Urteil des BVerwG vom 29.01.2015

BVerwG: wesentlicher grund, rechtliches gehör, doppelbelastung, zahl, kommission, flugsicherung, zusammensetzung, rechtswidrigkeit, vertreter, rüge

BVerwG 4 C 37.13 [
ECLI:DE:BVerwG:2014:121114U4C37.13.0
]
Rechtsquellen:
FluglärmG § 2 Abs. 2
LuftVG § 8 Abs. 1 Satz 3, § 29b Abs. 2, § 32b
Stichworte:
Flugverfahren; Abflugverfahren; Flugrouten; Fluglärmkommission; Abwägung; rechtsstaatliches Abwägungsgebot; unzumutbarer Fluglärm;
Alternativenprüfung.
Leitsatz:
§ 29b Abs. 2 LuftVG enthält für die vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung bei der Festlegung von Flugverfahren zu treffende
Abwägungsentscheidung keine Direktiven, wenn sämtliche in Betracht kommenden Routen mit unzumutbarem Fluglärm verbunden sind
(Abgrenzung zu Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 C 37.13
OVG Berlin-Brandenburg - 19.09.2013 - AZ: OVG 11 A 4.13
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr.
Decker und Dr. Külpmann
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. September 2013 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Gegenstand des Rechtsstreits ist die Festlegung von Flugverfahren.
2 Die Klägerin wendet sich gegen die Abflugverfahren GERGA 1 A, GERGA 1 M, TUVAK 1 A, DEXUG 1 A und SUKIP 1 A, die das
Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) der Beklagten in der 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung (Festlegung von
Flugverfahren für An- und Abflüge nach Instrumentenflugregeln zum und vom Flughafen Berlin Brandenburg) vom 10. Februar 2012 (BAnz S.
1086) in der derzeit gültigen Fassung der 3. Änderungsverordnung vom 23. Oktober 2013 (BAnz AT 25.10.2013 V1) festgesetzt hat. Die
Flugverfahren, die für den Westbetrieb von der Startbahn 25 R (Nordbahn) bestimmt sind, führen bis zum Streckenpunkt DB 241 in
Geradeausrichtung und verlaufen dabei über das Ortszentrum der Klägerin. Die Klägerin hält die Festlegung insbesondere deshalb für
rechtswidrig, weil die Flugrouten über ihrem Gemeindegebiet auch für Anflüge genutzt werden und sie dadurch einer unzumutbaren
Doppelbelastung ausgesetzt werde.
3 Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung in der bei Erlass seines Urteils
geltenden Fassung rechtswidrig ist, soweit darin bei Benutzung der Startbahn 25 R in der Nachtzeit (22:00 bis 6:00 Uhr) die Abflugverfahren
GERGA 1 A, GERGA 1 M, TUVAK 1 A, DEXUG 1 A und SUKIP 1 A bis zum Streckenpunkt DB 241 festgelegt sind. Im Übrigen hat es die
Klage abgewiesen und insoweit zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
4 Die angegriffene Flugroutenfestsetzung sei nicht wegen einer vermeintlich unrechtmäßigen Besetzung der Fluglärmkommission formell
rechtswidrig. Zum einen treffe schon die Ansicht der Klägerin nicht zu, dass die Fluglärmkommission nicht ordnungsgemäß zusammengesetzt
gewesen sei. Zwar sollten gemäß § 32b Abs. 4 Satz 3 LuftVG in die Kommission nicht mehr als 15 Mitglieder berufen werden. Die Erweiterung
von 17 auf wohl 34 Mitglieder sei aber gerechtfertigt. Nachdem sich herausgestellt habe, dass der unabhängige Parallelbahnbetrieb abweichend
von der Grobplanung der Flugrouten im Planfeststellungs- und im Planergänzungsverfahren eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15°
erfordere und eine teilweise Neuplanung der Flugrouten notwendig sei, erscheine es nicht sachwidrig, die nach der Grobplanung nicht von
Fluglärm betroffenen Träger kommunaler Interessen, insbesondere weitere Gemeinden und deren Verbände, in die Kommission einzubeziehen.
