Urteil des EuG vom 09.12.2014

Marke, Beschwerdekammer, Muster Und Modelle, Verordnung

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
9. Dezember 2014
)
„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der
Gemeinschaftswortmarke VALDASAAR – Ältere Gemeinschaftswortmarke Val d’Azur –
Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung (EG) Nr. 207/2009“
In der Rechtssache T‑519/13
Leder
&
Schuh
International
AG,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Korn,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
vertreten durch A. Pohlmann als Bevollmächtigten,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:
Valerie Epple,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des
HABM vom 9. Juli 2013 (Sache R 719/2012‑1) zu einem Widerspruchsverfahren
zwischen Frau Valerie Epple und der Leder & Schuh International AG
erlässt
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) sowie der
Richter S. Gervasoni und L. Madise,
Kanzler: E. Coulon,
aufgrund der am 25. September 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klageschrift,
aufgrund der am 16. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klagebeantwortung,
aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach
aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach
der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer
mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht der Berichterstatterin
gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne
mündliche Verhandlung zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Am 13. Dezember 2010 meldete die Klägerin, die Leder & Schuh International AG, nach
der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die
Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt
(Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.
2
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen VALDASAAR.
3
Die Marke wurde für Waren und Dienstleistungen der Klassen 18, 25 und 35 des
Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und
geänderter Fassung angemeldet.
4
Die Waren und Dienstleistungen der Klassen 25 und 35, gegen die sich der erhobene
Widerspruch allein richtet, lauten:
– Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten,
Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel,
Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen“;
– Klasse 35: „Einzelhandelsdienstleistungen eines Schuhgeschäftes, insbesondere
das Zusammenstellen verschiedener Waren (ausgenommen deren Transport) für
Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern,
hinsichtlich
folgender
Waren:
chemische
Erzeugnisse,
insbesondere
Imprägniermittel, Lederdehnspray, Putz- und Pflegemittel, Sonnenbrillen, echte und
unechte Schmuckwaren, Uhren, Wecker, Büroartikel (ausgenommen Möbel),
Taschen, Beutel, Umhängetaschen, Geldbörsen, Brieftaschen, Koffer und
Reisetaschen, alle vorgenannten Waren insbesondere aus Leder oder
Lederimitationen, Schuhsäcke und Schuhbeutel, Gürteltaschen, Schuhformer,
Tücher, Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe,
Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel, Socken, Strümpfe,
Strumpfhosen,
Legwarmers,
Einlegesohlen,
Bekleidung,
Unterwäsche,
Kopfbedeckungen, Schals, Handschuhe, Bikinis, Schweißbänder, Stirnbänder,
Gürtel, Schnürsenkel, Haarspangen, Spiele, Spielzeug, Turn- und Sportartikel,
Christbaumschmuck; Einzelhandelsdienstleistungen bezüglich folgender Waren:
Chemische Erzeugnisse, insbesondere Imprägniermittel, Lederdehnspray, Putz-
und Pflegemittel, Sonnenbrillen, echte und unechte Schmuckwaren, Uhren,
und Pflegemittel, Sonnenbrillen, echte und unechte Schmuckwaren, Uhren,
Wecker, Büroartikel (ausgenommen Möbel), Taschen, Beutel, Umhängetaschen,
Geldbörsen, Brieftaschen, Koffer und Reisetaschen, alle vorgenannten Waren
insbesondere aus Leder oder Lederimitationen, Schuhsäcke und Schuhbeutel,
Gürteltaschen, Schuhformer, Tücher, Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen,
Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe,
Gummistiefel, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen,
Bekleidung, Unterwäsche, Kopfbedeckungen, Schals, Handschuhe, Bikinis,
Schweißbänder, Stirnbänder, Gürtel, Schnürsenkel, Haarspangen, Spiele,
Spielzeug, Turn- und Sportartikel, Christbaumschmuck“.
5
Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken
Nr. 47/2011 vom 9. März 2011 veröffentlicht.
6
Am 18. Mai 2011 erhob Frau Valerie Epple gegen die Eintragung der angemeldeten
Marke für die oben in Rn. 4 genannten Waren und Dienstleistungen Widerspruch nach
Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009.
