Urteil des BVerwG vom 10.12.2014

Grundstück, DDR, Grundeigentum, Zugabe

BVerwGE: ja
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Flurbereinigungsrecht und Recht des ländlichen
Grundstücksverkehrs
Rechtsquelle/n:
LwAnpG § 58 Abs. 2
FlurbG § 44 Abs. 3 Satz 2
GG Art. 14
Stichworte:
Bodenordnungsplan; Minderausweisung; Geldabfindung; Privatnützigkeit;
entsprechende Anwendung des FlurbG; Grundeigentum; Gebäudeeigentum.
Leitsatz/-sätze:
1. In das Bodenordnungsverfahren können auch solche Grundstücke einbezogen
werden, die zwar für sich die Voraussetzungen des § 64 LwAnpG nicht erfüllen,
ohne die aber eine sinnvolle Lösung des zugrunde liegenden sachenrechtlichen
Konflikts nicht zu erreichen ist. Hierzu zählen auch Grundstücke, bei denen
Grund- und Gebäudeeigentum bereits auf privat-rechtlicher Grundlage
zusammengeführt worden sind (Bestätigung der BVerwG, Urteile vom 9. Juli
1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128 und vom 29. Juli 2002 - 9 C 1.02 -
Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 9).
2. § 58 Abs. 2 LwAnpG schließt nicht aus, § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG über den
Geldausgleich bei unvermeidbaren Minderausweisungen in Land gemäß § 63
Abs. 2 LwAnpG entsprechend anzuwenden.
3. Die Prüfung, ob mit einer Bodenordnung nach dem
Landwirtschaftsanpassungsgesetz privatnützige Zwecke verfolgt werden, bezieht
sich in erster Linie auf das Bodenordnungsgebiet als Ganzes und nicht auf jedes
einzelne Grundstück (vgl. zur Umlegung BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - III
ZR 240/89 - BGHZ 113, 139).
Urteil des 9. Senats vom 10. Dezember 2014 - BVerwG 9 C 11.13
II. OVG Bautzen vom 22. März 2013
Az: OVG F 7 C 10/12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 C 11.13
OVG F 7 C 10/12
Verkündet
am 10. Dezember 2014
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher
und Dr. Kenntner, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler
für Recht erkannt:
Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom
22. März 2013 wird aufgehoben. Die Sache wird zur an-
derweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Ober-
verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung
vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Die Kläger wenden sich gegen den Bodenordnungsplan „U. (Eigenheime), Gro-
ße Kreisstadt D.“.
Sie sind Eigentümer des 500 m² großen Grundstücks „Alte Straße 10 e“ in U.
(Flurstück 206/13 alt, 405 neu). Das Grundstück ist bebaut mit einem Wohn-
haus, an dem die Rechtsvorgänger der Kläger aufgrund eines von der Land-
wirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Pflanzenproduktion R. 1981 verlie-
henen Nutzungsrechts Gebäudeeigentum erworben hatten. Mit notariellem Ver-
trag vom 11. Dezember 2000 erwarben die Rechtsvorgänger der Kläger von der
Erbengemeinschaft G. das Grundstück. Auf den im Eigentum der Erbenge-
meinschaft G. stehenden südlich und nördlich an das Grundstück der Kläger
angrenzenden Hausgrundstücken „Alte Straße 10 f“ (Flurstück 206/14 alt, 406
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neu) und „Alte Straße 10 d“ (Flurstück 206/12 alt, 404 neu) sowie auf dem ge-
genüber liegenden Grundstück „Alte Straße 10 c“ (Flurstück 206/11 alt, 403
neu) besteht noch getrenntes Boden- und Gebäudeeigentum. Im Kaufvertrag
vom 11. Dezember 2000 haben sich die Verkäufer verpflichtet, die Zuwegung
zum Grundstück der Kläger zu sichern, sobald Klarheit über diese besteht. In
Vollzug dieser Klausel ist für die Kläger ein Wegerecht am Flurstück 185/3 be-
stellt worden. Über dieses und über weitere Flurstücke verläuft eine das Grund-
stück der Kläger sowie die benachbarten Grundstücke erschließende Privat-
straße.
Mit Beschluss vom 18. September 2003 ordnete das Staatliche Amt für Ländli-
che Entwicklung das Bodenordnungsverfahren für das insgesamt 41,6957 ha
große Verfahrensgebiet an. Nach Durchführung des Wertermittlungsverfahrens
stellte der Beklagte am 5. Januar 2010 das Ergebnis der Wertermittlung fest.
Beide Beschlüsse haben die Kläger nicht angefochten. Der Bodenordnungsplan
des Beklagten vom 2. August 2011 sieht vor, die vorhandene Verkehrsfläche
auf einem neuen Flurstück 410 zusammenzufassen und das im Verfahrensge-
biet noch vorhandene getrennte Boden- und Gebäudeeigentum zusammenzu-
führen. Das Einlagegrundstück der Kläger soll als Flurstück 405 mit 427 m² neu
gebildet und eine Fläche von 73 m² als Teil des Straßenflurstücks 410 ausge-
wiesen werden. Für die Minderzuteilung wird für die Kläger ein Abfindungsbe-
trag in Höhe von 522,11 € festgesetzt.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen den Bodenordnungsplan ha-
ben die Kläger Klage erhoben.
Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 22. März 2013
stattgegeben und den Bodenordnungsplan, soweit darin das Grundstück 206/13
der Kläger betroffen ist, für rechtswidrig erklärt. Zur Begründung hat es ausge-
führt: Die Einbeziehung des Hausgrundstücks der Kläger in das Bodenord-
nungsverfahren sei schon nicht vom Regelungsumfang des Landwirtschaftsan-
passungsgesetzes gedeckt. Die streitgegenständliche Entscheidung, eine Teil-
fläche von 73 m² ohne ihre Zustimmung statt in Land in Geld abzufinden, be-
deute einen unzulässigen Eingriff in ihre durch Art. 14 GG geschützte Eigen-
tumsposition. Die Entscheidung könne auch nicht auf die Regelungen über die
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Geldabfindung in § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG gestützt werden; denn das Boden-
ordnungsverfahren sei nicht als Flurbereinigungsverfahren fortgeführt worden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG lägen im
Übrigen nicht vor, da es für die Inanspruchnahme des Grundstücks der Kläger
an der Privatnützigkeit fehle.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, der das
Bodenordnungsverfahren prägende Grundsatz der Landabfindung schließe
nicht aus, eine Minderausweisung ausnahmsweise unter den in § 44 Abs. 3
Satz 2 FlurbG genannten Voraussetzungen in Geld auszugleichen. Die Minder-
ausweisung habe auch vor Art. 14 Abs. 1 GG Bestand. Sie sei hier unvermeid-
bar gewesen und mache nur einen wertmäßig untergeordneten Betrag von
2,8 % aus.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom
22. März 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsge-
richts verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Das Oberverwal-
tungsgericht hat zu Unrecht die Zulässigkeit der Einbeziehung des Grundstücks der
Kläger in den Bodenordnungsplan und die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 3 Satz 2
FlurbG bei der Landabfindung verneint. Zur Entscheidung in der Sache bedarf es
noch weiterer tatsächlicher Feststellungen. Die Sache ist daher zur erneuten Ver-
handlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen
(§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit der Einbeziehung des
Grundstücks der Kläger in das Bodenordnungsverfahren verneint, obwohl die
Abgrenzung des Verfahrensgebietes gemäß § 63 Abs. 2 des Gesetzes über die
strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökonomische
Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik - Landwirtschafts-
anpassungsgesetz vom 29. Juni 1990 (GBl DDR I S. 642) i.d.F. vom 3. Juli
1991 (BGBl. I S. 1410) - LwAnpG - i.V.m. § 4 des Flurbereinigungsgesetzes
i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 46) - FlurbG - durch
den das Verfahren eröffnenden und im Zeitpunkt des Urteils bestandskräftigen
Anordnungsbeschluss vom 18. September 2003 abgeschlossen war. Dies ist
mit Bundesrecht nicht vereinbar.
a) Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz ist darauf gerichtet, sachenrechtliche
Konflikte, die auf die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR zurückzu-
führen sind, durch Schaffung BGB-konformer Rechtsverhältnisse zu lösen. Aus
der Aufspaltung von Gebäude- und Grundeigentum herrührenden Investitions-
hindernisse für ländlichen Grundbesitz, zu dem auch die darauf errichteten Ei-
genheime gehören, sollen unter Beachtung der Interessen der Beteiligten (vgl.
§ 53 Abs. 1 LwAnpG) beseitigt werden (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1997 - 11 C
2.97 - BVerwGE 105, 128 <134 >, vom 2. September 1998 - 11 C 4.97 -
BVerwGE 107, 177 <182> ) und vom 29. Juli 2002 - 9 C 1.02 - Buchholz 424.02
§ 64 LwAnpG Nr. 9 S. 8).
Die Voraussetzungen für die Einleitung eines Bodenordnungsverfahrens zur
Zusammenführung von Boden und selbständigem Gebäudeeigentum sind in
§ 64 LwAnpG geregelt. Das Verfahren dient dem Zweck, das Eigentum an den
Flächen, auf denen auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregel-
ten Nutzungsrechts Gebäude und Anlagen errichtet wurden, die in selbständi-
gem Eigentum einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft oder Drit-
ter stehen, auf Antrag des Eigentümers der Fläche oder des Gebäudes und der
Anlagen neu zu ordnen. Das Bodenordnungsverfahren ist mehrstufig ausgestal-
tet. Es besteht aus den drei miteinander abgestimmten Teilentscheidungen
„Anordnungsbeschluss“ (§ 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 4 FlurbG), „Feststellung
des Ergebnisses der Wertermittlung“ (§ 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 27 ff.