Fluglärm betroffenen Träger kommunaler Interessen, insbesondere weitere Gemeinden und deren Verbände, in die Kommission einzubeziehen.
Hiervon abgesehen komme der Fluglärmkommission als rein beratendem Gremium kein formelles Beteiligungsrecht zu. Sie sei lediglich
anzuhören. Das BAF treffe eine eigene Abwägungsentscheidung. Daher könne der Umstand, dass die Belange der Klägerin in den Beschlüssen
der Fluglärmkommission keine Berücksichtigung gefunden hätten, weil die aus Sicht der Klägerin zu Unrecht in die Fluglärmkommission
berufenen Gemeinden und Landkreise die Stimmenmehrheit gehabt hätten, für sich genommen nicht zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen
Flugroutenfestsetzung führen. Im Übrigen hätten nicht allein die Beschlüsse der Fluglärmkommission bei der Abwägungsentscheidung
Berücksichtigung gefunden, sondern auch die interne Meinungs- und Willensbildung u.a. mit der ablehnenden Stellungnahme der Klägerin.
5 Dass die Beklagte der Flugverfahrensfestsetzung das planfestgestellte Nutzungskonzept eines in zeitlicher Hinsicht ununterbrochenen
unabhängigen Parallelbahnbetriebs zugrunde gelegt habe, sei materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Aus dem Planfeststellungsbeschluss ergebe
sich, dass der unabhängige Parallelbahnbetrieb ein wesentlicher Grund für den Ausbau des Flughafens Berlin Brandenburg gewesen sei.
Einschränkungen des Nutzungskonzepts ließen sich weder dem verfügenden Teil noch der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses
entnehmen. An die Entscheidungen der Planfeststellung sei das BAF gebunden. Deren Ausnutzung dürfe es nicht vereiteln. Es sei gehindert,
Regelungen zu treffen, die im Widerspruch zu bereits erlassenen Entscheidungen über den Betrieb des Flughafens stünden. Bei der gerichtlichen
Überprüfung der angegriffenen Flugroutenfestsetzung könne das planfestgestellte Nutzungskonzept nicht mehr in Frage gestellt werden. Daher
sei der Vortrag der Klägerin, dass ein durchgängiger unabhängiger Parallelbahnbetrieb zur kapazitätsgerechten Abwicklung nicht erforderlich sei
und statt dessen ein an dem Verkehrsaufkommen orientierter Wechsel des Betriebssystems realisiert werden könne - etwa durch Verlagerung der
Abflüge auf die Südbahn bzw. durch Festlegung einer Südabkurvung für Abflüge von der Nordbahn außerhalb von Spitzenzeiten -, nicht
entscheidungserheblich.
6 Soweit es um den Tagzeitraum (6:00 bis 22:00 Uhr) gehe, sei gegen die getroffenen Abwägungen des BAF zur Lärmverteilung auch sonst
nichts zu erinnern.
7 Die Flugroutenfestsetzung sei nicht bereits abwägungsfehlerhaft, weil sie eine Doppelbelastung der Ortsmitte der Klägerin mit An- und
Abfluglärm zur Folge habe. Das im Nahbereich des Flughafens gelegene Gemeindegebiet der Klägerin sei von unzumutbarem Lärm betroffen.
Es handele sich um einen Verteilungsfall, der dadurch gekennzeichnet sei, dass derartige Lärmbelastungen über dem Gemeindegebiet der
Klägerin auf keiner Alternativroute gänzlich vermieden werden könnten. Da die von der Beklagten bestimmten Abflugrouten zunächst
gemeinsam geradeaus verliefen, seien diejenigen Teile des Gemeindegebiets der Klägerin besonders betroffen, die auch dem Lärm der aus
flugtechnischen Gründen zwangsläufig geradeaus verlaufenden Landeanflüge ausgesetzt seien. Zwar könnten die Belastungen durch die jeweils
gegen den Wind erfolgenden Starts und Landungen nie zeitgleich auftreten. Die von der Klägerin gerügte Doppelbelastung liege aber darin, dass
die betreffenden Gebiete keine windrichtungsbedingten Lärmpausen hätten.