7
Der Widerspruch, der mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 begründet
wurde, wurde auf die ältere Gemeinschaftswortmarke Val d’Azur gestützt, die am 15. Juli
2010 angemeldet und am 15. November 2010 unter der Nr. 9248196 eingetragen wurde
und folgende Waren der Klasse 25 umfasst: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren,
Kopfbedeckungen“.
8
Mit Entscheidung vom 10. Februar 2012 gab die Widerspruchsabteilung dem
Widerspruch teilweise statt. Sie gelangte zu dem Ergebnis, dass zwischen den einander
gegenüberstehenden Zeichen für folgende Waren und Dienstleistungen
Verwechslungsgefahr bestehe:
– Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten,
Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel,
Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen“;
– Klasse 35: „Einzelhandelsdienstleistungen eines Schuhgeschäftes, insbesondere
das Zusammenstellen verschiedener Waren (ausgenommen deren Transport) für
Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern,
hinsichtlich folgender Waren: Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten,
Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel,
Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen, Bekleidung,
Unterwäsche, Kopfbedeckungen, Schals, Handschuhe, Bikinis, Schweißbänder,
Stirnbänder, Gürtel; Einzelhandelsdienstleistungen bezüglich folgender Waren:
Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe,
Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel, Socken, Strümpfe,
Strumpfhosen,
Legwarmers,
Einlegesohlen,
Bekleidung,
Unterwäsche,
Kopfbedeckungen, Schals, Handschuhe, Bikinis, Schweißbänder, Stirnbänder,
Gürtel“.
9
Am 10. April 2012 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der
Widerspruchsabteilung nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009
Beschwerde ein, soweit in der Entscheidung ihre Anmeldung für die Waren und
Beschwerde ein, soweit in der Entscheidung ihre Anmeldung für die Waren und
Dienstleistungen der Klassen 25 und 35 zurückgewiesen worden war.
10
Mit Entscheidung vom 9. Juli 2013 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die
Erste Beschwerdekammer des HABM zum einen die Entscheidung der
Widerspruchsabteilung, mit der die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in
Rn. 4 genannten Dienstleistungen der Klasse 35 abgelehnt worden war, auf und ließ
dementsprechend die Marke insoweit zur Eintragung zu.
11
Zum anderen bestätigte die Beschwerdekammer die Entscheidung der
Widerspruchsabteilung hinsichtlich der Verwechslungsgefahr zwischen den von den
Zeichen erfassten Waren der Klasse 25. Hierzu stellte sie in Rn. 20 der angefochtenen
Entscheidung fest, die von der älteren Marke betroffenen Waren und die von der
Anmeldemarke erfassten Waren seien identisch. In Bezug auf die Ähnlichkeit der beiden
Zeichen nahm die Beschwerdekammer in Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung eine
gewisse schriftbildliche Ähnlichkeit der Zeichen an und in Rn. 24 der angefochtenen
Entscheidung einen durchschnittlichen Grad phonetischer Ähnlichkeit. Darüber hinaus
könne in begrifflicher Hinsicht kein Vergleich vorgenommen werden. Zur
Kennzeichnungskraft führte die Beschwerdekammer in Rn. 30 der angefochtenen
Entscheidung aus, dass die Kennzeichnungskraft der älteren Marke durchschnittlich sei,
da der Ausdruck „Val d’Azur“ für die betreffenden Waren keine beschreibende
Bedeutung habe. Die Beschwerdekammer kam in Rn. 33 der angefochtenen
Entscheidung zu dem Ergebnis, dass in Anbetracht der Identität der in Rede stehenden
Waren und des Grads der Ähnlichkeit der Zeichen insoweit Verwechslungsgefahr
bestehe.
Anträge der Parteien
12
Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– den Widerspruch zurückzuweisen;
– dem HABM die Kosten aufzuerlegen;
13
Das HABM beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit der Klage
14
Das HABM trägt vor, die Klage sei unzulässig, da die Klägerin die Klagegründe, die die
Grundlage der Klage bildeten, nicht klar dargestellt habe. Die Klägerin nenne keine
Rechtsvorschrift, die die Beschwerdekammer verletzt haben solle. Es werde nicht
deutlich, ob sich die Klägerin auf eine Verletzung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung Nr. 207/2009 oder des Art. 75 Satz 2 dieser Verordnung berufe.