FlurbG) und „Bodenordnungsplan“ (§ 59 LwAnpG). Hinsichtlich jeder Teilent-
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scheidung tragen die von der Entscheidung Betroffenen die Anfechtungslast
(vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2003 - 9 C 5.03 - Buchholz 424.02
§ 64 LwAnpG Nr. 10 S. 13 und vom 19. Januar 2011 - 9 C 3.10 - Buchholz
424.02 § 64 LwAnpG Nr. 13 Rn. 27). Die selbständige Anfechtbarkeit von Teil-
entscheidungen führt im Ergebnis zu einem gestuften Rechtsschutz, der der
Überprüfung einer unanfechtbar gewordenen Teilentscheidung hinsichtlich des
durch sie geregelten Rechtsbereichs in einem späteren Rechtsschutzverfahren
entgegensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 -
BVerwGE 134, 368 Rn. 25, 28). Mit diesem Abschichtungseffekt bestandskräf-
tiger Teilentscheidungen ist die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene
Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Anordnungsbeschlusses im Rechts-
schutzverfahren gegen den Bodenordnungsplan nicht vereinbar. Das Oberver-
waltungsgericht hätte die Einbeziehung des Grundstücks der Kläger in das Bo-
denordnungsverfahren aufgrund der Bestandskraft des Anordnungsbeschlus-
ses vielmehr als gegeben hinnehmen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom
28. November 1986 - 8 C 122-125.84 - Buchholz 454.4 § 83 II. WoBauG Nr. 21
S. 39 f. m.w.N.).
b) Auch in der Sache kann dem Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt werden,
wenn es die Einbeziehung des Hausgrundstücks der Kläger schon deshalb als
nicht vom Regelungsumfang des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes gedeckt
ansieht, weil bei ihm Gebäude- und Grundeigentum bereits zusammengeführt
worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts ergibt sich die Reichweite des gesetzlichen Neuordnungsauftrages nicht
allein aus dem die Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum re-
gelnden § 64 Satz 1 LwAnpG. Vielmehr ist den Vorschriften der § 53 Abs. 1,
§ 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ein weitreichender Neu-
ordnungsauftrag zu entnehmen. Dieser gestattet, auch solche Grundstücke in
das Verfahrensgebiet einzubeziehen, die zwar für sich die Voraussetzungen
des § 64 LwAnpG nicht erfüllen, ohne die aber eine sinnvolle Lösung des zu-
grunde liegenden sachenrechtlichen Konflikts nicht zu erreichen wäre (BVerwG,
Urteile vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128 <137 f.>; vom
2. September 1998 - 11 C 4.97 - BVerwGE 107, 177 <187> und vom 29. Juli
2002 - 9 C 1.02 - Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 9 S. 8). Der Einleitungsbe-
schluss ist erst dann rechtswidrig, wenn er erkennbar nicht auf eine Abwägung
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aller für einen größtmöglichen Erfolg der Bodenordnung und für den einzelnen
Beteiligten bedeutsamen Gesichtspunkte zurückgeht oder wenn er gänzlich
ungeeignet ist, eine sachgerechte Bodenordnung zu fördern (BVerwG, Urteil
vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128 <138 f.> und Beschlüsse vom
8. November 1989 - 5 B 124.89 - Buchholz 424.01 § 7 FlurbG Nr. 2 S. 1 f.) und
vom 21. Oktober 1996 - 11 B 69.96 - juris Rn. 5).
Auf dieser Grundlage hat es das Bundesverwaltungsgericht als zulässig ange-
sehen, auch solche Grundstücke in das Verfahrensgebiet eines Bodenord-
nungsverfahrens einzubeziehen, die der Erschließung von Gebäuden bzw.
Grundstücken dienen, hinsichtlich derer die Voraussetzungen des § 64 Satz 1
LwAnpG vorliegen (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE
105, 128 <138 f.>, vom 2. September 1998 - 11 C 4.97 - BVerwGE 107,177
<187> und vom 29. Juli 2002 - 9 C 1.02 - Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 9
S. 8). Eine Einschränkung, dass es an dem von § 53 LwAnpG vorausgesetzten
Interesse an einer Neuordnung fehlt, wenn es sich um ein privat genutztes
„Hausgrundstück“ handelt, bei dem bereits Grund- und Gebäudeeigentum zu-
sammengeführt worden sind, ist dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen
und auch nach dem Normzweck nicht gerechtfertigt.
Eine rechtliche Schranke für die Anordnungsbefugnis hat das Bundesverwal-
tungsgericht nur in Erwägung gezogen, wenn von vornherein erkennbar ist,
dass eine Landabfindung nicht zur Verfügung steht und deswegen das Boden-
ordnungsverfahren notwendig auf eine zwangsweise Geldabfindung hinausläuft
(BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128 <139 f.>).
Der Fall einer von vornherein absehbaren unvermeidbaren Minderausweisung
in Geld nach § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG wird hiervon nicht erfasst, da die Min-
derausweisung - wie noch zu zeigen ist - eine Geldentschädigung als Zugabe
zu einer Landabfindung und nicht statt einer Landabfindung darstellt. Im Übri-
gen stand im vorliegenden Fall bei der Verfahrensanordnung nicht fest, ob es
nicht eine andere Lösung der Erschließungsproblematik gibt, wie die diesbe-
züglich auseinander gehenden Ansichten der Parteien zeigen.
2. Das Oberverwaltungsgericht hat die Auffassung des Beklagten, § 44 Abs. 3
Satz 2 FlurbG könne über § 63 Abs. 2 LwAnpG entsprechend herangezogen
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werden, mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, dass eine Abfindung in Geld
im konkreten Fall gegen Art. 14 Abs. 1 GG und § 58 Abs. 1 LwAnpG verstoße.
