Urteil des EuG vom 15.10.2003

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URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
15. Oktober 200
„Gemeinschaftsmarke - Verordnung (EG) Nr. 40/94 - Wort OLDENBURGER - Absolutes Eintragungshindernis -
Beschreibender Charakter - Geografische Herkunft - Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 2 -
Beschränkung des gewährten Rechts - Artikel 12 Buchstabe b - Erklärung zum Schutzumfang - Artikel 38
Absatz 2“
In der Rechtssache T-295/01
Nordmilch eG
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
A. von Mühlendahl und G. Schneider als Bevollmächtigte,
Beklagter,
wegen Aufhebung der Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den
Binnenmarkt vom 19. September 2001 (Sache R 826/2000-3) über die Anmeldung der Eintragung des
Wortes OLDENBURGER
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tiili sowie der Richter P. Mengozzi und M. Vilaras,
Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2003
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1.
Am 14. August 1997 meldete die Westdeutsche Butter Zentrale Hermann von Uum GmbH & Co. KG
(im Folgenden: Anmelderin) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993
über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung (im Folgenden:
Verordnung) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)
eine Gemeinschaftsmarke an.
2.
Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde auf die Nordmilch eG (im Folgenden: Klägerin)
übertragen. Die Übertragung wurde am 12. April 2000 im Register des HABM eingetragen.
3.
Bei der Marke, deren Eintragung angemeldet wurde, handelt es sich um das Wort OLDENBURGER.
4.
Die Waren, für die nach den Änderungen vom 17. September 1998 des ursprünglich eingereichten
Verzeichnisses die Eintragung beantragt wird, gehören zu den Klassen 29, 30 und 32 im Sinne des
Abkommens von Nizza über die Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die
Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung und entsprechen für
die jeweilige Klasse folgender Beschreibung:
- Klasse 29: Milch- und Molkereiprodukte, Frischprodukte auf der Basis von Milch- und
Molkereiprodukten; Milch, Vollmilch, Trockenmilch, Trockenmilcherzeugnisse für Nahrungszwecke,
Dickmilch, Magermilch, Sauermilch, Buttermilch, auch mit Fruchtzusatz oder mit Cerealien und/oder
Kakaozusatz, uperisierte, sterilisierte und kondensierte Milch, Kondensmilch, Kaffeesahne, Sahne,
Sahneerzeugnisse, auch gesalzen und mit Zusatz von Kräutern, Quark, Rahm, Sauerrahm, Kefir,
Butter, Kräuterbutter, Butterzubereitungen, Käse, Käsezubereitungen, Frischkäse,
Frischkäsezubereitungen, Hartkäse, Schnittkäse, Weichkäse, Schmelzkäse sowie
Schmelzkäsezubereitungen, Crème Fraîche, Joghurt, Joghurtzubereitungen, Desserts, Fertigdesserts,
insbesondere aus Joghurt, Quark und Sahne; vorgenannte Waren auch mit Fruchtzusätzen oder
Kräutern oder feinen Backwaren; Quark- und Sauermilcherzeugnisse, auch mit Früchten oder Kräutern
oder Gemüsen; Milchkonserven, Milchpulver, Molke; alkoholfreie und alkoholhaltige
Milchmischgetränke; Käse- und Milchzubereitungen in Snack-Form; Milchreis, Fruchtmilchreis,
Grießbrei; Fertiggerichte und Snacks, insbesondere auf Milch- oder Käsebasis; Knabbererzeugnisse;
Speisezubereitungen, enthaltend mindestens eine der vorgenannten Waren; Fleisch, Fisch, Geflügel
und Wild;
- Klasse 30: Speiseeis, Eiscremekonfekt, Eiscremeprodukte, Pudding; Käse- und Milchzubereitungen
in Snack-Form; feine Backwaren und Konditorwaren, insbesondere auf Milchbasis, Zucker- und
Schokoladenwaren, Eiswaffeln, Müslizubereitungen, im Wesentlichen bestehend aus Milch, Sauerrahm,
Buttermilch, Sauermilch, Joghurt, Kefir, Quark, zubereiteten Früchten und/oder Cerealien; Grießbrei;
Fertiggerichte, insbesondere auf Milch- oder Käsebasis; Fruchtsaucen; Knabbererzeugnisse;
Speisezubereitungen, enthaltend mindestens eine der vorgenannten Waren;
- Klasse 32: alkoholfreie Milchmischgetränke.
