Urteil des EuGH vom 21.05.2015

Verordnung, Gerichtliche Zuständigkeit, Unternehmen, Kartell

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
21. Mai 2015
)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts –
Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 –
Besondere Zuständigkeiten – Art. 6 Nr. 1 – Klage gegen mehrere in verschiedenen
Mitgliedstaaten ansässige Beklagte, die an einem für unvereinbar mit Art. 81 EG und
Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erklärten Kartell
teilgenommen haben, auf ihre gesamtschuldnerische Verurteilung zur Zahlung von
Schadensersatz und auf Erteilung von Auskünften – Zuständigkeit des angerufenen
Gerichts hinsichtlich der Mitbeklagten – Rücknahme der Klage gegen den Beklagten, der
in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem das angerufene Gericht seinen Sitz hat –
Zuständigkeit für Klagen aus unerlaubter Handlung – Art. 5 Nr. 3 –
Gerichtsstandsklauseln – Art. 23 – Effektive Durchsetzung des Kartellverbots“
In der Rechtssache C‑352/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom
Landgericht Dortmund (Deutschland) mit Entscheidung vom 29. April 2013, beim
Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 2013, in dem Verfahren
Cartel Damage Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA
gegen
Akzo Nobel NV,
Solvay SA/NV,
Kemira Oyj,
FMC Foret SA,
Beteiligte:
Evonik Degussa GmbH,
Chemoxal SA,
Edison SpA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe, der
Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Cartel Damage Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA, vertreten durch
Rechtsanwalt T. Funke,
– der Akzo Nobel NV, vertreten durch Rechtsanwälte M. Blaum und T. Paul,
– der Solvay SA/NV, vertreten durch Rechtsanwälte M. Klusmann und T. Kreifels,
– der Kemira Oyj, vertreten durch Rechtsanwälte U. Börger und R. Lahme,
– der FMC Foret SA, vertreten durch B. Uphoff, Solicitor, und Rechtsanwalt S. Woitz,
– der Evonik Degussa GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte C. Steinle und
S. Wilske,
– der Edison SpA, vertreten durch Rechtsanwälte A. Rinne und T. Mühlbach,
– der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und J. Bousin als
Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch A.‑M. Rouchaud-Joët,
M. Wilderspin und G. Meessen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11.
Dezember 2014
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3, Art. 6 Nr. 1 und
Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Cartel Damage
Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA (im Folgenden: CDC) mit Sitz in Brüssel einerseits
und der Akzo Nobel NV, der Solvay SA/NV, der Kemira Oyj und der FMC Foret SA, die
jeweils ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland haben,
andererseits wegen einer Schadensersatzklage, die CDC auf der Grundlage von
andererseits wegen einer Schadensersatzklage, die CDC auf der Grundlage von
Schadensersatzansprüchen erhoben hat, die ihr unmittelbar oder mittelbar von 71
Unternehmen abgetreten wurden, die behaupten, dass sie durch eine Zuwiderhandlung
gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) Schaden erlitten
hätten.
Rechtlicher Rahmen
3
In den Erwägungsgründen 2, 11, 12, 14 und 15 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:
„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren
das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich,
Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale
Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten
im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung
von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten
zu vereinfachen.
(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und
sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese
Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen,
in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein
anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen
muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der
gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative
Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung
zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege
zuzulassen sind.
(14) Vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten ausschließlichen
Zuständigkeiten muss die Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Wahl des
Gerichtsstands, außer bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen, wo nur
eine begrenztere Vertragsfreiheit zulässig ist, gewahrt werden.
(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit
wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander
unvereinbare Entscheidungen ergehen. …
4
Die Art. 2 bis 31 in Kapitel II dieser Verordnung regeln die Zuständigkeit.
5
Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften“) dieses Kapitels enthält einen Art. 2 Abs. 1 mit
folgendem Wortlaut:
folgendem Wortlaut:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit
vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“
6
Nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 kann eine Person, die ihren Wohnsitz im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden,
„wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung
gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand
des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis
eingetreten ist oder einzutreten droht“.
7
Art. 6 Nr. 1 dieser Verordnung sieht vor:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann auch
verklagt werden:
1. wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, vor dem Gericht des Ortes,
an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, sofern zwischen den Klagen eine
so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und
Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren
widersprechende Entscheidungen ergehen könnten“.
8
Art. 23 in Abschnitt 7 („Vereinbarung über die Zuständigkeit“) von Kapitel II der
Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt in seinem Abs. 1
„Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats
über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem
bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so
sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig. Dieses Gericht
oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die
Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung
muss geschlossen werden
a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung,
b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien
entstanden sind, oder
c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den
die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser
Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig
beachten.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
9
CDC ist eine Gesellschaft belgischen Rechts mit Sitz in Brüssel, deren
Gesellschaftszweck darin besteht, Schadensersatzforderungen von durch ein Kartell
Gesellschaftszweck darin besteht, Schadensersatzforderungen von durch ein Kartell
geschädigten Unternehmen gerichtlich sowie außergerichtlich durchzusetzen. Sie erhob
mit Klageschrift vom 16. März 2009 vor dem vorlegenden Gericht Klage gegen sechs
Chemieunternehmen, die bis auf die Streithelferin und ehemalige Beklagte Evonik
Degussa GmbH (im Folgenden: Evonik Degussa), die ihren Sitz in Essen (Deutschland)
hat, in fünf anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland ansässig sind.
10
CDC stützt ihre Klage, mit der sie die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten
des Ausgangsverfahrens zur Zahlung von Schadensersatz und auf Erteilung von
Auskünften erreichen will, auf die Entscheidung 2006/903/EG der Kommission vom 3.
Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen gegen
Akzo Nobel NV, Akzo Nobel Chemicals Holding AB, EKA Chemicals AB, Degussa AG,
Edison SpA, FMC Corporation, FMC Foret SA, Kemira OYJ, L’Air Liquide SA, Chemoxal
SA, Snia SpA, Caffaro Srl, Solvay SA/NV, Solvay Solexis SpA, Total SA, Elf Aquitaine
SA und Arkema SA (Sache Nr. COMP/F/C.38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat)
(ABl. L 353, S. 54), in der die Europäische Kommission feststellte, dass sich die
Beklagten des Ausgangsverfahrens und weitere Unternehmen betreffend
Wasserstoffperoxid und Natriumperborat an einer einheitlichen und fortgesetzten
Zuwiderhandlung beteiligt und damit gegen das Kartellverbot der Art. 81 EG und 53
EWR-Abkommen verstoßen hätten. Laut dieser Entscheidung begann die
Zuwiderhandlung spätestens am 31. Januar 1994 und dauerte bis zumindest zum 31.
Dezember 2000. Die Zuwiderhandlung habe hauptsächlich umfasst: den Austausch von
wichtigen und vertraulichen Markt- und/oder Unternehmensinformationen, eine
Beschränkung und/oder Kontrolle der Produktion, eine Aufteilung von Märkten und
Kunden sowie eine Festsetzung und Überwachung von Preisen im Rahmen
multilateraler und/oder bilateraler regelmäßiger und unregelmäßiger Treffen und
Telefonkontakte hauptsächlich in Belgien, Frankreich und Deutschland.
11
CDC beruft sich insoweit auf Vereinbarungen über die Abtretung von
Schadensersatzforderungen mit 32 in 13 unterschiedlichen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ansässigen
Unternehmen, die zum Teil ihrerseits Abtretungsvereinbarungen betreffend
Schadensersatzforderungen mit 39 anderen Unternehmen geschlossen hatten. Diese
Unternehmen sind Zellstoff und Papier verarbeitende Industrieunternehmen. Sie haben
nach Behauptung von CDC in den Jahren 1994 bis 2006 erhebliche Mengen
Wasserstoffperoxid in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. des
EWR bezogen, wobei bei einigen Unternehmen Werke in mehreren Mitgliedstaaten
beliefert worden sein sollen. Nach Behauptung der Beklagten enthielten die betreffenden
Lieferverträge zum Teil Schieds- und Gerichtsstandsklauseln.
12
Im September 2009 nahm CDC die Klage gegen Evonik Degussa aufgrund eines mit ihr
geschlossenen Vergleichs zurück. Ende des Jahres 2009 verkündeten die Beklagten,
die noch am Verfahren beteiligt waren, Evonik Degussa sowie der Chemoxal SA und der
Edison SpA den Streit. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens rügten ferner die
Unzuständigkeit des vorlegenden Gerichts, wobei sie sich u. a. auf Gerichtsstands‑ und
Schiedsklauseln in ihren Lieferverträgen mit den mutmaßlich geschädigten
Unternehmen beriefen.
13
Vor diesem Hintergrund ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass seine
13
Vor diesem Hintergrund ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass seine
internationale Zuständigkeit nur aufgrund von Art. 5 Nr. 3 und Art. 6 Nr. 1 der Verordnung
Nr. 44/2001 in Betracht komme. Wenn die Voraussetzungen für diese Zuständigkeit
vorlägen, könne CDC die Beklagten des Ausgangsverfahrens nach ihrer Wahl in einem
der Gerichtsstände nach diesen Bestimmungen verklagen, sofern diese nicht wirksam
nach Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 oder durch eine Schiedsvereinbarung
ausgeschlossen seien.
14
Unter diesen Umständen hat das Landgericht Dortmund das Verfahren ausgesetzt und
dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 so auszulegen, dass bei einer Klage, mit
der eine im Gerichtsstaat ansässige Beklagte und weitere in anderen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Beklagten gemeinsam auf
Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen werden wegen eines von
der Europäischen Kommission festgestellten, in mehreren Mitgliedstaaten unter
unterschiedlicher örtlicher und zeitlicher Beteiligung der Beklagten begangenen
einheitlichen und fortgesetzten Verstoßes gegen Art. 81 EG/Art. 101 AEUV und
Art. 53 EWR-Abkommen, eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zur
Vermeidung widersprechender Entscheidungen in getrennten Verfahren geboten
ist?
Ist dabei zu berücksichtigen, wenn die Klage gegen die im Gerichtsstaat ansässige
Beklagte nach Zustellung an sämtliche Beklagten und vor Ablauf der richterlich
gesetzten Fristen zur Klageerwiderung und vor Beginn der ersten mündlichen
Verhandlung zurückgenommen wird?
2. Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 so auszulegen, dass bei einer Klage, mit
der von in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässigen
Beklagten Auskunft und Schadensersatz verlangt wird wegen eines von der
Europäischen Kommission festgestellten, in mehreren Mitgliedstaaten unter
unterschiedlicher örtlicher und zeitlicher Beteiligung der Beklagten begangenen
einheitlichen und fortgesetzten Verstoßes gegen Art. 81 EG/Art. 101 AEUV und
Art. 53 EWR-Abkommen, das schädigende Ereignis in Bezug auf jeden Beklagten
und auf alle geltend gemachten Schäden oder einen Gesamtschaden in
denjenigen Mitgliedstaaten eingetreten ist, in denen Kartellvereinbarungen
getroffen und umgesetzt wurden?
