Urteil des BVerwG vom 24.11.2011

Stadt Bremen, Wohngebäude, Wirtschaftlichkeit, Tunnel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 A 27.10
Verkündet
am 24. November 2011
Renner
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. und 10. November 2011
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher
am 24. November 2011 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Freien Han-
sestadt Bremen für den Neubau des 4. Abschnitts der Bundesautobahn A 281.
Der Neubau der A 281 soll eine Eckverbindung zwischen den nordöstlich und
südwestlich der Stadt Bremen verlaufenden Autobahnen A 27 und A 1 herstel-
len, diese Autobahnen entlasten und eine leistungsfähige Anbindung des süd-
lich der Weser gelegenen Güterverkehrszentrums, der Weserhäfen und des
Flughafens Bremen an das überregionale Verkehrsnetz gewährleisten. Das
Gesamtprojekt umfasst fünf Bauabschnitte. Der Bauabschnitt 1 zwischen der
A 27 und der Hafenrandstraße steht seit 1995 unter Verkehr. Die ersten Teilab-
schnitte der Bauabschnitte 2 und 3 wurden dem Verkehr Anfang 2008 überge-
ben und mit dem Bau des 2. Teilabschnitts des Bauabschnitts 3 wurde begon-
nen. Mit Urteil vom 24. November 2010 hat der Senat die Rechtswidrigkeit und
Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses für den Teilabschnitt 2/2
festgestellt.
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Der hier in Rede stehende, etwa 4,9 km lange Bauabschnitt 4 beginnt mit der
Anbindung an den bestehenden Bauabschnitt 1 an der Anschlussstelle Bre-
men-Gröpelingen nördlich der Weser und endet mit der Verknüpfung mit dem
Bauabschnitt 3/2 westlich des Güterverkehrszentrums an der Anschlussstelle
Bremen-Strom auf der südlichen Weserseite. Die Weser wird mit einem Tunnel
gequert, der im sogenannten Einschwimm- und Absenkverfahren gebaut wer-
den soll (Absenktunnel). Der Bau, die Erhaltung, der Betrieb und die Finanzie-
rung der Weserquerung sollen durch einen privaten Investor erfolgen, der sich
- neben einer Anschubfinanzierung durch den Bund - durch Mauteinnahmen
refinanziert (sog. F-Modell). Das Vorhaben ist im Bedarfsplan für die Bundes-
fernstraßen als vierstreifige Autobahn ausgewiesen. Die Ausführung der We-
serquerung als Absenktunnel hat zur Folge, dass das südlich der Weser im
Ortsteil Seehausen an der H. …straße errichtete Wohngebäude des Klägers
sowie weitere fünf dort gelegene Wohnhäuser abgerissen werden müssen.
Im Rahmen der Vorplanung wurde zunächst gutachtlich untersucht, ob die We-
ser durch einen Tunnel oder durch eine Brücke gequert werden soll. Die Be-
klagte traf im Oktober 2002 die Entscheidung zugunsten eines Tunnels. Im An-
schluss daran wurde im Rahmen einer Vergleichsstudie bezogen auf die „Ziel-
felder“ Verkehr und Sicherheit, Technik, Wirtschaftlichkeit, Umwelt und Natur
sowie Städtebau, die in insgesamt 67 Einzelziele unterteilt wurden, gutachtlich
untersucht, ob der Tunnel als Absenktunnel oder als Bohrtunnel gebaut werden
soll. In dieser Vergleichsstudie wird der Kostenvorteil des Absenktunnels ge-
genüber dem Bohrtunnel mit 26 Mio. € (Investitionskosten) und 25 Mio. € (Be-
triebskosten bezogen auf 30 Jahre) beziffert. Auf dieser Grundlage entschied
sich die Beklagte im Jahre 2004 für die Ausführung der Weserquerung als Ab-
senktunnel.
Die vom Vorhabenträger zur Planfeststellung eingereichten Unterlagen lagen in
der Zeit vom 10. Juni 2008 bis zum 9. Juli 2008 zur Einsicht aus. Vom 2. März
2009 bis zum 1. April 2009 erfolgte auf Veranlassung der Anhörungsbehörde
eine ergänzende Auslegung der Vergleichsstudie zu den Varianten Brü-
cke/Tunnel und Bohrtunnel/Absenktunnel sowie einer Aktualisierung des land-
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schaftspflegerischen Begleitplans. Die Planauslegungen waren zuvor ortsüblich
unter Hinweis auf die Möglichkeit, fristgebunden Einwendungen zu erheben,
und die Rechtsfolgen verspäteter Einwendungen bekannt gemacht worden. Der
Erörterungstermin wurde im Zeitraum vom 22. April 2009 bis zum 5. Juni 2009
durchgeführt.
Der Kläger erhob fristgerecht Einwendungen gegen das Vorhaben. Er rügte
unter anderem Folgendes: Die Planfeststellung weise formelle Mängel auf. Die
Planauslegung sowie deren Bekanntmachung seien fehlerhaft erfolgt. Die Auf-
gaben des Vorhabenträgers, der Anhörungsbehörde und der Planfeststellungs-
behörde würden innerhalb derselben Behörde - des Senators für Umwelt, Bau,
Verkehr und Europa - wahrgenommen, so dass eine unbefangene und neutrale
Abwägung aller Belange nicht gewährleistet sei. Hinsichtlich der geplanten Ein-
griffe in die Weser und die Baggergutdeponie hätten wasserrechtliche bzw. ab-
fallrechtliche Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müssen. Dem
Neubau der A 281 im 4. Bauabschnitt fehle die planerische Rechtfertigung, weil
die vorgesehene Finanzierung durch einen privaten Investor nicht gesichert sei.
Die Plantrasse weiche etwa 200 m von der im Flächennutzungsplan dargestell-
ten Trasse ab; außerdem solle das südliche Tunnelportal nicht an dem im Flä-
chennutzungsplan dargestellten Standort, sondern deutlich weiter nördlich und
damit näher an der Wohnbebauung von Seehausen verwirklicht werden. Damit
verstoße das Vorhaben gegen das Anpassungsgebot nach § 7 BauGB. Die Er-
mittlung, Bewertung und Gewichtung der im Rahmen des Vergleichs der Va-
rianten Bohr- und Absenktunnel zu berücksichtigenden Belange könnten insbe-
sondere hinsichtlich des Aspektes der Wirtschaftlichkeit keinen Bestand haben.
Die bei der jeweiligen Tunnelvariante anfallenden Kosten seien fehlerhaft ermit-
telt und das Kriterium der Wirtschaftlichkeit sei zu hoch gewichtet worden. Die
Belange der betroffenen Eigentümer seien nicht in die Abwägung eingestellt
worden. Das Vorhaben verstoße darüber hinaus gegen die FFH- und die Vo-
gelschutzrichtlinie sowie gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen und die
naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Der Schutz des Grund- und Oberflä-
chenwassers, der Hochwasserschutz sowie der Schutz der Anwohner vor Lärm
und Luftschadstoffen seien unzureichend berücksichtigt und es sei nicht unter-
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sucht worden, ob die Gesamtbelastung durch Lärm die Schwelle zur Gesund-
heitsgefährdung überschreite.
Mit Datum vom 30. Juni 2010 stellte die Beklagte den Plan für den Neubau des
4. Abschnitts der A 281 fest. Die Einwendungen des Klägers wurden zurückge-
wiesen. Unter anderem wurde ausgeführt: Die Finanzierung des Vorhabens sei
gewährleistet; sollte es nicht zur Beteiligung eines privaten Investors kommen,
werde die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln erfolgen. Die Planung halte sich
im Rahmen der Darstellungen des Flächennutzungsplans. Die Ausführungsva-
rianten Bohrtunnel und Absenktunnel seien nach der Vergleichsstudie in Bezug
auf die Ergebnisse der untersuchten Zielfelder im Wesentlichen gleich zu be-
werten. Für die Herstellung des Absenktunnels müssten sechs Wohnhäuser
abgerissen werden. Aber auch bei einem Bohrtunnel käme es im Bereich der
Ortslage Seehausen zu Erschütterungen und Lärmbelästigungen. Für die be-
absichtigte privatwirtschaftliche Realisierung der Weserquerung in Gestalt eines
Absenktunnels auf der Grundlage des Fernstraßenbauprivatfinanzie-
rungsgesetzes sei bereits eine Anschubfinanzierung von 115 Mio. € als
erforderlich angesehen worden, um trotz der hohen Baukosten eines Tunnels
eine für einen privaten Investor akzeptable Refinanzierung über die
Mauteinnahme erreichen zu können. Der Aspekt der Wirtschaftlichkeit sei daher
von grundlegender Bedeutung für die Realisierbarkeit des Tunnels, so dass
dessen Ausführung im Einschwimm- und Absenkverfahren mit Blick auf
Mehrkosten eines Bohrtunnels von insgesamt 51 Mio. € alternativlos sei. Die in
der Vergleichsstudie angestellte Betrachtung der Kosten der beiden Tunnelva-
rianten sei im Übrigen nicht zu beanstanden. Das Vorhaben werde das
Vogelschutzgebiet „Niedervieland“ nicht erheblich beeinträchtigen. Die
Auswirkungen des Neubaus der B 212 auf das Vogelschutzgebiet seien allein
im Rahmen der Planfeststellung dieses Projekts zu berücksichtigen. Auch im
Übrigen sei das Vorhaben mit dem FFH-Recht, dem Artenschutzrecht und den
Vorschriften zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft vereinbar.
Nach Erhebung der Klage, mit der der Kläger sein Vorbringen wiederholt und
vertieft, hat die Beklagte den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss mit Da-
tum vom 7. November 2011 nach vorausgegangener Offenlage in Bezug auf
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eine vorsorglich für den Fall einer erheblichen Beeinträchtigung des Vogel-
schutzgebiets „Niedervieland“ durchgeführte Abweichungsprüfung nach § 34
Abs. 3 BNatSchG „ergänzt“. Mit dem Ergänzungsbeschluss wurden zugleich die
Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses insbesondere zur Auswahl der
Tunnelvariante erweitert; insoweit fand keine Offenlage statt. Die bisher mit
Blick auf die beabsichtigte Privatfinanzierung des Wesertunnels hervorgehobe-
ne besondere Bedeutung des Kostenaspekts wird nunmehr auch auf den Fall
einer Finanzierung des Tunnels durch öffentliche Mittel erstreckt. Der Ergän-
zungsbeschluss führt aus, dass dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit in diesem
Fall eine mindestens ebenso große Bedeutung zukomme wie bei einer privat-
wirtschaftlichen Realisierung. Daher sei die Ausführungsvariante Absenktunnel
wegen der erheblichen Mehrkosten eines Bohrtunnels unabhängig von der Art
der Finanzierung alternativlos.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom
30. Juni 2010 in der Gestalt des Ergänzungsbeschlusses
vom 7. November 2011 und der Protokollerklärung der
mündlichen Verhandlung aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.
