Urteil des EuGH vom 06.11.2014

Verordnung, Mitgliedstaat, Belgien, Europäische Kommission

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
6. November 2014
)
„Soziale Sicherheit – Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Familienleistungen – Regeln für
den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen“
In der Rechtssache C‑4/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom
Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. September 2012, beim
Gerichtshof eingegangen am 2. Januar 2013, in dem Verfahren
Agentur für Arbeit Krefeld – Familienkasse
gegen
Susanne Fassbender-Firman
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas
(Berichterstatter), E. Juhász, D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der griechischen Regierung, vertreten durch T. Papadopoulou als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. April
2014
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 76 Abs. 2 der
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 76 Abs. 2 der
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der
Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren
Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch
die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1)
geänderten und aktualisierten Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG)
Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 209, S. 1) (im Folgenden: Verordnung
Nr. 1408/71).
2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Agentur für Arbeit Krefeld –
Familienkasse (im Folgenden: Familienkasse) und Frau Fassbender-Firman, die in
Belgien wohnt und in Deutschland abhängig beschäftigt ist, wegen der Rückforderung
von Kindergeld, das ihr von der Familienkasse gezahlt worden war.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3
Art. 13 („Allgemeine Regelung“) der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese
Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche
Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt
den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet
eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen,
das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen
Mitgliedstaats hat;
...“
4
Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
„Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines
Mitgliedstaats unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI, für seine
Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf
Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese
Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.“
5
Art. 76 der Verordnung lautet:
„(1) Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen
in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen
wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen,
so ruht der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats
gegebenenfalls gemäß Artikel 73 bzw. 74 geschuldeten Familienleistungen bis zu dem
in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag.
in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag.
(2) Wird in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen,
kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des
anderen Mitgliedstaates Absatz 1 anwenden, als ob Leistungen in dem ersten
Mitgliedstaat gewährt würden.“
6
Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die
Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. L 74, S. 1) in der durch die Verordnung
Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr.
574/72) sieht vor:
„a) Der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den
Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen der Erwerb
des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung,
Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, ruht, wenn während
desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der
innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel
73, 74, 77 oder 78 der Verordnung [Nr. 1408/71] geschuldet werden, bis zur Höhe
dieser geschuldeten Leistungen.
b) Wird jedoch
i) in dem Fall, in dem Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen
Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73 oder 74
der Verordnung [Nr. 1408/71] geschuldet werden, von der Person, die
Anspruch auf die Familienleistungen hat, oder von der Person, an die sie zu
zahlen sind, in dem unter Buchstabe a) erstgenannten Mitgliedstaat eine
Berufstätigkeit ausgeübt, so ruht der Anspruch auf die allein aufgrund der
innerstaatlichen Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats oder nach den
genannten Artikeln geschuldeten Familienleistungen, und zwar bis zur Höhe
der Familienleistungen, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats
vorgesehen sind, in dessen Gebiet das Familienmitglied wohnhaft ist.
Leistungen, die der Mitgliedstaat zahlt, in dessen Gebiet das Familienmitglied
wohnhaft ist, gehen zu Lasten dieses Staates;
...“
7
Die Verordnung Nr. 1408/71 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der
Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1) ersetzt, und an die Stelle der
Verordnung Nr. 574/72 ist die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für
die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 (ABl. L 284, S. 1) getreten; die neuen
Verordnungen gelten gemäß Art. 91 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 97 der
Verordnung Nr. 987/2009 seit dem 1. Mai 2010. Unter Berücksichtigung des Zeitraums,
auf den sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens erstreckt, gelten dafür jedoch die
Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72.