5.
Die Anmeldung wurde im Nr. 48/1999 vom 21. Juni 1999
veröffentlicht.
6.
Nachdem gemäß Artikel 41 der Verordnung Einwendungen erhoben worden waren und die
ursprüngliche Anmelderin sowie die Klägerin Bemerkungen eingereicht hatten, wies der Prüfer mit
Entscheidung vom 7. Juni 2000 die Anmeldung zurück.
7.
Am 4. August 2001 legte die Klägerin nach Artikel 59 der Verordnung Beschwerde gegen die
Entscheidung des Prüfers bei den Beschwerdekammern des HABM ein.
8.
Mit Entscheidung vom 19. September 2001 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), die der
Klägerin am 1. Oktober 2001 zugestellt wurde, wies die Beschwerdekammer die Beschwerde zurück.
Sie war im Wesentlichen der Auffassung, dass das angemeldete Wort eine geografische
Herkunftsbezeichnung in Bezug auf eine deutsche Region darstellen könne, die für die Erzeugung der
in der Anmeldung bezeichneten Waren bekannt sei, für die es ein allgemeines Freihalteinteresse
gebe.
9.
In der Zwischenzeit war gegen die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Widerspruch erhoben worden.
Nach Wiedereröffnung des Prüfungsverfahrens setzte die Widerspruchsabteilung das
Widerspruchsverfahren auf Antrag der Anmelderin nach Regel 20 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr.
2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl.
1995, L 303, S. 1) (im Folgenden: Durchführungsverordnung) bis zu einer abschließenden
Entscheidung über die vorliegende Klage aus.
Verfahren und Anträge der Parteien
10.
Mit Klageschrift, die am 3. Dezember 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die
Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Das HABM hat am 27. März 2002 seine Klagebeantwortung
eingereicht.
11.
Die Klägerin beantragt,
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
- das HABM zu verpflichten, dem Eintragungsverfahren Fortgang zu geben;
- hilfsweise, festzustellen, dass Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 2 der Verordnung der
Eintragung nicht entgegenstehen, und die Sache an die Beschwerdekammer zurückzuverweisen;
- weiter hilfsweise, das HABM zu verpflichten, ihr eine Frist zur Abgabe einer Erklärung gemäß Artikel
38 Absatz 2 der Verordnung zu setzen;
- höchst hilfsweise, festzustellen, dass Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 2 der Verordnung
der Eintragung der Anmeldung nicht entgegenstehen, wenn sie gegenüber dem Beklagten eine
Erklärung gemäß Artikel 38 Absatz 2 der Verordnung abgibt, und die Sache an die
Beschwerdekammer zurückzuverweisen, damit diese unter Beachtung dieser Erklärung und der
Rechtsauffassung des Gerichts entscheidet;
- dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
12.
Das HABM beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
13.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren Antrag, das HABM zu verpflichten, dem
Eintragungsverfahren Fortgang zu geben, zurückgenommen.
Zur Nichtigkeitsklage
14.
Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin drei Gründe an, die sich auf eine Verletzung erstens
von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 2, zweitens von Artikel 12 Buchstabe b und drittens von
Artikel 38 Absatz 2 der Verordnung beziehen.
Vorbringen der Parteien
15.