II
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Planfeststellungsbeschluss in
der Gestalt des Ergänzungsbeschlusses vom 7. November 2011 und der in der
mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärung leidet an keinem
Rechtsfehler, der den Kläger in seinen Rechten verletzt und die - vollständige
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oder teilweise - Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zumindest
die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt.
Als von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlus-
ses (§ 19 Abs. 2 FStrG) Betroffener hat der Kläger Anspruch auf gerichtliche
Überprüfung des Plans auch auf seine objektive Rechtmäßigkeit, soweit der
geltend gemachte Fehler für die Eigentumsbetroffenheit kausal ist (Urteil vom
12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24).
A. Der Planfeststellungsbeschluss weist keine Verfahrensfehler auf, die Rechte
des Klägers berühren könnten.
1. Die geltend gemachten Verfahrensfehler - wie etwa eine Verletzung des § 9
Abs. 1b UVPG i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG - liegen weithin nicht vor.
Dies bedarf indes keiner näheren Ausführungen. Denn nach ständiger Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Einhaltung verfahrensrechtli-
cher Vorschriften kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung
von Belangen. Daher muss ein Kläger zur Begründung einer Rechtsverletzung
geltend machen, dass sich der von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine ma-
teriell-rechtliche Position ausgewirkt haben könnte. Danach ist vorliegend zu
prüfen, ob die konkrete Möglichkeit besteht, dass das Eigentum des Klägers
ohne die gerügten Verfahrensmängel nicht in Anspruch genommen worden wä-
re (vgl. Urteile vom 12. August 2009 a.a.O. Rn. 31 und vom 8. Juni 1995
- BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <362>). Gemessen daran können die
vom Kläger geltend gemachten Fehler sowohl der Bekanntmachung der Plan-
auslegung und der Auslegung selbst (fehlende Auslegung von Gutachten) als
auch der ergänzenden Auslegung (Möglichkeit der Einsichtnahme nur über CD-
ROM und fehlende Auslegung im Ortsamt von Seehausen) sowie die Rüge ei-
ner verspäteten Erörterung der Einwendungen der Anfechtungsklage von vorn-
herein nicht zum Erfolg verhelfen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es sind keine
Anhaltspunkte für einen Kausalzusammenhang zwischen diesen behaupteten
Verfahrensfehlern und dem Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses erkennbar.
Der Kläger selbst hat fristgerecht umfangreich Einwendungen gegen das Vor-
haben erhoben. Er behauptet auch nicht, dass er wegen der seiner Auffassung
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nach bestehenden Verfahrensfehler gehindert gewesen sei, weitere Einwen-
dungen zu erheben. Wenn er stattdessen darauf abstellt, es könne nicht ausge-
schlossen werden, dass infolge des - seiner Ansicht nach - nicht ordnungsge-
mäßen Verfahrens andere Betroffene von entscheidungserheblichen Einwen-
dungen abgesehen oder solche nur eingeschränkt geltend gemacht hätten, ist
ebenfalls nicht konkret erkennbar, dass ohne den behaupteten Verfahrensfehler
eine andere Entscheidung getroffen worden wäre. Denn als von der enteig-
nungsrechtlichen Vorwirkung der Planfeststellung Betroffener war der Kläger
nicht auf die Geltendmachung seiner privaten Belange beschränkt, sondern
konnte selbst umfassend Einwendungen gegen die objektive Rechtmäßigkeit
des Planfeststellungsbeschlusses erheben (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG).
Soweit der Kläger rügt, die Bekanntmachung der Planauslegung habe gegen
§ 9 Abs. 1a Nr. 2 und 5 UVPG verstoßen, weil sie keinen Hinweis auf die UVP-
Pflichtigkeit des Vorhabens und die nach § 6 UVPG vorgelegten Unterlagen
enthalten habe, ist gleichfalls nicht ersichtlich, dass sich die geltend gemachten
Rechtsverstöße auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben könnten. Insoweit
besteht allerdings die Besonderheit, dass es sich bei den als verletzt gerügten
Bestimmungen um Regelungen zur Umsetzung von Unionsrecht, nämlich von
Verfahrensvorschriften der Europäischen Richtlinie über die Umweltverträglich-
keitsprüfung (UVP-RL), handelt (Art. 6 Abs. 2 Buchst. b und e UVP-RL). Dieser
europarechtliche Bezug vermag der Anfechtungsklage ebenfalls nicht zum Er-
folg zu verhelfen.
§ 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 UmwRG ist nicht anwendbar. Danach kann ein Privater
die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines dem Recht der
Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegenden Vorhabens verlangen, wenn die
vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung oder die Vorprüfung des Einzel-
falls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt
worden ist. Vorliegend ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt. Fehler bei
der Durchführung dieser Prüfung begründen keinen Verfahrensmangel im Sin-
ne der Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG. Insoweit gilt vielmehr das allgemeine
Verwaltungsverfahrensrecht und damit auch § 46 VwVfG, in dem das Erforder-
nis der Kausalität zwischen Verfahrensfehler und Inhalt der angegriffenen Ent-
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scheidung seine gesetzliche Stütze gefunden hat (vgl. BTDrucks 16/2495
S. 14). Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 UmwRG steht der Geltung des Kausalitäts-
erfordernisses im Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes nicht
entgegen. Danach kann die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nicht
„nur“, sondern (bereits) dann verlangt werden, wenn die in § 4 Abs. 1 UmwRG
genannten Verfahrensverstöße vorliegen, ohne dass es darauf ankommt, ob
sich diese Verstöße auf die Entscheidung ausgewirkt haben. Es handelt sich
also um eine Sonderregelung, die die Relevanz bestimmter Verfahrensverstöße
gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht erweitert und nicht
etwa einschränkt. Gegen diese Annahme spricht nicht, dass nach dem ur-
sprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung die Aufhebung der angefoch-
tenen Entscheidung bei Verletzung aller „wesentlichen“ Verfahrensfehler hätte
verlangt werden können (BTDrucks 16/2495 S. 6). Nachdem der Bundesrat zu-
nächst die Streichung des § 4 UmwRG vorgeschlagen hatte (BRDrucks 552/06
Beschluss), sollte die Vorschrift mit der im weiteren Gesetzgebungsverfahren
dann vorgenommenen Einschränkung des Aufhebungsanspruchs auf die bei-
den ausdrücklich benannten Verfahrensmängel nicht einen gegenüber anderen
Verfahrensfehlern abschließenden Regelungscharakter erhalten, sondern be-
stimmter gefasst werden (vgl. BTDrucks 16/2931 S. 8). Im Übrigen kann nicht
angenommen werden, dass gerade das Umweltrechtsbehelfsgesetz, das der
Umsetzung der Richtlinie über die Beteiligung der Öffentlichkeit (Richtlinie
2003/35/EG) unter anderem mit dem Ziel einer Ergänzung bestehender
Rechtsschutzmöglichkeiten dient (vgl. BTDrucks 16/2495 S. 7), eine Regelung
enthalten sollte, wonach in seinem Anwendungsbereich sämtliche Verfahrens-
fehler - zum Beispiel solche bei der Durchführung der Umweltverträglichkeits-
prüfung - abweichend von § 46 VwVfG auch dann unerheblich sind, wenn sie
das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung beeinflusst haben. Eine solche
Auslegung des § 4 Abs. 1 UmwRG scheidet auch deshalb aus, weil sie dem
unionsrechtlichen Äquivalenzprinzip widersprechen würde (vgl. EuGH, Urteile
vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-312/93 - Slg. 1995, I-4599 Rn. 12 und vom
16. Mai 2000 - Rs. C-78/98 - Slg. 2000, I-3201 Rn. 31).
Der Kläger hat nicht ansatzweise begründet, warum das sonach geltende Kau-
salitätserfordernis im vorliegenden Fall gegen Unionsrecht verstoßen sollte.
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Nach Art. 10a Abs. 3 Satz 1 UVP-RL ist es Sache der Mitgliedstaaten zu be-
stimmen, was als Rechtsverletzung gilt, die nach der vom deutschen Gesetz-
geber in Einklang mit Unionsrecht getroffenen Systementscheidung zugunsten
eines auf subjektiv-öffentliche Rechte beschränkten Rechtsschutzes (Art. 19
Abs. 4 GG; § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) den Zugang zu Gericht
eröffnet und Voraussetzung für den Erfolg der Anfechtungsklage ist. Das inso-
weit für Verfahrensfehler normierte Kausalitätserfordernis (§ 46 VwVfG) wider-
spricht jedenfalls bezogen auf die hier in Rede stehenden Verfahrensverstöße
weder dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht
zu gewähren (Art. 10a Abs. 3 Satz 1 UVP-RL) noch dem unionsrechtlichen Ef-
fektivitätsprinzip. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass auch das Eigenverwal-
tungsrecht der Europäischen Union keine durchgängige Beachtlichkeit von
Form- und Verfahrensfehlern statuiert, sondern in dieser Hinsicht zwischen we-
sentlichen und unwesentlichen Fehlern unterscheidet (Art. 263 Abs. 2 AEUV).
Die hier gerügten Defizite der Bekanntmachung der Planauslegung stellen
keine wesentlichen Verfahrensfehler dar. Sie betreffen bloße Bekanntma-
chungsdetails, von denen die gebotene Anstoßwirkung der Bekanntmachung,
sich am Verfahren zu beteiligen, nicht abhängt. Aus dem Text der von der An-
hörungsbehörde veranlassten Bekanntmachung ergab sich auch ohne diese
Details mit der gebotenen Klarheit, dass die Beteiligung der betroffenen Öffent-
lichkeit die Beteiligung im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung umfass-
te (Nr. 7 des Bekanntmachungstextes) und dass die ausgelegten Planunterla-
gen die Grundlage auch dieser Beteiligung bilden sollten. Unabhängig von den
Detailinformationen nach Maßgabe von § 9 Abs. 1a Nr. 2 und 5 UVPG wurde
damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass für das Vorhaben eine
Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen war und dass die ausgelegten
Unterlagen die für die Umweltverträglichkeitsprüfung wesentlichen Unterlagen
umfassten. Angesichts dessen besteht kein vernünftiger Zweifel, dass die ge-
rügten Mängel nicht den wesentlichen Bekanntmachungsinhalt betrafen und
dass deshalb Unionsrecht nicht gebietet, sie unabhängig von ihrem Einfluss auf
die Sachentscheidung als erheblich zu behandeln.
