Urteil des EuGH vom 21.05.2015

Gerichtliche Zuständigkeit, Verordnung, Brüsseler Übereinkommen, Gerichtsstandsvereinbarung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
21. Mai 2015
)
„Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG)
Nr. 44/2001 – Art. 23 – Gerichtsstandsvereinbarung – Formerfordernisse – Elektronische
Übermittlung, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglicht – Begriff –
Allgemeine Geschäftsbedingungen, die über einen Link, der sie in einem neuen Fenster
öffnet, abgerufen und ausgedruckt werden können – ‚Click wrapping‘“
In der Rechtssache C‑322/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom
Landgericht Krefeld (Deutschland) mit Entscheidung vom 5. Juni 2014, beim Gerichtshof
eingegangen am 4. Juli 2014, in dem Verfahren
Jaouad El Majdoub
gegen
CarsOnTheWeb.Deutschland GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der
Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Jarašiūnas und
C. G. Fernlund,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als
Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und
W. Bogensberger als Bevollmächtigte,
– der Schweizer Regierung, vertreten durch M. Jametti als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne
Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 23 Abs. 2 der
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und
Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Brüssel-I-Verordnung).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn El Majdoub,
einem Autohändler, und der CarsOnTheWeb.Deutschland GmbH über den vom Kläger
des Ausgangsverfahrens auf deren Website geschlossenen Kaufvertrag über ein
Kraftfahrzeug.
Rechtlicher Rahmen
3
Art. 17 Abs. 1 des am 27. September 1968 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommens
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen
in Zivil‑ und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die
aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem
Übereinkommen geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) lautet
wie folgt:
„Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet
eines Vertragsstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines
Vertragsstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige
aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden
sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates ausschließlich zuständig.
Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung muss geschlossen werden
a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung,
b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien
entstanden sind, oder
c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den
die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in
dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.“
4
Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Brüssel‑I‑Verordnung, hat diese zum Ziel, die
Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu
vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung
gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.
gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.
5
Die Erwägungsgründe 11 und 12 dieser Verordnung, in denen das Verhältnis zwischen
den verschiedenen Zuständigkeitsvorschriften sowie deren Zweck dargestellt werden,
lauten wie folgt:
„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich
grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit
muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen
aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes
Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der
Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen
Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative
Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung
zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege
zuzulassen sind.“
6
Im 19. Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es, dass es notwendig ist, die
Kontinuität zwischen dem Brüsseler Übereinkommen und dieser Verordnung zu wahren.
7
Art. 2 Abs. 1 der Brüssel‑I‑Verordnung stellt den Grundsatz auf, dass Personen, die
ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre
Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen sind.
8
Art. 3 Abs. 1 in Kapitel II dieser Verordnung bestimmt:
„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor
den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2
bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.“
9
Das Kapitel II dieser Verordnung enthält einen Abschnitt 7 („Vereinbarung über die
Zuständigkeit“). Art. 23, der in diesem Abschnitt steht, sieht in seinen Abs. 1 und 2 vor:
„(1) Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet
eines Mitgliedstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines
Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige
aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden
sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig. Dieses
Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die
Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung
muss geschlossen werden
a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung,
b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien
entstanden sind, oder
c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den
die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser
die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser
Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig
beachten.
(2) Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der
Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
10
Der Kläger des Ausgangsverfahrens, ein in Köln (Deutschland) ansässiger
Autohändler, erwarb auf der Internetseite der in Amberg (Deutschland) ansässigen
Beklagten des Ausgangsverfahrens ein Elektrokraftfahrzeug zu einem sehr günstigen
Preis. Der Verkauf wurde jedoch von der Verkäuferin storniert, weil das Fahrzeug
angeblich beschädigt gewesen sei, als es für den Transport zur Auslieferung an den
Erwerber fertig gemacht werden sollte.
11
Da der Kläger des Ausgangsverfahrens dies für eine vorgeschobene Behauptung hielt,
die eine Stornierung des Verkaufs ermöglichte, der aufgrund des niedrigen Kaufpreises
für die Verkäuferin ungünstig gewesen sei, erhob er Klage beim Landgericht Krefeld auf
Übereignung des fraglichen Fahrzeugs.
12
Der Kläger des Ausgangsverfahrens macht geltend, dass seine Vertragspartnerin die in
Deutschland ansässige Beklagte des Ausgangsverfahrens und nicht deren in Belgien
ansässige Muttergesellschaft sei und dass daher das vorlegende Gericht für die
Entscheidung über die Sache zuständig sei.