Verordnung Nr. 207/2009 oder des Art. 75 Satz 2 dieser Verordnung berufe.
15
Der Einrede der Unzulässigkeit kann nicht stattgegeben werden.
16
Die Klägerin beruft sich zwar lediglich auf eine Verletzung der Verordnung
Nr. 207/2009, aber aus der Klageschrift geht in hinreichender Weise hervor, dass die
Klägerin als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung Nr. 207/2009 anführt, da die Beurteilung der Beschwerdekammer in Bezug
auf die schriftbildliche, klangliche und begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen fehlerhaft sei.
Darüber hinaus ergibt sich aus der Klageschrift nichts dafür, dass sich die Klägerin auch
auf einen Verstoß gegen Art. 75 Satz 2 dieser Verordnung beriefe.
17
Schließlich geht aus der Klagebeantwortung des HABM ungeachtet seiner Einrede der
Unzulässigkeit in hinreichender Weise hervor, dass das HABM in der Lage war, die
Rügen der Klägerin gegen die angefochtene Entscheidung zu verstehen.
18
Demnach ist die vom HABM erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.
Zur Begründetheit
19
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Beurteilung der schriftbildlichen und
klanglichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sei fehlerhaft, so
dass angesichts der geringen Kennzeichnungskraft der älteren Marke keine
Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen bestehe.
20
Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke
auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen,
wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder
Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das
Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere
Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein,
dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Gemäß
Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i dieser Verordnung gehören zu den älteren Marken
Gemeinschaftsmarken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der
Gemeinschaftsmarke.
21
Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das
Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus
demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander
verbundenen Unternehmen stammen (Urteile vom 10. September 2008, Boston
Scientific/HABM – Terumo [CAPIO], T‑325/06, EU:T:2008:338, Rn. 70, und vom 31.
Januar 2012, Cervecería Modelo/HABM – Plataforma Continental (LA VICTORIA DE
MEXICO), T‑205/10, EU:T:2012:36, Rn. 23; vgl. auch entsprechend Urteile vom 29.
September 1998, Canon, C‑39/97, Slg, EU:C:1998:442, Rn. 29, und vom 22. Juni 1999,
Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg, EU:C:1999:323, Rn. 17).
22
Darüber hinaus ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr beim Publikum unter
Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu
beurteilen (Urteil CAPIO, oben in Rn. 21 angeführt, EU:T:2008:338, Rn. 71; vgl. auch
beurteilen (Urteil CAPIO, oben in Rn. 21 angeführt, EU:T:2008:338, Rn. 71; vgl. auch
entsprechend Urteile vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, Slg, EU:C:1997:528,
Rn. 22, Canon, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1998:442, Rn. 16, und Lloyd Schuhfabrik
Meyer, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1999:323, Rn. 18).
23
Diese umfassende Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen
den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der
Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein
geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch
einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt
(Urteile vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C‑234/06 P, Slg,
EU:C:2007:514, Rn. 48, und vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla
Germany [MATRATZEN], T‑6/01, Slg, EU:T:2002:261, Rn. 25; vgl. auch entsprechend
Urteil Canon, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1998:442, Rn. 17). Die Wechselbeziehung
zwischen den Faktoren kommt im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009
zum Ausdruck, wonach der Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die
Verwechslungsgefahr auszulegen ist, deren Feststellung ihrerseits von zahlreichen
Faktoren abhängt, u. a. von dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der
gedanklichen Verbindung, die zwischen ihr und dem benutzten oder eingetragenen
Zeichen hergestellt werden kann, und dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und
dem Zeichen sowie zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen (vgl. Urteil vom 18. September 2012, Scandic Distilleries/HABM –
Bürgerbräu, Röhm & Söhne (BÜRGER), T‑460/11, EU:T:2012:432, Rn. 26 und die dort
angeführte Rechtsprechung).