Auch diese Überlegung hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
§ 58 Abs. 1 LwAnpG, bestimmt für das Bodenordnungsverfahren, dass jeder
Teilnehmer für die von ihm abzutretenden Grundstücke in Land von gleichem
Wert abzufinden ist. Gemäß § 58 Abs. 2 LwAnpG kann ein Teilnehmer nur mit
seiner Zustimmung überwiegend oder vollständig mit Geld abgefunden werden.
Eine sinngemäße Anwendung flurbereinigungsrechtlicher Vorschriften mit dem
Ziel, eine dem Grundsatz wertgleicher Abfindung in Land zuwiderlaufende
Geldabfindung zu ermöglichen, kommt deshalb im Bereich des Landwirt-
schaftsanpassungsgesetzes nicht in Betracht (BVerwG, Urteil vom
17. Dezember 1998 - 11 C 5.97 - BVerwGE 108, 202 <207 f.>). Ungeachtet
dessen hat es das Bundesverwaltungsgericht für möglich erachtet, dass § 58
LwAnpG insoweit ergänzungsbedürftig sei, als unvermeidbare Mehr- oder Min-
derausweisungen von Land in Rede stehen (Urteil vom 17. Dezember 1998
a.a.O. S. 213 f.). Diese bisher noch nicht endgültig beantwortete Frage ist zu
bejahen.
a) Der Entstehungsgeschichte des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes lassen
sich Hinweise darauf entnehmen, dass schon im Gesetzgebungsverfahren die
Notwendigkeit gesehen wurde, unvermeidbare Minderausweisungen auch ge-
gen den Willen eines Teilnehmers in Geld auszugleichen. Wie das Bundesver-
waltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 1998 (- 11 C 5.97 -
BVerwGE 108, 202 <209>) im Einzelnen dargelegt hat, sollte die ursprüngliche
Entwurfsfassung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes nur Vorschriften
über den freiwilligen Landtausch enthalten. Der der Volkskammer am 14. Juni
1990 zur Beratung vorgelegte Entwurf vom 7. Juni 1990 (Volkskammer-Drs.
Nr. 73) behielt hiervon den Vorrang des freiwilligen Landtausches bei, eröffnete
jedoch auf Drängen der westdeutschen Seite einen Weg, auch dort Lösungen
zu finden, wo der freiwillige Landtausch nicht zum Erfolg führt. Er sah daher für
den Fall eines Scheiterns des freiwilligen Landtausches ein amtliches Verfahren
(§ 38) vor, in dessen Rahmen ausnahmsweise zur Ergänzung der Landent-
schädigung Geld gegeben und angenommen werden musste (§ 41 Abs. 3). Ei-
ne entsprechende Anwendbarkeit der von den DDR-Vertretern zunächst als zu
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kompliziert angesehenen Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes enthielt
der Entwurf noch nicht. Um insbesondere Unvollständigkeiten im Verfahrens-
recht Rechnung zu tragen, fügt jedoch die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft der Volkskammer vom
29. Juni 1990 (Volkskammer-Drs. Nr. 73a) eine sinngemäße Anwendung der
Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes in das Landwirtschaftsanpassungs-
gesetz bei gleichzeitiger wesentlicher Änderung des Gesamtaufbaus und der
Paragraphenreihenfolge des Gesetzes ein. Dabei tragen die §§
56 bis 62
LwAnpG dem Wunsch der DDR-Vertreter Rechnung, die Grundzüge des Land-
wirtschaftsanpassungsgesetzes in wenigen Paragraphen zusammenzufassen
und im Übrigen auf die Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes zu verwei-
sen (vgl. Läpple, Flurbereinigung im vereinten Deutschland - Tagungsbericht
-,1990, S. 146). Angesichts dieser von einer partiellen Abkehr von der Freiwil-
ligkeit der Bodenordnung und einer Annäherung an das Flurbereinigungsgesetz
geprägten Entstehungsgeschichte des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes
lässt die Tatsache, dass § 58 Abs. 2 LwAnpG keine dem § 41 Abs. 3 des ersten
Entwurfs dieses Gesetzes bzw. dem § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG vergleichbare
Regelung über eine Geldabfindung bei unvermeidbarer Minderausweisung ent-
hält, nicht den Schluss zu, dass damit ein Rückgriff auf § 44 Abs. 3 Satz 2
FlurbG versperrt sein sollte.