8 Es liege im Rahmen des weiten Gestaltungsspielraums des BAF zu entscheiden, ob ein großräumiger Lastenausgleich oder die Verschonung
einzelner Gebiete gewählt werde. Das BAF habe sich mit der gewählten NOOST-Alternative 4 für eine Bündelung der An- und
Abflugverfahren in gerader Verlängerung der Startbahn 25 R entschieden. Dabei habe es erkannt, dass die Vermeidung von Doppelbelastungen
durch An- und Abflüge, ganz besonders im Bereich des unzumutbaren Fluglärms, grundsätzlich von besonderem Gewicht sei. Es habe aber
betont, dass solche erheblichen Doppelbelastungen in der Regel in unmittelbarer Nähe zum Flugplatz entstünden und Alternativen fehlten bzw.
nur durch erhebliche andere Nachteile „erkauft“ werden könnten. Die Lärmverteilung im unmittelbaren Umfeld des Flughafens sei dadurch
geprägt, dass sich unzumutbarer Lärm nicht vermeiden lasse, sondern nur anders verteilt werden könne. Die Entscheidung des BAF, den
Fluglärm auf einen Korridor zu konzentrieren, habe zwar den Nachteil der Doppelbelastung, gleichzeitig aber den Vorteil, dass die Zahl der von
unzumutbarem Fluglärm Betroffenen möglichst gering gehalten werde. Es sei nicht zu beanstanden, dass die angegriffenen Flugverfahren
anderen Verfahren vorgezogen worden seien. Die NOOST-Alternativen 5 und 6 zur Nordumfliegung des Gemeindegebiets der Klägerin seien
unter Lärmschutzgesichtspunkten nicht eindeutig überlegen oder aus Gründen der Flugsicherung besser geeignet.
9 Die Klägerin hat die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision eingelegt, mit der
sie ihren Klageantrag weiterverfolgt, die Rechtswidrigkeit der 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung in der derzeit gültigen
Fassung festzustellen, soweit darin bei Benutzung der Startbahn 25 R Abflugverfahren bis zum Streckenpunkt DB 241 festgelegt sind. Die
Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II
10 Die Revision ist unbegründet. Das vorinstanzliche Urteil steht im Ergebnis mit Bundesrecht im Einklang.
11 1. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Flugroutenbestimmung nicht wegen einer angeblich unrechtmäßigen
Besetzung der Fluglärmkommission (FLK) formell rechtswidrig ist.
12 a) Nicht gefolgt werden kann dem Oberverwaltungsgericht allerdings in der Beurteilung der Stellung der FLK im Verfahren der
Flugroutenfestsetzung. Der Senat teilt nicht die vorinstanzliche Ansicht, dass der FLK kein formelles Beteiligungsrecht zusteht, sondern sie
lediglich anzuhören ist (UA S. 12).
13 Nach § 32b Abs. 1 Satz 1 LuftVG wird die Fluglärmkommission u.a. zur Beratung des BAF und der Flugsicherungsorganisation über
Maßnahmen zum Schutz gegen Fluglärm gebildet. Über die aus Lärmschutzgründen beabsichtigten Maßnahmen haben das BAF und die
Flugsicherungsorganisation nach § 32b Abs. 2 Satz 1 LuftVG zu informieren. Die Kommission ist berechtigt, Vorschläge zu machen (§ 32b Abs.