3. Lässt bei auf Schadensersatz wegen einer Zuwiderhandlung gegen das
Kartellverbot des Art. 81 EG/Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen
gerichteten Klagen das unionsrechtliche Gebot effektiver Durchsetzung des
Kartellverbots
es
zu,
in
Lieferverträgen
enthaltene
Schieds-
und
Gerichtsstandsklauseln zu berücksichtigen, wenn dies zur Derogation eines nach
Art. 5 Nr. 3 und/oder Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 international
zuständigen Gerichts gegenüber allen Beklagten und/oder für alle oder einen Teil
der geltend gemachten Ansprüche führt?
Zu den Vorlagefragen
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
15
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Nr. 1 der
Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung
aufgestellte Regel einer Zuständigkeitskonzentration bei einer Mehrzahl von Beklagten
anwendbar ist, wenn Unternehmen, die sich örtlich und zeitlich unterschiedlich an einem
in einer Kommissionsentscheidung festgestellten einheitlichen und fortgesetzten Verstoß
gegen das unionsrechtliche Kartellverbot beteiligt haben, als Gesamtschuldner auf
Schadensersatz und in diesem Rahmen auf Auskunftserteilung verklagt werden, und
dass dies auch dann gilt, wenn der Kläger seine Klage gegen den einzigen im
Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts ansässigen Mitbeklagten zurückgenommen hat.
16
Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Nr. 1 der
Verordnung Nr. 44/2001 autonom unter Berücksichtigung ihrer Systematik und ihrer
Zielsetzungen auszulegen ist (vgl. Urteil Reisch Montage, C‑103/05, EU:C:2006:471,
Rn. 29).
17
Nach der Zuständigkeitsregel von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 kann eine
Person, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, vor dem Gericht des Ortes,
an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, verklagt werden, sofern zwischen den
Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und
Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren
widersprechende Entscheidungen ergehen könnten (Urteile Painer, C‑145/10,
EU:C:2011:798, Rn. 73, sowie Sapir u. a., C‑645/11, EU:C:2013:228, Rn. 40).
18
Diese besondere Zuständigkeitsregel ist, da mit ihr von der Grundregel des
Gerichtsstands des Wohnsitzes des Beklagten in Art. 2 der Verordnung Nr. 44/2001
abgewichen wird, strikt auszulegen; eine Auslegung über die ausdrücklich in dieser
Verordnung vorgesehenen Fälle hinaus ist unzulässig (vgl. Urteil Painer, C‑145/10,
EU:C:2011:798, Rn. 74).
19
Nach den Erwägungsgründen 12 und 15 der Verordnung Nr. 44/2001 entspricht diese
Zuständigkeitsregel dem Bestreben, eine geordnete Rechtspflege zu fördern,
Parallelverfahren so weit wie möglich zu vermeiden und damit zu verhindern, dass in
getrennten Verfahren möglicherweise widersprechende Entscheidungen ergehen (Urteil
Painer, C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 77).
20
Für die Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist somit zu prüfen, ob
zwischen den verschiedenen Klagen eines Klägers gegen verschiedene Beklagte ein
Zusammenhang besteht, der eine gemeinsame Entscheidung geboten erscheinen lässt,
um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren möglicherweise widersprechende
Entscheidungen ergehen (vgl. Urteile Freeport, C‑98/06, EU:C:2007:595, Rn. 39, sowie
Sapir u. a., C‑645/11, EU:C:2013:228, Rn. 42). Dabei können Entscheidungen nicht
schon deswegen als einander widersprechend betrachtet werden, weil es zu einer
abweichenden Entscheidung des Rechtsstreits kommt, sondern diese Abweichung muss
außerdem bei derselben Sach- und Rechtslage auftreten (vgl. Urteile Freeport, C‑98/06,
EU:C:2007:595, Rn. 40, Painer, C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 79, sowie Sapir u. a.,
EU:C:2007:595, Rn. 40, Painer, C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 79, sowie Sapir u. a.,
C‑645/11, EU:C:2013:228, Rn. 43).
21
Die Voraussetzung, dass es sich um dieselbe Sach- und Rechtslage handeln muss, ist
bei Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens als erfüllt zu betrachten. Obwohl die
Beklagten des Ausgangsverfahrens an der Umsetzung des in Rede stehenden Kartells
durch den Abschluss und die Durchführung entsprechender Vereinbarungen räumlich
und zeitlich unterschiedlich beteiligt waren, stellte dieses Kartell nach der
ausdrücklichen Feststellung in der Entscheidung 2006/903, auf die die Klagen im
Ausgangsverfahren gestützt sind, eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung
gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen dar. Diese Entscheidung regelt
jedoch nicht die Voraussetzungen für eine etwaige zivilrechtliche Haftung,
gegebenenfalls als Gesamtschuldner, der Beklagten des Ausgangsverfahrens, die sich
jeweils nach dem nationalen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten bestimmt.
22
Was schließlich die Gefahr widersprechender Entscheidungen aufgrund eventueller
Abweichungen in den verschiedenen nationalen Haftungsrechten betreffend die
Voraussetzungen für die zivilrechtliche Haftung der an dem rechtswidrigen Kartell
Beteiligten angeht, ergibt sich aus diesem Umstand eine solche Gefahr, wenn ein
mutmaßlicher Geschädigter des Kartells bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten
klagen sollte.
23
Es ist gleichwohl darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn für die
Schadensersatzklagen von CDC gegen die Beklagten des Ausgangsverfahrens nach
den Bestimmungen des internationalen Privatrechts des mit dem Rechtsstreit befassten
Gerichts unterschiedliche Rechtsvorschriften gelten sollten, diese Unterschiedlichkeit der
Rechtsgrundlagen als solche der Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr.
44/2001 nicht entgegensteht, sofern für die Beklagten vorhersehbar war, dass sie in dem
Mitgliedstaat, in dem mindestens einer von ihnen seinen Wohnsitz hatte, verklagt werden
könnten (vgl. Urteil Painer, C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 84).