Die Klägerin bestreitet nicht, dass die Angabe „Oldenburg“ die Hauptstadt des Regierungsbezirks
Weser-Ems im Land Niedersachsen und eine Stadt gleichen Namens im Land Schleswig-Holstein
bezeichnet. Sie bestreitet auch nicht, dass Waren der von der Markenanmeldung erfassten Art im
Regierungsbezirk Weser-Ems hergestellt werden.
16.
Sie bestreitet indessen, dass die angemeldete Marke OLDENBURGER ausschließlich aus einer
Angabe bestehe, die für sich genommen die geografische Herkunft der damit gekennzeichneten Ware
bezeichne oder bezeichnen könnte.
17.
Die Klägerin bemerkt, dass die Beschwerdekammer in Randnummer 21 der angefochtenen
Entscheidung darauf hingewiesen habe, dass zu prüfen sei, ob sich die beanspruchte geografische
Bezeichnung auf einen Ort beziehe, ohne zu prüfen, ob die geografische Angabe einen Ort bezeichne,
der von den beteiligten Verkehrskreisen als geografische Herkunftsangabe der beanspruchten Waren
begriffen werde. Sie hebt außerdem hervor, dass die Kammer es im Folgenden vermieden habe, zu
behaupten, dass die streitige Marke OLDENBURGER eine Bezeichnung der geografischen Herkunft der
beanspruchten Waren sei.
18.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beschwerdekammer das absolute Eintragungshindernis,
das für ausschließlich zur Beschreibung der Herkunft dienende Begriffe gelte, auf eine Angabe
ausgedehnt habe, die sich lediglich auf eine geografische Angabe beziehe oder von dieser abgeleitet
sei.
19.
Sie bestreitet nicht, dass sich die Marke OLDENBURGER auf die geografische Angabe Oldenburg
beziehe, und auch nicht, dass sie sich hiervon ableite. Sie macht geltend, dass es sich nicht um das
Adjektiv „oldenburger“ handele, sondern, wie sich klar aus der Großschreibung ergebe, um die
männliche Personifizierung z. B. eines Bürgers aus der Stadt Oldenburg.
20.
Die Klägerin macht geltend, dass der Verkehr ihm begegnende Zeichenbildungen regelmäßig
keiner analytischen oder linguistischen Betrachtungsweise unterziehe.
21.
Zu den früheren Entscheidungen der Beschwerdekammern vertritt sie die Auffassung, dass diese
Fallgestaltungen mit der vorliegenden nicht identisch seien. Ebenso sei die Rechtsprechung, die sich
aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 4. Mai 1999 in den Rechtssachen C-108/97 und C-109/97
(Windsurfing Chiemsee, Slg. 1999, I-2779) ergebe, insoweit nicht einschlägig, als das angemeldete
Zeichen OLDENBURGER sei und nicht Oldenburg. Dazu trägt die Klägerin vor, dass ihre Ansicht auf der
Praxis des HABM beruhe, das mehrere Angaben eingetragen habe, die sich auf ein geografisches
Gebiet bezögen.
22.
Das HABM bemerkt vorab, dass das in der Nichtigkeitsklage wiedergegebene Warenverzeichnis
bezüglich der Waren der Klasse 30 nicht mit dem streitigen Warenverzeichnis übereinstimme.
23.
Das HABM erinnert daran, dass nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung solche Marken
von der Eintragung ausgeschlossen seien, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestünden,
die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen dienen könnten. Die
Monopolisierung solcher Zeichen, die sich aus den ausschließlichen Rechten ergebe, die Artikel 9 der
Verordnung verleihe, sei nämlich nicht zulässig, denn es bestehe ein Allgemeininteresse daran, dass
diese Zeichen verfügbar blieben (Urteil Windsurfing Chiemsee, Randnrn. 25 und 26).
24.
Das HABM ist der Auffassung, dass Zeichen, die von den beteiligten Verkehrskreisen unmittelbar
und ohne weiteres Nachdenken als geografische Angabe erkannt würden, nicht eintragbar seien.