3 Satz 1 LuftVG). Halten das BAF oder die Flugsicherungsorganisation die vorgeschlagenen Maßnahmen für nicht geeignet oder nicht
durchführbar, teilen sie dies der Kommission unter Angabe der Gründe mit (§ 32b Abs. 3 Satz 2 LuftVG). Die FLK ist daher in die Bestimmung
von Flugverfahren einzubinden. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der bei Erlass des Gesetzes zur Errichtung eines
Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und zur Änderung und Anpassung weiterer Vorschriften vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2424) davon
ausging, § 32b LuftVG sei „insbesondere von Bedeutung für die Lärmproblematik im An- und Abflugbereich von Flughäfen“ (BTDrucks
16/11608 S. 18 f.). Der Pflicht des BAF, die FLK zu beteiligen, korrespondiert ein entsprechendes Recht der FLK.
14 b) Wenn die FLK, wie hier, konsultiert worden ist, ist die Flugroutenbestimmung insoweit unabhängig davon formell rechtmäßig, ob die FLK
14 b) Wenn die FLK, wie hier, konsultiert worden ist, ist die Flugroutenbestimmung insoweit unabhängig davon formell rechtmäßig, ob die FLK
ordnungsgemäß zusammengesetzt war. Gegenteiliges könnte nur erwogen werden, wenn die FLK das Recht hätte, bei der Festlegung von
Flugverfahren mitzuentscheiden, und ihr das BAF dieses Recht abgeschnitten hätte. Ein Recht zur Mitentscheidung hat die FLK, in deren
Zusammensetzung sich die gegensätzlichen Interessen im Umfeld eines Flugplatzes widerspiegeln (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C
11.03 - BVerwGE 121, 152 <169>), indes nicht. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 32b Abs. 1 Satz 1 LuftVG, der ihr nur eine beratende
Funktion zuweist. Für eine Befugnis zur Mitentscheidung dürfte es auch an der erforderlichen demokratischen Legitimation fehlen. Das Gesetz
gibt zwar in § 32b Abs. 4 Satz 1 LuftVG vor, die Vertreter welcher Interessen der Kommission angehören sollen, und ordnet in § 32b Abs. 4
Satz 3 LuftVG an, dass in die Kommission nicht mehr als 15 Mitglieder berufen werden sollen, überlässt die Besetzung ansonsten aber der
Genehmigungsbehörde (§ 32b Abs. 5 Satz 1 LuftVG). Das betrifft die Größe und die Mehrheitsverhältnisse zwischen den einzelnen Gruppen
ebenso wie die Mehrheitsverhältnisse innerhalb einer Gruppe, beispielsweise der Gemeinden.
15 c) Der Senat kann offen lassen, ob die Zusammensetzung der FLK auch dann für die formelle Rechtmäßigkeit einer Flugverfahrensanordnung
unerheblich ist, wenn sie willkürlich oder auf einem kollusiven Zusammenwirken von Genehmigungsbehörde und BAF beruht. Denn hierfür
geben die tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt.
16 Es erscheint nicht willkürlich, solche Gemeinden im Sinne von § 32b Abs. 4 Satz 1 LuftVG als von Fluglärm betroffen anzusehen, die mit
Lärm beaufschlagt werden, der unterhalb der von der Klägerin für maßgeblich erachteten Schwellenwerte von 50 dB(A) am Tag und 45 dB(A)
in der Nacht liegt. Solche Betroffenheiten sind nicht von vornherein rechtlich unerheblich, sondern ausgehend von der darüber liegenden
fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle zu gewichten, die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG durch die Grenzwerte des § 2 Abs. 2 des
Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - FluglärmG - gezogen wird (Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn.
190).
17 Bedenklich könnte allenfalls sein, dass Vertreter von vier Landkreisen in die FLK aufgenommen worden sind. Landkreise sind keine
Gemeinden im Sinne des § 32b Abs. 4 Satz 1 LuftVG. Angesichts der in § 32b Abs. 4 Satz 2 LuftVG vorgesehenen Möglichkeit, weitere
Mitglieder zu berufen, und der geografischen Lage des Flughafens Berlin Brandenburg lässt es sich aber sachlich rechtfertigen, als Gegengewicht
zur Metropole Berlin auch Landkreise als Repräsentanten der ländlichen Räume in die FLK zu berufen.