Deutsches Recht
8
§ 65 („Andere Leistungen für Kinder“) des Einkommensteuergesetzes in der auf den
Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung bestimmt:
„(1) Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen
zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:
1. Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Kinderzuschüsse aus
den gesetzlichen Rentenversicherungen,
2. Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder
einer der unter Nummer 1 genannten Leistungen vergleichbar sind,
...“
9
In § 4 („Andere Leistungen für Kinder“) des Bundeskindergeldgesetzes in der auf den
Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung heißt es:
„(1) Kindergeld wird nicht für ein Kind gewährt, für das eine der folgenden Leistungen
zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:
1. Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Kinderzuschüsse aus
den gesetzlichen Rentenversicherungen,
2. Leistungen für Kinder, die außerhalb Deutschlands gewährt werden und dem
Kindergeld oder einer der unter Nummer 1 genannten Leistungen vergleichbar
sind,
...“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
10
Frau Fassbender-Firman, eine deutsche Staatsangehörige, und ihr Ehemann, der die
belgische Staatsangehörigkeit besitzt, haben einen im Jahr 1995 geborenen Sohn. Die
Familie zog im Juni 2006 von Deutschland nach Belgien und hat seither dort ihren
Wohnsitz.
Frau
Fassbender-Firman
übt
in
Deutschland
eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus. Ihr Ehemann arbeitet seit November
2006 für ein belgisches Zeitarbeitsunternehmen und war zuvor arbeitslos.
11
Frau Fassbender-Firman bezog für ihren Sohn fortlaufend in Deutschland Kindergeld.
Ihr Ehemann hatte vergleichbare Leistungen in Belgien nicht beantragt und daher auch
nicht erhalten.
12
Als die Familienkasse vom Umzug der Familie nach Belgien erfuhr, hob sie den
Bescheid über die Gewährung von Kindergeld an Frau Fassbender-Firman mit Wirkung
ab Juli 2006 auf und forderte das für den Zeitraum von Juli 2006 bis März 2007 (im
Folgenden: streitiger Zeitraum) gezahlte Kindergeld zurück.
13
Im Verfahren über den von Frau Fassbender-Firman dagegen erhobenen Einspruch
13
Im Verfahren über den von Frau Fassbender-Firman dagegen erhobenen Einspruch
vertrat die Familienkasse die Auffassung, dass Frau Fassbender-Firman für den
streitigen Zeitraum zwar ein Kindergeldanspruch nach der deutschen Regelung zustehe,
zugleich jedoch ein Anspruch auf Familienbeihilfen in Belgien bestehe. Letzterer habe
von Juli bis September 2006 pro Monat 77,05 Euro und von Oktober 2006 bis März 2007
pro Monat 78,59 Euro betragen. Nach den Art. 76 bis 79 der Verordnung Nr. 1408/71
ruhe der deutsche Kindergeldanspruch in Höhe der belgischen Familienbeihilfen, und es
könne nur die Differenz zwischen den in Deutschland und in Belgien geschuldeten
Beträgen ausgezahlt werden. Dass die in Belgien vorgesehenen Familienbeihilfen nicht
beantragt worden seien, sei nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 unerheblich.
Denn diese Regelung solle gerade verhindern, dass das Zuständigkeitssystem der
Verordnung Nr. 1408/71 dadurch umgangen werde, dass ein Versicherter darauf
verzichte, Familienbeihilfen zu beantragen.
14
Das von Frau Fassbender-Firman angerufene Finanzgericht entschied, dass der
Bescheid der Familienkasse über die Aufhebung der Festsetzung und die
Rückforderung des Kindergelds rechtswidrig sei.
15
Es führte aus, zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen für eine nur anteilige
Gewährung des deutschen Kindergelds erfüllt. Die Familienkasse habe jedoch das ihr
nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 zustehende Ermessen nicht ausgeübt.
Da es um Ansprüche wegen mehrfacher Erwerbstätigkeit gehe, sei Art. 76 der
Verordnung die einschlägige Antikumulierungsvorschrift. Die Familienkasse habe sich
zu Unrecht zur Anrechnung der belgischen Familienbeihilfen verpflichtet gefühlt und
deswegen rechtswidrig gehandelt.