2. Der Kläger rügt ferner, dass hinsichtlich der vorgesehenen baulichen Eingrif-
fe in die Baggergutdeponie Seehausen und in den Wesergrund keine eigen-
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ständigen abfall- bzw. wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren seitens der
dafür zuständigen Behörden durchgeführt worden sind. Diese Vorgehensweise
ist jedoch nicht zu beanstanden. Die Ausbaggerung des Wesergrundes dient
allein dem Ziel, die Tunnelelemente absenken zu können; das Gewässerbett er-
hält nach Errichtung des Tunnels wieder seinen ursprünglichen Zustand. Die
geringfügige Inanspruchnahme der Baggergutdeponie, die nach unwiderspro-
chenen Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung deren Betrieb
nicht beeinträchtigt, ist durch die Trassenführung der A 281 bedingt. Dasselbe
gilt für die geplante Zwischenlagerung von baubedingtem Aushub. Es handelt
sich um Maßnahmen, die Bestandteil des Vorhabens selbst sind, weil sie sich
unmittelbar auf dessen Verwirklichung richten. Als solche fallen sie ohne Weite-
res in die Kompetenz der fernstraßenrechtlichen Planung.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt es nicht gegen das rechts-
staatliche Gebot fairer Verfahrensgestaltung, dass die Aufgaben des Vorhaben-
trägers sowie der Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde innerhalb dersel-
ben Behörde des zuständigen Senators für Umwelt, Bau und Verkehr wahrge-
nommen werden. Diese Begriffe werden in den einschlägigen Bestimmungen
(vgl. §§ 17a, 17b FStrG; §§ 73, 74 BremVwVfG ; § 33 Abs. 9
BremLStrG) in einem funktionalen Sinne verwendet. Es gibt daher kein gesetz-
liches Verbot, die genannten Aufgaben ein und derselben Behörde zuzuweisen.
Ein solches Verbot kann auch nicht aus rechtsstaatlichen Grundsätzen herge-
leitet werden. Allerdings ist die zu eigener planerischer Gestaltung ermächtigte
Planfeststellungsbehörde zu Unparteilichkeit und innerer Distanz verpflichtet;
sie darf sich keiner Einflussnahme aussetzen, die ihr diese Freiheit faktisch
nimmt oder weitgehend einschränkt. Die fachbezogene Integrität der Planfest-
stellungsbehörde wird jedoch nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass inner-
halb derselben Behörde auch die Aufgabe des Vorhabenträgers wahrgenom-
men wird. Denn diese Behörde hat als Teil der öffentlichen Verwaltung in allen
ihr übertragenen Funktionen dem Gemeinwohl zu dienen, ist an Gesetz und
Recht gebunden und untersteht exekutiver Aufsicht. Angesichts dessen ist eine
neutrale Aufgabenwahrnehmung durch sie als Planfeststellungsbehörde jeden-
falls dann in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise gewähr-
leistet, wenn behördenintern für eine organisatorische und personelle Trennung
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der Aufgabenbereiche gesorgt ist (vgl. Urteile vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A
39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 24 und vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C
13.85 - BVerwGE 75, 214 <230 f.>).
Eine solche Trennung der Aufgabenbereiche ist hier noch hinreichend gewahrt.
Nach dem maßgeblichen Organisationsplan wurden die Aufgaben des Vorha-
benträgers bei Beginn des Planfeststellungsverfahrens durch das Amt für Stra-
ßen und Verkehr als nachgeordnete Dienststelle des Senators für Umwelt, Bau,
Verkehr und Europa und die Aufgaben der Planfeststellungs- sowie der Anhö-
rungsbehörde durch zwei unterschiedliche Referate dieser Abteilung wahrge-
nommen. Die genannten Funktionen waren also auf drei voneinander getrennte
Stellen verteilt, die auch personell unterschiedlich besetzt waren. Daran ändert
nichts, dass seit Änderung der Organisationsstruktur der Abteilung 5 des dama-
ligen Senators für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa mit Wirkung vom 8. Feb-
ruar 2010 eine Stabsstelle des Abteilungsleiters als Vorhabenträger fungiert,
der als solcher unmittelbarer Vorgesetzter des als Planfeststellungsbehörde
tätigen Referates ist. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Konstellation
nicht wesentlich von einer Aufteilung der Funktionen auf verschiedene Abtei-
lungen einer Behörde (vgl. Urteil vom 18. März 2009 a.a.O. Rn. 25). Auch in
jenem Fall ist in Gestalt des Behördenleiters ein unmittelbarer Vorgesetzter vor-
handen.
Die besondere Nähe der als Vorhabenträger bestimmten Stelle zum unmittelba-
ren Vorgesetzten des die Aufgabe der Planfeststellungsbehörde wahrnehmen-
den Referates wäre allerdings bedenklich, wenn der Vorgesetzte durch
fachaufsichtliche Weisungen die Prüfung und Entscheidung der Planfeststel-
lungsbehörde im Kernbereich planerischer Abwägung steuern könnte. We-
sensmerkmal planerischer Abwägung ist die Herstellung eines gerechten Aus-
gleichs zwischen den vom Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belan-
gen. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe setzt Gestaltungsfreiheit sowie innere
Distanz und Neutralität gegenüber allen am Planfeststellungsverfahren Beteilig-
ten voraus (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1986 a.a.O. S. 230 f.). Es mag zwar
sein, dass der rechtsstaatliche Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung gleich-
wohl nicht verbietet, einem Vorhabenträger die Befugnis zur planerischen Ab-
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wägung „in eigener Sache“ einzuräumen, wenn dieser kein privates Unterneh-
men, sondern wie hier Teil der dem Gemeinwohl verpflichteten öffentlichen
Verwaltung ist (vgl. Urteil vom 27. Juli 1990 - BVerwG 4 C 26.87 - Buch-
holz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 18 S. 29 f.; Beschluss vom 24. August 1987
- BVerwG 4 B 129.87 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 12 S. 6 f.). Begrün-
det der Gesetzgeber jedoch eine eigene sachliche Zuständigkeit einer vom
Vorhabenträger organisatorisch und personell zu trennenden Behörde oder
Dienststelle für die Aufgabe der planerischen Abwägung, wie dies im vorliegen-
den Fall nach den genannten Vorschriften geschehen ist, trägt er dem rechts-
politischen Anliegen Rechnung, die für eine sachgerechte Abwägung notwendi-
ge Gestaltungsfreiheit auch innerhalb der öffentlichen Verwaltung verfahrens-
rechtlich zu sichern. Eine entsprechende gesetzliche Aufgabenzuweisung be-
deutet somit, dass die durch Organisationsakt als „Planfeststellungsbehörde“
bestimmte Stelle zur eigenständigen Wahrnehmung planerischer Gestaltungs-
freiheit ermächtigt ist (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1986 a.a.O. S. 232 in Bezug
auf entsprechende rechtsstaatliche Anforderungen bei privaten Unternehmens-
trägern). Diese Befugnis, die den durch Gestaltungsfreiheit geprägten „Kernbe-
reich“ planerischer Abwägung betrifft, darf der als „Planfeststellungsbehörde“
bestimmten Dienststelle oder Behörde auch nicht auf dem Wege fachaufsichtli-
cher Weisungen ganz oder teilweise entzogen werden. Das schließt Weisungen
aus, die darauf abzielen, den Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbe-
hörde einzuschränken, um eigene planerische Vorstellungen durchsetzen zu
können (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1986 a.a.O.).
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die gesetzlich begründete Zuständigkeit
des als Planfeststellungsbehörde bestimmten Referates beim Senator für Um-
welt, Bau und Verkehr zur eigenständigen planerischen Gestaltung verletzt ist.
Seitens dieses Referates wurde die dienstliche Erklärung eingereicht, dass „die
Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange
einschließlich der Umweltverträglichkeitsprüfung ohne Einfluss Dritter durchge-
führt wurde“. Gegenteilige Anhaltspunkte sind nicht zutage getreten. Aus den
vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass gegen den zuständigen Sena-
tor für Umwelt, Bau und Verkehr nicht bereits deshalb die Besorgnis der Befan-
genheit nach § 21 VwVfG besteht, weil er als Behördenleiter sowohl für die
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Aufgabe des Vorhabenträgers als auch der Planfeststellungs- und Anhörungs-
behörde verantwortlich zeichnet. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der
zuständige Senator nach Angaben des Klägers in einem Presseartikel für den
Bau des Projekts ausgesprochen hat. Dieser Umstand gibt für sich genommen
keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Planfeststellungsbehörde ihrer
Pflicht zur Unparteilichkeit und inneren Distanz genügt hat.
4. Zu Unrecht rügt der Kläger, die Begründung des Planfeststellungsbeschlus-
ses zur Auswahl der Tunnelvariante hätte nicht lediglich durch Ergänzungsbe-
schluss vom 7. November 2011, sondern nur auf der Grundlage eines neuen
Planfeststellungsverfahrens geändert werden dürfen.
Mit dem Ergänzungsbeschluss verfolgt die Beklagte neben der Ergänzung des
Planfeststellungsbeschlusses um eine Abweichungsprüfung nach § 34
BNatSchG das Ziel, die Begründung zur Auswahl der Tunnelvarianten im Ver-
hältnis zum Kläger sowie zu den Klägern weiterer Verfahren zu erweitern, ohne
am Vorhaben selbst etwas zu ändern. Ein darauf gerichteter Verfahrensschritt
ist nur ein unselbständiger Abschnitt des einheitlichen Planfeststellungsverfah-
rens, das mit einer erneuten Entscheidung allein gegenüber den Klägern endet.
Er unterliegt nicht den Anforderungen des § 73 Abs. 8 VwVfG, weil der Plan-
feststellungsbeschluss gegenüber allen anderen Betroffenen in seiner ur-
sprünglichen Fassung weiterhin unverändert wirksam bleibt. Daher war insoweit
ein erneutes Auslegungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforder-
lich (vgl. Urteile vom 14. November 2002 - BVerwG 4 A 15.02 - Buchholz 407.4
§ 17 FStrG Nr. 172 S. 140, insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 117, 149 und
vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 <360 f.>).