b) Eine sinngemäße Anwendung des § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG im Bodenord-
nungsverfahren über die Verweisungsnorm des § 63 Abs. 2 FlurbG entspricht
auch dem mit dem Bodenordnungsverfahren verfolgten Zweck, eine Neuord-
nung der Eigentumsverhältnisse im ländlichen Raum zu ermöglichen. Andern-
falls könnte dieser umfassende Neuordnungsauftrag in zahlreichen Fällen nicht
erreicht werden, weil genau wertgleiche Abfindungsflächen vielfach nicht zur
Verfügung stehen werden. Die Problematik, eine exakt wertgleiche Abfindungs-
fläche zu bilden, wird sich in Bodenordnungsverfahren dadurch verschärft, dass
es sich bei den Einlagegrundstücken regelmäßig um Bauflächen handelt und
vorhandene Abfindungsflächen nicht ohne Weiteres durch Teilung oder Zu-
sammenlegung auf ein mit der zuzuweisenden Funktionalfläche wertgleiches
Maß zurechtgeschnitten werden können (vgl. OVG Frankfurt [Oder], Urteil vom
25. Januar 2001 - 8 D 12.98.G - RdL 2001, 265 <269>).
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c) Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG steht einer Geldabfindung bei
einer unvermeidbaren Minderausweisung im Bodenordnungsverfahren nach
dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz nicht entgegen. Die Bodenordnung
nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz stellt keine Enteignung dar. Die
Enteignung ist auf den Entzug konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 GG
gewährleisteter Rechtspositionen gerichtet, mit denen ein bestimmtes der Erfül-
lung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll
(BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512, 1677/97 - BVerfGE 104, 1
<9 f.> m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 13. April 2011 - 9 C 1.10 - BVerwGE 139,
296 Rn. 14). Diese begrifflichen Voraussetzungen erfüllt das Bodenordnungs-
verfahren nicht. Es ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass der mit ihm be-
wirkte Entzug von Rechtspositionen primär einem Ausgleich privater Interessen
der Rechtsinhaber dient (§ 53 Abs. 1, § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 4 FlurbG).
Die Bodenordnung entspricht insoweit - ebenso wie die Regelflurbereinigung
(vgl. Urteil vom 13. April 2011 a.a.O.) - der Baulandumlegung, die das Bundes-
verfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 22. Mai 2001 (a.a.O. S. 10) ge-
rade wegen ihrer vorrangigen Ausrichtung auf einen Ausgleich privater Interes-
sen als Inhalts- und Schrankenbestimmung eingeordnet hat.
Dies gilt auch für die in § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG geregelte Geldabfindung we-
gen einer unvermeidbaren Minderausweisung. Das Bundesverwaltungsgericht
hat bereits in seinem Urteil vom 13. Januar 1959 - 1 C 155.58 - (BVerwGE 8, 95
<97>) klargestellt, dass die als Zugabe zur Landabfindung gewährte Geldent-
schädigung aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit der Landabfindung mit
Art. 14 GG vereinbar ist. Für das Umlegungsrecht hat das Bundesverfassungs-
gericht in seinem Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512, 1677/97 -
BVerfGE 104, 1 <12 f.>) die Abfindungsvorschriften des Baugesetzbuchs, die in
§ 59 Abs. 2 BauGB ebenfalls eine Geldentschädigung für den Fall der Unmög-
lichkeit der Zuteilung wertgleichen Baulands kennen, als einen die Privatnützig-
keit der Umlegung nicht in Frage stellenden angemessenen Interessenaus-
gleich bewertet.
3. Mit Bundesrecht unvereinbar ist ferner der Standpunkt des Oberverwaltungs-
gerichts, die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG für eine Minder-
ausweisung in Geld seien deshalb nicht erfüllt, weil die Kläger kein „verwandel-
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tes“ Grundstück zurückerhalten hätten mit der Folge, dass sich die Inanspruch-
nahme ihres Grundstücks nicht als privatnützig erweise.
Das Oberverwaltungsgericht knüpft mit seinen Formulierungen an Aussagen in
der Rechtsprechung und Literatur an, wonach die Landabfindung von Bodenflä-
chen in Umlegungsverfahren das Surrogat des alten Grundstücks darstellt.
Durch die Umlegung gehe nicht das Eigentum an dem ursprünglichen Grund-
stück unter; vielmehr setze es sich an dem Abfindungsgrundstück fort (BVerwG,
Urteil vom 25. April 2007 - 8 C 13.06 - Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 14
Rn. 28 m.w.N). Das Abfindungsgrundstück stelle unter dem Leitgedanken der
Wertgleichheit der Abfindung das eingebrachte Grundstück in verwandelter
Form dar (BGH, Urteile vom 13. Januar 1983 - III ZR 118/81 - BGHZ 86, 226
und vom 16. November 2007 - V ZR 214/06 - NVwZ 2008, 591 jeweils m.w.N).
Diesen Aussagen liegt der - ungeachtet der in erster Linie auf den Charakter
des Zugriffs auf das Eigentum als privatnützig abstellenden Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts zur Umlegung (Beschluss vom 22. Mai 2001
- 1 BvR 1512, 1677/97 - BVerfGE 104, 1 <10>) - zutreffende Gedanke zugrun-
de, dass jeder Eigentümer die primär dem Ausgleich privater Interessen die-
nende, zugleich aber auch im öffentlichen Interesse liegende Neuordnung in
einem Umlegungs- oder Flurbereinigungsverfahren als Ausfluss der Sozialbin-
dung seines Eigentums hinnehmen muss, zugleich aber durch eine wertgleiche
Abfindung in Land vor einer mit den Vorteilen der Neuordnung nicht mehr in
einem angemessenen Verhältnis stehenden Belastung geschützt wird. Diese
Überlegungen können auf das Landwirtschaftsanpassungsgesetz übertragen
werden. Auch dieses bezweckt im privatnützigen Interesse der Grundstücksei-
gentümer und im gleichgerichteten Interesse der Allgemeinheit eine Neuord-
nung der Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden. Ziel des Bodenord-
nungsverfahrens ist dabei, insbesondere im Interesse der Gebäudeeigentümer
BGB-konforme Verhältnisse zu schaffen, hierdurch zu einer Entflechtung der
Rechtsverhältnisse beizutragen und dadurch Investitionshindernisse zu beseiti-
gen (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128 <132
ff.> und vom 29. Juli 2002 - 9 C 1.02 - Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 9
S. 8). Sie stellt eine grundsätzlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung
des Eigentums dar.