16
Die Entscheidung über die Anrechnung der Beihilfen, die in Belgien gewährt worden
wären, auf das deutsche Kindergeld stehe nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung
Nr. 1408/71 im Ermessen der Behörde. Es handele sich somit in einem solchen Fall
nicht um eine gebundene Entscheidung der Familienkasse.
17
Mit ihrer beim vorlegenden Gericht gegen das Urteil des Finanzgerichts eingelegten
Revision macht die Familienkasse geltend, Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71
sei nicht so zu verstehen, dass er der Verwaltung bei der rechtlichen Würdigung des
Sachverhalts ein Ermessen im Sinne des deutschen Steuer- und Sozialrechts einräume.
In Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 werde die Grundregel zur Auflösung der
Konkurrenz von Ansprüchen auf Familienleistungen aufgestellt. Aus ihr ergebe sich,
dass der Anspruch auf deutsches Kindergeld bis zur Höhe der Familienbeihilfen ruhe,
die Frau Fassbender-Firman in ihrem Wohnstaat für den Fall zustünden, dass die
Zahlung solcher Leistungen aufgrund einer Erwerbstätigkeit vorgesehen sei. Dies
bedeute, dass ein Anspruch auf Familienleistungen zwar grundsätzlich bestehe, aber
nicht tatsächlich realisiert worden sein müsse. Auch wenn es sich um einen Anspruch
handele, der möglicherweise nicht geltend gemacht werde, trete die Rechtsfolge des
Ruhens automatisch ein.
18
Das Wort „kann“ in Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71, der die Möglichkeit
vorsehe, Abs. 1 dieses Artikels anzuwenden, lasse sich nicht dahin auslegen, dass der
Verwaltung ein Ermessen eingeräumt werde; es bedeute lediglich, dass der
Mitgliedstaat, dessen Leistung ruhe, auch dann nicht mehr als den auf ihn entfallenden
Mitgliedstaat, dessen Leistung ruhe, auch dann nicht mehr als den auf ihn entfallenden
Teil der Familienleistungen erbringen müsse, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die
Familie wohne, kein Antrag auf Gewährung von Familienleistungen gestellt worden sei.
19
Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 solle aus Gründen der
Verteilungsgerechtigkeit verhindern, dass eine Person, die Anspruch auf
Familienleistungen habe, durch die Beantragung dieser Leistungen oder ein Absehen
hiervon festlegen könne, welcher Mitgliedstaat mit der Zahlung der Leistungen belastet
werde.
20
Dagegen hält Frau Fassbender-Firman das Urteil des Finanzgerichts für zutreffend. Sie
entnimmt dem Wortlaut von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71, dass es in das
Ermessen der Behörden eines Mitgliedstaats gestellt sei, ob er die von einem anderen
Mitgliedstaat gezahlten Familienleistungen auf seine eigenen Leistungen anrechne oder
nicht. Im Rahmen dieses Ermessens sei die Möglichkeit zu berücksichtigen, es einem
potenziellen Empfänger von Familienleistungen zu verwehren, den Mitgliedstaat
festzulegen, der die Leistungen schulde.
21
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts wird dem zuständigen Träger durch Art. 76
Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 ein Ermessen eingeräumt, ob er bei unterbliebener
Antragstellung
im
Wohnmitgliedstaat
der
Familienangehörigen
eines
Wandererwerbstätigen Art. 76 Abs. 1 dieser Verordnung anwendet und so den Anspruch
auf die von ihm geschuldeten Familienleistungen ganz oder teilweise zum Ruhen bringt.
