Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 20. Januar 2014 sind die
Rechtssachen C‑627/13 und C‑2/14 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen
Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.
28
In der Rechtssache Nguyen und Schönherr (C‑2/14) hat das vorlegende Gericht in
seinem Vorabentscheidungsersuchen die Anwendung des beschleunigten Verfahrens
gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragt.
29
Dieser Antrag ist durch den Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs Nguyen und
Schönherr (C‑2/14, EU:C:2014:1999) mangels Dringlichkeit zurückgewiesen worden.
30
Am 8. Januar bzw. 20. Januar 2014 hat der Präsident des Gerichtshofs entschieden,
dass die Rechtssachen C‑627/13 und C‑2/14 gemäß Art. 53 Abs. 3 der
Verfahrensordnung mit Vorrang zu entscheiden sind.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rechtssache C
627/13
31
Vermittelt durch Herrn M. versandte ein Unternehmen mit Sitz in Brüssel (Belgien)
zwischen dem 15. Juni 2007 und dem 6. Oktober 2008 Ephedrin-Tabletten, die legal zur
Verwendung als Arzneimittel hergestellt worden waren, nach Belize und Mexiko. Bereits
vor dem ersten Versand war Herrn M. jedoch bekannt, dass diese Tabletten, die
insgesamt 4,179 kg Ephedrinhydrochlorid enthielten, in Wirklichkeit zur Herstellung von
Methamphetamin verwendet werden sollten.
32
Mit Urteil vom 23. Januar 2013 verurteilte das Landgericht Krefeld Herrn M. nach § 19
Abs. 1 Nr. 1 GÜG in Verbindung mit § 1 Nr. 1 und § 3 GÜG wegen Handeltreibens mit
„Grundstoffen“, die zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet
werden sollten, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten und traf eine
Kompensations- und eine Verfallsentscheidung.
33
Im Rahmen der von Herrn M. gegen dieses Urteil eingelegten Revision stellt der
Bundesgerichtshof fest, dass die Strafbarkeit vorliegend davon abhänge, ob die
betreffenden Arzneimittel, hinsichtlich deren feststehe, dass sie einen Stoff der Kategorie
1 der einschlägigen Anhänge der Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005 enthielten,
vom Anwendungsbereich dieser Verordnungen ausgenommen seien.
34
Der Bundesgerichtshof führt insoweit aus, die Definition des Begriffs „Grundstoff“ im
Sinne von § 1 Nr. 1 GÜG verweise auf den Begriff der erfassten Stoffe, der in dem nicht
eindeutig formulierten jeweiligen Art. 2 Buchst. a der Verordnungen Nrn. 273/2004 und
111/2005 definiert sei.
35
Die grammatische Betrachtung der deutschen Sprachfassung dieser Bestimmungen
könnte eher darauf hinweisen, dass Arzneimittel vom Anwendungsbereich dieser
Verordnungen nur dann ausgeschlossen seien, wenn sie so zusammengesetzt seien,
dass die in ihnen enthaltenen erfassten Stoffe nicht einfach verwendet oder leicht und
wirtschaftlich extrahiert werden könnten. Eine solche Auslegung sei bereits von
verschiedenen deutschen Gerichten vertreten worden. Auch die übrigen
Sprachfassungen gäben keinen entscheidenden Aufschluss.
36
Umgekehrt spreche die historische und teleologische Auslegung der Verordnungen
Nrn. 273/2004 und 111/2005 eher dafür, dass Arzneimittel als solche von der Definition
der erfassten Stoffe ausgenommen seien, was sich zum einen aus dem Übereinkommen
der Vereinten Nationen von 1988, dessen Durchführung diese Verordnungen dienten,
und zum anderen aus deren Vorgängerrichtlinien ergebe. Gleiches gelte für die
Auslegung durch die Europäische Kommission in manchen nicht bindenden
Dokumenten und in den Vorschlägen zur Änderung der Verordnungen Nrn. 273/2004
und 111/2005.
