Urteil des BVerwG vom 27.05.2015

Gebäude, Grundeigentum, Abfindung, Bier

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 68.14
OVG F 7 C 18/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Mai 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwal-
tungsgerichts - Flurbereinigungsgericht - vom 13. Juni
2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeu-
tung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt, bleibt ohne Erfolg.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine
Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klä-
rung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, konkreten, jedoch in ihrer Be-
deutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehen-
den, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revi-
siblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegrün-
dung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, d.h. näher ausgeführt
werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im
allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beab-
sichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; siehe BVerwG, Beschluss
vom 24. Juli 2008 - 9 B 41.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 58 Rn. 3
m.w.N.). Der bloße Hinweis, die Rechtsfrage sei bisher noch nicht höchstrich-
terlich entschieden, reicht für den Vortrag der Klärungsbedürftigkeit allein nicht
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aus (BVerwG, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 11). Zwar ist keine umfassende Aufbereitung des Meinungs-
standes in Rechtsprechung und Literatur erforderlich; die Beschwerdebegrün-
dung muss sich aber - abgesehen von den Fällen der Offenkundigkeit der Klä-
rungsbedürftigkeit - jedenfalls ansatzweise mit den Gründen des angegriffenen
Urteils konkret auseinandersetzen.
Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Vo-
raussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Die Frage,
ob die Festlegung des Sächsischen Oberverwaltungsge-
richts, dass in der Regel der Grundeigentümer gegenüber
dem Gebäudeeigentümer weichen muss und eine Abfin-
dung grundsätzlich in Land zu erfolgen hat, uneinge-
schränkt gelten soll,
ist bereits deshalb nicht klärungsbedürftig, weil der Umstand, dass eine be-
stimmte Rechtsfolge "grundsätzlich" bzw. "in der Regel" eintritt, zugleich besagt,
dass dies nicht uneingeschränkt gilt, vielmehr in bestimmten (Ausnahme-)Fällen
auch eine andere Rechtsfolge möglich ist.
Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ge-
klärt, dass Gebäudeeigentümern in § 64 Satz 1 LwAnpG ein Antragsrecht mit
der Folge zugestanden worden ist, dass, obschon der Gesetzgeber des Land-
wirtschaftsanpassungsgesetzes keinem der beiden Rechtsinhaber eine Präfe-
renzstellung einräumen wollte (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 11 C
5.97 - BVerwGE 108, 202 <214 f.>), der Grundeigentümer dennoch in der Re-
gel weichen muss (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE
105, 128 <133>). Dessen ungeachtet ist die Frage vorliegend nicht entschei-
dungserheblich. Denn das Oberverwaltungsgericht hat seinem Urteil nicht ledig-
lich die Annahme einer "Regelzuweisung" zugunsten des Gebäudeeigentü-
mers, sondern vielmehr eine konkrete Abwägung der Interessen des Klägers
und der Beigeladenen zugrunde gelegt. Danach dränge sich eine Zuordnung an
die Beigeladene auf, weil sie in dem Gebäude wohne und nichts dafür ersicht-
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lich sei, dass dieses nicht genutzt werden könne oder keinen besonderen Wert
habe. Der Kläger hingegen habe zu seinen Gunsten lediglich ausgeführt, dass
er das Gebäude errichte habe und seine Schwiegereltern Land hierfür hätten
abgeben müssen. Danach wiege der Eingriff für die Beigeladene bei einer Zu-
teilung des Gebäudes an den Kläger auch unter Berücksichtigung der belas-
tenden Umstände für den Kläger in rechtlicher Hinsicht ungleich schwerer als
für diesen der Grundstücksverlust.
Ebenfalls bereits entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht, dass § 58
Abs. 2 LwAnpG hinsichtlich der Zulässigkeit einer überwiegenden oder voll-
ständigen finanziellen Abfindung eines Teilnehmers eine abschließende Rege-
lung enthält und dass gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 44 Abs. 3 Satz 2
FlurbG nur unvermeidbare Mehr- oder Minderausweisungen gegen dessen Wil-
len in Geld ausgeglichen werden können (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezem-
ber 1998 - 11 C 5.97 - BVerwGE 108, 202 <213> und vom 10. Dezember 2014
- 9 C 11.13 - DVBl. 2015, 643 Rn. 18 ff.), mithin eine Abfindung für abzutreten-
de Grundstücke gemäß § 58 Abs. 1 LwAnpG grundsätzlich in Land zu erfolgen
hat. Hinzu kommt, dass die Frage auch insoweit nicht entscheidungserheblich
ist, weil der Kläger keine Entschädigung in Geld, sondern statt einer Landabfin-
dung die Übertragung des Einlagegrundstücks begehrt.