22
Der Begriff „vorgesehene Leistungen“ in Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71
erfasse nicht den Fall nicht beantragter Leistungen. Art. 76 Abs. 2 sei, wie sich vor allem
aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ergebe, eine Sonderregelung für den
speziellen Fall, dass ein möglicher Leistungsempfänger keinen Leistungsantrag gestellt
habe. Die Anfügung des Abs. 2 in Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 sei eine Reaktion
des Unionsgesetzgebers auf die frühere Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. Urteile
Salzano, 191/83, EU:C:1984:343, Ferraioli, 153/84, EU:C:1986:168, und Kracht,
C‑117/89, EU:C:1990:279), wonach die fehlende Antragstellung im Wohnmitgliedstaat
der Familienangehörigen eines Wanderarbeitnehmers nicht zum Ruhen des Anspruchs
auf Familienleistungen im Beschäftigungsmitgliedstaat dieses Arbeitnehmers habe
führen dürfen.
23
Die Frage des durch Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 eingeräumten
Ermessens sei bereits im Rahmen der Rechtssache angesprochen worden, die zum
Urteil Schwemmer (C‑16/09, EU:C:2010:605) geführt habe, doch habe sich der
Gerichtshof dort mit dieser Frage nicht befassen müssen.
24
Nach deutschem Rechtsverständnis werde mit der Verwendung des Wortes „kann“ in
einem Gesetzes- oder Verordnungstext nicht zwingend zum Ausdruck gebracht, dass der
Verwaltung ein Ermessen eingeräumt werde, da der Gesetz- oder Verordnungsgeber
dieses Wort bisweilen auch als Synonym für „ist befugt“ oder „ist ermächtigt“ verwende.
Für eine solche Auslegung gebe es im Anwendungsbereich von Art. 76 Abs. 2 der
Verordnung Nr. 1408/71 als einer Prioritätsregel für konkurrierende Ansprüche jedoch
keinen Anhaltspunkt. Außerdem sei zwar ungeklärt, welche Kriterien für eine
Ermessensausübung relevant sein könnten, doch spreche die Tatsache, dass die
Ermessensausübung relevant sein könnten, doch spreche die Tatsache, dass die
Auslegung von Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 mehrere denkbare Kriterien erkennen
lasse, dafür, dass es sich um eine Vorschrift handele, die der Verwaltung ein Ermessen
einräume.
25
Sofern Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 dem zuständigen Träger ein
Ermessen einräume, ob er bei fehlender Beantragung von Leistungen im
Wohnmitgliedstaat Art. 76 Abs. 1 der Verordnung zur Anwendung bringe, stelle sich die
Frage, welche Ermessenserwägungen der Träger bei seiner Entscheidung anzustellen
habe. In diesem Fall stelle sich außerdem die Frage nach dem Umfang der richterlichen
Kontrolle einer solchen Entscheidung.
26
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren
auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass es im
Ermessen des zuständigen Trägers des Beschäftigungsmitgliedstaats steht, Art. 76
Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 anzuwenden, wenn im Wohnmitgliedstaat der
Familienangehörigen kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt wird?
2. Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Aufgrund welcher
Ermessenserwägungen kann der für Familienleistungen zuständige Träger des
Beschäftigungsmitgliedstaats Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71
anwenden, als ob Leistungen im Wohnmitgliedstaat der Familienangehörigen
gewährt würden?
3. Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Inwieweit unterliegt die
Ermessensentscheidung des zuständigen Trägers der gerichtlichen Kontrolle?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
27
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 76 Abs. 2 der
Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass der zuständige Träger des
Beschäftigungsmitgliedstaats eines Wanderarbeitnehmers über ein Ermessen
hinsichtlich der Anwendung der Antikumulierungsregel in Art. 76 Abs. 1 der Verordnung
verfügt, wenn im Wohnmitgliedstaat der Familienangehörigen dieses Arbeitnehmers kein
Antrag auf Familienleistungen gestellt worden ist.
Vorbemerkungen
28
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71, der bestimmt,
dass ein Erwerbstätiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für
seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen,
Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates hat,
als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten, im Bereich der
Familienleistungen zwar eine allgemeine, aber keine absolute Regel darstellt (vgl.
Urteile Schwemmer, EU:C:2010:605, Rn. 41 und 42, und Wiering, C‑347/12,
EU:C:2014:300, Rn. 40).