24
Diese letztgenannte Voraussetzung ist indessen erfüllt, wenn eine verbindliche
Entscheidung der Kommission vorliegt, mit der ein einheitlicher Verstoß gegen
Unionsrecht festgestellt und damit die Haftung jedes Beteiligten für Schäden begründet
wird, die aus unerlaubten Handlungen jedes an diesem Verstoß Beteiligten resultieren.
Unter diesen Umständen mussten die Beteiligten nämlich damit rechnen, vor den
Gerichten eines Mitgliedstaats verklagt zu werden, in dem einer von ihnen ansässig ist.
25
Daher ist davon auszugehen, dass es im Fall getrennter Entscheidungen über
Schadensersatzklagen gegen mehrere in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässige
Unternehmen, die sich unter Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Union an einem
einheitlichen und fortgesetzten Kartell beteiligt haben, zu widersprechenden
Entscheidungen in getrennten Verfahren im Sinne von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr.
44/2001 kommen kann.
26
Nach dieser Klarstellung bleibt weiter zu prüfen, inwieweit die Anwendbarkeit der
Zuständigkeitsregel von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dadurch, dass die
Klägerin des Ausgangsverfahrens ihre Klage gegen die einzige im Mitgliedstaat des
angerufenen Gerichts ansässige Mitbeklagte zurückgenommen hat, ausgeschlossen
werden kann.
27
Nach ständiger Rechtsprechung kann diese Regel nicht so ausgelegt werden, dass es
danach einem Kläger erlaubt wäre, eine Klage gegen mehrere Beklagte allein zu dem
Zweck zu erheben, einen von diesen der Zuständigkeit der Gerichte seines
Wohnsitzstaats zu entziehen (Urteile Reisch Montage, C‑103/05, EU:C:2006:471,
Rn. 32, und Painer, C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 78).
28
Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass in Fällen, in denen die Klagen gegen die
verschiedenen Beklagten bei ihrer Erhebung im Sinne von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung
Nr. 44/2001 im Zusammenhang stehen, die Zuständigkeitsregel dieser Bestimmung
anwendbar ist, ohne dass überdies gesondert festgestellt werden müsste, dass die
Klagen nicht nur erhoben worden sind, um einen der Beklagten den Gerichten seines
Wohnsitzstaats zu entziehen (vgl. Urteil Freeport, C‑98/06, EU:C:2007:595, Rn. 54).
29
Folglich kann das Gericht, das mit Klagen befasst wird, die bei ihrer Erhebung im Sinne
von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 im Zusammenhang stehen, eine etwaige
Zweckentfremdung der darin vorgesehenen Zuständigkeitsregel nur dann feststellen,
wenn beweiskräftige Indizien vorliegen, die den Schluss zulassen, dass der Kläger die
Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung künstlich herbeigeführt oder
aufrechterhalten hat.
30
Im Ausgangsverfahren behaupten einige Parteien, dass die Klägerin des
Ausgangsverfahrens und die in Deutschland ansässige Evonik Degussa vor Erhebung
der Klage einen Vergleich geschlossen und dessen förmlichen Abschluss bewusst bis
nach der Erhebung dieser Klage hinausgezögert hätten, nur um die Zuständigkeit des
angerufenen Gerichts für die anderen Beklagten des Ausgangsverfahrens zu begründen.
31
Um die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsregel von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr.
44/2001 ausschließen zu können, müssen für eine solche Behauptung jedoch
beweiskräftige Indizien für das Bestehen eines kollusiven Zusammenwirkens der
betreffenden Parteien zu dem Zweck, die Voraussetzungen für die Anwendung dieser
Bestimmung im Zeitpunkt der Klageerhebung künstlich herbeizuführen oder
aufrechtzuerhalten, dargelegt werden.
32
Auch wenn die Würdigung der genannten Indizien dem vorlegenden Gericht obliegt, ist
doch klarzustellen, dass die bloße Führung von Verhandlungen zum Zweck eines
etwaigen Vergleichs nicht als Nachweis für ein solches kollusives Zusammenwirken
angesehen werden kann. Dagegen wäre dies nachgewiesen, wenn zutage träte, dass
ein solcher Vergleich tatsächlich geschlossen, jedoch verschleiert wurde, um den
Anschein zu erwecken, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 6 Nr. 1
der Verordnung Nr. 44/2001 vorliegen.
33
Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr.
44/2001 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung aufgestellte Regel einer
Zuständigkeitskonzentration bei einer Mehrzahl von Beklagten anwendbar ist, wenn
Unternehmen, die sich örtlich und zeitlich unterschiedlich an einem in einer
Kommissionsentscheidung festgestellten einheitlichen und fortgesetzten Verstoß gegen
das unionsrechtliche Kartellverbot beteiligt haben, als Gesamtschuldner auf
das unionsrechtliche Kartellverbot beteiligt haben, als Gesamtschuldner auf
Schadensersatz und in diesem Rahmen Auskunftserteilung verklagt werden, und dass
dies auch dann gilt, wenn der Kläger seine Klage gegen den einzigen im Mitgliedstaat
des angerufenen Gerichts ansässigen Mitbeklagten zurückgenommen hat, es sei denn,
dass das Bestehen eines kollusiven Zusammenwirkens des Klägers und des genannten
Mitbeklagten zu dem Zweck, die Voraussetzungen für die Anwendung der genannten
Bestimmung im Zeitpunkt der Klageerhebung künstlich herbeizuführen oder
aufrechtzuerhalten, nachgewiesen wird.