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es in diesem Zusammenhang
nicht darauf an, ob die der Auswahl der Tunnelvariante zugrunde liegende Ab-
wägung durch die Änderung der Begründung in ihrem Wesen verändert wurde.
Das ist im Übrigen nicht der Fall, so dass die Änderung der Begründung im vor-
liegenden Verfahren berücksichtigt werden konnte (§ 114 Satz 2 VwGO; vgl.
Urteil vom 29. Januar 2001 - BVerwG 11 C 3.00 - Buchholz 401.64 § 6 AbwAG
Nr. 3; stRspr). Im Ergänzungsbeschluss wird nunmehr lediglich der bislang nur
für den Fall einer (teilweisen) privatwirtschaftlichen Finanzierung hervorgeho-
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- 15 -
bene Kostenaspekt auf den - nicht auszuschließenden - Fall einer konventionel-
len Finanzierung des Wesertunnels mit öffentlichen Mitteln übertragen und ge-
wichtet (siehe unten B.5.b) aa).
B. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem materiell-rechtlichen Fehler,
der zum Erfolg der Anfechtungsklage führen könnte.
1. Die Planrechtfertigung ist für das planfestgestellte Vorhaben gegeben. Es ist
im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz i.d.F.
vom 20. Januar 2005 (BGBl I S. 201) - FStrAbG - als Vorhaben des vordringli-
chen Bedarfs enthalten und damit gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG gemessen
an der Zielsetzung des § 1 Abs. 1 FStrG vernünftigerweise geboten. Die ge-
setzliche Feststellung des Bedarfs ist für die Planfeststellung wie auch das ge-
richtliche Verfahren verbindlich (stRspr; vgl. Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG
9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 43). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetz-
geber mit der Bedarfsplanung für den Neubau der A 281 die Grenzen seines
gesetzgeberischen Ermessens überschritten hat, sind weder vom Kläger darge-
tan noch ersichtlich.
Dem Vorhaben fehlt entgegen der Annahme des Klägers die erforderliche
Rechtfertigung auch nicht deshalb, weil es mangels Finanzierung nicht reali-
sierbar ist. Ist das Straßenbauprojekt - wie hier - in die Dringlichkeitsstufe des
„vordringlichen Bedarfs“ eingestuft, kann regelmäßig nicht angenommen wer-
den, dass dessen Finanzierung aus Mitteln des Bundeshaushalts bis zum
Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses ausgeschlossen ist (vgl. Ur-
teile vom 20. Mai 1999 - BVerwG 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG
Nr. 154 S. 32 und vom 15. Januar 2004 - BVerwG 4 A 11.02 - BVerwGE 120,
1 <5>). Die vorgesehene Privatfinanzierung der Weserquerung begründet kei-
nen Ausnahmefall. Aus dem an die Beklagte gerichteten Schreiben des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 20. Juli 2006 („Ge-
sehen-Vermerk“) folgt, dass noch offen ist, ob die Weserquerung als Betreiber-
modell oder konventionell verwirklicht wird. Mit Schreiben vom 12. Oktober
2011 hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aus-
drücklich bestätigt, dass das Vorhaben für den Fall, dass es zu keiner Privatfi-
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- 16 -
nanzierung kommt, wie jede andere Maßnahme des vordringlichen Bedarfs
konventionell finanziert wird.
2. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen das Anpassungsgebot
des § 7 Satz 1 BauGB.
Nach dieser Vorschrift haben öffentliche Planungsträger, die an der Aufstellung
eines Flächennutzungsplans nach § 4 oder § 13 BauGB beteiligt worden sind,
ihre Planungen dem Flächennutzungsplan insoweit anzupassen, als sie diesem
Plan nicht widersprochen haben. § 7 Satz 1 BauGB geht damit über die allge-
meine Pflicht zur Berücksichtigung städtebaulicher Belange bei der fachplaneri-
schen Abwägung hinaus, indem er den Darstellungen des Flächennutzungs-
plans eine ihnen sonst nicht zukommende rechtliche Verbindlichkeit gegenüber
dem öffentlichen Planungsträger für den Fall verleiht, dass dieser dem Flä-
chennutzungsplan trotz ordnungsgemäßer Beteiligung nicht widersprochen hat.
Die Pflicht zur Anpassung der Fachplanung an die einzelnen Darstellungen des
Flächennutzungsplans ist nicht im Sinne einer rechtssatzmäßigen Anwendung
(„Vollzug“) derselben, sondern als planerische Fortentwicklung der im Flächen-
nutzungsplan dargestellten Grundkonzeption der Gemeinde zu verstehen. Mit
dem Begriff des Entwickelns ist eine gewisse Gestaltungsfreiheit verbunden,
soweit die Planung nicht der Grundkonzeption des Flächennutzungsplans wi-
derspricht und sich die Abweichungen vom Flächennutzungsplan aus dem
Übergang in eine stärker verdeutlichende Planstufe rechtfertigen. Für die Be-
urteilung, ob noch ein Entwickeln vorliegt, sind die jeweiligen Umstände des
Einzelfalls maßgeblich (vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 9 A
13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 37 ff. m.w.N.). Gemessen daran ist nicht
erkennbar, dass die angegriffene Planung das Anpassungsgebot verletzt.
a) Der Kläger macht zum einen geltend, dass der Standort des südlich der We-
ser gelegenen Portals des Wesertunnels nach der Darstellung des Flächennut-
zungsplans in erheblicher Entfernung von der Ortslage Seehausen am nördli-
chen Rand der Baggergutdeponie liegen soll. Demgegenüber werde das plan-
festgestellte Tunnelportal rund 800 m weiter nördlich und damit in unmittelbarer
Nähe zu Seehausen errichtet. Diese Abweichung halte sich nicht mehr inner-
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halb des Rahmens, den die Darstellung des Flächennutzungsplans der nach-
folgenden Planung zur Ausfüllung belasse.
Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil nicht festgestellt werden
kann, dass der Flächennutzungsplan der Beklagten eine Darstellung des Tun-
nelportals am nördlichen Rand der Baggergutdeponie enthält. Eine zeichneri-
sche Darstellung dieses Standortes gibt es unstreitig nicht. Für das Vorliegen
einer entsprechenden textlichen Darstellung beruft sich der Kläger auf den Be-
schluss des Senates der Stadt Bremen vom 3. August 1993, den Entwurf zur
14. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadtbürgerschaft zur Beschluss-
fassung zuzuleiten. Diesem Beschluss, welcher der Stadtbürgerschaft beim
Beschluss zur 14. Änderung des Flächennutzungsplans als Drucksache vorge-
legen habe, lasse sich entnehmen, dass der Senat eine Darstellung des Ab-
tauchpunktes der A 281 am nördlichen Rand der Deponie vorschlage. Dement-
sprechend sei die Darstellung von der Stadtbürgerschaft beschlossen worden.
Dies werde insbesondere auch daran deutlich, dass der Senatsbeschluss dem
in der Plankammer verwahrten Originalplandokument beigeheftet worden sei.
Entgegen der Auffassung des Klägers gibt es jedoch keine hinreichenden An-
haltspunkte dafür, dass der Beschluss der Stadtbürgerschaft zur 14. Änderung
des Flächennutzungsplans eine textliche Darstellung des Tunnelstandorts um-
fasst.
Darstellungen des Flächennutzungsplans entfalten Bindungswirkung gegenüber
nachfolgenden Planungen (§ 7 Satz 1, § 8 Abs. 2 BauGB) und gegenüber Vor-
haben im Außenbereich (§ 35 Abs. 3 BauGB). Sie müssen daher so bestimmt
sein, dass sie einen ausreichenden Rahmen für Konkretisierungen bilden kön-
nen. Ferner muss sich klar feststellen lassen, welche Darstellungen beschlos-
sen wurden. Hierfür muss der Flächennutzungsplan selbst einen Anhalt bieten;
auf den Erläuterungsbericht und die Begründung des Plans kann nur zur Ver-
deutlichung einer eindeutig vorhandenen Darstellung zurückgegriffen werden
(vgl. Urteil vom 18. Februar 1994 - BVerwG 4 C 4.92 - BVerwGE 95, 123
<126>). Ausgehend davon fehlt es hier an einer auf den Standort des südlichen
Tunnelportals bezogenen textlichen Darstellung.
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- 18 -
Im Beschlussprotokoll über die Sitzung der Stadtbürgerschaft am 15. Septem-
ber wird lediglich die Tatsache berichtet, dass die 14. Änderung des Flächen-
nutzungsplans beschlossen wurde; Einzelheiten über den Inhalt des Ände-
rungsbeschlusses werden nicht genannt. Der vom Kläger in Bezug genommene
Beschluss des Senats vom 3. August 1993 könnte allenfalls dann, wenn er
einen eindeutigen Entwurf einer textlichen Darstellung des Standortes des Tun-
nelportals enthielte, auf eine entsprechende Beschlussfassung der Stadtbür-
gerschaft schließen lassen. Ein solcher Inhalt ist dem Senatsbeschluss jedoch
nicht zu entnehmen. Darin weist der Senat die Stadtbürgerschaft „zur Stellung-
nahme der Deputation für Stadtentwicklung“ darauf hin, „dass die A 281 nach
der Darstellung des Flächennutzungsplanes am westlichen Rand außerhalb der
geplanten Baggergutdeponie, jedoch z.T. innerhalb des vorhandenen Spülfel-
des geführt werden und am nördlichen Rand abtauchen soll“. Dieser „Hinweis“
ist mehrdeutig. Er kann so verstanden werden, dass er auf eine - offenkundig
nicht vorhandene - Darstellung des Abtauchpunktes der A 281 auf dem Plando-
kument mit den zeichnerischen Darstellungen verweist, also falsch ist. Er kann
außerdem so interpretiert werden, dass sich die Formulierung „nach der Dar-
stellung des Flächennutzungsplanes“ nur auf den Trassenverlauf bezieht und
damit den zeichnerischen Entwurf der Änderungsplanung richtig beschreibt. Die
weitere Aussage zum Standort des Abtauchpunktes der A 281 stellte sich dann
lediglich als politische Absichtserklärung dar. Dass sich der Senat der Stellung-
nahme der Deputation für Stadtentwicklung anschließen und der Stadtbürger-
schaft vorschlagen wollte, eine Darstellung zum Standort des südlichen Tun-
nelportals zu beschließen, stellt daneben nur eine, nach dem Wortlaut des
„Hinweises“ nicht einmal naheliegende Deutungsmöglichkeit dar. Gegen diese
Deutung spricht zudem, dass in diesem Fall gegen die Pflicht zur erneuten Aus-
legung des so geänderten Entwurfs des Flächennutzungsplans verstoßen wor-
den wäre (§ 3 Abs. 3 BauGB a.F.). Ein Indiz gegen eine textliche Darstellung
des Standortes des Tunnelportals stellt ferner der Umstand dar, dass auf dem
Plandokument zur 14. Änderung des Flächennutzungsplans mit den zeichneri-
schen Darstellungen neben der Legende ausdrücklich eine textliche Darstellung
aufgenommen und als solche gekennzeichnet wurde. Dies lässt den Schluss
zu, dass auch eine textliche Darstellung des Abtauchpunktes der A 281 auf
dem Plandokument selbst kenntlich gemacht worden wäre. Somit kann offen
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bleiben, ob der Senatsbeschluss vom 3. August 1993 zunächst mit dem Origi-
nal des Plans mit den zeichnerischen Darstellungen und dem Erläuterungsbe-
richt zu einem Dokument verbunden wurde, was zwischen den Beteiligten strei-
tig ist. Auch wenn dies unterstellt wird, kann aus besagten Gründen nicht mit
der gebotenen Eindeutigkeit festgestellt werden, dass die Stadtbürgerschaft
eine Darstellung des Standortes des Tunnelportals beschlossen hat.