Dagegen könnten solche Angaben eingetragen werden, die zwar einen geografischen Ort
bezeichneten, die aber den Verkehrskreisen nicht bekannt seien oder von diesen als
Fantasiebezeichnungen aufgefasst würden oder zwar bekannt seien, aber von vornherein als
ungeeignet angesehen würden, auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen, für
die die Anmeldung eingereicht worden sei.
25.
Das HABM ist der Ansicht, dass die adjektivische Form einer Ortsbezeichnung offenkundig in den
Anwendungsbereich von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung falle, der kein Verbot der
Eintragung geografischer Namen als solcher (OLDENBURG oder Oldenburg) enthalte, sondern ein
Verbot der Eintragung von Angaben, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft dienen könnten.
26.
Was die früheren Eintragungen anbelangt, erinnert das HABM an die Rechtsprechung des Gerichts
zu der Befugnis der Beschwerdekammern und betont, dass die von der Klägerin vorgebrachten
Beispiele keine geografischen Namen beträfen, die im Zusammenhang mit den bezeichneten Waren
bekannt seien.
Würdigung durch das Gericht
27.
Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung sind „Marken, die ausschließlich aus Zeichen
oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge,
der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder
der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder
Dienstleistung dienen können“, von der Eintragung ausgeschlossen.
28.
Außerdem finden gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung „[d]ie Vorschriften des Absatzes 1 ...
auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Gemeinschaft
vorliegen“.
29.
Damit verfolgt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung das im Allgemeininteresse liegende
Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die die Waren- oder Dienstleistungsgruppen beschreiben, für die
die Eintragung beantragt wird, von allen frei verwendet werden können. Diese Vorschrift erlaubt daher
nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen
vorbehalten werden (vgl. analog Urteil Windsurfing Chiemsee, Randnr. 25).
30.
Namentlich an der Freihaltung von Zeichen oder Angaben, die zur Bezeichnung der geografischen
Herkunft der Warengruppen, für die die Eintragung der Marke beantragt wird, dienen können, vor
allem von geografischen Namen, besteht ein Allgemeininteresse, das insbesondere darauf beruht,
dass diese Zeichen oder Angaben nicht nur die Qualität und andere Eigenschaften der betroffenen
Warengruppen anzeigen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen
können, etwa dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und einem Ort herstellen, mit
dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden (vgl. analog Urteil Windsurfing Chiemsee, Randnr.
26).
31.
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Eintragung von geografischen Namen als
Marken ausgeschlossen ist, wenn sie bestimmte geografische Orte bezeichnen, die für die betroffene
Warengruppe bereits berühmt oder bekannt sind und die daher in den Augen der beteiligten
Verkehrskreise eine Verbindung mit diesen aufweisen, und dass zum anderen auch die Eintragung
derjenigen geografischen Namen ausgeschlossen ist, die von Unternehmen verwendet werden
können und die für diese als geografische Herkunftsangaben für die betreffende Warengruppe
freigehalten werden müssen (vgl. analog Urteil Windsurfing Chiemsee, Randnrn. 29 und 30).
32.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber abweichend
von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung die Möglichkeit eröffnet hat, Zeichen, die als
geografische Herkunftsangabe dienen können, nach Artikel 64 Absatz 2 der Verordnung als
Kollektivmarke einzutragen und sie im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14.
Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse
und Lebensmittel (ABl. L 208, S. 1) für manche Waren, wenn sie die erforderlichen Voraussetzungen
erfüllen, als geschützte geografische Angaben oder Ursprungsbezeichnungen einzutragen.
33.
Jedoch steht Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung grundsätzlich der Eintragung von
geografischen Namen, die den beteiligten Verkehrskreisen nicht oder zumindest nicht als
Bezeichnung eines geografischen Ortes bekannt sind, oder auch von Namen nicht entgegen, bei
denen es wegen der Eigenschaften des bezeichneten Ortes wenig wahrscheinlich ist, dass die
beteiligten Verkehrskreise annehmen könnten, dass die betreffende Warengruppe von diesem Ort
stammt (vgl. analog Urteil Windsurfing Chiemsee, Randnr. 33).