37
Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren
auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind Arzneimittel gemäß der Definition der Richtlinie 2001/83, die von den
Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005 erfasste Stoffe enthalten, gemäß dem
jeweiligen Art. 2 Buchst. a dieser Verordnungen stets von deren Anwendungsbereich
jeweiligen Art. 2 Buchst. a dieser Verordnungen stets von deren Anwendungsbereich
ausgenommen, oder ist dies lediglich dann anzunehmen, wenn die Arzneimittel so
zusammengesetzt sind, dass die erfassten Stoffe nicht einfach verwendet oder leicht und
wirtschaftlich extrahiert werden können?
Rechtssache C
2/14
38
Zwischen August 2010 und März 2011 erwarb Frau Nguyen in acht Fällen in
Deutschland und in Ungarn selbst oder über einen Mittelsmann große Mengen
Arzneimittel zur Herstellung des Betäubungsmittels Methamphetamin. Diese in der Folge
in die Tschechische Republik verbrachten Arzneimittel enthielten insgesamt 29,5 kg
Pseudoephedrin, woraus 6,5 kg Methamphetamin hergestellt werden konnten. Frau
Schönherr beteiligte sich in voller Kenntnis der Umstände an der Verbringung eines
Teils dieser Arzneimittel von Deutschland in die Tschechische Republik.
39
Mit Urteil vom 13. Februar 2013 verurteilte das Landgericht München II Frau Nguyen
nach §19 Abs. 1 Nr. 1 GÜG in Verbindung mit § 3 GÜG wegen unerlaubten
Handeltreibens mit einem „Grundstoff“, der zur unerlaubten Herstellung von
Betäubungsmitteln verwendet werden sollte, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren
und sechs Monaten. Frau Schönherr wurde nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 GÜG in Verbindung
mit § 3 GÜG und § 27 des Strafgesetzbuchs wegen Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit einem „Grundstoff“, der zur unerlaubten Herstellung von
Betäubungsmitteln verwendet werden sollte, zu einer zur Bewährung ausgesetzten
Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.
40
Frau Nguyen und Frau Schönherr legten jeweils Revision gegen dieses Urteil beim
vorlegenden Gericht ein. Frau Nguyen machte u. a. geltend, die fraglichen Arzneimittel
könnten nicht als „Grundstoffe“ im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 und § 3 GÜG eingestuft
werden.
41
Der Bundesgerichtshof hat aus den gleichen Gründen wie den in seinem Beschluss
vom 22. Oktober 2013 ausgeführten beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem
Gerichtshof eine im Wesentlichen mit der Vorlagefrage in der Rechtssache C‑627/13
übereinstimmende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Zur Vorlagefrage
42
Mit seiner Frage in den beiden Ausgangsverfahren möchte das vorlegende Gericht im
Wesentlichen wissen, ob der jeweilige Art. 2 Buchst. a der Verordnungen Nrn. 273/2004
und 111/2005 dahin auszulegen ist, dass ein Arzneimittel im Sinne der Definition von
Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83, das einen in Anhang I der Verordnung Nr. 273/2004
und im Anhang der Verordnung Nr. 111/2005 genannten Stoff enthält, der einfach
verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahiert werden kann, als „erfasster Stoff“
einzustufen ist, oder aber dahin, dass ein „Arzneimittel“ als solches nicht als „erfasster
Stoff“ eingestuft werden kann.
43
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die erfassten Stoffe im jeweiligen Art. 2 Buchst. a
der Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005 definiert sind als alle in den
einschlägigen Anhängen dieser Verordnungen aufgeführten Stoffe einschließlich
einschlägigen Anhängen dieser Verordnungen aufgeführten Stoffe einschließlich
Mischungen und Naturprodukte, die derartige Stoffe enthalten, jedoch ausgenommen
Arzneimittel gemäß der Definition der Richtlinie 2001/83, pharmazeutische
Zubereitungen, Mischungen, Naturprodukte und sonstige Zubereitungen, die erfasste
Stoffe enthalten und so zusammengesetzt sind, dass diese Stoffe nicht einfach
verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahiert werden können.
44
Aus dieser Definition ergibt sich, dass anhand des vom Grundstoffüberwachungsgesetz
in Bezug genommenen Begriffs „erfasster Stoff“, wie vom vorlegenden Gericht
ausgeführt, nicht festgestellt werden kann, ob der Ausschluss von „Arzneimitteln“ im
Sinne der Richtlinie 2001/83 von dieser Begriffsbestimmung davon abhängt, dass die in
den einschlägigen Anhängen der Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005
aufgeführten und in „Arzneimitteln“ enthaltenen Stoffe nicht einfach verwendet oder leicht
und wirtschaftlich extrahiert werden können.