b) Der Kläger sieht das Anpassungsgebot nach § 7 Satz 1 BauGB zum anderen
deshalb verletzt, weil die planfestgestellte Trasse im Bereich nördlich der De-
ponie bzw. des Spülfeldes bis zur Weser um bis zu 200 m von der im Flächen-
nutzungsplan zeichnerisch dargestellten Linienführung nach Osten abweicht.
Eine solche Rechtsverletzung liegt nicht vor. Für diesen Bereich ist keine Kon-
zeption des Flächennutzungsplans erkennbar, die dafür sprechen könnte, dass
die Trassenführung der A 281 exakt vorgegeben werden sollte. Die Darstellung
der Trassenführung knüpft nicht an bereits vorhandene Trennlinien zwischen
Gebieten unterschiedlicher Nutzungsart an, wie dies im Teilabschnitt 2/2 der
A 281 in Gestalt der Neuenlander Straße (vgl. Urteil vom 24. November 2010
a.a.O. Rn. 40) oder auch hier im Übergangsbereich zwischen Deponie und Vo-
gelschutzgebiet der Fall ist, sondern verläuft sozusagen „auf grüner Wiese“. Die
Planung widerspricht auch nicht deshalb einer Konzeption des Flächennut-
zungsplans, weil im Rahmen der 14. Änderung dieses Plans die Darstellung
eines kleinen Wohngebiets in der Ortslage von Seehausen beschlossen wurde,
auf die die Plantrasse zuläuft. Denn auch die im Flächennutzungsplan darge-
stellte Trasse läuft direkt auf die Ortslage von Seehausen zu, und zwar auf
einen Bereich intensiverer Bebauung. Diese Darstellung kann daher nicht als
Ausdruck eines Konzepts zum Schutz der Wohnbevölkerung verstanden wer-
den; auch der Erläuterungsbericht zur 14. Änderung des Flächennutzungsplans
enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Die Plantrasse liegt daher noch innerhalb
des Rahmens, den die „grobmaschige“ Darstellung des Flächennutzungsplans
der nachfolgenden Planung zur Ausfüllung belässt.
3. Der Planfeststellungsbeschluss steht in Einklang mit den Anforderungen der
FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie sowie des diese Richtlinien umset-
zenden nationalen Rechts.
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a) Die auf § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG gestützte Beurteilung der Verträglich-
keit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen des mit Verordnung vom 1. Au-
gust 2006 zum Landschaftsschutzgebiet erklärten Vogelschutzgebiets „Nieder-
vieland“ (Art. 7 FFH-Richtlinie) begegnet keinen Bedenken.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind insoweit keine Ermittlungs- und Be-
wertungsdefizite erkennbar. Die anlage-, betriebs- und baubedingten Beein-
trächtigungen der nach der Verordnung als Brut-, Nahrungs- und Rastgebiete
bestimmter Vogelarten geschützten Lebensräume insbesondere durch optische
Scheucheffekte, Lärmimmissionen und Überbauung wurden eingehend unter-
sucht und bezogen auf die jeweilige Vogelart bewertet. Die Verträglichkeitsprü-
fung gelangt unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Bauabschnitts 3/2
der A 281, einer 380 kV-Freileitung, einer geplanten Wohnbebauung sowie von
Windenergieanlagen in der Stromer Feldmark zum Ergebnis, dass es zwar in
zeitlich oder räumlich eng begrenztem Umfang zu negativen Veränderungen
der Strukturen und Funktionen eines Lebensraums bzw. des Bestands einer Art
kommen könne. Dies stelle jedoch die Verträglichkeit des Vorhabens nicht in
Frage. Denn die Funktionen des Schutzgebiets für die Populationen und Habi-
tate der Arten blieben gewahrt, so dass die Voraussetzungen zur langfristig ge-
sicherten Erhaltung der jeweiligen Art bzw. ihres Lebensraums im Schutzgebiet
weiterhin erfüllt seien. Diese Einschätzung ist weder hinsichtlich des Maßstabes
für die Feststellung der Verträglichkeit eines Vorhabens (vgl. Urteil vom 17. Ja-
nuar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 40 ff.) noch in der Sache
zu beanstanden.
Der Gutachter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung näher darge-
legt, weshalb sicher angenommen werden kann, dass ein günstiger Erhaltungs-
zustand der geschützten Vogelarten trotz Durchführung des Vorhabens stabil
bleiben wird (vgl. Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130,
299 Rn. 94, 132). Danach ist entscheidend, dass für alle von Beeinträchtigun-
gen betroffenen Vogelarten die Möglichkeit besteht, innerhalb des Vogelschutz-
gebiets auszuweichen. Die geschützten Vogelarten (Wiesenvögel) seien nicht
brutplatztreu, könnten also an unbelasteten Standorten Nester bauen. Insoweit
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- 21 -
biete das Vogelschutzgebiet auch ausreichendes Potenzial, zumal die Beein-
trächtigungen nur in seinem Randbereich erfolgten. Dass das Gebiet nicht be-
reits voll besetzt sei, zeigten die Kartierungen aus mehreren Jahren, wonach
die Anzahl von Brutstandorten und der Umfang des Bestandes erheblich
schwankten. Generell sei eine ganz unterschiedliche Siedlungsdichte von Wie-
senvögeln selbst bei Flächen mit vergleichbaren Strukturen festzustellen. Das
Potenzial der Siedlungsgebiete werde von den Wiesenvögeln häufig nicht aus-
geschöpft. Demnach sei es jedenfalls bei Wiesenvögeln nicht sinnvoll, die im
Endbericht zum Teil Fachkonventionen des im Auftrag des Bundesamtes für
Naturschutz durchgeführten Forschungsvorhabens zur Bestimmung der Erheb-
lichkeit im Rahmen der FFH-VP (Schlussstand 2007) vorgeschlagenen Orien-
tierungswerte für den Verlust von Habitatflächen anzuwenden, bei deren Über-
schreiten stets von einer Unverträglichkeit auszugehen sei.
Danach steht die Verträglichkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen des
Vogelschutzgebiets „Niedervieland“ zur Überzeugung des Senats fest. Die An-
nahme, dass Verluste von Habitatflächen nicht ohne Weiteres zu einer Ver-
schlechterung des Erhaltungszustands der geschützten Art führen und daher
die im oben genannten Endbericht zum Teil Fachkonventionen vorgeschlage-
nen Orientierungswerte nur dann Anwendung finden, wenn es um den Schutz
von Lebensraumtypen geht, entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl.
Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 132 f.). Entgegen der Auffassung des Klä-
gers ist auch nicht zu beanstanden, dass die Auswirkungen des geplanten Neu-
baus der teilweise durch das Vogelschutzgebiet führenden Bundesstraße B 212
nicht berücksichtigt wurden. Die Verträglichkeitsprüfung ist nur dann auf andere
Projekte zu erstrecken, wenn deren Auswirkungen und damit das Ausmaß der
Summationswirkung verlässlich absehbar sind; das ist grundsätzlich erst dann
der Fall, wenn die Zulassungsentscheidung erteilt ist (Urteil vom 21. Mai 2008
- BVerwG 9 A 68.07 - Buchholz 406.400 § 34 BNatSchG 2002 Nr. 1 Rn. 21). Da
bisher noch nicht einmal das Planfeststellungsverfahren für den Neubau der
B 212 eingeleitet wurde, fehlt es an der für eine Beurteilung kumulativer Aus-
wirkungen erforderlichen Verfestigung der Planung.
40
- 22 -
Das sonstige Vorbringen des Klägers ist ebenfalls nicht geeignet, die Richtigkeit
der Verträglichkeitsprüfung in Frage zu stellen. Auf seinen Einwand, eine im
Jahre 2000 erstellte Studie habe festgestellt, dass das Vorhaben zu erheblichen
Beeinträchtigungen des Vogelschutzgebiets führen werde, wird im Planfeststel-
lungsbeschluss entgegnet, dass sich bei der nachfolgenden Konkretisierung der
Planung die Trassenführung und die Ausgestaltung des Autobahnabschnitts im
Randbereich zum Vogelschutzgebiet wesentlich geändert hätten. Außerdem
habe eine verlässliche Datengrundlage erst ab dem Jahre 2006 vorgelegen.
