Urteil des BVerwG vom 07.08.2014

Stand der Technik, Aufschiebende Wirkung, Plangenehmigung, Hauptsache

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 VR 2.14
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. August 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und Dr. Bick
beschlossen:
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Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben.
Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung der aufschie-
benden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die
Plangenehmigung des Antragsgegners vom 21. August
2013 abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 500 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Mit der Plangenehmigung vom 21. August 2013 wurde der Planfeststellungsbe-
schluss des Antragsgegners vom 17. Dezember 2009 für den sechsstreifigen
Ausbau der Bundesautobahn A 3 (Frankfurt-Nürnberg) im Abschnitt Anschluss-
stelle Würzburg-Heidingsfeld bis westlich Mainbrücke Randersacker geändert.
Die Änderungen betreffen die Lage mehrerer öffentlicher Wege sowie Einzel-
heiten der Entwässerungseinrichtung der Autobahn. Der Antragsteller hat
gegen die Plangenehmigung Klage erhoben (BVerwG 9 A 4.14) und beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Auf die Mitteilung des An-
tragsgegners, dass Teile der umstrittenen Entwässerungseinrichtung bereits
fertig gestellt sind, haben beide Beteiligte den Rechtsstreit im Hinblick auf die
betreffenden Anlagenteile übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt er-
klärt.
II
Das Verfahren ist einzustellen, soweit es in der Hauptsache für erledigt erklärt
worden ist. Im Übrigen ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf An-
ordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht begründet. Das öffentli-
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che Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Plangeneh-
migung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
1. Das öffentliche Vollzugsinteresse erhält zum einen bereits durch den gemäß
§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG gesetz-
lich angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungs-
klage erhebliches Gewicht (vgl. Beschlüsse vom 14. April 2005 - BVerwG 4 VR
1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244 f.> und vom 6. März 2014 - BVerwG 9 VR
1.14 - juris Rn. 7). Zum anderen besteht nach den Darlegungen des Antrags-
gegners, denen der Senat bereits in seinem den Beteiligten bekannten Be-
schluss vom 6. März 2014 (a.a.O.) gefolgt ist, eine besondere Dringlichkeit für
die Vollziehung der Plangenehmigung noch vor einer rechtskräftigen Entschei-
dung in der Hauptsache. Danach können die in der Plangenehmigung vorgese-
henen Vorwegmaßnahmen im Interesse eines wirtschaftlichen und zweckmäßi-
gen Bauablaufs nur insgesamt in einem Zuge verwirklicht werden. Eine Ver-
schiebung dieser Maßnahmen würde zwangsläufig eine Verzögerung des Baus
der Talbrücke - und wegen der engen Abstimmung des Bauablaufs - auch des
Katzenbergtunnels nach sich ziehen. Dies gilt insbesondere für die Entwässe-
rungsmaßnahmen, gegen die sich der Antragsteller wendet. Ausweislich der
angefochtenen Plangenehmigung (S. 16) und den Darlegungen des Antrags-
gegners soll die Rohrleitung, die an dem Koppelschacht unterhalb der Heuchel-
hofstraße beginnt und deren Bau unmittelbar bevorsteht, provisorisch an das
bestehende Regenrückhaltebecken angeschlossen werden, um nach der mit
der Errichtung des östlichen Brückenwiderlagers verbundenen Kappung der
bestehenden Entwässerungseinrichtung eine funktionsfähige Ableitung des
Oberflächenwassers weiterhin zu gewährleisten. Würden die Arbeiten an der
umstrittenen Entwässerungsanlage unterbrochen, müssten daher auch die im
Bauablauf bereits fest eingeplanten Arbeiten an der Talbrücke verschoben wer-
den. Dass dies erhebliche Baustillstandskosten zu Lasten der Allgemeinheit
verursachen würde, ist ohne Weiteres nachvollziehbar. In diesem Zusammen-
hang ist nicht von Belang, dass der Antragsgegner die von ihm auf 5 000 bis
10 000 € pro Tag veranschlagten Kosten für einen Baustillstand der Entwässe-
rungsleitung nicht glaubhaft gemacht hat. Denn es geht auch und insbesondere
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um die Kosten eines Baustillstandes der Talbrücke, die offensichtlich um ein
Vielfaches höher liegen.
Der Antragsteller kann dem nicht entgegenhalten, dass mit dem Bau der Tal-
brücke und des Tunnels ohnehin nicht begonnen werden dürfe, solange eine
förmliche Genehmigung des Baubeginns durch die Planfeststellungsbehörde
noch nicht vorliege. Das Erfordernis einer solchen Genehmigung mit regelnder
Außenwirkung leitet der Antragsteller aus dem Urteil des Senats vom 3. März
2011 - BVerwG 9 A 8.10 - (BVerwGE 139, 150) her. Danach gilt für den Grund-
satz, dass alle durch das planfestgestellte Vorhaben verursachten Probleme im
Planfeststellungsbeschluss gelöst werden müssen, eine Ausnahme für rein
technische, nach dem Stand der Technik lösbare Probleme. Diese können aus
der Planfeststellung ausgeklammert werden, wenn gewährleistet ist, dass die
dem Stand der Technik entsprechenden Vorgaben beachtet werden. Dazu ist
es notwendig, dem Vorhabenträger aufzugeben, vor Baubeginn eine Ausfüh-
rungsplanung der Planfeststellungsbehörde zur Prüfung und Genehmigung vor-
zulegen. Aufgrund dieser Prüfung kann die Planfeststellungsbehörde beurteilen,
ob rein technische Probleme oder aber abwägungsbeachtliche Belange berührt
werden, über die nicht im Rahmen der Bauausführung, sondern nur im Rahmen
der Planfeststellung entschieden werden kann (Urteil vom 3. März 2011 a.a.O.