Die weitere Frage,
ob § 64 LwAnpG auch dann Anwendung findet, wenn, wie
im vorliegenden Fall, die Investitionen in das Gebäude
nicht von dem dann späteren Gebäudeeigentümer getätigt
worden sind, sondern von dem Eigentümer des Grund-
stücks,
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Das Landwirtschaftsan-
passungsgesetz ist darauf gerichtet, sachenrechtliche Konflikte, die auf die Kol-
lektivierung der Landwirtschaft in der DDR zurückzuführen sind, durch Schaf-
fung BGB-konformer Rechtsverhältnisse zu lösen. Aus der Aufspaltung von
Gebäude- und Grundeigentum herrührende Investitionshindernisse für ländli-
chen Grundbesitz, zu dem auch die darauf errichteten Eigenheime gehören,
sollen unter Beachtung der Interessen der Beteiligten beseitigt werden
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(BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128 <134>, vom
2. September 1998 - 11 C 4.97 - BVerwGE 107, 177 <182>, vom 29. Juli 2002
- 9 C 1.02 - Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 9 S. 8 und vom 10. Dezember
2014 - 9 C 11.13 - DVBl. 2015, 643 Rn. 12, 24). Das Bodenordnungsverfahren
dient damit der Sicherung nicht allein bereits getätigter, sondern insbesondere
auch künftiger Investitionen. Für die strukturelle Entwicklung der ländlichen
Räume in der ehemaligen DDR ist es ein schwerwiegendes Investitionshemm-
nis, wenn die Verkehrsfähigkeit von Flächen in großem Umfang durch die Auf-
spaltung zwischen Gebäude- und Grundeigentum behindert wird. Die dadurch
bewirkte Rechtsunsicherheit führt unvermeidlich dazu, dass Gebäudeeigentü-
mer zum Erhalt oder zum Ausbau ihrer Eigenheime erforderliche Investitionen
zurückstellen, wobei die fehlende Investitionsbereitschaft ihre Ursache nicht nur
darin hat, dass Fehlinvestitionen befürchtet werden. Hinzu kommt, dass beim
Auseinanderfallen von Gebäude- und Grundeigentum jede Fremdfinanzierung
auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, weil Geldinstitute das Gebäudeeigentum
nicht ohne weiteres als ausreichendes Mittel zur Kreditsicherung akzeptieren
werden (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128
<134>).
Soweit die Beschwerde mit der vorgenannten Frage sinngemäß zudem geklärt
wissen möchte, ob eine Zusammenführung von Grund- und Gebäudeeigentum
nach § 64 LwAnpG möglich ist, wenn hiermit nicht die Wiederherstellung leis-
tungs- und wettbewerbsfähiger Betriebe oder die Zusammenlegung zersplitter-
ter und unwirtschaftlich geformter Grundstücke nach neuzeitlichen und be-
triebswirtschaftlichen Grundsätzen, sondern allein eine Komplettierung des Ei-
gentums an einem privat genutzten "Hausgrundstück" beabsichtigt ist, ist dies
in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls geklärt
(BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128 <133 f.>
und vom 10. Dezember 2014 - 9 C 11.13 - DVBl. 2015, 643 Rn. 15).
Schließlich erfüllt auch die Frage,
ob in Kenntnis der Umstände des laufenden Bodenord-
nungsverfahrens eine Veräußerung an die Beigeladene
wirksam erfolgen konnte, da letztendlich der Antrag durch
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den vormaligen Gebäudeeigentümer, Herrn Christian H.,
im Januar bzw. Februar 1992 gestellt worden ist, obwohl
das Bodenordnungsverfahren bereits angeordnet war und
eine entsprechende Verfügungsbeschränkung bestanden
hat,
nicht die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das gilt schon des-
halb, weil sich die Frage ausdrücklich auf die Umstände des vorliegenden Fal-
les bezieht und die Beschwerde einen darüber hinausgehenden allgemeinen
Klärungsbedarf nicht aufzeigt. Davon abgesehen hat das Oberverwaltungsge-
richt aus § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 15 FlurbG, denen zufolge der Erwerber
eines im Bodenordnungsgebiets gelegenen Grundstücks das bis zu seiner
Grundbucheintragung oder bis zur Anmeldung des Erwerbs durchgeführte Ver-
fahren gegen sich gelten lassen muss, gefolgert, dass der Wechsel im Gebäu-
deeigentum zugunsten der Beigeladenen ohne Einfluss auf das vorliegende
Verfahren ist. Diesbezüglich erschöpft sich die Beschwerdeschrift in der Be-
hauptung, es habe eine Verfügungsbeschränkung bestanden, ohne sich mit
den Gründen des angegriffenen Urteils auseinanderzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dr. Bier
Dr. Bick
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