Denn in diesem Jahr sei der Pflege- und Managementplan erstellt worden, auf
dessen Grundlage die Schutzgebietsverordnung erlassen worden sei. Diese
Ausführungen hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Zu seiner weiteren
Einwendung, faktisch erstrecke sich das Vogelschutzgebiet auch auf den Be-
reich östlich der Plantrasse, wird im Planfeststellungsbeschluss ausgeführt,
dass die an die Plantrasse angrenzenden Flächen wie etwa die Baggergutde-
ponie, Gewerbeflächen oder das Güterverkehrszentrum nicht die Schutzge-
bietsvoraussetzungen erfüllten; dieser Bereich sei nur mit Blick auf die Vorga-
ben der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung untersucht worden. Auch die-
sen Ausführungen ist der Kläger nicht substantiiert entgegen getreten. Die be-
sonderen Darlegungsanforderungen, denen angesichts des fortgeschrittenen
Standes des Melde- und Gebietsausweisungsverfahrens die Behauptung unter-
liegt, es gebe ein faktisches Vogelschutzgebiet (vgl. Beschluss vom 13. März
2008 - BVerwG 9 VR 9.07 - Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 33 Rn. 16),
sind nicht annähernd gewahrt. Zur Gebietsabgrenzung im Einzelnen hat der
Gutachter der Beklagten im Übrigen nachvollziehbar ausgeführt, der Bö-
schungshang der Deponie sei nicht in das Schutzgebiet einbezogen worden,
weil das dortige Gehölz so hoch wachsen werde, dass es als Brutstandort für
Wiesenvögel ungeeignet sei. Schließlich begründet der Umstand keine ernst-
haften Zweifel an der Richtigkeit der Verträglichkeitsprüfung, dass ein anderer
Gutachter, der im Rahmen der hilfsweise vorgenommenen Ausnahmeprüfung
nach § 34 Abs. 3 BNatSchG tätig war, zu der abweichenden Einschätzung ge-
langt ist, andere Projekte beträfen nicht dieselben Vogelarten wie die A 281, so
dass schon deshalb keine kumulativen Wirkungen entstehen könnten. Denn
diese Aussage weist keinen Bezug zu der für die Verträglichkeitsprüfung maß-
geblichen Feststellung auf, die kumulativen Wirkungen des Vorhabens und an-
41
- 23 -
derer Projekte auf dieselben Vogelarten lägen ihrer Intensität nach unterhalb
der Erheblichkeitsschwelle.
Nach allem kommt es nicht darauf an, ob die im Rahmen des Planergänzungs-
verfahrens hilfsweise durchgeführte Ausnahmeprüfung nach § 34 Abs. 3
BNatSchG den rechtlichen Anforderungen genügt.
b) Ohne Erfolg rügt der Kläger, der Planfeststellungsbeschluss sei mit Blick auf
andere Schutzgebiete im Umfeld des Vorhabens rechtswidrig.
aa) Es ist nicht erkennbar, dass die auf etwaige Beeinträchtigungen des FFH-
Gebiets „Weser zwischen Ochtummündung und Rekum“ bezogene FFH-
Vorprüfung fehlerhaft ist. Insoweit wurde überprüft, ob der Bau des Wesertun-
nels die geschützten Fischarten Meer- und Flussneunauge sowie Finte beein-
trächtigen könne, da durch Tideströmungen Austauschbeziehungen zwischen
dem FFH-Gebiet und dem Standort des Tunnels bestehen könnten. Die Vorprü-
fung gelangt zum Ergebnis, dass die für die Reproduktion der Finte relevanten
Habitate nicht im Bereich der geplanten Querung, sondern weiter stromabwärts
liegen und die Baumaßnahmen keine Störungen dieser Habitate auslösen kön-
nen. Die Passierbarkeit des von den Baumaßnahmen betroffenen Flussab-
schnitts für Meer- und Flussneunaugen bleibe auch während der Bauzeit ge-
wahrt. Diese Untersuchung wird vom Kläger nicht substantiiert angegriffen. So-
weit er meint, die Tideströmung verschärfe entgegen der Annahme der Vorprü-
fung die Problematik einer baubedingten Zunahme der Fließgeschwindigkeit,
geht er nicht auf die Feststellung der Vorprüfung ein, es sei aus zahlreichen
Beobachtungen bekannt, dass ziehende Fische und Neunaugen in Tideflüssen
mit den Gezeiten schwimmen und ggf. Pausen einlegen. Entgegen der Annah-
me des Klägers geht die Vorprüfung durchaus auf die Auswirkungen baube-
dingter Störungen durch Unterwasserschall und Erschütterungen ein. Danach
fällt der damit verbundene zeitweilige geringe Verlust des Bereichs als Nah-
rungsraum für Neunaugen vor dem Hintergrund des verbleibenden Nahrungs-
raums nicht ins Gewicht und sind die Störungen nicht geeignet, die Wanderun-
gen der Neunaugen zu unterbrechen. Hierzu verhält sich der Kläger nicht.
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bb) Hinsichtlich des FFH-Gebiets „Niedervieland - Stromer Feldmark“ rügt der
Kläger das Fehlen einer Verträglichkeitsprüfung. Auch diese Rüge kann der
Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Nach der fachlichen Stellungnahme der Na-
turschutzbehörde vom 14. Dezember 2007 können bau-, anlage- oder betriebs-
bedingte Beeinträchtigungen des Schutzzweckes (Erhalt der Lebensraumfunk-
tion für die Fischart Steinbeißer) aufgrund der erheblichen Entfernung vom
Trassenbereich und der vom Grabensystem des FFH-Gebiets getrennt gehal-
tenen Sammlung und Abführung des Oberflächenabflusswassers der Autobahn
ausgeschlossen werden. Dem hält der Kläger lediglich entgegen, dass eine im
Juni 2000 erstellte Verträglichkeitsstudie angenommen habe, der Bau der
A 281 im Abschnitt 3/2 führe zu erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-
Gebiets. Eine im Jahre 2002 erstellte neue Studie, die zu einem anderen Er-
gebnis gelangt sei, sei nicht ausgelegt worden. Daher sei nicht nachvollziehbar,
weshalb nunmehr hinsichtlich des Bauabschnitts 4 der A 281 keine Verträglich-
keitsprüfung vorgenommen worden sei. Dieses Vorbringen geht fehl. Wenn be-
zogen auf den Bauabschnitt 4 jedwede nachteilige Auswirkungen auf das FFH-
Gebiet „Niedervieland - Stromer Feldmark“ ausgeschlossen werden können, er-
übrigt sich eine Prüfung der Frage, ob es zusammen mit Einwirkungen aus dem
Bauabschnitt 3/2 zu erheblichen Beeinträchtigungen kommen kann.
cc) Ausweislich des Planfeststellungsbeschlusses wird das FFH-Gebiet „Bremi-
sche Ochtum“/Naturschutzgebiet „Ochtumniederung“ durch den Neubau der
A 281 im 4. Bauabschnitt nicht berührt; mögliche Auswirkungen seien nur von
dem im Bau befindlichen Bauabschnitt 3/2 der A 281 zu erwarten. Insoweit be-
schränkt sich der Einwand des Klägers auf die Anmerkung, dass eine Untersu-
chung hätte durchgeführt werden müssen, weil das Vorhaben bis rd. 1,2 km an
das FFH-Gebiet heranreiche. Das genügt nicht, um die naturschutzfachliche
Einschätzung in Frage zu stellen.
dd) Hinsichtlich des Naturschutzgebiets „Ochtumniederung“ macht der Kläger
geltend, hierzu sei lediglich festgestellt worden, dass das Vorhaben ca. 2 km
entfernt sei. Dies greife zu kurz. Jedenfalls hätte erwähnt werden müssen, dass
ein weiterer Abschnitt am Naturschutzgebiet vorbeiführe; entsprechende Unter-
suchungen hätten mit ausgelegt werden müssen. Dieses pauschale Vorbringen
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lässt nicht erkennen, dass naturschutzrechtliche Vorschriften verletzt sein könn-
ten.
4. Der Planfeststellungsbeschluss weist keine artenschutzrechtlichen Mängel
oder Fehler bei der Beurteilung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung
auf, derentwegen der Kläger seine Aufhebung oder die Feststellung seiner
Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen kann.
a) Der Kläger weist darauf hin, dass nach dem Artenschutz-Fachbeitrag Nester
der „Folgenutzer“ Haussperling, Star und Mehlschwalbe zerstört werden. Da
vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen nicht vorgesehen seien, müsse die ökolo-
gische Funktion der Nester durch einen im räumlichen Zusammenhang vorhan-
denen Bestand erfüllt werden. Dies sei nicht erkennbar, so dass das arten-
schutzrechtliche Zerstörungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 bis 3
BNatSchG) verletzt sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Im Artenschutz-
Fachbeitrag wird nachvollziehbar ausgeführt, dass auch diejenigen Vogelarten,
die ihre Nester und Höhlen mehrjährig nutzen, nicht auf eine Wiederverwen-
dung angewiesen sind und daher in den hierfür geeigneten Habitatstrukturen im
Umfeld der geplanten A 281 neue Nester bauen können. Mit dieser natur-
schutzfachlichen Einschätzung setzt sich der Kläger nicht auseinander.
Nach der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten naturschutzfachli-
chen Beurteilung der Fachbehörde vom 12. März 2009 werden die artenschutz-
rechtlichen Verbotstatbestände auch in Bezug auf die „Grüne Mosaikjungfer“
nicht berührt. Mit großer Wahrscheinlichkeit komme diese Libellenart im Tras-
senbereich nicht mehr vor, weil Untersuchungen ergeben hätten, dass es dort
keine für den Erhalt der Population der „Grünen Mosaikjungfer“ zwingend not-
wendigen Bestände der Wasserpflanze „Krebsschere“ mehr gebe. Insoweit
macht der Kläger eine unzureichende Klärung des Sachverhalts geltend, ohne
auch nur ansatzweise darzulegen, weshalb die naturschutzfachliche Einschät-
zung der Fachbehörde keine abschließende Beurteilung des Sachverhalts er-
laubt.
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Auch das weitere auf den Artenschutz bezogene Vorbringen des Klägers ent-
behrt der Substanz. Es wird nicht aufgezeigt, weshalb Ermittlungen dahinge-
hend hätten angestellt werden sollen, ob ein Rastgebiet der Zugvögel und Fle-
dermäuse vorhanden ist, das durch den Bau und Betrieb der Autobahn gestört
werden könnte, und ob auch auf der Südseite der Weser Fledermäuse in grö-
ßerem Umfang vorhanden sind. Davon abgesehen trifft es nicht zu, dass inso-
weit keine Ermittlungen durchgeführt wurden. Soweit der Kläger Hinweise auf
Gefährdungen der Finte durch das Ausbaggern der für den Einbau der Tunnel-
elemente erforderlichen Absenkrinne vermisst, wird auf obige Ausführungen
zum FFH-Schutz verwiesen. Es trifft auch nicht zu, dass Anzahl und Standort
von Vögeln der sog. Roten-Liste-Arten im geplanten Trassenbereich nicht ab-
schließend festgelegt wurden. Dies ist vielmehr eingehend geschehen.
b) Ein Verstoß gegen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung liegt nicht vor.
Der Kläger hat insoweit im Klageverfahren im Wesentlichen nur seine Einwen-
dungen im Anhörungsverfahren wiederholt, ohne sich mit den im Planfeststel-
lungsbeschluss im Einzelnen dargelegten, durchgängig nachvollziehbaren na-
turschutzfachlichen Stellungnahmen der Beklagten hierzu auseinanderzuset-
zen. Es besteht somit kein Anhaltspunkt dafür, dass das Vorhaben die Eingriffs-
regelung verletzt.
5. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet mit Blick auf die Auswahl
der Tunnelvariante Absenktunnel anstelle eines Bohrtunnels an einem offen-
sichtlichen Mangel der nach § 17 Satz 2 FStrG gebotenen Abwägung (a). Das
führt jedoch nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur
Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit. Denn dieser
Mangel hat das Abwägungsergebnis nicht i.S.v. § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG be-
einflusst (b).
a) Der Abwägungsvorgang verläuft stufenweise. Bei der Zusammenstellung des
Abwägungsmaterials müssen alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativ-
lösungen berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in
die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten
öffentlichen und privaten Belange eingehen. Das Abwägungsgebot ist verletzt,
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wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, in die Abwägung nicht
alle Belange eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt
werden mussten oder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder
der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur
objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Urteile vom
14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>, vom 8. Juni
1995 - BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <349 f.> und vom 24. November
2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 56). Gemessen an diesen
Anforderungen des Abwägungsgebots ist die Abwägung zur Auswahl der Tun-
nelvariante mit Fehlern behaftet.
aa) Das gilt entgegen der Auffassung des Klägers allerdings nicht hinsichtlich
des Vergleichs der Kosten der beiden von der Beklagten untersuchten Tunnel-
varianten. Eine fehlerhafte Ermittlung dieser Kosten kann nicht festgestellt wer-
den.
Im maßgeblichen Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses liegt regelmäßig
weder die komplette Ausbauplanung vor noch sind alle Gewerke vergeben. Da-
her müssen der Variantenprüfung Kostenschätzungen mit prognostischem Ge-
halt zugrunde gelegt werden. Eine solche Kostenschätzung kann grundsätzlich
nur dann gerichtlich beanstandet werden, wenn keine geeigneten Erkenntnis-
mittel herangezogen wurden oder die gezogenen Schlüsse nicht nachvollzieh-
bar sind (Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - NVwZ 2011, 1256
Rn. 90). Das ist vorliegend nicht erkennbar. Die Beklagte hat ausweislich des
Planfeststellungsbeschlusses und der Darlegungen in der mündlichen Verhand-
lung die voraussichtlichen Kosten eines Absenktunnels und eines Bohrtunnels
auf der Grundlage von Abrechnungspreisen bzw. in einem Fall von Angebots-
preisen vergleichbarer aktueller Tunnelbauprojekte mit vergleichbaren geologi-
schen Verhältnissen ermittelt. Dieser Ansatz begegnet keinen methodischen
Bedenken (vgl. Urteil vom 3. März 2011 a.a.O.). Die Vergleichspreise wurden
sodann gemittelt und auf die Länge sowie den Durchmesser einer Untertunne-
lung der Weser als Absenk- bzw. als Bohrtunnel übertragen. Dabei war von
einer Vergrößerung des Durchmessers des Bohrtunnels auszugehen, weil die-
ser nach der zwischenzeitlich vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und
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56
- 28 -
Stadtentwicklung erlassenen „Richtlinie für die Ausstattung und den Betrieb von
Straßentunneln, RABT 2003“ mit einem Seitenstreifen zu versehen gewesen
wäre. Zu Unrecht rügt der Kläger, der Übertragung der Vergleichspreise auf die
Ausführung der Weserquerung als Bohrtunnel lägen Rechenfehler zugrunde mit
der Folge, dass die Kosten eines Bohrtunnels deutlich zu hoch angesetzt wor-
den seien. Im Planfeststellungsbeschluss wird hierzu unter anderem ausge-
führt, dass der Kostenanteil für das beim Tunnelvortrieb aufzubrechende Volu-
men im Verhältnis der Vergrößerung der Kreisfläche berücksichtigt wurde. Dies
leuchtet ebenso ein wie die Berücksichtigung des Kostenanteils für die Ausbau-
fläche der Fahrbahn im Verhältnis der unter der Fahrbahn auszufüllenden Flä-
che. Es ist auch ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die Beklagte den Kosten-
anteil für den Randbereich des Bohrtunnels mit Stahlbetontübbingen im Ver-
hältnis des größeren Tunneldurchmessers und der größeren Betonring-
Wandstärke angesetzt hat. Rechenfehler sind auch insoweit nicht erkennbar.
Die vom Kläger in Bezug genommene alternative Berechnung der Kosten eines
Bohrtunnels durch das Büro IMM belegt keine methodischen Mängel der Kos-
tenschätzung der Beklagten. Allein der Umstand, dass die alternative Schät-
zung die Investitionskosten eines Bohrtunnels erheblich geringer angesetzt hat,
gibt hierfür nichts her. Die alternative Kostenberechnung beruht nicht auf der
Heranziehung der Kosten von Vergleichsobjekten, sondern auf einer Kosten-
kalkulation. Es liegt jedoch auf der Hand, dass eine andere methodische He-
rangehensweise zu anderen Ergebnissen führen kann. Auch gibt es keine An-
haltspunkte dafür, dass die alternativ angewandte Methode der Kostenkalkula-
tion den voraussichtlich anfallenden Aufwand für den Bohrtunnel offenkundig
genauer erfasst hat als die von der Beklagten vorgenommene Schätzung an-
hand von Abrechnungspreisen vergleichbarer Objekte. Die Beklagte hat in der
mündlichen Verhandlung dargelegt, dass bei Erlass eines Planfeststellungsbe-
schlusses eine genaue Kalkulation anhand aller wesentlichen Kostenpositionen
noch nicht möglich ist, wie dies etwa das Leistungsverzeichnis der späteren
Ausschreibung des Projekts zulasse. Dementsprechend seien die Kosten bei
der alternativen Schätzung nur sehr grob anhand weniger Positionen kalkuliert
worden. Dies sei nicht genauer als die hier vorgenommene Schätzung unter
Heranziehung der Kosten bereits abgerechneter Vergleichsprojekte, zumal in
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- 29 -
den tatsächlichen Abrechnungspreisen der Vergleichsprojekte bereits der nicht
selten beträchtliche Aufwand aus geologischen Risiken enthalten sei. Diese
nachvollziehbaren Ausführungen hat der Kläger nicht substantiiert in Abrede
gestellt.
Ihm kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als er unter Bezugnahme auf Aus-
führungen in der alternativen Kostenschätzung meint, die erhebliche Differenz
der Preise der Vergleichstunnel Dedesdorf und Herrentunnel zeige die Fehler-
haftigkeit der gewählten Methode. Die Beklagte hat als Grund für diese Kosten-
differenz in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass beim Tunnel Dedes-
dorf die Abrechnungspreise vorgelegen hätten, beim Herrentunnel hingegen nur
die Angebotspreise. Letztere seien regelmäßig - und so auch hier - deutlich ge-
ringer als die tatsächlich abzurechnenden Kosten. Insbesondere werde die Po-
sition für geologische Risiken mit Blick auf die bei Ausschreibungen herrschen-
de Wettbewerbssituation häufig zu niedrig angesetzt. Diese Ausführungen, de-
nen der Kläger nicht widersprochen hat, erscheinen nachvollziehbar. Vor dem
Hintergrund dieser Ausführungen ist entscheidend, dass die voraussichtlichen
Kosten für den Absenktunnel nicht dadurch niedrig gehalten wurden, dass in-
soweit nur die tendenziell geringeren Angebotspreise vergleichbarer Projekte
herangezogen wurden.
Auch im Übrigen begegnet der Kostenvergleich keinen durchgreifenden Beden-
ken. Der Kläger macht geltend, nach einem Gutachten von „agiplan“ zur Bewer-
tung der Folgen eines Baus der A 281 für die Unternehmen nördlich der Weser
entstünden „Entschädigungskosten“ von mehr als 37 Mio. €. Es sei nicht er-
kennbar, in welchem Umfang solche Entschädigungszahlungen in den Kosten-
vergleich eingeflossen seien. Daher bestünden begründete Zweifel, dass der
Absenktunnel, der die Unternehmen deutlich stärker belaste, kostengünstiger
zu realisieren sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Auf Nachfrage des Gerichts
hat die Beklagte ausgeführt, dass die von der betroffenen Firma Arcelor Mittal in
Auftrag gegebene Kostenschätzung von „agiplan“ einen gänzlich anderen An-
satz verfolge als der der Planfeststellung zugrunde liegende Kostenvergleich.
Bei letzterem seien im Hinblick auf die zu treffende Auswahlentscheidung nur
die Kosten berücksichtigt worden, bei denen es Unterschiede zwischen den
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- 30 -
Tunnelvarianten gebe. Demgegenüber enthalte das Gutachten „agiplan“ sämtli-
che Kosten, also auch diejenigen, die bei beiden Varianten gleichermaßen an-
fielen. Der Kläger hat diesem Vorbringen nicht widersprochen. Beim Kostenver-
gleich wurde im Übrigen durchaus berücksichtigt, dass der Absenktunnel bezo-
gen auf die Beeinträchtigung der Unternehmen nördlich der Weser Nachteile
gegenüber dem Bohrtunnel aufweist. Nach der Vergleichsstudie wurden näm-
lich bei den Positionen „Trassenfreimachung“, „Bodenentsorgung“ und „Schutz-
einrichtungen Nordseite“ für den Absenktunnel Mehrkosten von insgesamt
18,5 Mio. € angesetzt. Im Übrigen ist weder substantiiert dargelegt noch sonst
ersichtlich, dass die Kostenschätzungen der Beklagten auf einer unhaltbaren
Methodik oder eindeutig falschen Annahmen beruhen könnten.
bb) Nicht zu beanstanden ist die Abwägung der Tunnelvarianten ferner mit Blick
auf die Berücksichtigung der Belange „Natur und Umwelt“, „Städtebau“, „Tech-
nik“ sowie „Verkehr und Sicherheit“.
