Urteil des EuGH vom 23.12.2015

Verordnung, Deckung, Satzung, Firma

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)
23. Dezember 2015(
)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Hygieneuntersuchungen – Amtliche
Kontrollen von Lebens- und Futtermitteln – Finanzierung der Kontrollen – Kosten für
Untersuchungen im Zusammenhang mit Schlachttätigkeiten – Verordnung (EG) Nr. 882/2004 –
Richtlinie 85/73/EWG – Möglichkeit der Erhebung eines Betrags, der die tatsächlichen Kosten
der Untersuchungen deckt und höher ist als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Gebühren“
In der Rechtssache C‑58/15
betreffend ein Ersuchen um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom
Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 29. Januar 2015,
beim Gerichtshof eingegangen am 10. Februar 2015, in dem Verfahren
Firma Theodor Pfister
gegen
Landkreis Main-Spessart
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter J.‑C. Bonichot
(Berichterstatter) und S. Rodin,
Generalanwalt: H. S. Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Firma Theodor Pfister, vertreten durch Rechtsanwalt M. Stephani,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch G. von Rintelen und D. Bianchi als
Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne
Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2
der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April
2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und
Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. L 165,
S. 1, berichtigt im ABl. L 191, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates
vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr.
882/2004).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Firma Theodor Pfister
(im Folgenden: Pfister) und dem Landkreis Main-Spessart über Gebühren, die der Landkreis für
Hygieneuntersuchungen erhoben hat, die von ihm im Jahr 2007 in der Metzgerei von Pfister
durchgeführt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 85/73
3
Art. 1 der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 über die Finanzierung der
veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen nach den Richtlinien 89/662/EWG, 90/425/EWG,
90/675/EWG und 91/496/EWG (ABl. L 32, S. 14) in der durch die Richtlinie 97/79/EG des Rates
vom 18. Dezember 1997 (ABl. 1998, L 24, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie
85/73) lautet:
„Die Mitgliedstaaten tragen nach Maßgabe des Anhangs A dafür Sorge, dass für die Kosten, die
durch die Untersuchungen und Kontrollen der Erzeugnisse im Sinne des vorgenannten Anhangs
einschließlich derjenigen zur Gewährleistung des Schutzes der Tiere in den Schlachthöfen im
Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie 93/119/EWG entstehen, eine
Gemeinschaftsgebühr erhoben wird.“
4
Art. 2 der Richtlinie 85/73 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten tragen nach Maßgabe des Anhangs B dafür Sorge, dass für die Kosten, die
durch die Untersuchungen und Kontrollen im Sinne der Richtlinie 96/23/EG entstehen, eine
Gemeinschaftsgebühr erhoben wird.“
5
Art. 3 dieser Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten tragen nach Maßgabe des Anhangs C dafür Sorge, dass für die Kosten, die
durch die Untersuchungen und Kontrollen von lebenden Tieren im Sinne des vorgenannten
Anhangs entstehen, eine Gemeinschaftsgebühr erhoben wird.“
6
In Art. 5 der Richtlinie heißt es:
„(1) Die Gemeinschaftsgebühren werden in der Weise festgelegt, dass sie folgende Kosten
decken, die die zuständige Behörde bei der Durchführung der Kontrollen und Untersuchungen
im Sinne der Artikel 1, 2 und 3 zu tragen hat:
– Löhne und Sozialabgaben der Untersuchungsstelle;
– durch die Durchführung der Untersuchungen und Kontrollen entstehende
Verwaltungskosten, denen noch die Kosten der Fortbildung des Untersuchungspersonals
hinzugerechnet werden können.
(3) Die Mitgliedstaaten können einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühren
erheben, sofern die erhobene Gesamtgebühr die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht
überschreitet.
überschreitet.