24
Wie aus dem achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 hervorgeht, hängt
das Vorliegen von Verwechslungsgefahr von einer Vielzahl von Umständen ab,
insbesondere vom Bekanntheitsgrad der Marke auf dem betreffenden Markt. Da die
Verwechslungsgefahr umso größer ist, je größer sich die Kennzeichnungskraft der Marke
darstellt, genießen Marken, die von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit auf dem
Markt eine erhöhte Kennzeichnungskraft besitzen, einen umfassenderen Schutz als
Marken mit geringerer Kennzeichnungskraft (vgl. entsprechend Urteile SABEL, oben in
Rn. 22 angeführt, EU:C:1997:528, Rn. 24, Canon, oben in Rn. 21 angeführt,
EU:C:1998:442, Rn. 18, und Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben in Rn. 21 angeführt,
EU:C:1999:323, Rn. 20).
25
Ferner ist bei der umfassenden Beurteilung der Ähnlichkeit der einander
gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck
abzustellen, den sie hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und
dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Aus dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1
Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, der darauf abstellt, dass „für das Publikum die
Gefahr von Verwechslungen … besteht“, geht nämlich hervor, dass es für die
umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend darauf ankommt, wie
die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der fraglichen Art von Waren oder
Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise
als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (Urteil BÜRGER,
oben in Rn. 23 angeführt, EU:T:2012:432, Rn. 27; vgl. auch entsprechend Urteil SABEL,
oben in Rn. 22 angeführt, EU:C:1997:528, Rn. 23).
oben in Rn. 22 angeführt, EU:C:1997:528, Rn. 23).
26
Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf einen normal
informierten
und
angemessen
aufmerksamen
und
verständigen
Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren abzustellen. Außerdem ist zu
berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit
bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er
sich auf das unvollkommene Bild dieser Marken verlassen muss, das er im Gedächtnis
behalten hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des
Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen
unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil BÜRGER, oben in Rn. 23 angeführt,
EU:T:2012:432, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch entsprechend
Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1999:323, Rn. 26).
27
Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist die von der Beschwerdekammer
vorgenommene Beurteilung der Gefahr von Verwechslungen zwischen den Zeichen zu
überprüfen.
28
Im vorliegenden Fall ist der Referenzverbraucher für die Art der in Rede stehenden
Waren, wie die Beschwerdekammer zu Recht in Rn. 18 der angefochtenen
Entscheidung festgestellt hat, ohne dass dies von der Klägerin bestritten worden wäre,
ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Durchschnittsverbraucher.
29
Erstens hat die Beschwerdekammer in Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung zum
Vergleich der in Rede stehenden Waren unter Verweis auf die in Rn. 7 dieser
Entscheidung wiedergegebenen Ausführungen der Widerspruchsabteilung konstatiert,
dass diese Waren, die alle der Klasse 25 angehörten, identisch seien. Diese
Feststellung, die von der Klägerin – nach deren Ansicht lediglich eine weitgehende
Übereinstimmung der Waren besteht, ohne dass sie jedoch einen Unterschied zwischen
diesen benannt hätte – nicht wirklich bestritten worden ist, kann nur bestätigt werden.
30
Die von der Anmeldemarke erfassten Waren werden nämlich von dem Verzeichnis der
von der älteren Marke erfassten Waren derselben Klasse eingeschlossen.
31
Was zweitens die Prüfung der Ähnlichkeit der beiden Zeichen anbelangt, ist zunächst
zur schriftbildlichen Zeichenähnlichkeit festzustellen, dass nach Ansicht der
Beschwerdekammer laut Rn. 23 ihrer Entscheidung die Schreibweise in Groß- oder
Kleinbuchstaben, weil es sich hier um Wortmarken handele, irrelevant ist und ungeachtet
des Umstands, dass die ältere Marke aus drei Wörtern und die Anmeldemarke nur aus
einem Wort bestehe, infolge der Länge der Zeichen, ihrer Vokalfolge und der identischen
Abfolge der ersten fünf Buchstaben eine gewisse schriftbildliche Ähnlichkeit besteht.