45
Die Gegenüberstellung der verschiedenen Sprachfassungen der betreffenden
Bestimmungen zeigt, dass manche Fassungen, namentlich die deutsche, die
griechische, die englische, die niederländische, die slowakische und die schwedische,
wenn man sie grammatisch analysiert, die Annahme gestatten können, dass die
„Arzneimittel“ im Sinne der Richtlinie 2001/83 nur dann vom Begriff der erfassten Stoffe
ausgenommen sind, wenn sie so zusammengesetzt sind, dass die Stoffe, die in den
einschlägigen Anhängen der Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005 genannt
werden und die in ihnen enthalten sind, nicht einfach verwendet oder leicht und
wirtschaftlich extrahiert werden können.
46
Andere Sprachfassungen wie die französische, die italienische und die portugiesische
lassen dagegen eine solche Auslegung nicht zu und nehmen die „Arzneimittel“ im Sinne
von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 als solche von der Definition der erfassten Stoffe
im Sinne des jeweiligen Art. 2 Buchst. a der Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005
aus, da sich der letzte Satzteil dieser Definition – „die erfasste Stoffe enthalten und so
zusammengesetzt sind, dass diese Stoffe [Verordnung Nr. 111/2005]/sie [Verordnung Nr.
273/2004] nicht einfach verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahiert werden
können“ – bei grammatischer Auslegung u. a. nicht auf die Arzneimittel beziehen kann.
47
Darüber hinaus kann auch Art. 12 Abs. 14 des Übereinkommens der Vereinten
Nationen von 1988, der durch die Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005 in der
Unionsrechtsordnung durchgeführt wird, nicht die eine oder die andere Auslegung
bestätigen.
48
In einem solchen Fall kann nach ständiger Rechtsprechung die in einer der
Sprachfassungen einer Bestimmung des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht
als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Bestimmung herangezogen werden
oder Vorrang vor den anderen Sprachfassungen beanspruchen. Die Bestimmungen des
Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union
einheitlich ausgelegt und angewandt werden (Urteil Ivansson u. a., C‑307/13,
EU:C:2014:2058, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49
Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts
voneinander ab, muss die fragliche Bestimmung anhand ihres Zusammenhangs und der
voneinander ab, muss die fragliche Bestimmung anhand ihres Zusammenhangs und der
Ziele ausgelegt werden, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in
diesem Sinne Urteil Kirin Amgen, C‑66/09, EU:C:2010:484, Rn. 41 und die dort
angeführte Rechtsprechung).
50
Insoweit kommt dem ausdrücklichen Verweis des Unionsgesetzgebers im jeweiligen
Art. 2 Buchst. a der Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005 auf den Begriff des
Arzneimittels gemäß der Definition der Richtlinie 2001/83 erhebliche Bedeutung bei der
Auslegung dieser Bestimmungen zu.
51
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dieser Begriff im Verhältnis zu den übrigen in der
genannten Bestimmung verwendeten Begriffen, nämlich „pharmazeutische
Zubereitungen“, „Mischungen“, „Naturprodukte“ und „sonstige Zubereitungen“, der
einzige ist, der Gegenstand einer genauen Definition in einem anderen Rechtstext der
Union, der Richtlinie 2001/83, ist, die die Herstellung, den Vertrieb und die Verwendung
der von ihr erfassten Arzneimittel regeln soll.
52
Gleichzeitig ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber mit den Verordnungen
Nrn. 273/2004 und 111/2005 die Regelung für Drogenausgangsstoffe im Einzelnen
festlegt.
53
Unter diesen Umständen und unter gebührender Berücksichtigung der Zielsetzungen
der Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005, die erlassen wurden, um die
Abzweigung von häufig zur unerlaubten Herstellung von Suchtstoffen oder psychotropen
Substanzen verwendeten Stoffen durch die Errichtung eines mit wirksamen,
verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen bewehrten Systems zur
Überwachung des Handels mit diesen Stoffen effektiv zu bekämpfen, kann der Begriff
der erfassten Stoffe nicht ungeachtet der für die Arzneimittel im Sinne der Definition der
Richtlinie 2001/83 geltenden rechtlichen Regelung einschließlich der Zielsetzungen und
des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie ausgelegt werden.