EU:C:2014:300, Rn. 40).
29
Daher ist, falls eine Kumulierung der in den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats
vorgesehenen Ansprüche mit den Ansprüchen nach den Rechtsvorschriften des
Beschäftigungsmitgliedstaats eintreten kann, Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 den
Antikumulierungsregeln dieser Verordnung und der Verordnung Nr. 574/72 – also
insbesondere Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 und Art. 10 der Verordnung Nr. 574/72
– gegenüberzustellen (vgl. Urteile Schwemmer, EU:C:2010:605, Rn. 43, und Wiering,
EU:C:2014:300, Rn. 42).
30
Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 enthält, wie sich schon aus seiner Überschrift ergibt,
„Prioritätsregeln für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen
gemäß den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des
Staates, in dem die Familienangehörigen wohnen“. Er soll nach seinem Wortlaut den
Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen regeln, die zum einen
insbesondere nach Art. 73 der Verordnung und zum anderen nach den innerstaatlichen
Rechtsvorschriften des Wohnstaats der Familienangehörigen, die einen Anspruch auf
Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit begründen,
geschuldet werden (vgl. Urteile Dodl und Oberhollenzer, C‑543/03, EU:C:2005:364,
Rn. 53, sowie Schwemmer, EU:C:2010:605, Rn. 45).
31
Im Ausgangsverfahren hatte Frau Fassbender-Firman in Deutschland während des
streitigen Zeitraums nach Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 Anspruch auf Kindergeld
für ihren Sohn. Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass für denselben
Zeitraum und dasselbe Kind auch ihr Ehemann in Belgien Anspruch auf
Familienbeihilfen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit hatte, weil er in diesem
Mitgliedstaat zunächst eine Leistung für Arbeitslose bezog und dann eine
Erwerbstätigkeit ausübte.
32
Daraus folgt, dass Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 auf einen Sachverhalt wie den
des Ausgangsverfahrens anwendbar ist.
33
Nach der Antikumulierungsregel in Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ruht,
wenn für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den
Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Familienleistungen aufgrund der Ausübung
einer Erwerbstätigkeit vorgesehen sind, der Anspruch auf die nach den
Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats des Wanderarbeitnehmers gemäß
Art. 73 der Verordnung geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den
Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats vorgesehenen Betrag.
34
Im Ausgangsverfahren ruht gemäß dieser Regel der aufgrund der deutschen
Rechtsvorschriften bestehende Kindergeldanspruch von Frau Fassbender-Firman somit
grundsätzlich bis zu dem in den belgischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrag der
Familienbeihilfen.
35
Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass der Ehemann von Frau
Fassbender-Firman in Belgien Familienbeihilfen weder beantragt noch erhalten hatte.
36
Nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 kann, wenn in dem Mitgliedstaat, in
36
Nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 kann, wenn in dem Mitgliedstaat, in
dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung
gestellt wird, der zuständige Träger des Beschäftigungsmitgliedstaats Abs. 1 dieses
Artikels anwenden, als ob Leistungen im Wohnmitgliedstaat gewährt würden.
37
Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die letztgenannte Vorschrift es dem
Beschäftigungsmitgliedstaat ermöglichen soll, den Anspruch auf Familienleistungen
auch dann ruhen zu lassen, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf
Leistungsgewährung gestellt worden ist und dieser Mitgliedstaat folglich keine Zahlung
geleistet hat (vgl. Urteile Schwemmer, EU:C:2010:605, Rn. 56, und Pérez García u. a.,
C‑225/10, EU:C:2011:678, Rn. 49).