32
Diese Feststellung ist zu bestätigen. Das Vorbringen der Klägerin, es sei keine
Ähnlichkeit gegeben, da die Beschwerdekammer nicht hinreichend gewürdigt habe,
dass die Zeichen aus unterschiedlich vielen Elementen bestünden, nämlich die ältere
Marke aus zwei oder drei Teilen und die Anmeldemarke aus nur einem, und dass die
ältere Marke einen Leerschritt bzw. ein Apostroph enthalte, geht in tatsächlicher Hinsicht
fehl, da die Beschwerdekammer diese Gesichtspunkte gerade berücksichtigt hat und zu
dem Ergebnis gelangt ist, dass eine gewisse Ähnlichkeit bestehe.
33
Es kann demgemäß nicht angenommen werden, dass, wie die Klägerin, behauptet, ein
geringer Grad visueller Ähnlichkeit gegeben sei, wenn die beiden Zeichen wie im
vorliegenden Fall ähnlich lang sind – die ältere Marke besteht aus acht Buchstaben und
die Anmeldemarke aus neun Buchstaben −, ihre ersten fünf Buchstaben identisch und
die Vokale ähnlich angeordnet sind.
34
In Bezug auf die klangliche Ähnlichkeit der beiden Zeichen hat die Beschwerdekammer
in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung wiederum zu Recht festgestellt, dass eine
gewisse Ähnlichkeit bestehe, da die ersten fünf Buchstaben der Zeichen
übereinstimmten und die Zeichen zumindest im Französischen den gleichen
Sprechrhythmus sowie die gleiche Länge, Silbenanzahl und Betonung hätten, auch
wenn sie sich in den beiden Endlauten „zur“ und „saar“ unterschieden. Wie das HABM
ausführt, unterscheiden sich diese Endlaute zwar tatsächlich, doch weisen sie auch
phonetische Ähnlichkeiten auf.
35
Das Vorbringen der Klägerin, die ältere Marke werde zweigliedrig ausgesprochen, ist
unzutreffend. Zumindest im Französischen, als von der Beschwerdekammer
berücksichtigten Sprache, wird der Ausdruck „val d’azur“ in einem ausgesprochen
werden, zumal der Ausdruck „côte d’azur“ entgegen der Behauptung der Klägerin häufig
ebenfalls in einem ausgesprochen wird, wobei der Buchstabe „e“ unausgesprochen
bleibt.
36
Darüber hinaus legt der Verbraucher üblicherweise dem ersten Teil der Wörter mehr
Gewicht bei (Urteile vom 17. März 2004, El Corte Inglés/HABM – González Cabello und
Iberia Líneas Aéreas de España (MUNDICOR), T‑183/02 und T‑184/02, Slg,
EU:T:2004:79, Rn. 81, und vom 7. Februar 2013, AMC‑Representações Têxteis/HABM –
MIP Metro (METRO KIDS COMPANY), T‑50/12, EU:T:2013:68, Rn. 40).
37
Da bei jedem der Zeichen die ersten beiden Silben identisch ausgesprochen werden
und sich die Aussprache der letzten Silben nicht wesentlich unterscheidet, ist der
Schluss zu ziehen, dass, wie die Beschwerdekammer zu Recht in Rn. 24 der
angefochtenen Entscheidung konstatiert hat, ein durchschnittlicher Grad phonetischer
Ähnlichkeit der Zeichen besteht.
38
Hierzu ist anzumerken, ohne dass dies im Übrigen von der Klägerin angeführt worden
wäre, dass ein Widerspruch vorliegt zwischen Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung,
in der die Beschwerdekammer angenommen hat, der Grad phonetischer Ähnlichkeit der
Zeichen sei durchschnittlich, und Rn. 27 dieser Entscheidung, in der die
Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gelangt ist, dass ein hoher Grad phonetischer
Ähnlichkeit bestehe.
39
Insoweit genügt jedoch der Hinweis, dass, wie bereits oben in Rn. 37 ausgeführt
worden ist, der Grad phonetischer Ähnlichkeit der Zeichen, wie sich aus der Prüfung der
Beschwerdekammer in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung ergibt, durchschnittlich
ist und dass die Stichhaltigkeit der von der Beschwerdekammer vorgenommenen
Beurteilung, wonach eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist, unter dieser
Voraussetzung, die im Übrigen die für die Klägerin günstigere ist, geprüft werden wird.