54
Insoweit ist hinsichtlich der für Arzneimittel im Binnenmarkt geltenden rechtlichen
Regelung festzustellen, dass nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ein Arzneimittel in
einem Mitgliedstaat insbesondere erst dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn
die zuständige Behörde dieses Staates nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das
Inverkehrbringen erteilt hat oder wenn eine Genehmigung gemäß dem zentralisierten
Verfahren der Verordnung Nr. 726/2004 für die in deren Anhang aufgeführten
Arzneimittel erteilt wurde (Urteil Kommission/Polen, C‑185/10, EU:C:2012:181, Rn. 26).
55
Diese Vorabgenehmigungsregelung wird außerdem durch ein umfassendes System
von Regeln für die Herstellung und die Einfuhr von Arzneimitteln sowie den Großhandel
damit ergänzt, wobei, wie insbesondere aus den Art. 40 und 77 der Richtlinie 2001/83
hervorgeht, die Ausübung dieser Tätigkeiten – wie auch der Besitz und das
Inverkehrbringen erfasster Stoffe nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 273/2004 –
erlaubnis- bzw. genehmigungspflichtig ist.
56
Was den Arzneimittelgroßhandel betrifft, darf sich nach Art. 80 Buchst. b und c der
Richtlinie 2001/83 der Inhaber der Genehmigung insbesondere seine Vorratsbestände
an Arzneimitteln nur bei Personen beschaffen, die entweder selbst Inhaber einer
an Arzneimitteln nur bei Personen beschaffen, die entweder selbst Inhaber einer
Großhandelsgenehmigung sind oder die von dieser Genehmigung befreit sind; er darf
aber diese Arzneimittel auch nur an Personen liefern, die entweder selbst Inhaber einer
Großhandelsgenehmigung sind oder die in dem betreffenden Mitgliedstaat zur Abgabe
von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit ermächtigt oder befugt sind. Eine solche Regelung
erweist sich als mit der von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 273/2004 vergleichbar.
57
Darüber hinaus dürfen – was genauer die Arzneimittel anbelangt, die einen in Anhang I
der Verordnung Nr. 273/2004 genannten Stoff enthalten, der einfach verwendet oder
leicht und wirtschaftlich extrahiert werden kann –, wie vom Generalbundesanwalt beim
Bundesgerichtshof, von der portugiesischen Regierung und von der Kommission zu
Recht vorgetragen, nach Art. 71 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2001/83
Arzneimittel, wenn sie „häufig und in sehr starkem Maße unter anormalen Bedingungen
verwendet werden und dies die Gesundheit direkt oder indirekt gefährden kann“, nur auf
ärztliche Verschreibung abgegeben werden, wodurch solche Arzneimittel noch strenger
kontrolliert werden können.
58
Damit gleichen sich die vom Unionsgesetzgeber aufgestellten Genehmigungs- und
Kontrollregelungen, die nach der Verordnung Nr. 273/2004 für erfasste Stoffe und nach
der Richtlinie 2001/83 für Arzneimittel gelten, im Wesentlichen.
59
Die Verordnung Nr. 273/2004 in ihrer für die Sachverhalte der Ausgangsverfahren
maßgeblichen Fassung enthält aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit ihr Arzneimittel,
die einen in ihrem Anhang I genannten Stoff enthalten, der einfach verwendet oder leicht
und wirtschaftlich extrahiert werden kann, zusätzlich einer anderen Genehmigungs- und
Kontrollregelung unterstellt werden sollten als derjenigen, die nach der Richtlinie
2001/83 für Arzneimittel gilt.
60
Bestätigung findet dies im 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 273/2004, aus dem
hervorgeht, dass die unnötigen Handelshemmnisse in Bezug auf Stoffe, die in großen
Mengen legal gehandelt werden, aber gleichwohl als Ausgangsstoffe für die unerlaubte
Herstellung synthetischer Drogen und psychotroper Substanzen ermittelt wurden, zu
begrenzen sind.