13
Die Beklagte des Ausgangsverfahrens ist hingegen der Ansicht, dass die deutschen
Gerichte nicht zuständig seien. Art. 7 der allgemeinen Geschäftsbedingungen für über
das Internet getätigte Geschäfte, die auf ihrer Internetseite abrufbar seien, enthalte eine
Gerichtsstandsvereinbarung, nach der ein Gericht in Leuven (Belgien) zuständig sei.
Außerdem sei nicht sie Vertragspartnerin des Klägers des Ausgangsverfahrens, sondern
ihre Muttergesellschaft. Dies müsse dem Kläger des Ausgangsverfahrens bekannt sein,
denn er habe sich zum einen von der belgischen Muttergesellschaft eine Rechnung
ohne Mehrwertsteuer ausstellen lassen, die ihm mit den Kontaktdaten der
Muttergesellschaft erteilt worden sei, und zum anderen den Preis des fraglichen
Kraftfahrzeugs auf ein belgisches Konto gezahlt.
14
Der Kläger des Ausgangsverfahrens bestreitet diese Zahlungsmodalitäten nicht, er ist
jedoch der Ansicht, dass die in Art. 7 der Geschäftsbedingungen vorgesehene
Gerichtsstandsvereinbarung nicht wirksam in den Kaufvertrag einbezogen worden sei,
weil sie nicht die nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a der Brüssel‑I‑Verordnung
vorgeschriebene Schriftform besitze. Die Internetseite der Beklagten des
Ausgangsverfahrens mit deren allgemeinen Geschäftsbedingungen öffne sich weder bei
der Registrierung noch bei den einzelnen Verkäufen automatisch. Vielmehr müsse ein
Feld mit dem Hinweis „Hier klicken um die Liefer- und Zahlungsbedingungen in einem
neuen Fenster zu öffnen“ angeklickt werden (sogenanntes „click wrapping“). Den
Anforderungen von Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung sei aber nur dann genügt,
wenn sich das Fenster mit diesen allgemeinen Geschäftsbedingungen automatisch
wenn sich das Fenster mit diesen allgemeinen Geschäftsbedingungen automatisch
öffne. Im Übrigen sei die Gerichtsstandsvereinbarung auch deshalb unwirksam, weil sie
willkürlich und überraschend sei.
15
Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob das sogenannte „click wrapping“, über das
ein Käufer die auf eine Internetseite gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen
abrufen kann, indem er auf einen Hyperlink klickt, der ein Fenster öffnet, den
Anforderungen von Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung genügt. Da diese
Geschäftsbedingungen gesondert gespeichert und ausgedruckt werden können, fragt
sich das Gericht, ob diese Technik als elektronische Übermittlung, die eine dauerhafte
Aufzeichnung des Kaufvertrags ermöglicht, und somit als der Schriftform gleichgestellt im
Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann. Wäre dies nämlich der Fall, wäre
die Gerichtsstandsvereinbarung, mit der ein belgisches Gericht für zuständig erklärt wird,
wirksam und das Landgericht Krefeld für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht
zuständig.
16
Das vorlegende Gericht geht ferner davon aus, dass Vertragspartnerin des Klägers des
Ausgangsverfahrens die in Deutschland ansässige Gesellschaft und nicht deren
belgische Muttergesellschaft sei. Ohne Gerichtsstandsvereinbarung wäre die bei ihm
anhängige Klage auf Übereignung folglich in Deutschland zu erheben. Der Kläger des
Ausgangsverfahrens könne die Gerichtsstandsvereinbarung jedoch nicht als
überraschend ansehen, da ihm der Auslandsbezug des von ihm getätigten Erwerbs
bekannt gewesen sei und er sich eine internationale Rechnung habe ausstellen lassen,
die mit den Kontaktdaten der genannten Muttergesellschaft versehen gewesen sei.
17
Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung verlange nicht, dass die
Gerichtsstandsvereinbarung tatsächlich von einem der Vertragspartner ausgedruckt oder
gespeichert worden sei. Die einzige in dieser Vorschrift aufgestellte Bedingung sei die,
dass eine dauerhafte Aufzeichnung der allgemeinen Geschäftsbedingungen „möglich“
sei. Um den Anforderungen von Art. 23 Abs. 2 zu genügen, müsste die elektronische
Übermittlung somit eine solche dauerhafte Aufzeichnung ermöglichen.