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Gemessen hieran ist die Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts, die Klä-
ger hätten kein „verwandeltes“ Grundstück zurückerhalten, so dass es ihnen
gegenüber an der Privatnützigkeit der Inanspruchnahme ihres Grundstücks feh-
le, nicht berechtigt.
Richtig ist allerdings, dass die Kläger, deren Grundstück nicht die Vorausset-
zungen des § 64 LwAnpG erfüllt, weil Gebäudeeigentum und Grundeigentum
aufgrund des im Jahr 2000 auf privat-rechtlicher Grundlage erfolgten Grunder-
werbs nicht mehr auseinanderfallen, keinen unmittelbaren Vorteil aus dem Bo-
denordnungsverfahren erlangen. Dies rechtfertigt für sich genommen aber nicht
die Annahme, es fehle ihnen gegenüber an der Privatnützigkeit der Bodenord-
nung und damit an der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in ihr Grundeigentum.
Privatnützig ist das Ergebnis einer Bodenordnung nach dem Landwirtschafts-
anpassungsgesetz gegenüber einem Teilnehmer nicht nur dann, wenn dieser
eine erhebliche Aufwertung seines Grundbesitzes dadurch erfährt, dass zu sei-
nen Gunsten Boden- und Gebäudeeigentum zusammengeführt werden oder
eine Erschließung erstmalig hergestellt wird. Der Begriff der Privatnützigkeit ist
weiter zu verstehen.
Die Prüfung, ob mit einer Bodenordnung nach dem Landwirtschaftsanpas-
sungsgesetz privatnützige Zwecke verfolgt werden, ist in erster Linie eine Fra-
ge, die sich auf das Bodenordnungsgebiet als Ganzes und nicht auf jedes ein-
zelne Grundstück bezieht. Entscheidend ist, ob die beabsichtigten Maßnahmen
bei verständiger Würdigung der Interessenlage insgesamt auch im wohlver-
standenen Interesse der betroffenen Eigentümer der im Bodenordnungsgebiet
befindlichen Grundstücke liegt (vgl. zur Umlegung BGH, Urteil vom
13. Dezember 1990 - III ZR 240/89 - BGHZ 113, 139 <145 f.>). Danach ist es
nicht zweifelhaft, dass die im angegriffenen Bodenordnungsplan vorgesehene
Neuordnung der Eigentumsverhältnisse im wohlverstandenen Interesse der
Teilnehmer des Verfahrens liegt. Die grundbuchrechtliche Zusammenfassung
der vorhandenen Verkehrsfläche durch die Bildung eines eigenen Straßenflur-
stücks und die Übernahme des Grundstücks durch die Gemeinde Dippoldiswal-
de dient in erster Linie den Sicherung der Erschließung; diese hat bei der Zu-
weisung von Nutzungsrechten an Bodenflächen durch die DDR-Behörden keine
sonderliche Beachtung gefunden. Demgemäß ist auch im vorliegenden Neu-
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baugebiet keine rechtliche Verselbständigung der notwendigen und vorhande-
nen Verkehrsfläche erfolgt. Diesen Missstand beseitigt der Bodenordnungsplan,
indem er aus den verschiedenen Flurstücken, die für die vorhandene Straße
gegenwärtig in Anspruch genommen werden, ein Straßenflurstück bildet. Hier-
durch schafft der Bodenordnungsplan die Grundlage für eine öffentlich-rechtlich
gesicherte Erschließung des gesamten Gebietes. Gleichzeitig werden durch die
vorgesehene Überführung der Straßen in Eigentum der öffentlichen Hand und
die Widmung der Straße die Anlieger von den Verkehrssicherungs- und Unter-
haltungspflichten für die Straße entlastet. Die Beseitigung der mit dem Fortbe-
stehen privaten Wegeeigentums regelmäßig verbundenen Schwierigkeiten bei
der Straßenunterhaltung und der Erhaltung der Verkehrssicherheit stellt eine
die betroffenen Grundstücke aufwertende Maßnahme dar (vgl. BVerfG, Be-
schluss vom 8. November 2012 - 1 BvR 2153/08 - ZOV 2013, 115 Rn. 33 zum
Vorteil durch eine öffentliche Straße statt eines Privatweges). Diese Vorteile
kommen nicht nur den Teilnehmern zugute, bei denen noch getrenntes Boden-
und Gebäudeeigentum besteht, sondern auch den übrigen Teilnehmern ein-
schließlich der Kläger.