Zur zweiten Frage
34
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Nr. 3 der
Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass bei einer Klage, mit der von in
verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Beklagten Schadensersatz verlangt wird
wegen eines von der Kommission festgestellten, in mehreren Mitgliedstaaten unter
unterschiedlicher örtlicher und zeitlicher Beteiligung der Beklagten begangenen
einheitlichen und fortgesetzten Verstoßes gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-
Abkommen, das schädigende Ereignis in Bezug auf jeden Beklagten und auf alle
geltend gemachten Schäden als in denjenigen Mitgliedstaaten eingetreten gilt, in denen
Kartellvereinbarungen getroffen und umgesetzt wurden.
35
Im Hinblick darauf, dass im Ausgangsrechtsstreit eine Reihe etwaiger
Schadensersatzansprüche in der Person der Klägerin des Ausgangsverfahrens
gebündelt sind, der sie von mehreren angeblich durch das Wasserstoffperoxid-Kartell
geschädigten Unternehmen abgetreten wurden, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass
sich eine vom ursprünglichen Gläubiger vorgenommene Forderungsabtretung für sich
allein nicht auf die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach Art. 5 Nr. 3 der
Verordnung Nr. 44/2001 auswirken kann (Urteil ÖFAB, C‑147/12, EU:C:2013:490,
Rn. 58).
36
Folglich ist der Ort des schädigenden Ereignisses für jede Schadensersatzforderung
unabhängig von ihrer etwa erfolgten Abtretung oder Bündelung zu bestimmen.
37
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 autonom
und eng auszulegen ist (Urteil Kolassa, C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 43).
38
Allerdings ist mit der Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist
oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 sowohl der Ort der
Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen
Geschehens gemeint, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht
eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (Urteile Melzer, C‑228/11,
EU:C:2013:305, Rn. 25, und Kolassa, C‑375/13, EU:C:2015:37 Rn. 45).
39
Die Zuständigkeitsregel in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung beruht nach ständiger
Rechtsprechung darauf, dass zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an
dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, eine besonders
enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer
sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt
(Urteile Melzer, C‑228/11, EU:C:2013:305, Rn. 26, und Hi Hotel HCF, C‑387/12,
(Urteile Melzer, C‑228/11, EU:C:2013:305, Rn. 26, und Hi Hotel HCF, C‑387/12,
EU:C:2014:215, Rn. 28)
40
Bei unerlaubten Handlungen oder ihnen gleichgestellten Handlungen ist nämlich das
Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten
droht, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren
Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage, den Rechtsstreit zu entscheiden
(Urteil Melzer, C‑228/11, EU:C:2013:305, Rn. 27).
41
Die Ermittlung eines der Anknüpfungspunkte, die nach der in Rn. 38 des vorliegenden
Urteils angeführten Rechtsprechung anerkannt sind, muss es somit erlauben, die
Zuständigkeit des Gerichts zu begründen, das objektiv am besten beurteilen kann, ob die
Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten vorliegen, so dass nur das Gericht
zulässigerweise angerufen werden kann, in dessen Zuständigkeitsbereich der relevante
Anknüpfungspunkt liegt (Urteile Coty Germany, C‑360/12, EU:C:2014:1318, Rn. 48, und
Kolassa, C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 47).
42
Es ist zu prüfen, wo im Ausgangsrechtsstreit die Anknüpfungspunkte liegen, nach
denen sich die gerichtliche Zuständigkeit für eine unerlaubte Handlung oder eine
Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, bestimmt.
Ort des ursächlichen Geschehens
43
Was den Ort des ursächlichen Geschehens angeht, ist zunächst festzustellen, dass
unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Käufer ihren Bedarf zwar im
Rahmen vertraglicher Beziehungen mit verschiedenen Beteiligten des fraglichen Kartells
gedeckt haben. Das schädigende Ereignis liegt jedoch nicht in einer eventuellen
Verletzung von vertraglichen Verpflichtungen, sondern in der Beschränkung der
Vertragsfreiheit durch dieses Kartell, die dazu führt, dass es für die Käufer unmöglich
wird, ihren Bedarf zu einem nach den Gesetzen des Marktes gebildeten Preis zu decken.
44
Unter diesen Umständen lässt sich der Ort des ursächlichen Geschehens für einen
Schaden, der in den Mehrkosten besteht, die für einen Käufer wegen der durch ein
Kartell verfälschten Marktpreise anfielen, abstrakt als der Gründungsort dieses Kartells
bestimmen. Sobald nämlich das Kartell gegründet ist, stellen die Beteiligten durch ihre
Handlungen oder Unterlassungen sicher, dass der Wettbewerb verhindert und die Preise
verfälscht werden. Wäre dieser Ort bekannt, entspräche die Zuweisung der Zuständigkeit
an die Gerichte dieses Ortes den in Rn. 39 des vorliegenden Urteils genannten Zielen.
45
Diese Erwägung greift jedoch unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens
nicht durch, die es nach den Feststellungen der Kommission, wie sie in der
Vorlageentscheidung dargelegt sind, nicht zuließen, einen einzigen Gründungsort des
fraglichen Kartells zu bestimmen, da dieses durch eine Anzahl von
Kartellvereinbarungen bei verschiedenen Treffen und Konsultationen an verschiedenen
Orten in der Union gegründet wurde.
46
Dies gilt unbeschadet des Falles, in dem eine spezifische Absprache unter jenen
Absprachen, durch die in ihrer Gesamtheit das fragliche rechtswidrige Kartell gegründet
wurde, für sich allein das ursächliche Geschehen für den einem Käufer angeblich
verursachten Schaden bildete. In diesem Fall wäre das Gericht, in dessen
verursachten Schaden bildete. In diesem Fall wäre das Gericht, in dessen
Zuständigkeitsbereich die Absprache getroffen worden ist, dann für die Entscheidung
über den diesem Käufer verursachten Schaden zuständig.