18
Das „click wrapping“, um das es in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit gehe,
ermögliche sowohl das Ausdrucken als auch das Speichern der die
Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen, da sich
deren Text nach dem Anklicken in einem gesonderten Fenster öffne und von einem
Vertragspartner ausgedruckt oder gespeichert werden könne. Ob sich das Fenster mit
den allgemeinen Geschäftsbedingungen automatisch öffne oder nicht, sei insoweit
unerheblich.
19
Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Krefeld beschlossen, das Verfahren
auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Genügt das sogenannte „click wrapping“ den Anforderungen an eine elektronische
Übermittlung im Sinne von Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung?
Zur Vorlagefrage
20
Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob
20
Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob
Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung in dem Sinne auszulegen ist, dass bei einem auf
elektronischem Wege geschlossenen Kaufvertrag wie dem im Ausgangsverfahren in
Rede stehenden die Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen, die eine
Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, durch das sogenannte „click wrapping“ eine
elektronische Übermittlung, die eine dauerhafte Aufzeichnung dieser Vereinbarung
ermöglicht, im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
21
Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass der Sachverhalt des
Ausgangsrechtsstreits im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet ist, dass ein
potenzieller Käufer, bevor er einen Erwerb tätigt, durch Anklicken des entsprechenden
Feldes die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verkäuferin ausdrücklich
akzeptieren muss. Bei diesem Vorgang öffnet sich jedoch nicht automatisch das
Dokument mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verkäuferin; dies geschieht
erst, wenn zusätzlich ein bestimmter zu diesem Zweck vorgesehener Hyperlink
angeklickt wird.
22
Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass die in Rede stehenden allgemeinen
Geschäftsbedingungen eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, nach der für
Rechtsstreitigkeiten wie die des Ausgangsverfahrens ein Gericht in Leuven zuständig ist.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist jedoch der Auffassung, dass die Einbeziehung
allgemeiner Geschäftsbedingungen durch „click wrapping“ nicht den in Art. 23 Abs. 2 der
Brüssel‑I‑Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen genüge, da sich das Fenster mit
den allgemeinen Geschäftsbedingungen weder bei der Registrierung auf der Website
noch bei einem Geschäftsabschluss automatisch öffne. Die Gerichtsstandsvereinbarung
könne ihm daher nicht entgegengehalten werden.
23
Somit ist zu prüfen, ob unter diesen Umständen die Gültigkeit einer
Gerichtsstandsvereinbarung, die in einem Vertrag enthalten ist, der im Sinne von Art. 23
Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung auf elektronischem Wege geschlossen wurde, in Frage
gestellt werden kann, wenn „click wrapping“ verwendet wurde.
24
Hierzu ist vorab darauf hinzuweisen, dass nach dem Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 der
Brüssel‑I‑Verordnung die von den Vertragsparteien in einer Gerichtsstandsvereinbarung
festgelegte Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats
grundsätzlich
ausschließlich
ist.
Zu
ihrer
Wirksamkeit
muss
die
Gerichtsstandsvereinbarung entweder schriftlich oder mündlich mit schriftlicher
Bestätigung oder in einer Form geschlossen werden, die den zwischen den Parteien
entstandenen Gepflogenheiten oder im internationalen Handel einem Handelsbrauch
entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten. Gemäß Abs. 2 dieses
Artikels sind „[e]lektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der
Vereinbarung ermöglichen, … der Schriftform gleichgestellt“.
25
Die in Art. 23 der Brüssel‑I‑Verordnung aufgestellten Voraussetzungen sind eng
auszulegen, da diese Bestimmung sowohl die nach dem allgemeinen Grundsatz des
Gerichtsstands am Wohnsitz des Beklagten gemäß Art. 2 dieser Verordnung begründete
Zuständigkeit als auch die besonderen Zuständigkeiten nach den Art. 5 bis 7 dieser
Verordnung ausschließt (vgl. entsprechend Urteil MSG, C‑106/95, EU:C:1997:70, Rn. 14
und die dort angeführte Rechtsprechung).
und die dort angeführte Rechtsprechung).