61
Hinsichtlich der Verordnung Nr. 111/2005 ist zwar festzustellen, dass sie ihrerseits eine
Reihe genauer Regeln vorsieht, die keine Entsprechung in der Richtlinie 2001/83 über
die Arzneimittel finden. Insbesondere legt Abschnitt 5 des Kapitels II dieser Verordnung
eine spezifische Regelung für die Genehmigung und Kontrolle der Ausfuhren von
erfassten Stoffen fest.
62
Allein daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Unionsgesetzgeber die
Arzneimittel, die einen im Anhang der Verordnung Nr. 111/2005 genannten Stoff
enthalten, der einfach verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahiert werden kann,
nicht nur der Richtlinie 2001/83, sondern auch dieser Verordnung unterwerfen wollte.
63
Ebenfalls zu diesem Ergebnis führt die systematische Analyse der Regelung für
Drogenausgangsstoffe. Aus dem jeweiligen Art. 2 Buchst. a der Verordnungen
Nrn. 273/2004 und 111/2005 ergibt sich nämlich, dass sich die Definition des Begriffs der
erfassten Stoffe deckt, was ausschließt, dass Arzneimittel, die im Binnenmarkt nicht der
Verordnung Nr. 273/2004 unterliegen, im Hinblick auf ihre Ausfuhr in Drittländer etwa
Verordnung Nr. 273/2004 unterliegen, im Hinblick auf ihre Ausfuhr in Drittländer etwa
unter die Verordnung Nr. 111/2005 fielen.
64
So ergibt sich auch aus den Erwägungsgründen 2, 3 und 7 der Verordnung
Nr. 1259/2013 zur Änderung der Verordnung Nr. 111/2005 zum einen, dass nach Ansicht
des Unionsgesetzgebers der Handel mit Arzneimitteln bis zum Inkrafttreten dieser
Verordnung im Rahmen des Kontrollsystems der Union für Drogenausgangsstoffe nicht
kontrolliert wurde, da Arzneimittel nach der bis dahin bestehenden Rechtslage nicht
unter die Definition des Begriffs der erfassten Stoffe gefallen seien.
65
Zum anderen beschloss der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Verordnung
Nr. 1259/2013 aus eben diesem Grund, ausschließlich die Arzneimittel, die zwei erfasste
Stoffe, nämlich Ephedrin und Pseudoephedrin sowie deren Salze, enthalten, der
Kontrollregelung für den Handel mit Drogenausgangsstoffen zwischen der Union und
Drittländern zu unterwerfen.
66
Demzufolge kann ein Erzeugnis, das wie die in den Ausgangsverfahren in Rede
stehenden unter die Definition des Arzneimittelbegriffs im Sinne der Richtlinie 2001/83
fällt, nicht als erfasster Stoff im Sinne des jeweiligen Art. 2 Buchst. a der Verordnungen
Nrn. 273/2004 und 111/2005 eingestuft werden.
67
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass der jeweilige Art. 2 Buchst. a
der Verordnungen Nrn. 273/2004 und 111/2005 dahin auszulegen ist, dass ein
Arzneimittel im Sinne der Definition von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 als solches,
selbst wenn es einen in Anhang I der Verordnung Nr. 273/2004 und im Anhang der
Verordnung Nr. 111/2005 genannten Stoff enthält, der einfach verwendet oder leicht und
wirtschaftlich extrahiert werden kann, nicht als „erfasster Stoff“ eingestuft werden kann.
Kosten
68
Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der beim vorlegenden
Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof
sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
Der jeweilige Art. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe
und der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 zur
Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit
Drogenausgangsstoffen zwischen der Gemeinschaft und Drittländern ist dahin
auszulegen, dass ein Arzneimittel im Sinne der Definition von Art. 1 Nr. 2 der
Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.
November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel
in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 12. Dezember 2006 geänderten Fassung als solches, selbst wenn
es einen in Anhang I der Verordnung Nr. 273/2004 und im Anhang der Verordnung
es einen in Anhang I der Verordnung Nr. 273/2004 und im Anhang der Verordnung
Nr. 111/2005 genannten Stoff enthält, der einfach verwendet oder leicht und
wirtschaftlich extrahiert werden kann, nicht als „erfasster Stoff“ eingestuft werden
kann.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.