18 d) Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
19 Die Klägerin wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, es habe dadurch seine Aufklärungspflicht verletzt, dass es ihren Beweisantrag zur
Lärmbetroffenheit der neuen Mitglieder der FLK in der mündlichen Verhandlung ohne weitere Begründung „als nicht entscheidungserheblich“
abgelehnt hat. Die Rüge muss jedenfalls deshalb erfolglos bleiben, weil die Klägerin ihr Rügerecht nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 295 Abs.
1 ZPO verloren hat (Urteil vom 6. Juli 1998 - BVerwG 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 <132>). Die vermisste Begründung für die vom
Oberverwaltungsgericht angenommene mangelnde Entscheidungserheblichkeit hätte sie in der mündlichen Verhandlung anmahnen müssen.
Versäumnisse Beteiligter in der Tatsacheninstanz können in der Revisionsinstanz nicht korrigiert werden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 556
ZPO).
20 Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe ihr das rechtliche Gehör versagt, indem es auf ihren Beweisantrag im Urteil nicht noch einmal
zurückgekommen sei, ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat das Argument der Klägerin zu der aus ihrer Sicht zu Unrecht in die FLK
berufenen Gemeinden und Landkreise aufgegriffen und ihm entgegengehalten, eine fehlerhafte Zusammensetzung der FLK führe für sich
genommen nicht zur Rechtswidrigkeit der Flugroutenfestsetzung, weil das BAF eine eigene Abwägungsentscheidung treffe (UA S. 12). Damit
hat das Oberverwaltungsgericht die Ablehnung des Beweisantrags als nicht entscheidungserheblich im Urteil mit einer Begründung unterlegt.
21 2. Das Oberverwaltungsgericht hat die Festlegung der umstrittenen Flugrouten zu Recht als materiell rechtmäßig bestätigt. Das BAF hat eine
Abwägungsentscheidung getroffen, die nicht zu beanstanden ist. Für die gerichtliche Kontrolle kommt es allein auf die Rechtmäßigkeit des
Ergebnisses des Rechtsetzungsverfahrens an und nicht auf mögliche Mängel im Abwägungsvorgang (vgl. Urteil vom 26. Juni 2014 - BVerwG 4
C 3.13 - LKV 2014, 460 Rn. 25).
22 a) Die Zusammensetzung der FLK und das Abstimmungsverhalten der Gemeindevertreter liefern weder ein Indiz noch gar einen Beleg für die
Fehlerhaftigkeit des Abwägungsergebnisses. Da die FLK nur beratende Funktion hat und sich das BAF die Beschlüsse der FLK nach den
vorinstanzlichen Feststellungen nicht unbesehen zu eigen gemacht hat (UA S. 12), ist unerheblich, von welchen Motiven sich die Mitglieder der
FLK bei ihrer Beschlussfassung haben leiten lassen.
23 Die Klägerin beanstandet mit der Gehörsrüge, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Vortrag zum Meinungsbildungsprozess in der FLK vor
deren Beschluss vom 28. März 2011 missachtet habe. Aus dem Vortrag ergebe sich, dass der Beschluss, in dem sich die FLK mehrheitlich für
eine Doppelbelastung des Gemeindegebiets der Klägerin ausgesprochen habe, jeglicher rationaler Kriterien entbehre.