26
Erstens ergibt sich aus Art. 23 Abs. 1 der Brüssel‑I‑Verordnung eindeutig, dass sich
sein Anwendungsbereich auf die Fälle beschränkt, in denen die Parteien ein Gericht
„vereinbart“ haben. Wie aus dem elften Erwägungsgrund dieser Verordnung hervorgeht,
rechtfertigt gerade diese Willenseinigung zwischen den Parteien den Vorrang, der nach
dem Grundsatz der Vertragsautonomie der Wahl eines anderen Gerichts als desjenigen,
das nach dieser Verordnung zuständig hätte sein können, eingeräumt wird (Urteil
Refcomp, C‑543/10, EU:C:2013:62, Rn. 26).
27
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Brüssel‑I‑Verordnung in den Beziehungen der
Mitgliedstaaten das Brüsseler Übereinkommen ersetzt, so dass die Auslegung der
Bestimmungen dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof auch für die
Bestimmungen der Verordnung gilt, soweit die Bestimmungen dieser Rechtsakte als
gleichwertig angesehen werden können (vgl. insbesondere Urteil Refcomp, C‑543/10,
EU:C:2013:62, Rn. 18).
28
Dies ist bei Art. 17 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens und Art. 23 Abs. 1 der
Brüssel‑I‑Verordnung, die nahezu denselben Wortlaut haben, der Fall (Urteil Refcomp,
C‑543/10, EU:C:2013:62, Rn. 19).
29
Der Gerichtshof hat zu Art. 17 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens entschieden, dass
die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel eine „Vereinbarung“ zwischen den Parteien
verlangt und das erkennende Gericht deshalb in erster Linie prüfen muss, ob die seine
Zuständigkeit begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung
zwischen den Parteien war, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist; die
Formerfordernisse des genannten Artikels sollten gewährleisten, dass die Einigung
zwischen den Parteien tatsächlich feststeht (vgl. Urteil MSG, C‑106/95, EU:C:1997:70,
Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30
Mit Art. 23 Abs. 1 der Brüssel‑I‑Verordnung soll folglich – entsprechend dem mit Art. 17
Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens verfolgten Ziel – sichergestellt werden, dass eine
Willenseinigung der Parteien tatsächlich vorliegt (vgl. Urteil Refcomp, C‑543/10,
EU:C:2013:62, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
31
Im vorliegenden Fall hat nach dem Vorlagebeschluss der im Ausgangsverfahren in
Rede stehende Käufer durch Anklicken des entsprechenden Feldes auf der Internetseite
der Verkäuferin die betreffenden allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich
akzeptiert.
32
Zweitens kann gemäß Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung, der gegenüber Art. 17
des Brüsseler Übereinkommens eine neue Bestimmung darstellt, die eingefügt wurde,
um die Entwicklung neuer Kommunikationstechniken zu berücksichtigen, die Gültigkeit
einer Gerichtsstandsvereinbarung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden
u. a. davon abhängen, ob eine dauerhafte Aufzeichnung möglich ist.
33
Eine grammatische Auslegung dieser Vorschrift ergibt, dass es „ermöglicht“ werden
muss, die Gerichtsstandsvereinbarung dauerhaft aufzuzeichnen, und dass es nicht
darauf ankommt, ob der Text der allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Käufer nach
oder vor Anklicken des Feldes mit der Erklärung, dass er diese Bedingungen akzeptiert,
oder vor Anklicken des Feldes mit der Erklärung, dass er diese Bedingungen akzeptiert,
tatsächlich dauerhaft aufgezeichnet wurde.
34
Außerdem ergibt sich aus dem erläuternden Bericht von Prof. Pocar zu dem am 30.
Oktober 2007 in Lugano unterzeichneten Übereinkommen über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen (ABl. 2009, C 319, S. 1, Nr. 109) eindeutig, dass das Kriterium für die
Prüfung, ob das Formerfordernis dieser Bestimmung erfüllt ist, „die Frage [ist], ob es
möglich ist, die elektronisch übermittelte Vereinbarung dauerhaft aufzuzeichnen, indem
sie ausgedruckt oder auf einem Sicherungsband oder einer Sicherungsdiskette oder auf
andere Weise gespeichert wird“, und dass dies der Fall ist, „auch wenn eine solche
dauerhafte Aufzeichnung tatsächlich gar nicht erfolgt ist“, woraus folgt, dass „die
Aufzeichnung … nicht als Voraussetzung für die förmliche Gültigkeit oder für das
Bestehen der Vereinbarung verlangt [wird]“.