34.
In Anbetracht des vorstehend Ausgeführten lässt sich der beschreibende Charakter eines Zeichens
zum einen nur in Bezug auf die betroffenen Waren oder Dienstleistungen bestimmen und zum anderen
nur in Bezug darauf, was die maßgeblichen Verkehrskreise darunter verstehen.
35.
Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die bezeichneten Waren, wie sie in
Randnummer 1 der angefochtenen Entscheidung aufgeführt werden, für alle Verbraucher bestimmte
gewöhnliche Verbrauchsgüter sind. Bei den maßgeblichen Verkehrskreisen handelt es sich somit um
die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher. Da sich
das fragliche Zeichen im Übrigen auf einen deutschen geografischen Namen bezieht, sind die
maßgeblichen Verkehrskreise, nach deren Verständnis das absolute Eintragungshindernis zu
beurteilen ist, die Durchschnittsverbraucher des Mitgliedstaats, in dem der mit diesem Namen
bezeichnete Ort liegt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. Februar 2002 in der
Rechtssache T-219/00, Ellos/HABM [ELLOS], Slg. 2002, II-753, Randnrn. 30 und 31).
36.
Es ist sodann darauf hinzuweisen, dass das Wort OLDENBURGER sich unmittelbar adjektivisch von
dem Namen der deutschen Stadt Oldenburg ableitet, der Hauptstadt des niedersächsischen
Regierungsbezirks Weser-Ems.
37.
Hierzu hat die Beschwerdekammer in den Randnummern 27 bis 29 der angefochtenen
Entscheidung festgestellt, dass es deutschlandweit bekannt sei, dass Oldenburg die Hauptstadt einer
Region sei, die stark von der Agrarwirtschaft, insbesondere des Milch und Fleisch erzeugenden und
verarbeitenden Gewerbes, geprägt sei, was die Klägerin nicht bestreite. Unter diesem Aspekt sei
darauf hinzuweisen, dass zahlreiche Agrarerzeugnisse die Bezeichnung „Oldenburger“ in Verbindung
mit einer Gattungsbezeichnung oder die Bezeichnung „Oldenburg“ in Verbindung mit dem
Herstellernamen trügen.
38.
In Anbetracht der Tatsache, dass der geografische Bereich, an den die angesprochenen
Verkehrskreise direkt erinnert werden, als eine Region bekannt ist, in der die fraglichen Waren
erzeugt werden, können diese Verkehrskreise diesen geografischen Namen als geografische
Herkunftsbezeichnung der genannten Waren auffassen.
39.
Denn für die maßgeblichen Verkehrskreise stellt die Verwendung der adjektivischen Form keine
hinreichend merkliche Abweichung dar, um es für sie denkbar werden zu lassen, dass das Zeichen
OLDENBURGER auf etwas anderes hindeute als auf den geografischen Namen Oldenburg und dass
folglich dieses Zeichen auf den Waren angebracht sei, um auf ein anderes Merkmal als deren
Herkunft hinzuweisen.
40.
Insoweit ist das Argument der Klägerin nicht einschlägig, dass das Wort OLDENBURGER nur auf eine
geografische Angabe Bezug nehme oder eine von einer solchen abgeleitete Form sei. Denn zum einen
wird das fragliche Wort üblicherweise im Zusammenhang mit den betroffenen Waren gebraucht, und
zum anderen wird auch die adjektivische Form in der deutschen Sprache gängig verwendet, um
geschützte Ursprungsbezeichnungen oder geschützte geografische Angaben zu bilden, die u. a. auch
die Aufgabe haben, den Verbraucher über die geografische Herkunft der Waren zu unterrichten.