24 Die Gehörsrüge hat keinen Erfolg. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht
darauf, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu
legenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht
des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind aber nicht
verpflichtet, auf jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich einzugehen, sondern dürfen sich auf die
Gründe beschränken, die für ihre Entscheidung leitend gewesen sind. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer
Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die
Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich
unsubstantiiert war (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss vom 25. November
1999 - BVerwG 9 B 70.99 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 64, S. 8; stRspr). Das ist hier nicht der Fall. Das Oberverwaltungsgericht
hat darauf abgestellt, dass das BAF unter Berücksichtigung der Meinungs- und Willensbildung in der FLK und der ablehnenden Haltung der
Klägerin eine eigene Abwägungsentscheidung getroffen hat. Die Motive, die dem Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder zugrunde
lagen, waren nach Ansicht der Vorinstanz nicht entscheidungserheblich.
25 b) Obwohl die Nutzung der umstrittenen Flugrouten zu unzumutbarem Lärm in der Ortsmitte der Klägerin führen wird, ist ihre Festlegung
von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
26 Unzumutbar sind Lärmwirkungen, die durch das Qualifikationsmerkmal der Erheblichkeit die Schädlichkeitsgrenze überschreiten (Urteil vom
24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <161>). Da die einfachgesetzliche Grenzlinie der Unzumutbarkeit bei der Festlegung
von Flugverfahren nicht anders zu ziehen ist als im luftrechtlichen Planungsrecht, gelten die nach § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG in der
Planfeststellung für Flughäfen zu beachtenden Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG auch hier (vgl. Wöckel, Festlegung von Flugverfahren, 2013, S.
172). In Übereinstimmung damit hat das Oberverwaltungsgericht mit der Beklagten die Grenze, bei der der Lärm die Zumutbarkeitsschwelle
überschreitet, bei einem Dauerschallpegel von 55 dB(A) gezogen (UA S. 24 f.). Als Folge der festgelegten Flugrouten werden in der Ortsmitte
der Klägerin Betroffenheiten hinsichtlich des Gesamtfluglärms bis in das Pegelband zwischen 60 und 65 dB(A) erwartet.
27 Nach § 29b Abs. 2 LuftVG haben die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation auf den Schutz der Bevölkerung vor
unzumutbarem Lärm hinzuwirken. Die Vorschrift verbietet nicht, die Bevölkerung mit unzumutbarem Lärm zu belasten, normiert aber eine
Regelverpflichtung, die Ausnahmen nur zulässt, wenn sich hierfür überwiegende Gründe der geordneten, sicheren und flüssigen Abwicklung des
Luftverkehrs ins Feld führen lassen (Urteil vom 24. Juni 2004 a.a.O. S. 162).
28 Die Abwägungsdirektive des § 29b Abs. 2 LuftVG zu Gunsten des Schutzes der Bevölkerung vor unzumutbarem Lärm ist allerdings auf die
Situation zugeschnitten, in der neben Flugverfahren mit Lärmwirkungen oberhalb der Zumutbarkeitsschwelle auch Flugverfahren zur Verfügung
stehen, mit der sich unzumutbare Lärmbelastungen vermeiden lassen. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht, weil die vom BAF
untersuchten Alternativ-Routen, mit deren Festlegung sich die Doppelbelastung der Ortsmitte der Klägerin umgehen ließe, anderweitig zu
unzumutbaren Belastungen führen würden. Die von der Klägerin geforderte NOOST-Alternative 5 zur Nordumkurvung, die nach den
Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts mit einer Reduzierung der Zahl der von An- und Abfluglärm Betroffenen in den hohen Pegeln
zwischen 60 und 65 dB(A) um 1 680 einherginge, riefe 3 488 zusätzlich Betroffene in den Pegeln 55 bis 60 dB(A) im besiedelten nördlichen
Teil des Gemeindegebiets hervor (UA S. 25). Bei der NOOST-Alternative 6 käme es insgesamt zu einer Zunahme der Anzahl von durch
unzumutbarem Lärm Betroffenen. Da die NOOST-Alternative 6 in ihrem Anfangsteil denselben Verlauf nehme wie die NOOST-Alternative 5,
seien die für diesen Streckenabschnitt angestellten Berechnungen insoweit übertragbar (UA S. 28).