38
Zwar hatte der Gerichtshof, bevor Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 durch die
Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989 (ABl. L 331, S. 1) ein
Abs. 2 angefügt wurde, entschieden, dass der Anspruch auf Familienleistungen, die im
Beschäftigungsmitgliedstaat eines Elternteils zu zahlen sind, nicht ruht, wenn der andere
Elternteil mit den Kindern in einem anderen Mitgliedstaat wohnt und dort eine
Erwerbstätigkeit ausübt, wobei er jedoch keine Familienleistungen für die Kinder bezieht,
weil nicht alle nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats erforderlichen
Voraussetzungen für die tatsächliche Auszahlung dieser Leistungen, einschließlich der
Voraussetzung einer vorherigen Antragstellung, erfüllt sind (Urteile Salzano,
EU:C:1984:343, Rn. 11, Ferraioli, EU:C:1986:168, Rn. 15, und Kracht, EU:C:1990:279,
Rn. 11); die genannte Änderung von Art. 76 der Verordnung Nr. 1408/71 ist aber erfolgt,
um das in dessen Abs. 1 vorgesehene Ruhenlassen des Anspruchs auf
Familienleistungen auch dann zu ermöglichen, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag
auf Leistungsgewährung gestellt worden ist.
39
In Anbetracht des Wortlauts von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71, dem zufolge
der „zuständige Träger“ des Beschäftigungsmitgliedstaats Art. 76 Abs. 1 der Verordnung
anwenden „kann“, ist somit zu prüfen, ob – wie Frau Fassbender-Firman vor dem
vorlegenden Gericht geltend gemacht hat – ein Träger wie der im Ausgangsverfahren
zuständige, d. h. die Familienkasse, über ein Ermessen verfügt, wenn er bei Fehlen
eines im Wohnmitgliedstaat gestellten Antrags auf Gewährung von Familienleistungen
beschließt, die nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats
geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des
Wohnmitgliedstaats vorgesehenen Betrag ruhen zu lassen.
Antwort des Gerichtshofs
40
Aus dem Wortlaut von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 ergibt sich, dass er ein
Ruhenlassen des Anspruchs auf die nach den Rechtsvorschriften des
Beschäftigungsmitgliedstaats geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den
Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats vorgesehenen Betrag nicht vorschreibt,
sondern erlaubt.
41
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 48 und 49 seiner Schlussanträge festgestellt hat,
ermöglicht es Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 selbst dann, wenn keine
tatsächliche Kumulierung von Familienleistungen vorliegt, einem Wandererwerbstätigen
oder seinen Familienangehörigen Leistungen vorzuenthalten, die nach dem Recht eines
oder seinen Familienangehörigen Leistungen vorzuenthalten, die nach dem Recht eines
Mitgliedstaats gewährt werden, mit der Folge, dass sie als Familienleistungen
möglicherweise einen Betrag erhalten, der sowohl unter dem im Recht des
Beschäftigungsmitgliedstaats vorgesehenen als auch unter dem im Recht des
Wohnmitgliedstaats der Familienangehörigen vorgesehenen Betrag liegt. Im Hinblick auf
ihre Auswirkungen muss diese Bestimmung eng ausgelegt werden.
42
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Leistung nach ständiger
Rechtsprechung dann als Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden kann,
wenn sie den Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands ohne
jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit gewährt
wird und wenn sie sich auf eines der in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71
ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (vgl. Urteil Lachheb, C‑177/12,
EU:C:2013:689, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43
Das Erfordernis, wonach eine Familienleistung aufgrund eines gesetzlich
umschriebenen Tatbestands zu gewähren ist, impliziert, dass nicht nur die
Voraussetzungen ihrer Gewährung, sondern gegebenenfalls auch die Voraussetzungen
ihres Ruhens in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, vorliegend des
Beschäftigungsmitgliedstaats, umschrieben sein müssen.
44
Das Erfordernis der Rechtssicherheit und der Transparenz gebietet es nämlich, dass
die Rechtslage für Wandererwerbstätige und ihre Familienangehörigen hinreichend
bestimmt und klar ist und dass sie in die Lage versetzt werden, nicht nur von allen ihren
Rechten Kenntnis zu erlangen, sondern gegebenenfalls auch von den Beschränkungen
dieser Rechte (vgl. entsprechend Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium
Magdeburg, C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 58 und 59).
