Urteil des BVerwG vom 15.08.2012

Vorbehalt des Gesetzes, Verfahrensmangel, Bier, Eigenschaft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 19.12
OVG 5 A 48/10
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. August 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und Dr. Bick
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 27. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 411,40 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten Gründe
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Weder liegt ein Verfahrensman-
gel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor (1.) noch hat der Kläger andere in § 132
Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO genannte Zulassungsgründe dargelegt, § 133 VwGO
(2.).
1. Der Kläger beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe sich im Rahmen
seiner Prüfung, ob die Voraussetzungen für seine Inanspruchnahme als Gebüh-
renschuldner für die Abfallbeseitigung vorlagen, gar nicht bzw. nur unzurei-
chend mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt, dass es in Sachsen an einer
gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Inanspruchnahme des Grund-
stückseigentümers fehle, wenn dieser nicht Benutzer der öffentlichen Einrich-
tungen sei, sondern der Grundstücksmieter.
Der geltend gemachte Gehörsverstoß liegt nicht vor. Der Grundsatz rechtlichen
Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verlangt vom Gericht, die
Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu zie-
hen. Von einer Verkürzung des Rechts auf Gehör kann aber nur dann ausge-
gangen werden, wenn die Umstände des Falles den eindeutigen Schluss zulas-
sen, dass dies nicht geschehen ist (vgl. Urteil vom 20. November 1995
- BVerwG 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22). Grundsätzlich
ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene
Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung ge-
zogen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 -
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wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass erhebliches
Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen
oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist. Erst wenn
das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vorbringens eines Beteiligten zu
einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entschei-
dungsgründen nicht eingeht, verletzt dies regelmäßig den Anspruch auf Gewäh-
rung rechtlichen Gehörs und zugleich auch die Begründungspflicht. So liegt es
hier nicht. Vielmehr ist das klägerische Vorbringen im Tatbestand des Urteils,
wenn auch gekürzt, wiedergegeben, so dass schon deshalb davon auszugehen
ist, dass das Oberverwaltungsgericht es zur Kenntnis genommen hat. In den
Entscheidungsgründen hat das Gericht die Argumentation des Klägers jeden-
falls insoweit aufgegriffen, als es auf der Grundlage eines „weiten Verständnis-
ses“ des abfallrechtlichen Besitzbegriffes ein Benutzungsverhältnis im Sinne
von § 9 Abs. 1 SächsKAG zwischen dem Grundstückseigentümer und dem
Träger der Abfallentsorgung auch dann angenommen hat, wenn das Grund-
stück vermietet oder verpachtet ist und sich der Mieter oder Pächter als Abfall-
erzeuger - wie hier - mit schriftlicher Zustimmung des Grundstückseigentümers
direkt an die Abfallwirtschaft hat anschließen lassen. Auf der Grundlage dieser
rechtlichen Einschätzung hat es die vom Kläger diskutierte „Wortlautgrenze“ für
die Auslegung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ersichtlich als gewahrt
angesehen. Dass das Oberverwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen
die die Meinung des Klägers stützenden Argumente nicht im Einzelnen aufge-
führt und gewürdigt hat, weil es ihnen nicht gefolgt ist, sondern die Eigenschaft
des Klägers als Gebührenschuldner auf Rechtsgründe gestützt hat, die der Klä-
ger nicht für zutreffend hält, rechtfertigt nicht den Schluss, es habe dessen Vor-
bringen nicht in Erwägung gezogen. Das Recht, im Gerichtsverfahren gehört zu
werden, umfasst nicht einen Anspruch darauf, dass sich das Gericht in den
Entscheidungsgründen umfassend mit den Argumenten der Beteiligten ausei-
nandersetzt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR
2722/06 - juris Rn. 11 ;
BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 - BVerwG 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1
Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 109; stRspr).
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2. Soweit der Kläger rügt, das angefochtene Urteil beruhe deshalb auf einer
Verletzung von Bundesrecht, weil es gegen den Vorbehalt des Gesetzes ver-
stoße, fehlt es an jeglicher Darlegung, welcher Zulassungsgrund geltend ge-
macht wird. Nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO muss in der Begründung der
Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfah-
rensmangel bezeichnet werden (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG
7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Die Beschwer-
de macht demgegenüber in der Art einer Revisions- oder Berufungsbegründung
geltend, dass die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts fehlerhaft sei,
ohne ihr Vorbringen einem der Zulassungsgründe zuzuordnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dr. Bier
Buchberger
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