29 Bringen alle in Betracht kommenden Flugverfahren unzumutbaren Lärm mit sich, ist § 29b Abs. 2 LuftVG für die Abwägungsentscheidung
unergiebig. Die Vorschrift verlangt weder eine Bündelung der Flugverfahren mit einer damit einhergehenden starken Belastung einer geringeren
Anzahl Betroffener noch eine Auffächerung der Flugverfahren mit einer geringeren, aber immer noch unzumutbaren Belastung einer höheren
Anzahl Betroffener. Sie regelt auch nicht, wie „schwach unzumutbarer“ Fluglärm zu „stark unzumutbarem“ Fluglärm und die Zahl der jeweils
Betroffenen rechnerisch ins Verhältnis gesetzt werden könnten. Namentlich gibt sie keine Antwort auf die Frage, ob etwa der Halbierung der
Zahl stark unzumutbar Betroffener vor der gleichzeitigen Verdoppelung der Zahl schwach unzumutbar Betroffener der Vorzug gebührt. Der
Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2005 - BVerwG 4 B 43.05 - (juris), auf den sich die Klägerin beruft, hilft ihr nicht weiter. Der auf die
Ermittlungspflicht der Behörde bezogene Rechtssatz des Senats, das Luftfahrt-Bundesamt habe umso eingehender zu prüfen, ob sich
Streckenalternativen anbieten, die Abhilfe versprechen, je deutlicher die Zumutbarkeitsschwelle voraussichtlich überschritten wird, gibt für eine
Binnendifferenzierung nach verschiedenen Intensitäten unzumutbaren Lärms bei der Abwägungsentscheidung nichts her.
30 Dem BAF obliegt die Entscheidung, ob bei der Bewertung der Belastungsstärke auf den Umfang der räumlichen Betroffenheit oder die Zahl
der betroffenen Bewohner abgestellt und welches Gewicht dabei der Stärke der Lärmereignisse zuerkannt werden soll. Es kann nach Maßgabe
der Flugsicherheitserfordernisse Flugbewegungen bündeln oder streuen und die Lärmbelastung nach Art eines großräumigen Lastenausgleichs
aufteilen oder bestimmte Gebiete möglichst verschonen (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 15.03 - juris Rn. 40). Einen Rechtsverstoß
begeht das BAF nur dann, wenn es die Augen vor Alternativen verschließt, die sich unter Lärmschutzgesichtspunkten als eindeutig
vorzugswürdig aufdrängen, ohne zur Wahrung der für den Flugverkehr unabdingbaren Sicherheitserfordernisse weniger geeignet zu sein (Urteil
vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - a.a.O. S. 164). Einen solchen Rechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend verneint. Der
Nachteil der Doppelbelastung durch die Konzentration des Fluglärms auf einen Korridor über dem Ortszentrum der Klägerin steht nicht in einem
eklatanten Missverhältnis zu dem Vorteil, dass im Vergleich mit den NOOST-Alternativen 5 oder 6 die Anzahl der von unzumutbarem Fluglärm
Betroffenen deutlich kleiner ist.
31 c) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht beanstandet, dass das BAF Flugverfahren zur Südumkurvung der Ortsmitte der Klägerin nicht in die
Alternativenprüfung einbezogen hat. Auch das hält im Ergebnis der revisionsgerichtlichen Kontrolle stand.
32 Nach dem Verständnis der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht dem Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Verkehrsflughafens
Berlin-Schönefeld, an den das BAF gebunden ist und den es nicht konterkarieren darf (Beschluss vom 4. Mai 2005 - BVerwG 4 C 6.04 -
BVerwGE 123, 322 <330 f.>), und dem darin enthaltenen Konzept eines durchgängig unabhängigen Parallelbahnbetriebs das Verbot
entnommen, Flugverfahren festzulegen, die wenigstens in den verkehrsarmen Tageszeiten die Abwicklung des Flugverkehrs mit einem
abhängigen Parallelbahnbetrieb vorsehen. Sie hält dem Oberverwaltungsgericht vor, den Planfeststellungsbeschluss falsch ausgelegt zu haben.