45
Folglich darf – wie die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen
ausgeführt hat – der Anspruch der Versicherten auf Familienleistungen nicht im
Ermessen des zuständigen Trägers liegen.
46
Daher ist davon auszugehen, dass Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 es dem
Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in seinen Rechtsvorschriften vorzusehen, dass der
zuständige Träger den Anspruch auf Familienleistungen ruhen lässt, wenn im
Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf Gewährung von Familienleistungen gestellt worden
ist. Unter solchen Umständen verfügt der zuständige Träger nicht über ein Ermessen in
Bezug darauf, ob er gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verordnung die in Art. 76 Abs. 1 der
Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehene Antikumulierungsregel anwendet, sondern er ist
dazu verpflichtet, wenn ihre Anwendung in den Rechtsvorschriften des
Beschäftigungsmitgliedstaats vorgesehen ist und die dort aufgestellten Voraussetzungen
dafür vorliegen.
47
Vorliegend ergibt sich – vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden
Prüfung – aus der schriftlichen Antwort der deutschen Regierung auf eine Frage des
Gerichtshofs, dass die deutschen Rechtsvorschriften – konkret § 65 des
Einkommensteuergesetzes und § 4 des Bundeskindergeldgesetzes in ihrer auf den
Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung – vorsehen, dass der
Anspruch auf Familienleistungen ruht, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf
Gewährung von Familienleistungen gestellt worden ist; diese Rechtsvorschriften seien
im Anschluss an das Urteil Hudzinski und Wawrzyniak (C‑611/10 und C‑612/10,
EU:C:2012:339) unionsrechtskonform in der Weise ausgelegt und angewandt worden,
dass stets die etwaige Differenz zwischen den deutschen Familienleistungen und den
von einem anderen Mitgliedstaat gewährten Familienleistungen gezahlt werde.
48
In diesem Fall muss ein Träger wie der im Ausgangsverfahren zuständige den
Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats
geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des
Wohnmitgliedstaats vorgesehenen Betrag ruhen lassen.
49
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 76 Abs. 2 der Verordnung
Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass er es dem Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in
seinen Rechtsvorschriften vorzusehen, dass der zuständige Träger den Anspruch auf
Familienleistungen ruhen lässt, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf Gewährung
von Familienleistungen gestellt worden ist. Unter diesen Umständen ist der zuständige
Träger,
falls
der
Beschäftigungsmitgliedstaat
in
seinen
innerstaatlichen
Rechtsvorschriften ein solches Ruhenlassen des Anspruchs auf Familienleistungen
vorsieht, bei Vorliegen der in diesen Rechtsvorschriften aufgestellten Voraussetzungen
nach Art. 76 Abs. 2 verpflichtet, den Anspruch ruhen zu lassen, ohne dass er insoweit
über ein Ermessen verfügt.
Zur zweiten und zur dritten Frage
50
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage sind die zweite und die dritte Frage nicht
zu beantworten.
Kosten
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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem
beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen
vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 76 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über
die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und
Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu-
und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom
2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, zuletzt geändert durch
die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998, ist dahin
auszulegen, dass er es dem Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in seinen
Rechtsvorschriften vorzusehen, dass der zuständige Träger den Anspruch auf
Familienleistungen ruhen lässt, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf
Gewährung von Familienleistungen gestellt worden ist. Unter diesen Umständen
ist der zuständige Träger, falls der Beschäftigungsmitgliedstaat in seinen
innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein solches Ruhenlassen des Anspruchs auf
innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein solches Ruhenlassen des Anspruchs auf
Familienleistungen vorsieht, bei Vorliegen der in diesen Rechtsvorschriften
aufgestellten Voraussetzungen nach Art. 76 Abs. 2 verpflichtet, den Anspruch
ruhen zu lassen, ohne dass er insoweit über ein Ermessen verfügt.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.