40
Was schließlich die begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen angeht, hat die
Beschwerdekammer in Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung ebenfalls zu Recht
festgestellt, dass kein begrifflicher Vergleich vorgenommen werden könne. Im Übrigen
stimmt die Klägerin der angefochtenen Entscheidung in diesem Punkt weitgehend zu.
41
Es ist nämlich wahrscheinlich, dass das Wort „Valdasaar“ als Phantasiebegriff ohne
Bedeutung
angesehen
wird.
Jedenfalls
wird
es
der
europäische
Durchschnittsverbraucher, wie im Übrigen auch den Ausdruck „Val d’Azur“, als
Phantasiebegriff wahrnehmen. Nur das französischsprachige Publikum wird den
Ausdruck als Bezugnahme auf ein großes Tal oder, wie das HABM zu Recht ausführt,
auf ein Tal des Himmelblaus verstehen.
42
Dem Vorbringen der Klägerin, die Anmeldemarke werde wie „Balthazar“ namensmäßig
eingeordnet werden und die ältere Marke beziehe sich auf eine fiktive Landschaft, kann
deshalb nicht zugestimmt werden.
43
Folglich ist die Feststellung der Beschwerdekammer, in begrifflicher Hinsicht könne
kein Vergleich vorgenommen werden, zu bestätigen.
44
Nach alledem besteht zwischen den Zeichen eine gewisse visuelle Ähnlichkeit und ein
durchschnittlicher Grad phonetischer Ähnlichkeit, so dass sie insgesamt ähnlich sind.
45
Drittens hat die Beschwerdekammer zur inhärenten Kennzeichnungskraft der älteren
Marke in Rn. 30 der angefochtenen Entscheidung angenommen, dass sie
durchschnittlich sei, da der Ausdruck „Val d’Azur“ für die von der älteren Marke erfassten
Waren keine beschreibende Bedeutung habe.
46
Dieser Feststellung ist gleichfalls zuzustimmen, und dem Vorbringen der Klägerin – das
sie im Übrigen nicht untermauert hat –, die ältere Marke besitze nur eine geringe
Kennzeichnungskraft, weil sie sich auf die Côte d’Azur als eine weltbekannte Region in
Verbindung mit einer in dem Wort „Val“ bestehenden Regionalgattung beziehe, kann
nicht gefolgt werden.
47
Außerhalb des französischsprachigen Gebiets wird der Ausdruck „Val d’Azur“ nämlich
als eine Phantasiebezeichnung und ohne jeden Sinngehalt wahrgenommen werden.
Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Ausdruck geringe
Kennzeichnungskraft besitzt.
48
Schließlich ist zu der Verwechslungsgefahr darauf hinzuweisen, dass eine solche
vorliegt, wenn kumulativ der Grad der Ähnlichkeit der in Rede stehenden Marken und der
Grad der Ähnlichkeit der mit diesen Marken gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen hoch genug sind (Urteil vom 11. Januar 2013, Kokomarina/HABM –
Euro Shoe Group [interdit de me gronder IDMG], T‑568/11, EU:T:2013:5, Rn. 48).
49
Im vorliegenden Fall ist oben in Rn. 29 festgestellt worden, dass die Waren identisch
sind, und in Rn. 44, dass die Zeichen insgesamt ähnlich sind.
50
Daraus folgt, dass bei kumulativer Betrachtung der Grad der Ähnlichkeit der Zeichen
und der Grad der Ähnlichkeit der mit diesen gekennzeichneten Waren hoch genug sind.
Daher hat die Beschwerdekammer in Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung zu Recht
angenommen, dass zwischen den Zeichen Verwechslungsgefahr bestehe.
51
Deshalb ist der einzige Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen sowie die Klage
insgesamt abzuweisen, ohne dass es erforderlich ist, über die Zulässigkeit des Antrags
auf Zurückweisung des Widerspruchs zu befinden (vgl. Urteil vom 11. Juni 2009,
Hedgefund Intelligence/HABM – Hedge Invest [InvestHedge], T‑67/08, EU:T:2009:198,
Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Kosten
52
Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf
Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr
gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Leder & Schuh International AG trägt die Kosten.
Martins Ribeiro
Gervasoni
Madise
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Dezember 2014.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.