Urteil des BVerwG vom 19.05.2011

Grundwasser, Gewässer, Energie, Gestaltungsspielraum

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 83.10
OVG 9 A 2967/08
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Mai 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Prof. Dr. Korbmacher
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 2010
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 73 276,35 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Der Rechtssache kommt mit keiner der von der Beschwerde angeführten
Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Frage,
„Verstößt § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG NRW in der Ausle-
gung des Berufungsgerichts, nach der Entnahmen für die
Durchlaufkühlung nur dann von dem ermäßigten Entgelt-
satz von 0,003 €/m³ erfasst werden, wenn dem Grund-
wasser entnommenes Wasser wieder unmittelbar dem
Grundwasser zugeführt wird, gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil
nur ein Ermäßigungstatbestand, der auf die technische Art
der Kühlung abstellt, dem Gleichheitssatz entspricht?“
betrifft eine Frage des Landesrechts und damit eine irrevisible Norm (§ 137
Abs. 1 VwGO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-
gerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwen-
dung und Auslegung von irrevisiblem Recht eine Beschwerde gegen die Nicht-
zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der
- gegenüber dem irrevisiblen Recht als korrigierender Maßstab angeführten -
bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Be-
deutung aufwirft (Beschlüsse vom 20. September 1995 - BVerwG 6 B 11.95 -
Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8 und vom 13. Juni 2009
- BVerwG 9 B 2.09 - Buchholz 445.4 § 3 WHG Nr. 6 Rn. 4 m.w.N.). Aus diesem
Grund hätte die Beschwerde im Einzelnen darlegen müssen, inwiefern durch
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das vorliegende Verfahren in Bezug auf den Gleichheitssatz fallübergreifende
Fragen aufgeworfen werden, die sich auf der Grundlage der bisher zu Art. 3
Abs. 1 GG ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht oder nicht mit
der erforderlichen Sicherheit beantworten lassen. Daran fehlt es. Die Be-
schwerde beschränkt sich darauf, die Verletzung des Gleichheitssatzes zu rü-
gen, indem sie in Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels
bemängelt, aus Gründen des Gleichheitsgebots sei bei den entgeltpflichtigen
Tatbeständen der Wasserentnahme zum Zwecke der Kühlwassernutzung nur
zu unterscheiden zwischen Durchlaufkühlung und Verdunstungskühlung. Das
Berufungsgericht habe dagegen eine vom Gesetzgeber verfassungsgemäß
aufgestellte, den unterschiedlichen Belastungen wasserintensiver Industriean-
lagen gerecht werdende Entlastungsregelung gleichheitswidrig ausgelegt, in-
dem es darauf abgestellt habe, ob das zur Durchlaufkühlung benutzte Wasser
dem Gewässer wieder zugeführt worden sei.
Auch mit den Fragen,
„Verstößt § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG NRW in der Ausle-
gung des Berufungsgerichts, nach der Entnahmen für die
Durchlaufkühlung nur dann von dem ermäßigten Entgelt-
satz von 0,003 €/m³ erfasst werden, wenn dem Grund-
wasser entnommenes Wasser wieder unmittelbar dem
Grundwasser zugeführt wird, gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil
dann der Landesgesetzgeber gegen den bundesverfas-
sungsrechtlichen Grundsatz, wonach Vergünstigungstat-
bestände jedenfalls ein Mindestmaß an zweckgerechter
Ausgestaltung aufweisen müssen, verstoßen hätte, so
dass die Norm verfassungskonform auszulegen ist?“
und
„Ist der Gesetzgeber aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG ver-
pflichtet, eine Regelung zu erlassen, die technisch um-
setzbar ist, wenn er bei der Gebührenbemessung Ermäßi-
gungsregeln erlässt, die an technische Voraussetzungen
anknüpfen?“
thematisiert die Klägerin lediglich die Vereinbarkeit der landesrechtlichen Vor-
schrift des § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG NRW a.F. in der Auslegung durch die Vor-
instanz mit bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben, ohne aufzuzeigen, wel-
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cher grundsätzliche Klärungsbedarf hinsichtlich der bundesverfassungsrechtli-
chen Maßstabsnormen besteht.
2. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.
Die Beschwerde meint, der angegriffene Beschluss stehe deswegen im Gegen-
satz zu dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni 2009
- BVerwG 9 B 2.09 - (a.a.O), weil er entscheidend darauf abstelle, dass das
zum Zweck der Durchlaufkühlung entnommene Wasser nach § 2 Abs. 2 Satz 3
WasEG NRW a.F. dem Gewässer wieder unmittelbar zugeführt werden müsse,
während das Bundesverwaltungsgericht unter Randnummer 16 des Beschlus-
ses vom 13. Juni 2009 allein auf die Kühltechnologie abgestellt habe. Eine Di-
vergenz ergibt sich hieraus schon deswegen nicht, weil es sich bei § 2 Abs. 2
Satz 3 WasEG NRW a.F., der hinsichtlich der Definition der Durchlaufkühlung
wortgleich ist mit § 2 Abs. 4 WasEG NRW n.F., um eine Norm des Landes-
rechts und damit um eine nicht divergenzrelevante Norm (vgl. § 137 Abs. 1
VwGO) handelt. Abgesehen davon hat der Senat in seinem Beschluss vom
13. Juni 2009 unter Randnummer 16 lediglich ausgeführt, dass das nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts mit der Differenzierung bei der Höhe des
Wasserentnahmeentgelts verfolgte Ziel, eine ausgewogene Kostenbelastung
innerhalb der Kraftwerksindustrie herzustellen und hierdurch die Versorgung
privater Haushalte und gewerblicher Unternehmer mit kostengünstiger Energie
sicherzustellen, von dem dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraum
gedeckt sei. Zu der Frage, welche Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 3
WasEG NRW a.F. an eine Durchlaufkühlung zu stellen sind, hat sich der Senat
nicht verhalten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfest-
setzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dr. Storost
Dr. Nolte
Prof. Dr. Korbmacher
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