Durch die rechtliche Neuordnung der Erschließungssituation infolge der Schaf-
fung einer öffentlichen Verkehrsfläche wird zudem der konkret bestehende Kon-
flikt über die Zuwegung des Hinterliegergrundstücks „Alte Straße 10 f“ verbind-
lich gelöst; auch dies liegt im wohlverstandenen Interesse der Kläger. Eine pri-
vatautonome Beilegung des Konflikts über die Zuwegung des Grundstücks „Alte
Straße 10 f“ dürfte - wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
deutlich wurde - auf Dauer ausgeschlossen sein. Damit sind weitere Streitigkei-
ten bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über die zulässige Nutzung
der über das Grundstück der Kläger verlaufenden faktischen Verkehrsfläche
absehbar. Die durch den Bodenordnungsplan an Stelle einer Einigung zwischen
den Konfliktparteien vorgesehene Lösung, einen Teil des bisher schon als Ver-
kehrsfläche genutzten Grundstücks der Kläger auch rechtlich als Verkehrsflä-
che auszuweisen und sie für diese Minderausweisung in Geld abzufinden, steht
trotz der mit ihr verbundenen Belastungen in einem angemessenen Verhältnis
zu dem Vorteil, den sie durch die Lösung des Nutzungskonflikts erfahren. Auch
die Kläger erhalten durch die hoheitliche Lösung des auf freiwilliger Basis nicht
lösbaren Konflikts objektiv eine Aufwertung ihres gegenwärtig mit einem hin-
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sichtlich seines Umfangs und seiner Grenzen umstrittenen Notwegerechts be-
lasteten Grundstücks.
Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Rechtsvorgänger der Klä-
ger das Grundstück im Jahr 2000 bereits in Kenntnis der vorhandenen Hinter-
liegerbebauung und deren aus DDR-Zeiten stammender, rechtlich nicht hinrei-
chend geregelter faktischer Erschließungssituation erworben haben. Die im Bo-
denordnungsplan vorgesehene Ausweisung der Verkehrsfläche knüpft an diese
situationsbedingte Vorbelastung des Grundstücks an und bringt damit die be-
sonderen Bindungen zum Ausdruck, denen das Grundeigentum nicht zuletzt
aufgrund seiner Unvermehrbarkeit (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001
- 1 BvR 1512, 1677/97 - BVerfGE 104, 1 <11 f.>) und seines sozialen Bezugs
unterliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1991 - 1 BvR 227/91 - BVer-
fGE 84, 382 <385>). In der rechtlichen Sicherung der Erschließung des Hinter-
liegergrundstücks unter Inanspruchnahme eines Teils des davor liegenden
Grundstücks kommt mit anderen Worten die enge Verbundenheit und gegen-
seitige Abhängigkeit der verschiedenen Eigentumsrechte im Bodenordnungs-
gebiet zum Ausdruck.
Ohne dass es darauf entscheidend ankommt, spricht im Übrigen einiges dafür,
dass die Kläger selbst für die Erreichbarkeit ihres Grundstücks auf die Inan-
spruchnahme fremden Grund und Bodens angewiesen sind und sich daher
auch aus diesem Grund die vorgesehene Neuordnung als privatnützig darstellt.
Zwar fehlen zur Erschließungssituation des Grundstücks der Kläger tatsächli-
che Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, so dass dem Senat eine ab-
schließende Entscheidung verwehrt ist. Nach der bei den Gerichtsakten befind-
lichen Widerspruchskarte zum Bodenordnungsverfahren, in der die gegenwärti-
gen Flurstücksgrenzen eingezeichnet sind, dürfte aber die vorhandene Ver-
kehrsfläche auf Höhe des Grundstücks „Alte Straße 10 d“ etwa zur Hälfte auf
dem Flurstück 206/12 verlaufen. Die Kläger dürften danach für die Erreichbar-
keit ihres Grundstücks „Alte Straße 10 e“ mit Fahrzeugen auf die dinglich nicht
gesicherte Inanspruchnahme des Vorderliegergrundstücks angewiesen sein, da
die zu ihren Gunsten eingetragene Grunddienstbarkeit lediglich das Flurstück
185/3 erfasst; allenfalls könnte den Klägern insoweit ein schuldrechtlicher An-
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spruch auf Einräumung einer (weiteren) Dienstbarkeit aus dem Kaufvertrag vom