41.
Außerdem macht das HABM zu Recht geltend, dass die anderen möglicherweise in Betracht
kommenden Bedeutungen so fernliegend sind, dass sie außer Acht gelassen werden können, wie
beispielsweise OLDENBURGER im Sinne von „Mann aus Oldenburg“.
42.
Ferner enthält das beantragte Zeichen keine zusätzlichen Merkmale, die der Anwendung von Artikel
7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung entgegenstehen könnten. Denn zum einen unterzieht der
Verkehr im Allgemeinen, wie die Klägerin selbst einräumt, ihm begegnende Zeichenbildungen in der
Regel keiner analytischen Betrachtungsweise; folglich wird nicht genau genug hingesehen, um aus
einer gewöhnlichen Buchstabenfolge, selbst wenn es sich dabei um Großbuchstaben handelt,
irgendeine Bedeutung herauszulesen. Zum anderen stellt auch die Tatsache, dass ein geografischer
Name isoliert verwendet wird, keine merkliche Abweichung von der gebräuchlichen Praxis bei Waren
aus dem Agrar- und dem Lebensmittelbereich dar, nach der es im Gegenteil üblich ist, Waren mit
einem allein stehenden geografischen Begriff oder mit einem solchen in Verbindung mit einer die Art
der Ware angebenden Gattungsbezeichnung zu bezeichnen.
43.
Was die Bemerkung der Klägerin betrifft, dass die Beschwerdekammer es sorgfältig vermieden
habe, zu behaupten, dass die streitige Marke OLDENBURGER eine Bezeichnung der geografischen
Herkunft der beanspruchten Waren sei, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer rechtlich
hinreichend belegt hat, dass die Verbindung zwischen der Ortsbezeichnung und den Waren es den
maßgeblichen Verkehrskreisen erlauben kann, das fragliche Zeichen als Herkunftsangabe für diese
Waren zu verstehen, ohne dass es in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, ob die Bezeichnung
tatsächlich die wirkliche geografische Herkunft der Waren angibt.
44.
Was Waren, wie etwa Fische, angeht, für die nicht belegt ist, dass das geografische Gebiet, an das
das zur Eintragung angemeldete Zeichen erinnert, für sie berühmt oder bekannt ist, ist darauf
hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in Randnummer 32 der angefochtenen Entscheidung zu
Recht und gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. analog Urteil Windsurfing Chiemsee,
Randnr. 31) die Ansicht vertreten hat, dass vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten sei, dass
diese Waren von den beteiligten Verkehrskreisen mit dem fraglichen Wort in Verbindung gebracht
würden.
45.
Demzufolge ist festzustellen, dass das fragliche Zeichen nur aus einem Wort besteht, das den
maßgeblichen Verkehrskreisen die geografische Herkunft der bezeichneten Waren angibt oder
angeben kann.
46.
Diese Würdigung kann im Übrigen auch nicht durch den Vortrag der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung in Frage gestellt werden, der zusammengefasst dahin ging, dass Artikel 7 Absatz 1
Buchstabe c der Verordnung auf das Wort OLDENBURGER nicht anwendbar sei, da es bei abstrakter
Betrachtung keine Gattungsbezeichnung zur Kennzeichnung der Waren sei, auf die sich die
Anmeldung beziehe. Denn zum einen kommt es in diesem Rahmen auf die Tatsache nicht an, dass das
angemeldete Wort nicht die die Waren kennzeichnende Gattungsbezeichnung ist, wenn belegt ist,
dass es deren Herkunft angeben kann, und zum anderen hat das HABM zu Recht erwidert, dass die
Prüfung der angemeldeten Marke nicht abstrakt durchgeführt werden kann, sondern im Hinblick auf
die bezeichneten Waren durchgeführt werden muss.
47.