47
Für diesen letztgenannten Fall sowie den Fall, in dem das vorlegende Gericht
feststellen sollte, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kartell definitiv doch
in seinem Zuständigkeitsbereich gegründet wurde, ist weiter die Frage zu erörtern, ob
mehrere Beteiligte dieses Kartells vor demselben Gericht verklagt werden können.
48
Der Gerichtshof hat zwar in einem anderen Kontext entschieden, dass Art. 5 Nr. 3 der
Verordnung Nr. 44/2001 es nicht erlaubt, aus dem Ort der Handlung, die einem der
mutmaßlichen Verursacher eines Schadens – der nicht Partei des Rechtsstreits ist –
angelastet wird, eine gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über eine Klage
gegen einen anderen, nicht im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts tätig
gewordenen mutmaßlichen Verursacher dieses Schadens herzuleiten (Urteil Melzer,
C‑228/11, EU:C:2013:305, Rn. 41).
49
Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens spräche jedoch nichts dagegen,
mehrere Mitbeklagte zusammen vor demselben Gericht zu verklagen.
50
Folglich setzt eine Zuweisung der Zuständigkeit für die Entscheidung über einen
angeblich durch ein rechtswidriges Kartell verursachten Schaden, die gemäß Art. 5 Nr. 3
der Verordnung Nr. 44/2001 nach Maßgabe des ursächlichen Geschehens und im
Hinblick auf alle Urheber dieses Kartells erfolgen soll, die Ermittlung eines konkreten
Geschehens im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts voraus, bei dem dieses
Kartell definitiv gegründet oder eine Absprache getroffen wurde, die für sich allein das
ursächliche Geschehen für den einem Käufer angeblich verursachten Schaden bildete.
Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs
51
Wie in Rn. 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt, muss es die Ermittlung des Orts der
Verwirklichung des Schadenserfolgs erlauben, die Zuständigkeit des Gerichts zu
begründen, das objektiv am besten beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für die
Haftung des Beklagten vorliegen.
52
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Ort der Verwirklichung des
Schadenserfolgs der Ort, an dem sich der behauptete Schaden konkret zeigt (vgl. Urteil
Zuid-Chemie, C‑189/08, EU:C:2009:475, Rn. 27). Da es sich um einen Schaden handelt,
der in den Mehrkosten besteht, die wegen eines künstlich überhöhten Preises wie dem
von Wasserstoffperoxid anfielen, das Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede
stehenden Kartells war, lässt sich dieser Ort nur für jeden einzelnen mutmaßlich
Geschädigten ermitteln und liegt grundsätzlich an dessen Sitz.
53
Dieser Ort bietet alle Garantien für die sachgerechte Gestaltung eines eventuellen
Prozesses, da die Prüfung einer Klage auf Ersatz des Schadens, der einem bestimmten
Unternehmen durch ein von der Kommission bereits verbindlich festgestelltes
rechtswidriges Kartell verursacht worden sein soll, im Wesentlichen von den
spezifischen Gegebenheiten der Situation dieses Unternehmens abhängt. Unter diesen
Umständen kann das Gericht des Ortes, an dem das Unternehmen seinen Sitz hat,
offensichtlich am besten über eine solche Klage entscheiden.
54
Das so bestimmte Gericht ist bei einer Klage gegen einen oder mehrere Urheber des
betreffenden Kartells für die Entscheidung über den gesamten Schaden zuständig, der
dem mutmaßlich geschädigten Unternehmen aufgrund der Mehrkosten für den Bezug
der von dem Kartell betroffenen Produkte entstanden ist.
55
Dagegen hätte, da die Zuständigkeit des auf der Grundlage der Verwirklichung des
Schadenserfolgs angerufenen Gerichts auf den Schaden des Unternehmens beschränkt
ist, dessen Sitz in seinem Zuständigkeitsbereich liegt, folglich ein Kläger wie CDC, der
die Schadensersatzforderungen mehrerer Unternehmen bündelt, für den Schaden jedes
dieser Unternehmen getrennt jeweils bei dem Gericht Klage zu erheben, in dessen
Zuständigkeitsbereich der jeweilige Sitz dieser Unternehmen liegt.
56
Demnach ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr.
44/2001 dahin auszulegen ist, dass bei einer Klage, mit der von in verschiedenen
Mitgliedstaaten ansässigen Beklagten Schadensersatz verlangt wird wegen eines von
der Kommission festgestellten, in mehreren Mitgliedstaaten unter unterschiedlicher
örtlicher und zeitlicher Beteiligung der Beklagten begangenen einheitlichen und
fortgesetzten Verstoßes gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen, das
schädigende Ereignis in Bezug auf jeden einzelnen angeblichen Geschädigten
eingetreten ist und jeder von ihnen gemäß Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001
entweder bei dem Gericht des Orts klagen kann, an dem das betreffende Kartell definitiv
gegründet oder gegebenenfalls eine spezifische Absprache getroffen wurde, die für sich
allein als das ursächliche Geschehen für den behaupteten Schaden bestimmt werden
kann, oder bei dem Gericht des Orts, an dem er seinen Sitz hat.
Zur dritten Frage
57
Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 23 Abs. 1 der
Verordnung Nr. 44/2001 und das unionsrechtliche Gebot einer effektiven Durchsetzung
des Kartellverbots dahin auszulegen sind, dass sie bei Schadensersatzklagen wegen
Verstoßes gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen es zulassen, in
Lieferverträgen enthaltene Gerichtsstandsklauseln zu berücksichtigen, wenn dies zur
Derogation eines nach Art. 5 Nr. 3 und/oder Art. 6 Nr. 1 der genannten Verordnung
international zuständigen Gerichts führt.