Rn. 50).
Der Antragsteller missversteht diese Aussage und ebenso die dementspre-
chende, in jenem Rechtsstreit abgegebene Protokollerklärung des Antragsgeg-
ners vom 17. Februar 2011, wenn er meint, dass die Planfeststellungsbehörde
danach gehalten sei, in jedem Fall vor Baubeginn „einen Ergänzungsplanfest-
stellungsbeschluss bzw. einen Änderungsplanfeststellungsbeschluss oder eine
Genehmigung zu erlassen, je nachdem, welche Regelungsart für die einzelnen
Maßnahmen in Betracht kommt“. Soweit die Bauausführung eine Ergänzung
bzw. Änderung des Planfeststellungsbeschlusses nicht erfordert, bedarf es kei-
ner förmlichen Genehmigung des Baubeginns mit Regelungswirkung nach
außen, wie sie einen Verwaltungsakt kennzeichnet, sondern lediglich eines
verwaltungsinternen Einverständnisses aufgrund der Feststellung, dass die
Bauausführung keine Beeinträchtigung abwägungsbeachtlicher Belange be-
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wirkt, die über die im Planfeststellungsverfahren bereits behandelten Beein-
trächtigungen hinausgehen. Ebendies ist mit Schreiben der Planfeststellungs-
behörde vom 10. Juli 2013 für die Talbrücke und mit weiterem Schreiben vom
25. November 2013 für den Tunnel geschehen, wobei sich die Behörde die
Entscheidung über etwaige spätere Änderungen der Bauausführung zu Recht
vorbehalten hat.
2. Gegenüber dem dringlichen Vollzugsinteresse des Antragsgegners kommt
dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers auch unter Berücksichtigung des
Umstandes, dass er aufgrund der vermeintlich fehlerhaften Entwässerungspla-
nung Überschwemmungen seines unterhalb des Koppelschachtes in der Nähe
des geplanten Absetz- und Rückhaltebeckens (ASB/RHB 288-1R) gelegenen
Grundstücks befürchtet, ein geringeres Gewicht zu.
Soweit der Antragsteller beanstandet, dass das Absetz- und Rückhaltebecken
im Verhältnis zu dem Einzugsbereich des zu erwartenden Oberflächenwassers
eine zu geringe Kapazität aufweise, wird er damit im Klageverfahren voraus-
sichtlich nicht gehört werden können. Denn die Dimensionierung des Absetz-
und Rückhaltebeckens war bereits Gegenstand des - gegenüber dem Antrag-
steller bestandskräftigen - Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember
2009, der durch die angefochtene Plangenehmigung insofern keine Änderung
erfahren hat. Dies gilt sowohl für die Größe des Beckens als auch für die Men-
ge des darin aufzunehmenden Oberflächenwassers nach Maßgabe des Ein-
zugsgebietes der Entwässerungsanlage. Geändert wurde vielmehr, soweit hier
von Belang, lediglich das Entwässerungsleitungssystem, namentlich der Durch-
lass unter der Heuchelhofstraße, der - allerdings nicht wegen der Kapazität,
sondern aus baubetriebstechnischen Gründen (s. Plangenehmigung S. 27) -
von 0,70 m auf 1,40 m Durchmesser vergrößert wurde, sowie die weitere Ablei-
tung unterhalb des Durchlasses, die nicht mehr über Kaskaden, sondern über
den erwähnten Koppelschacht und eine daran anschließende Rohrleitung mit
einem Durchmesser von 0,80 m zum Absetz- und Rückhaltebecken hin erfolgen
soll.
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Soweit der Antragsteller einen durch Rückstau verursachten Wasseraustritt am
Koppelschacht mit der Folge einer Überschwemmung seines Grundstücks be-
sorgt und das Fehlen einer ergänzenden Umweltverträglichkeitsprüfung rügt,
kann er - ohne dass es auf die diesbezüglichen Erfolgsaussichten seiner Klage
ankäme, die sich einer hinreichend verlässlichen summarischen Beurteilung
entziehen - ein vorrangiges Aussetzungsinteresse auch damit nicht belegen.
Denn die Nachteile, die für den Antragsteller einträten, wenn seine Klage trotz
der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes später Erfolg hätte, wiegen auch
unter diesem Gesichtspunkt geringer als der Schaden, den der Antragsgegner
erlitte, falls die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet würde, diese aber
später erfolglos bliebe. Für diese Abwägung sprechen nicht nur die erheblichen
Baustillstandskosten, die der Antragsgegner wegen des bereits beschriebenen,
eng abgestimmten Bauablaufs zu gewärtigen hätte, sondern auch der fortge-
schrittene Stand der von der Plangenehmigung erfassten Entwässerungsmaß-
nahmen selbst, die - bis auf den unmittelbar bevorstehenden Bau der Rohrlei-
tung unterhalb des Koppelschachtes - bereits weitgehend abgeschlossen sind.
Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragsteller eher zumutbar, die Vollendung
der genehmigten Baumaßnahmen einstweilen hinzunehmen, als dem Antrags-
gegner, diese vorläufig zu unterlassen. Sollte sich im Klageverfahren heraus-
stellen, dass das Leitungssystem, namentlich die Rohrleitung unterhalb des
Koppelschachtes, zu gering dimensioniert ist, könnte dem vom Antragsteller
befürchteten Rückstau nachträglich durch geeignete technische Maßnahmen,
insbesondere durch eine Veränderung des Leitungsquerschnitts begegnet wer-
den (so bereits Beschluss vom 6. März 2014 a.a.O. Rn. 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf die
Streitwertfestsetzung folgt auss. 2 Nr. 2,
Dr. Bier
Buchberger
Dr. Bick
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