Was schließlich das Vorliegen früherer Entscheidungen anbelangt, genügt der Hinweis darauf, dass
nach durchaus gefestigter Rechtsprechung zum einen die Gemeinschaftsregelung für Marken ein
autonomes System ist und dass zum anderen die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der
Beschwerdekammern ausschließlich auf der Grundlage dieser Verordnung in der Auslegung durch den
Gemeinschaftsrichter zu überprüfen ist und nicht auf der Grundlage einer vor Erlass der
Entscheidungen bestehenden Entscheidungspraxis (Urteile des Gerichts vom 5. Dezember 2000 in der
Rechtssache T-32/00, Messe München/HABM [electronica], Slg. 2000, II-3829, Randnrn. 45 bis 47, und
vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache T-106/00, Streamserve/HABM [STREAMSERVE], Slg. 2002, II-
723, Randnr. 66).
48.
Außerdem geht, wie das Amt geltend gemacht hat, der Hinweis auf Fälle fehl, die geografische
Namen betreffen, für die es nicht belegt ist, dass sie im Zusammenhang mit den betreffenden Waren
bekannt waren.
49.
Folglich sind die Argumente, die die Klägerin allein aus dem Vorliegen von Eintragungen durch das
HABM und durch das Deutsche Patentamt hergeleitet hat, nicht schlüssig.
50.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es für die Bejahung eines der Eintragungshindernisse nach
Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung ausreicht, dass es in einem Teil der Gemeinschaft vorliegt, wie es
hier in Deutschland der Fall ist (vgl. analog Urteil des Gerichts vom 30. März 2000 in der Rechtssache
T-91/99, Ford Motor/HABM [OPTIONS], Slg. 2000, II-1925, Randnrn. 25 bis 27).
51.
Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
52.
Die Klägerin trägt vor, in den Fällen, in denen das Risiko bestehe, dass die Eintragung der
angemeldeten Marke die Verwendung des Adjektivs „oldenburger“ behindere, schließe der eindeutige
Wortlaut von Artikel 12 Buchstabe b der Verordnung eine solche Behinderung aus.
53.
Das HABM ist der Ansicht, dass die Einschränkung des Ausschlussrechts des Inhabers einer
eingetragenen Marke nach Artikel 12 Buchstabe b der Verordnung nicht dazu führen könne, dass
nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung ausgeschlossene Marken gleichwohl eingetragen
würden.
54.
Im Übrigen habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 20. September 2001 in der Rechtssache C-
383/99 P (Procter & Gamble/HABM, Slg. 2001, I-6251) zwar einen Zusammenhang zwischen Artikel 7
Absatz 1 und Artikel 12 der Verordnung hergestellt. Dieser Zusammenhang bestehe aber nicht darin,
dass schutzunfähige Zeichen eingetragen werden müssten. Außerdem liege auf der Hand, dass im
vorliegenden Fall die Voraussetzungen der Rechtssache Procter & Gamble/HABM nicht erfüllt seien,
weil „Oldenburger“ keine ungewöhnliche Wortzusammenstellung sei, sondern die verkehrsübliche
Bezeichnung der Herkunft von Waren aus Oldenburg.
Würdigung durch das Gericht
55.
Artikel 12 Buchstabe b der Verordnung in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der
Verordnung bestimmt insbesondere für Marken, die nicht ausschließlich beschreibenden Charakter
haben und deshalb nicht unter diese Vorschrift fallen, u. a., dass eine geografische Herkunft
ausdrückende Angaben, die auch Bestandteil einer komplexen Marke sind, benutzt werden können
und der Inhaber einer solchen Marke dies nicht aufgrund von Artikel 9 der Verordnung verbieten kann,
wenn die Verwendung einer solchen Angabe den anerkannten Gepflogenheiten in Gewerbe oder
Handel entspricht (vgl. analog Urteil Windsurfing Chiemsee, Randnr. 28, und Urteil des Gerichts vom 7.