58
Vor der Behandlung dieser Frage ist klarzustellen, dass der Gerichtshof zu einigen
Abweichungsklauseln, die ebenfalls in den genannten Verträgen enthalten sein sollen,
ohne jedoch in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 zu fallen, nicht
über ausreichende Informationen verfügt, um dem vorlegenden Gericht eine
sachdienliche Antwort zu geben.
59
Zu den in der dritten Frage genannten Klauseln, die in den Anwendungsbereich der
Verordnung Nr. 44/2001 fallen, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Kontext
des am 27. September 1968 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommens über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) festgestellt hat, dass die Parteien durch
den Abschluss einer im Einklang mit Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens stehenden
den Abschluss einer im Einklang mit Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens stehenden
Gerichtsstandsvereinbarung nicht nur von der in dessen Art. 2 vorgesehenen
allgemeinen Zuständigkeit abweichen können, sondern auch von den besonderen
Zuständigkeiten in seinen Art. 5 und 6 (vgl. Urteil Estasis Saloti di Colzani, 24/76,
EU:C:1976:177, Rn. 7).
60
Im Hinblick darauf, dass die Auslegung der Bestimmungen des genannten
Übereinkommens durch den Gerichtshof auch für die Bestimmungen der Verordnung Nr.
44/2001 gilt, soweit die Bestimmungen dieser beiden Rechtsakte als gleichbedeutend
angesehen werden können, ist festzustellen, dass dies bei Art. 17 Abs. 1 dieses
Übereinkommens und Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, die nahezu denselben
Wortlaut haben, der Fall ist (Urteil Refcomp, C‑543/10, EU:C:2013:62, Rn. 19 und 20).
61
Daher ist davon auszugehen, dass das angerufene Gericht grundsätzlich durch eine
von den Zuständigkeiten nach den Art. 5 und 6 der Verordnung Nr. 44/2001
abweichende Gerichtsstandsklausel, die die Parteien gemäß Art. 23 Abs. 1 dieser
Verordnung vereinbart haben, gebunden sein kann.
62
Dieses Ergebnis kann durch das Erfordernis einer effektiven Durchsetzung des
Kartellverbots nicht in Frage gestellt werden. Zum einen hat der Gerichtshof nämlich
bereits entschieden, dass die materiellen Rechtsvorschriften, die einem Rechtsstreit in
der Sache zugrunde liegen, keinen Einfluss auf die Wirksamkeit einer
Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 des in Rn. 59 des vorliegenden Urteils
genannten Übereinkommens haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Castelletti, C‑159/97,
EU:C:1999:142, Rn. 51). Diese Auslegung ist nach der in Rn. 60 des vorliegenden
Urteils angeführten Rechtsprechung auch für Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001
maßgeblich.
63
Zum anderen darf das angerufene Gericht die Berücksichtigung einer den
Anforderungen
von
Art.
23
dieser
Verordnung
entsprechenden
Gerichtsstandsvereinbarung, da andernfalls die Zielsetzung der Verordnung Nr. 44/2001
in Frage gestellt würde, nicht allein deshalb ablehnen, weil es der Ansicht ist, dass das
in dieser Klausel bezeichnete Gericht nicht die volle Geltung des Gebots effektiver
Durchsetzung des Kartellverbots sicherstellen und dem Geschädigten eines Kartells
keinen vollen Ersatz seines Schadens zusprechen würde. Vielmehr ist davon
auszugehen, dass das in jedem Mitgliedstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem,
ergänzt durch das in Art. 267 AEUV vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren, den
Rechtsbürgern insoweit eine ausreichende Garantie bietet (vgl. entsprechend Urteil
Renault, C‑38/98, EU:C:2000:225, Rn. 23).
64
In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens wird sich das angerufene Gericht vor
einer Prüfung der in dem genannten Art. 23 aufgestellten Formerfordernisse jedoch der
tatsächlichen Wirksamkeit der in Rede stehenden Klauseln gegenüber der Klägerin des
Ausgangsverfahrens zu vergewissern haben. Wie nämlich der Gerichtshof bereits
festgestellt hat, kann eine in einen Vertrag aufgenommene Gerichtsstandsvereinbarung
ihre Wirkung grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen den Parteien entfalten, die dem
Abschluss dieses Vertrags zugestimmt haben. Grundsätzlich muss ein Dritter, damit ihm
eine solche Klausel entgegengehalten werden kann, eine entsprechende Zustimmung
erteilt haben (Urteil Refcomp, C‑543/10, EU:C:2013:62, Rn. 29).
erteilt haben (Urteil Refcomp, C‑543/10, EU:C:2013:62, Rn. 29).
65
Nur wenn der Dritte nach dem in der Sache anwendbaren nationalen Recht, wie es in
Anwendung der Bestimmungen des internationalen Privatrechts des angerufenen
Gerichts bestimmt wurde, in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei
eingetreten ist, könnte nämlich eine Gerichtsstandsvereinbarung, der dieser Dritte nicht
zugestimmt hat, ihm dennoch entgegengehalten werden (vgl. in diesem Sinne Urteil
Coreck, C‑387/98, EU:C:2000:606, Rn. 24, 25 und 30).
66
Sofern die in Rede stehenden Klauseln der Klägerin des Ausgangsverfahrens
entgegengehalten werden können, wäre zu prüfen, ob sie tatsächlich zur Derogation der
Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts hinsichtlich des Ausgangsverfahrens führen.
67
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung
zur Bestimmung der in ihren Geltungsbereich fallenden Rechtsstreitigkeiten Sache des
nationalen Gerichts ist, vor dem sie geltend gemacht wird (Urteile Powell Duffryn,
C‑214/89, EU:C:1992:115, Rn. 37, und Benincasa, C‑269/95, EU:C:1997:337, Rn. 31).