…“
7
Anhang A Kapitel I Nr. 4 der Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten können zur Deckung höherer Kosten
a) die unter Nummer 1 und Nummer 2 Buchstabe a) vorgesehenen Pauschalbeträge für
bestimmte Betriebe anheben …
b) oder eine Gebühr erheben, die die tatsächlichen Kosten deckt.“
Verordnung Nr. 882/2004
8
Im 32. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 882/2004 heißt es:
„Für die Durchführung amtlicher Kontrollen sollten ausreichende Finanzmittel bereitgestellt
werden. Daher sollten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Gebühren oder
Kostenbeiträge zur Deckung der Kosten erheben können, die durch die amtlichen Kontrollen
entstehen. Dabei steht es den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten frei, die Gebühren und
Kostenbeiträge auf der Grundlage der entstandenen Kosten und unter Berücksichtigung der
betrieblichen Gegebenheiten als Pauschalbeträge festzulegen. …“
9
Art. 26 („Allgemeiner Grundsatz“) dieser Verordnung lautet:
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass angemessene finanzielle Mittel für die amtlichen
Kontrollen verfügbar sind, und zwar aus beliebigen Mitteln, die sie für angemessen halten,
einschließlich einer allgemeinen Besteuerung oder der Einführung von Gebühren oder
Kostenbeiträgen, damit die erforderlichen personellen und sonstigen Mittel bereitgestellt werden
können.“
10
In Art. 27 Abs. 1 und 3 der Verordnung heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten können Gebühren oder Kostenbeiträge zur Deckung der Kosten
erheben, die durch die amtlichen Kontrollen entstehen.
(3) Unbeschadet der Absätze 4 und 6 dürfen die Gebühren, die in Verbindung mit den in
Anhang IV Abschnitt A und Anhang V Abschnitt A genannten konkreten Tätigkeiten erhoben
werden, nicht niedriger sein als die in Anhang IV Abschnitt B und Anhang V Abschnitt B
angegebenen Mindestbeträge. Während eines Übergangszeitraums bis zum 1. Januar 2008
können die Mitgliedstaaten bezüglich der in Anhang IV Abschnitt A genannten Tätigkeiten
jedoch weiterhin die nach der Richtlinie 85/73/EWG geltenden Beträge erheben.
…“
11
Art. 67 der Verordnung Nr. 882/2004 bestimmt:
„Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der
Europäischen Union in Kraft.
Sie gilt ab dem 1. Januar 2006.
Die Artikel 27 und 28 gelten jedoch erst ab dem 1. Januar 2007.“
Deutsches Recht
Deutsches Recht
12
§ 24 des Fleischhygienegesetzes (FlHG), aufgehoben mit Wirkung vom 7. September 2005,
bestimmt:
„(1) Für die Amtshandlungen nach diesem Gesetz und den zur Durchführung dieses
Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften werden kostendeckende Gebühren und Auslagen
erhoben. Dies gilt auch für Amtshandlungen nach unmittelbar geltenden Rechtsakten der
Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich dieses Gesetzes.
(2) Die nach Absatz 1 kostenpflichtigen Tatbestände werden durch Landesrecht bestimmt.
Die Gebühren werden nach Maßgabe der von der Europäischen Gemeinschaft erlassenen
Rechtsakte über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von Fleisch
bemessen. …“
13
Art. 3 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes, das bis 31.
Dezember 2007 galt, bestimmt:
„(1) Die Landkreise, kreisfreien Gemeinden und kreisangehörigen Gemeinden tragen die
Aufwendungen, die in Erfüllung der Aufgaben anfallen, die ihnen durch eine Verordnung auf
Grund von Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 übertragen wurden.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 bestimmen die Landkreise, kreisfreien Gemeinden und
kreisangehörigen Gemeinden durch Satzung für ihr Gebiet einheitlich die kostenpflichtigen
Tatbestände für Amtshandlungen im Sinn von § 24 Abs. 1 FlHG sowie für ihr Gebiet einheitlich
und gesondert von den Gebühren für die Schlachthofbenutzung und die Tierkörperbeseitigung
die Gebühren gemäß § 24 Abs. 2 FlHG nach Maßgabe der Richtlinie 85/73/EWG. Dabei
a) ist für Untersuchungen im Zusammenhang mit Schlachttätigkeiten abweichend von den in
Anhang A Kapitel I Ziffer 1 genannten Pauschalbeträgen eine kostendeckende Gebühr
nach Maßgabe des Anhangs A Kapitel I festzusetzen;
b) ist für Untersuchungen und Kontrollen im Zusammenhang mit der Zerlegung eine
zeitbezogene Gebühr nach Maßgabe des Anhangs A Kapitel I Ziffer 2 Buchst. b der
Richtlinie 85/73/EWG festzusetzen;
c) ist für Rückstandsuntersuchungen zusätzlich eine Gebühr nach Maßgabe des Anhangs B
Ziffer 1 Buchst. a der Richtlinie 85/73/EWG festzusetzen.