Juni 2001 in der Rechtssache T-359/99, DKV/HABM [EuroHealth], Slg. 2001, II-1645, Randnr. 28).
56.
Infolgedessen setzt die eventuelle Anwendung der Vorschrift zunächst die Feststellung einer
wirksam eingetragenen Marke voraus, für die ein Inhaber Rechte geltend macht. Der angebliche
Verletzer kann dann den Artikel 12 der Verordnung als Verteidigungsmittel geltend machen, um sich
von dem Vorwurf, in die Rechte des Inhabers eingegriffen zu haben, zu entlasten.
57.
Folglich kann diese Vorschrift im Eintragungsverfahren nicht herangezogen werden. Infolgedessen
ist auch der zweite Klagegrund zurückzuweisen, weil die Marke nicht eintragbar ist.
Vorbringen der Parteien
58.
Die Klägerin macht geltend, dass die angemeldete Marke eingetragen werden könnte, wenn sie
eine Erklärung im Sinne von Artikel 38 Absatz 2 der Verordnung und der Regel 11 Absatz 2 der
Durchführungsverordnung folgenden Inhalts abgegeben hätte:
„In Bezug auf die Gemeinschaftsmarkenanmeldung 607 895 .OLDENBURGER‘ wird seitens der
Anmelderin gemäß Artikel 38 (2) GMV, Regel 11 (2) DV, erklärt, dass diese an dem phonetisch gleich
lautenden Adjektiv .oldenburger‘ kein ausschließliches Recht in Anspruch nehmen wird.“
59.
Sie ist der Auffassung, dass eine solche Erklärung den Schutzumfang auf den Begriff
„OLDENBURGER“ in Versalien und in Alleinstellung beschränken würde. Im Übrigen benutze sie selbst
ihre Marke OLDENBURGER neben der geografischen und warenbeschreibenden Angabe „Oldenburger
Butter“ (oder auch „OLDENBURGER BUTTER“).
60.
Die Klägerin macht geltend, dass das HABM sie nach Artikel 38 Absatz 2 der Verordnung, der Regel
11 Absatz 2 der Durchführungsverordnung und Ziffer 8.13 der Prüfungsrichtlinien vom 26. März 1996
( 1996, S. 1347) hätte auffordern müssen, eine solche Erklärung abzugeben.
61.
Was diesen Klagegrund anbelangt, so ist dem HABM nicht klar, welche Vorschrift verletzt sein soll.
Es werde nämlich nicht deutlich, ob die Klägerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder eine
Verletzung von Artikel 38 Absatz 2 der Verordnung in Verbindung mit Regel 11 der
Durchführungsverordnung geltend mache.
Würdigung durch das Gericht
62.
Es ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 38 Absatz 2 der Verordnung vorsieht, dass das HABM eine
Erklärung verlangen kann, wenn die Marke einen Bestandteil enthält, der nicht unterscheidungskräftig
ist.
63.
Im vorliegenden Fall besteht die in Rede stehende Markenanmeldung aus einem einzigen
Bestandteil.
64.
Infolgedessen genügt es festzustellen, dass zum einen die Vorschriften über die Erklärung nach
Artikel 38 der Verordnung nicht bedeuten, dass das HABM gehalten wäre, die Abgabe einer Erklärung
zu verlangen, und dass zum anderen eine solche Erklärung nicht verlangt werden kann, wenn es keine
Bestandteile gibt, auf die sich der Verzicht beziehen könnte. Da der einzige die Marke bildende
Bestandteil als solcher nicht schutzfähig ist, gibt es keine anderen Bestandteile, auf deren Schutz die
Klägerin hätte verzichten können.
65.
Daher ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.
66.
Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
67.
Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur
Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr ihre eigenen Kosten und die
des HABM gemäß dessen Antrag aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tiili
Mengozzi
Vilaras
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Oktober 2003.
Der Kanzler
Die Präsidentin
H. Jung
V. Tiili
Verfahrenssprache: Deutsch.