Der Planfeststellungsbeschluss schreibe einen zeitlich unbeschränkten unabhängigen Parallelbahnbetrieb nicht vor und lasse eine Festlegung von
Flugverfahren zu, die ihre Ortsmitte zumindest zeitweise schonten und, wie die Südumkurvung, nicht andernorts unzumutbare
Lärmbeeinträchtigungen nach sich zögen.
33 Der Senat kann offen lassen, ob die Kritik der Klägerin berechtigt ist. Auch wenn der Planfeststellungsbeschluss die Anordnung von
Flugverfahren, die einen unabhängigen Parallelbahnbetrieb ausschließen, für verkehrsarme Tageszeiten zulassen sollte, durfte sich das BAF auf
die Betrachtung der in den Blick genommenen Alternativrouten beschränken. Das BAF ist nach den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses
gehalten, Flugverfahren festzulegen, die während der ganzen Betriebszeit einen unabhängigen Parallelbahnbetrieb des Flughafens Berlin
Brandenburg ermöglichen. Neben den gewählten, den Vorgaben gerecht werdenden Flugverfahren musste es deshalb Alternativen untersuchen,
die das Gleiche zu leisten imstande sind. Nicht zum Auftrag des Planfeststellungsbeschlusses gehört die Festlegung von Flugverfahren für einen
abhängigen Parallelbahnbetrieb. Solche Verfahren musste das BAF daher nicht in die Alternativenbetrachtung einbeziehen. Ob das BAF für
Zeiträume, in denen ein unabhängiger Parallelbahnbetrieb mangels entsprechenden Verkehrsaufkommens nicht notwendig ist, Flugverfahren zur
Südumkurvung des Ortszentrums der Klägerin hätte festlegen dürfen, bedarf keiner Entscheidung.
Südumkurvung des Ortszentrums der Klägerin hätte festlegen dürfen, bedarf keiner Entscheidung.
34 Die Verfahrensrügen, mit denen sich die Klägerin gegen die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses durch das Oberverwaltungsgericht
zur Wehr setzt, brauchen wegen § 144 Abs. 7 VwGO nicht beschieden zu werden. Das gilt auch für die Gehörsrügen. Auch bei einer Verletzung
rechtlichen Gehörs ist § 144 Abs. 7 VwGO anwendbar, wenn - wie hier - die beanstandete Feststellung zu einer einzelnen Tatsache nach der
materiell-rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erheblich war (vgl. Urteil vom 26. Februar 2003 -
BVerwG 8 C 1.02 - NVwZ 2003, 1129 <1130>).
35 d) Die Festlegung der Flugverfahren ist nicht deshalb zu beanstanden, weil sich das BAF im Falle der sog. „Südumfliegung“ Frankfurt für
eine Verteilung des Lärms durch eine Spreizung der Flugrouten entschieden hat (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 3. September 2013 - 9 C
323/12.T - DVBl 2014, 459). Das BAF ist nicht gehindert, je nach den örtlichen Verhältnissen und der Bilanzierung der betroffenen Belange
einer Bündelung oder einer Streuung unzumutbaren Lärms den Vorzug zu geben. Denkgesetzwidrig ist die Anerkennung eines entsprechenden
Handlungsspielraums des BAF entgegen der Ansicht der Klägerin nicht. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt - anders als hier - nur vor, wenn
ein aus logischen Gründen schlechthin unmöglicher Schluss gezogen wird, indem Voraussetzungen und Folgen in einer Weise verknüpft
werden, dass die Folgerung unter keinen Umständen richtig sein kann (Beschluss vom 19. Oktober 1999 - BVerwG 9 B 407/99 - Buchholz 310
§ 108 Abs. 1 VwGO Nr. 11 S. 11).
36 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Petz
Dr. Decker
Dr. Külpmann