Soweit die Richtlinie 85/73/EWG für kostenpflichtige Tatbestände keine Gemeinschaftsgebühr
festlegt, sind kostendeckende Gebühren festzusetzen. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts
des Kostengesetzes mit Ausnahme der Art. 1, 3 bis 6 und 20 gelten entsprechend, soweit sich
aus der Richtlinie 85/73/EWG nichts anderes ergibt.“
14
§ 1 („Kostenpflichtige Tatbestände“) der Satzung des Landkreises Main-Spessart über die
Erhebung von Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen im Vollzug fleischhygienerechtlicher
Vorschriften vom 10. Oktober 2005 sieht vor:
„(1) Für die Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz werden Kosten (Gebühren
und Auslagen) nach dieser Satzung erhoben.
(2) Eine Gebührenpflicht besteht für
a) die Durchführung der amtlichen Untersuchungen (…, Fleischuntersuchungen …);
b) die Kontrollen in Zerlegungs‑, Fleischverarbeitungs‑, Hackfleisch‑, Fleischzubereitungs-
und Umpackbetrieben …;
(3) Die Höhe der Gebühren aus den in Abs. 2 genannten Tatbeständen ergibt sich aus den
§§ 2 bis 9, aus § 11 Abs. 1 und aus den Anlagen, die Bestandteil der Satzung sind.“
15
§ 2 („Gebühr für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung“) dieser Satzung bestimmt:
„Die Gebühren in Schlachtbetrieben für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung … sind nach
Anhang A Kapitel I Nr. 4b der Richtlinie 85/73/EWG … kostendeckend zu erheben.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
16
Der Landkreis Main-Spessart führte im Jahr 2007 in der Metzgerei von Pfister monatliche
Untersuchungen durch. Für diese Untersuchungen, die sich auf Fleisch bezogen, wurden Pfister
vom Landkreis mit mehreren Bescheiden Gebühren in Höhe von insgesamt 6 756,60 Euro
auferlegt.
17
Nachdem die von Pfister gegen diese Bescheide eingelegten Widersprüche von der Regierung
von Unterfranken mit Entscheidung vom 6. Februar 2009 zurückgewiesen worden waren, erhob
dieses Unternehmen beim Verwaltungsgericht Würzburg Anfechtungsklage.
18
Das Verwaltungsgericht Würzburg wies die Klage von Pfister mit Urteil vom 18. Januar 2010
ab, woraufhin Pfister beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Berufung einlegte.
19
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht Trier in
einer vergleichbaren Rechtssache am 10. Dezember 2009 ein Urteil erlassen habe, das die
Auffassung von Pfister bestätige, wonach die Erhebung von Gebühren, die die tatsächlichen
Kosten der im Jahr 2007 durchgeführten Hygieneuntersuchungen deckten, gegen die
Verordnung Nr. 882/2004 verstoße. In diesem Urteil werde ausgeführt, dass der Wortlaut der
deutschen Sprachfassung von Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 882/2004
es erlaube, für Hygieneuntersuchungen die „nach der Richtlinie 85/73 … geltenden Beträge“ zu
erheben. Diese Formulierung umfasse nur die unmittelbar in dieser Richtlinie festgelegten
Pauschalbeträge. Dagegen hänge die Inanspruchnahme der in Anhang A Kapitel I Nr. 4
Buchst. b der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit, Gebühren zu erheben, die die tatsächlichen
Kosten einer Untersuchung deckten, von den Rechtsvorschriften ab, die die Mitgliedstaaten zur
Umsetzung dieser Bestimmung erließen. Diese Auslegung werde überdies durch den Wortlaut
von Anhang IV Abschnitt A Nr. 1 der Verordnung Nr. 882/2004 bestätigt, wo der
Unionsgesetzgeber unter Verwendung des Ausdrucks „Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73“
auf sämtliche auf der Grundlage dieser Richtlinie erhobenen Gebühren Bezug nehme.