68
Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann nur eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit
oder eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende
Rechtsstreitigkeit betreffen, was die Geltung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf die
Rechtsstreitigkeiten einschränkt, die ihren Ursprung in dem Rechtsverhältnis haben,
anlässlich dessen die Vereinbarung geschlossen wurde. Dieses Erfordernis soll
vermeiden, dass eine Partei dadurch überrascht wird, dass die Zuständigkeit eines
bestimmten Gerichts für sämtliche Rechtsstreitigkeiten begründet wird, die sich eventuell
aus den Beziehungen mit ihrem Vertragspartner ergeben und ihren Ursprung in einer
anderen Beziehung als derjenigen haben, anlässlich deren die Begründung des
Gerichtsstands vorgenommen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil Powell Duffryn,
C‑214/89, EU:C:1992:115, Rn. 31).
69
Im Hinblick auf dieses Ziel wird das vorlegende Gericht u. a. zu berücksichtigen haben,
dass eine Klausel, die sich in abstrakter Weise auf Rechtsstreitigkeiten aus
Vertragsverhältnissen bezieht, nicht einen Rechtsstreit erfasst, in dem ein
Vertragspartner aus deliktischer Haftung wegen seines einem rechtswidrigen Kartell
entsprechenden Verhaltens belangt wird.
70
Bei einem solchen Rechtsstreit kann nämlich, da er für das geschädigte Unternehmen
im Zeitpunkt seiner Zustimmung zu der genannten Klausel nicht hinreichend
vorhersehbar war, weil diesem Unternehmen eine Beteiligung seines Vertragspartners
an dem rechtswidrigen Kartell zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war, nicht davon
ausgegangen werden, dass er auf den Vertragsverhältnissen beruht. Eine solche
Klausel würde mithin nicht zur wirksamen Derogation der Zuständigkeit des vorlegenden
Gerichts führen.
71
Sofern dagegen eine Klausel vorläge, die sich auf Streitigkeiten aus Haftung wegen
einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht bezieht und in der ein Gericht
eines anderen Mitgliedstaats als dem des vorlegenden Gerichts bestimmt wird, müsste
sich das vorlegende Gericht selbst dann für unzuständig erklären, wenn diese Klausel zu
einer Verdrängung der in den Art. 5 und/oder 6 der Verordnung Nr. 44/2001
einer Verdrängung der in den Art. 5 und/oder 6 der Verordnung Nr. 44/2001
vorgesehenen besonderen Zuständigkeitsregeln führen sollte.
72
Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr.
44/2001 dahin auszulegen ist, dass er es bei Schadensersatzklagen wegen Verstoßes
gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen zulässt, in Lieferverträgen enthaltene
Gerichtsstandsklauseln auch dann zu berücksichtigen, wenn dies zur Derogation eines
nach Art. 5 Nr. 3 und/oder Art. 6 Nr. 1 der genannten Verordnung international
zuständigen Gerichts führt, sofern sich diese Klauseln auf Streitigkeiten aus Haftung
wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beziehen.
Kosten
73
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem
beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen
vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
1 . Art. 6 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember
2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin
auszulegen, dass die in dieser Bestimmung aufgestellte Regel einer
Zuständigkeitskonzentration bei einer Mehrzahl von Beklagten anwendbar ist,
wenn Unternehmen, die sich örtlich und zeitlich unterschiedlich an einem in
einer Entscheidung der Europäischen Kommission festgestellten
einheitlichen und fortgesetzten Verstoß gegen das unionsrechtliche
Kartellverbot beteiligt haben, als Gesamtschuldner auf Schadensersatz und in
diesem Rahmen auf Auskunftserteilung verklagt werden, und dass dies auch
dann gilt, wenn der Kläger seine Klage gegen den einzigen im Mitgliedstaat
des angerufenen Gerichts ansässigen Mitbeklagten zurückgenommen hat, es
sei denn, dass das Bestehen eines kollusiven Zusammenwirkens des Klägers
und des genannten Mitbeklagten zu dem Zweck, die Voraussetzungen für die
Anwendung der genannten Bestimmung im Zeitpunkt der Klageerhebung
künstlich herbeizuführen oder aufrechtzuerhalten, nachgewiesen wird.
2 . Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass bei einer
Klage, mit der von in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Beklagten
Schadensersatz verlangt wird wegen eines von der Europäischen
Kommission
festgestellten,
in
mehreren
Mitgliedstaaten
unter
unterschiedlicher örtlicher und zeitlicher Beteiligung der Beklagten
begangenen einheitlichen und fortgesetzten Verstoßes gegen Art. 101 AEUV
und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2.
Mai 1992, das schädigende Ereignis in Bezug auf jeden einzelnen
angeblichen Geschädigten eingetreten ist und jeder von ihnen gemäß Art. 5
Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 entweder bei dem Gericht des Orts klagen
kann, an dem das betreffende Kartell definitiv gegründet oder gegebenenfalls
kann, an dem das betreffende Kartell definitiv gegründet oder gegebenenfalls
eine spezifische Absprache getroffen wurde, die für sich allein als das
ursächliche Geschehen für den behaupteten Schaden bestimmt werden kann,
oder bei dem Gericht des Orts, an dem er seinen Sitz hat.
3. Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass er es bei
Schadensersatzklagen wegen Verstoßes gegen Art. 101 AEUV und Art. 53
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992
zulässt, in Lieferverträgen enthaltene Gerichtsstandsklauseln auch dann zu
berücksichtigen, wenn dies zur Derogation eines nach Art. 5 Nr. 3 und/oder
Art. 6 Nr. 1 der genannten Verordnung international zuständigen Gerichts
führt, sofern sich diese Klauseln auf Streitigkeiten aus Haftung wegen einer
Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beziehen.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.