35
Dieses Ergebnis wird auch durch eine historische und teleologische Auslegung von
Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung bestätigt. Nach der Begründung des von der
Kommission am 14. Juli 1999 in Brüssel vorgelegten Vorschlags für eine Verordnung
(EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM[199] 348 endg.)
bezweckt diese Vorschrift nämlich, dass das Erfordernis einer „schriftlichen“
Vereinbarung oder einer mündlichen Vereinbarung mit „schriftlicher“ Bestätigung nicht
die Gültigkeit einer Gerichtsstandsklausel in Frage stellt, die zwar nicht in schriftlicher
Form vereinbart worden ist, deren Inhalt jedoch über einen Bildschirm sichtbar gemacht
werden kann.
36
Ziel dieser Vorschrift ist es somit, bestimmte Formen der elektronischen Übermittlung
der Schriftform gleichzustellen, um den Abschluss von Verträgen auf elektronischem
Wege zu erleichtern, da die Übermittlung der betreffenden Informationen auch dann
erfolgt, wenn diese über einen Bildschirm sichtbar gemacht werden können. Damit die
elektronische Übermittlung, insbesondere im Hinblick auf eine Beweisführung, dieselben
Garantien bieten kann, genügt es, wenn es „möglich“ ist, die Informationen vor
Vertragsschluss zu speichern und auszudrucken.
37
Der Gerichtshof hat zwar in Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz
bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144, S. 19), wonach der Verbraucher
bestimmte Informationen „schriftlich oder auf einem anderen … dauerhaften Datenträger
erhalten“ muss, in Rn. 51 des Urteils Content Services (C‑49/11, EU:C:2012:419)
entschieden, dass eine Geschäftspraxis, nach der Informationen nur über einen
Hyperlink auf einer Website zugänglich gemacht werden, nicht den Anforderungen
dieser Bestimmung entspricht, da diese Informationen weder im Sinne der genannten
Bestimmung von dem betreffenden Unternehmen „erteilt“ noch im Sinne dieser
Bestimmung vom Verbraucher „erhalten“ werden, und dass eine solche Website nicht als
„dauerhafter Datenträger“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 anzusehen ist.
38
Diese Auslegung lässt sich jedoch nicht auf Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung
übertragen, da sich sowohl der Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7, der
ausdrücklich eine Übermittlung der Informationen an den Verbraucher auf einem
ausdrücklich eine Übermittlung der Informationen an den Verbraucher auf einem
dauerhaften Datenträger verlangt, als auch der Zweck dieser Bestimmung, der speziell
im Verbraucherschutz besteht, von Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I‑Verordnung
unterscheiden.
39
Im Ausgangsverfahren wird nicht bestritten, dass das „click wrapping“ das Ausdrucken
und Speichern des Textes der betreffenden allgemeinen Geschäftsbedingungen vor
Abschluss des Vertrags ermöglicht. Dass sich die Internetseite mit diesen
Geschäftsbedingungen bei der Registrierung auf der Website und bei jedem
Geschäftsabschluss nicht automatisch öffnet, kann daher die Gültigkeit der
Gerichtsstandsvereinbarung nicht in Frage stellen.
40
In Anbetracht dessen ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 23 Abs. 2 der
Brüssel‑I‑Verordnung in dem Sinne auszulegen ist, dass bei einem auf elektronischem
Wege geschlossenen Kaufvertrag wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden
die
Einbeziehung
allgemeiner
Geschäftsbedingungen,
die
eine
Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, durch das sogenannte „click wrapping“ eine
elektronische Übermittlung, die eine dauerhafte Aufzeichnung dieser Vereinbarung
ermöglicht, im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn dabei das Ausdrucken und
Speichern des Textes der Geschäftsbedingungen vor Abschluss des Vertrags ermöglicht
wird.
Kosten
41
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem
beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen
vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen ist in dem Sinne auszulegen, dass
bei einem auf elektronischem Wege geschlossenen Kaufvertrag wie dem im
Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Einbeziehung allgemeiner
Geschäftsbedingungen, die eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, durch das
sogenannte „click wrapping“ eine elektronische Übermittlung, die eine dauerhafte
Aufzeichnung dieser Vereinbarung ermöglicht, im Sinne dieser Bestimmung
darstellt, wenn dabei das Ausdrucken und Speichern des Textes der
Geschäftsbedingungen vor Abschluss des Vertrags ermöglicht wird.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.