11. Dezember 2000 zustehen.
4. Die durch die Geldabfindung ausgeglichene Wertdifferenz fällt ihrem Umfang
nach noch unter den Begriff der Minderausweisung im Sinne des § 63 Abs. 2
LwAnpG i.V.m. § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG (a). Dagegen lässt sich mangels hin-
reichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht die
Frage beantworten, ob die Minderausweisung unvermeidbar im Sinne des § 44
Abs. 3 Satz 2 FlurbG war (b). Die Sache ist daher zur weiteren Sachaufklärung
an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
a) Im Anschluss an die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
zu den Anforderungen an eine zulässige Geldabfindung als Ausgleich für Land
vom 13. Januar 1959 - 1 C 155.58 - (BVerwGE 8, 95), haben die Flurbereini-
gungsgerichte das Vorliegen einer Minderausweisung verneint, wenn sie nicht
auf einen im Verhältnis zur Landabfindung relativ unbedeutenden „Spitzenbe-
trag“ beschränkt ist. Anderenfalls werde der für das Flurbereinigungsrecht fun-
damentale Grundsatz, dass die Flurbereinigungsbehörde jedem Teilnehmer
Land von gleichem Wert zuweist, verlassen und die Grenze, die Art. 14 GG ei-
ner Geldabfindung ziehe, überschritten (VGH Mannheim, Urteil vom 14. März
1962 - 5 S 496/59 - RzF 44 III/2 S. 7). Danach ist bezogen auf den Gesamtab-
findungsanspruch in Werteinheiten eine Minderausweisung in der Größenord-
nung von 5 % noch toleriert, die Grenze bei 8 bzw. 10 % aber als überschritten
angesehen worden (VGH Kassel, Urteil vom 22. März 1973 - III F 89/68 - RzF
44 III/2 S. 21, VGH Mannheim, Urteile vom 14. März 1962 a.a.O. und vom
7. Juli 1982 - 7 S 1477/81 - RdL 1982, 296; OVG Koblenz, Urteil vom 27. Juli
1982 - 9 C 29/80 - RdL 1983, 43; vgl. auch die Nachweise bei Wingerter/Mayr,
Flurbereinigungsgesetz, 9. Aufl. 2013, § 44 Rn. 57). Gegen diese Beschrän-
kung der Minderausweisung auf geringfügige Spitzenbeträge bestehen keine
revisionsrechtlichen Bedenken. Sie stellt sicher, dass der Vorrang der wertglei-
chen Abfindung in Land nicht ausgehöhlt wird, indem der Geldausgleich strikt
auf die Funktion einer Zugabe zur Landabfindung beschränkt bleibt. Diese Vo-
raussetzungen erfüllt die Minderausweisung im vorliegenden Fall. Sie beläuft
sich bezogen auf den im Wertermittlungsverfahren bestandskräftig ermittelten
Wert des Abfindungsgrundstücks auf 2,8 % der für die Gesamteinlage auszu-
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gleichenden Werteinheiten. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht dar-
aus, dass der Grundsatz der wertgleichen Abfindung nicht nur auf eine Abfin-
dung in Land von gleichem Wert, sondern auch von gleicher Nutzungsart ge-
richtet sein muss (§ 58 Abs. 1 LwAnpG), weshalb eine allein auf die Gesamtab-
findung abstellende Betrachtung gegebenenfalls durch eine Betrachtung der auf
die jeweilige Nutzungsart entfallenden Anteile ergänzt werden muss (vgl. hierzu
OVG Frankfurt [Oder], Urteil vom 25. Januar 2001 - 8 D 12/98.G - RdL 2001,
265 <269>). Auch unter diesem Blickwinkel ist die Abfindung nicht zu bean-
standen. Der Geldausgleich erfasst nur die in der Wertermittlung mit Abstand
am geringsten bewerteten Verkehrsflächen; die von ihnen eingebrachten Bau-
flächen haben die Kläger dagegen in vollem Umfang zurückerhalten.
b) Im Revisionsverfahren lässt sich nicht feststellen, ob die Minderausweisung
von Land unvermeidbar im Sinne des § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG war. Die im
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Januar 1959 (- 1 C 155.58 -
BVerwGE 8, 95 <96>) aufgestellten Anforderungen an die Unvermeidbarkeit
einer Minderausweisung lassen sich auf die Minderausweisung im Rahmen ei-
nes Bodenordnungsverfahrens übertragen. Danach sind bei Anwendung des
§ 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG dessen Charakter als eng auszulegende Ausnah-
meregelung sowie die durch Art. 14 GG gezogenen Grenzen zu beachten. Um
eine restlose Abfindung der Beteiligten mit Land zu ermöglichen, muss die Be-
hörde daher alle technisch möglichen und zweckmäßigen Planungen - sogar
unter Inkaufnahme von Abstrichen am Zielerreichungsgrad - vornehmen, die
eine Minderausweisung verhindern. Gegebenenfalls muss ein Flächenverlust
durch die Zuteilung von Grundstücken einer höheren Wertklasse oder durch
eine Verbesserung z.B. der Lage der Gesamtzuteilung ausgeglichen werden.
Der Bodenordnungsplan darf einem Einzelnen eine Minderabfindung in Land
gegen seinen Willen nur dann zuweisen, wenn die bei der Gestaltung des Neu-
ordnungsgebietes zu wahrenden Interessen der Mehrheit der Beteiligten an
einer zweckvollen Neuordnung eine andere Lösung nicht zulassen oder erheb-
lich erschweren.
Die Frage, ob mit vertretbarem Aufwand eine andere geeignete Erschließung
des Grundstücks „Alte Straße 10 e“ erreichbar ist, ist zwischen den Parteien vor
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dem Oberverwaltungsgericht streitig gewesen. Auch in der Revisionsinstanz
halten sie an ihren ganz unterschiedlichen Auffassungen hierzu fest.
Die Klärung dieser Frage bleibt daher dem Oberverwaltungsgericht vorbehal-
ten.
Dr. Bier
Prof. Dr. Korbmacher
Dr. Kenntner
Dr. Bick
Steinkühler
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG).
Dr. Bier
Prof. Dr. Korbmacher
Dr. Kenntner
Dr. Bick
Steinkühler
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