20
Das Verwaltungsgericht Würzburg in dem von Pfister angefochtenen Urteil und der
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Beschluss vom 14. März 2008 hätten die
gegenteilige Auslegung von Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 882/2004
vertreten. Nach ihrer Ansicht betreffe diese Bestimmung sämtliche auf der Grundlage der
Richtlinie 85/73 erhobenen Gebühren, einschließlich der gemäß Anhang A Kapitel I Nr. 4
Buchst. b dieser Richtlinie festgelegten. Diese Auslegung ergebe sich u. a. aus der englischen
Sprachfassung von Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 882/2004. Bestätigt
werde sie dadurch, dass das Finanzierungssystem der Richtlinie 85/73 durch diese Verordnung
nicht geändert werde. Die genannte Bestimmung erlaube daher die Erhebung höherer
Gebühren als der Pauschalbeträge, um die tatsächlichen Kosten der Untersuchungen zu
decken, wie es die alte Fassung der Richtlinie 85/73 vorgesehen habe. Es sei nicht denkbar,
dass im Übergangszeitraum ein anderes System anzuwenden gewesen wäre.
21
Das vorlegende Gericht möchte insoweit der Argumentation des Verwaltungsgerichts Würzburg
und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg folgen. Die von Pfister vertretene
gegenteilige Lösung beruhe auf einer formalistischen Argumentation, die den in der
vorstehenden Randnummer beschriebenen rechtlichen Kontext außer Acht lasse. Vor dem
Hintergrund der Divergenzen in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte zur Auslegung von
Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 882/2004 könne diese Bestimmung jedoch
Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 882/2004 könne diese Bestimmung jedoch
nicht als „acte clair“ im Sinne des Urteils Cilfit u. a. (283/81, EU:C:1982:335) angesehen werden.
22
Unter diesen Umständen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das
Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung
vorzulegen:
Erlaubt Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 882/2004 für den
Übergangszeitraum des Jahres 2007 die Erhebung von kostendeckenden
Fleischhygienegebühren nach altem Recht (Richtlinie 85/73)?
Zur Vorlagefrage
23
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2
der Verordnung Nr. 882/2004 dahin auszulegen ist, dass er es für den Übergangszeitraum des
Jahres 2007 gestattet, für die Kosten, die durch die Untersuchungen und Kontrollen auf dem
Gebiet der Fleischhygiene entstehen, Gebühren im Sinne der Richtlinie 85/73 zu erheben, die
die von der zuständigen Behörde zu tragenden Kosten decken.
24
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung
Nr. 882/2004 in Verbindung mit deren Art. 67 den Mitgliedstaaten während eines
Übergangszeitraums vom 1. Januar 2007 bis zum 1. Januar 2008 erlaubt, weiterhin „die nach
der Richtlinie 85/73 … geltenden Beträge“ zu erheben.
25
Hinsichtlich der Auslegung der Wendung „die nach der Richtlinie 85/73 … geltenden Beträge“
ist darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung einer Bestimmung
des Unionsrechts es nach ständiger Rechtsprechung erfordert, dass diese Bestimmung, wenn
ihre verschiedenen Sprachfassungen voneinander abweichen, anhand des Kontexts und der
Zielsetzung der Regelung ausgelegt wird, zu der sie gehört (Urteil Nike European Operations
Netherlands, C‑310/14, EU:C:2015:690, Rn. 17). Die Auslegung einer Vorschrift des
Unionsrechts erfordert zudem einen Vergleich ihrer Sprachfassungen (Urteile Cilfit u. a., 283/81,
EU:C:1982:335, Rn. 18, und Hotel Sava Rogaška, C‑207/14, EU:C:2015:414, Rn. 26).
26
Insoweit geht aus der großen Mehrzahl der Sprachfassungen von Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1
Satz 2 der Verordnung Nr. 882/2004 klar hervor, dass sich diese Bestimmung auf sämtliche
Gebühren bezieht, die die Mitgliedstaaten zu Beginn des Übergangszeitraums für die gemäß
der Richtlinie 85/73 durchgeführten Untersuchungen und Kontrollen erhoben. Die deutsche
Sprachfassung dieser Bestimmung, die auf die „nach der Richtlinie 85/73 … geltenden Beträge“
Bezug nimmt, ist hiervon keine Ausnahme.
27
Diese Auslegung ergibt sich überdies bereits aus dem in der Richtlinie 85/73 vorgesehenen
System zur Finanzierung der Untersuchungen und Kontrollen, das auf dem Grundsatz beruht,
dass die Gebühren es ermöglichen müssen, die tatsächlichen Kosten der Untersuchungen und
Kontrollen zu decken.
28
Aus den Art. 1 bis 3 der Richtlinie 85/73 ergibt sich nämlich, dass die Mitgliedstaaten dafür
Sorge tragen, dass für die Kosten, die durch die dort genannten Untersuchungen und Kontrollen
entstehen, eine Gemeinschaftsgebühr erhoben wird. In Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie wurde
diese Gebühr vom Gemeinschaftsgesetzgeber in der Weise festgelegt, dass sie die von der
zuständigen Behörde zu tragenden Kosten deckt. Sind die tatsächlich zu tragenden Kosten
höher als die Pauschalbeträge, sind die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie befugt,
Gebühren zu erheben, die die tatsächlichen Kosten decken.
29
In Bezug auf die Kosten für Untersuchungen und Kontrollen, die insbesondere mit Schlacht-
und Zerlegungstätigkeiten in Zusammenhang stehen, bestätigt Anhang A Kapitel I Nr. 4
Buchst. b der Richtlinie 85/73, dass die Mitgliedstaaten eine Gebühr erheben können, die die
tatsächlichen Kosten deckt.
30
Folglich umfassen die nach der Richtlinie 85/73 geltenden Beträge sowohl die in dieser
Richtlinie festgelegten Pauschalbeträge als auch die gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten
zur Deckung der tatsächlichen Kosten der Untersuchungen und Kontrollen erhobenen höheren
Beträge.
31
Desgleichen ergibt sich aus dem 32. Erwägungsgrund und aus Art. 26 der Verordnung
Nr. 882/2004, dass das in dieser Verordnung vorgesehene Finanzierungssystem auf dem
Grundsatz beruht, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten in der Lage sein sollten,
Gebühren oder Kostenbeiträge zur Deckung der Kosten zu erheben, die durch die amtlichen
Kontrollen entstehen. Im Einklang mit diesem Grundsatz sieht Art. 27 der Verordnung
Nr. 882/2004 eine Pflicht zur Erhebung von Mindestgebühren sowie die Möglichkeit vor, diese
an die höheren tatsächlichen Kosten anzupassen.
32
Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 882/2004 kann demnach nicht dahin
ausgelegt werden, dass er eine Ausnahme von dem dieser Verordnung und der Richtlinie 85/73
gemeinsamen Grundsatz des Systems zur Finanzierung der Untersuchungen und Kontrollen
vorsieht. Vielmehr ist diese Übergangsbestimmung, die zudem nur für das Jahr 2007 gilt, so zu
verstehen, dass sie die Ablösung der Richtlinie 85/73 durch die Verordnung Nr. 882/2004
erleichtern soll.
33
Nach alledem ist Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 882/2004 dahin
auszulegen, dass er es für den Übergangszeitraum des Jahres 2007 gestattet, für die Kosten,
die durch die Untersuchungen und Kontrollen auf dem Gebiet der Fleischhygiene entstehen,
Gebühren im Sinne der Richtlinie 85/73 zu erheben, die die von der zuständigen Behörde zu
tragenden Kosten decken.
Kosten
34
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses
Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof
sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung
der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über
Tiergesundheit und Tierschutz in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates
vom 20. November 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es für den
Übergangszeitraum des Jahres 2007 gestattet, für die Kosten, die durch die
Untersuchungen und Kontrollen auf dem Gebiet der Fleischhygiene entstehen,
Gebühren im Sinne der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 über die
Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen nach den Richtlinien
89/662/EWG, 90/425/EWG, 90/675/EWG und 91/496/EWG in der durch die Richtlinie
97/79/EG des Rates vom 18. Dezember 1997 geänderten Fassung zu erheben, die die von
der zuständigen Behörde zu tragenden Kosten decken.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.