Hinsichtlich der Variantenauswahl macht sich der Planfeststellungsbeschluss
ausdrücklich die Ergebnisse der Vergleichsstudie Bohrtunnel - Absenktunnel
von 2004 zu eigen. Im Rahmen dieser Vergleichsstudie wurden die jeweiligen
Auswirkungen der beiden Tunnelvarianten auf die oben genannten Belange
eingehend untersucht und bewertet. Entgegen der Auffassung des Klägers be-
trifft dies auch die unterschiedlichen nachteiligen Auswirkungen der Varianten
auf die Umweltbelange und die jeweils auf die Wohnbebauung einwirkenden
Immissionen (Lärm, Luftschadstoffe, Erschütterungen, Licht). Die Vergleichs-
studie gelangt zum Ergebnis, dass der Bohrtunnel bei diesen Punkten Vorteile
aufweist. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass insoweit Abwä-
gungsdefizite vorliegen könnten. Er rügt ferner, in die Variantenabwägung sei
nicht mit hinreichendem Gewicht zu Lasten des Absenktunnels eingestellt wor-
den, dass dieser im Unterschied zum Bohrtunnel eine weitere Vertiefung der
Weser und damit die Erreichbarkeit der Häfen mit künftig größeren Container-
schiffen endgültig ausschließe. Auch diese Rüge kann nicht durchdringen. Zwi-
schen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Absenktunnel die mittlerweile
planfestgestellte Vertiefung der Weser nicht hindert. Im Übrigen hat die Beklag-
te in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen angegeben, dass der Con-
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- 31 -
tainerumschlag nur in Bremerhaven bzw. Wilhelmshaven erfolgt und seitens der
zuständigen Bundesrepublik Deutschland diesbezüglich keine Änderungen ge-
plant seien.
Zu Unrecht macht der Kläger geltend, zu Lasten des Absenktunnels hätte be-
rücksichtigt werden müssen, dass die Tunneldecke („Zerschellschicht“) bei Not-
ankerwürfen zerstört werden könne. Eine solche Gefahr wurde bereits in der
Vergleichsstudie verneint und darauf verwiesen, dass beide Tunnelvarianten
auf die Belastung eines gesunkenen Schiffes hin ausgelegt sein müssten
(Wracklast). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend darge-
legt, dass die spezielle Ausgestaltung des Bauwerks dieses auch gegenüber
geschleppten Ankern schütze. Die nachvollziehbaren Ausführungen der Beklag-
ten hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Ohne Erfolg trägt er vor, zu-
gunsten des Bohrtunnels hätte berücksichtigt werden müssen, dass ein durch-
gängiger Standstreifen der Verkehrssicherheit besser diene als die beim Ab-
senktunnel vorgesehenen Pannenbuchten. In der Vergleichsstudie wurde die
Verkehrssicherheit unter diesem Aspekt für beide Tunnelvarianten gleich be-
wertet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Standstreifen zwar - im Unter-
schied zu Pannenbuchten - an allen Stellen des Tunnels Möglichkeiten zum
Anhalten böten, dass sie jedoch andererseits wegen ihrer geringen Breite weni-
ger sicher seien als Pannenbuchten. Mit dieser nachvollziehbaren Einschätzung
setzt sich der Kläger nicht auseinander.
cc) Allerdings rügt der Kläger zu Recht, dass die Planfeststellungsbehörde sein
Interesse am Erhalt des in seinem Eigentum stehenden und von ihm bewohn-
ten Gebäudes, dessen Abbruch nur beim Absenktunnel notwendig ist, verkannt
bzw. fehlgewichtet hat.
Der Eigentumsgarantie kommt im Gefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem
Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich
zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Le-
bens zu ermöglichen. Es soll ihm als Grundlage privater Initiative und in eigen-
verantwortlichem privaten Interesse von Nutzen sein und genießt daher einen
besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um die Sicherung der persönlichen
62
63
64
- 32 -
Freiheit des Einzelnen geht (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 1 BvR
242/91, 315/99 - BVerfGE 102, 1 <15> m.w.N.). Danach war mit Rücksicht auf
die enteignungsrechtliche Vorwirkung der fernstraßenrechtlichen Planfeststel-
lung (§ 19 Abs. 2 FStrG) das Bestandsinteresse des Klägers angesichts der
ausgeprägt personalen Funktion des Wohneigentums (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512, 1677/97 - BVerfGE 104, 1 <11> zur baulichen
Nutzung; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 - 1 BvR 208/93 -
BVerfGE 89, 1 <6> zur Wohnungsmiete) mit besonderem Gewicht in die plane-
rische Abwägung einzustellen. Daran fehlt es hier.
Der Planfeststellungsbeschluss vermerkt bei der Alternativenprüfung, dass für
die Herstellung des Absenktunnels sechs Wohngebäude abgerissen werden
müssen. Diesem Umstand wird gegenübergestellt, dass die Ortslage Seehau-
sen auch bei Herstellung eines Bohrtunnels durch Erschütterungen, Setzungen
und Lärm belastet werde; möglicherweise müssten vom Tunnel unterfahrene
Wohngebäude zeitweise geräumt oder kostenaufwändig abgesichert werden.
Diese Bewertung der Eigentumsbelange ist nicht nur deshalb fehlerhaft, weil
eine konkrete Abwägung des Bestandsinteresses der Eigentümer und Bewoh-
ner der abzubrechenden Gebäude mit gegenläufigen, im Falle eines Bohrtun-
nels entstehenden Beeinträchtigungen der Ortslage Seehausen fehlt. Sie ist
vielmehr schon nicht nachvollziehbar. Denn nach den Untersuchungen der Ver-
gleichsstudie, auf die die Planfeststellungsbehörde die Alternativenprüfung aus-
drücklich gestützt hat, sind die genannten Beeinträchtigungen nicht etwa auf
den Bohrtunnel begrenzt, sie sind im Gegenteil bei der Ausführungsvariante
Absenktunnel noch deutlich intensiver. Die bei der Ausführungsvariante Bohr-
tunnel auftretenden Beeinträchtigungen können die Inanspruchnahme der
Wohngebäude daher offenkundig nicht rechtfertigen.
An anderer Stelle des Planfeststellungsbeschlusses wird festgehalten, dass der
Abriss von sechs Wohnhäusern „ein sehr großer Eingriff in die Rechte der Be-
troffenen ist“. Jedoch sei mit diesen Häusern der Eingriffsbereich so weit mini-
miert worden, wie es technisch möglich sei. Darüber hinaus habe der Vorha-
benträger bislang zwei Wohngebäude und außerdem im näheren Umfeld ein
Ersatzgrundstück erwerben können und bemühe sich weiterhin um einen frei-
65
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- 33 -
händigen Erwerb. Der Vorhabenträger habe nachgewiesen, dass die Inan-
spruchnahme dieser sechs Wohngebäude zur Durchführung des Vorhabens
zwingend erforderlich sei. Somit müssten zur Verwirklichung des im überwie-
genden öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens die betroffenen privaten
Belange der Eigentümer zurücktreten. Diese Abwägung der Eigentümerbelange
ist ebenfalls offensichtlich fehlerhaft.
Die Maßnahmen zur Verringerung des Eingriffs (räumliche Begrenzung des
Zugriffs, Versuch freihändigen Erwerbs der benötigten Grundstücke, Bereitstel-
lung von Ersatzgrundstücken) tragen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Rechnung, sie stellen jedoch keine Gemeinwohlbelange dar, die die Inan-
spruchnahme der Grundstücke rechtfertigen könnten. Nicht tragfähig ist auch
die Erwägung, die Eigentümerbelange müssten gegenüber dem überwiegenden
öffentlichen Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens zurücktreten. Un-
streitig könnte die A 281 im 4. Bauabschnitt mit derselben Trassierung ohne
Inanspruchnahme der Wohngebäude gebaut werden, wenn anstelle eines Ab-
senktunnels ein Bohrtunnel errichtet würde. Der Zugriff auf die Wohngebäude
kann daher nur mit einem öffentlichen Interesse an der Ausführung der Weser-
querung gerade als Absenktunnel gerechtfertigt werden. Eine konkrete Abwä-
gung zwischen den gerade für einen Absenktunnel sprechenden Gemeinwohl-
belangen und dem gegenläufigen Interesse am Fortbestand der Wohngebäude
ist jedoch nicht erfolgt. Daran ändert nichts, dass sich die Planfeststellungsbe-
hörde die Vergleichsstudie zu eigen macht, die die Tunnelvarianten nach den
jeweils betroffenen Belangen eingehend untersucht und gewichtet. Denn das
verfassungsrechtlich geschützte konkrete Bestandsinteresse der betroffenen
Eigentümer, das nicht mit dem zu entschädigenden Vermögensverlust gleich-
gesetzt werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -
BVerfGE 58, 300 <323>), hat auch im Rahmen der Vergleichsstudie keine Be-
achtung gefunden.
b) Dieser offensichtliche Abwägungsmangel führt gleichwohl nicht zur Aufhe-
bung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur Feststellung von dessen
Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, weil er auf das Abwägungsergebnis
nicht von Einfluss gewesen ist (§ 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG). Ergebnisrelevanz in
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- 34 -
diesem Sinne liegt vor, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete
Möglichkeit besteht, dass ohne den Abwägungsmangel eine andere Entschei-
dung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Ent-
scheidung genügt nicht (Urteile vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 19.94 -
BVerwGE 100, 370 <379 f.> und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 -
BVerwGE 130, 299 Rn. 163; stRspr). Insoweit ist der Abwägungsvorgang in
allen seinen Phasen in den Blick zu nehmen. Dabei kann die Möglichkeit einer
anderen Entscheidung nur dann verneint werden, wenn der konkret vorliegende
Abwägungsfehler weggedacht werden kann, ohne dass auf einer nachfolgen-
den Stufe der Abwägung ein weiterer Mangel erwächst, auf dem die angegriffe-
ne Entscheidung beruhen kann. Besteht der Abwägungsmangel - wie hier - in
der fehlerhaften Berücksichtigung eines abwägungserheblichen Belangs und
ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, dass die Planfeststellungsbehör-
de ohne diesen Mangel zu einem anderen Abwägungsergebnis gelangt wäre,
ist also zusätzlich zu prüfen, ob die auf der nachfolgenden Stufe gebotene Ab-
wägung im engeren Sinne - das Ins-Verhältnis-Setzen der gegenläufigen Be-
lange - das Abwägungsergebnis auch dann rechtfertigen würde, wenn der auf
der vorhergehenden Stufe unterlaufene Mangel unterblieben wäre. Ausgehend
davon liegt hier kein ergebnisrelevanter Abwägungsmangel vor. Bei realisti-
scher Beurteilung der maßgeblichen Erwägungen der Planfeststellungsbehörde
ist auszuschließen, dass bei zutreffender Berücksichtigung des privaten Inte-
resses am Fortbestand der Wohngebäude die Auswahlentscheidung zugunsten
des Bohrtunnels ausgefallen wäre. Die Auswahl des Absenktunnels lässt auch
bei Berücksichtigung des erheblichen Gewichts des in seiner freiheitssichern-
den Funktion verfassungsrechtlich geschützten Interesses am Bestand der
Wohngebäude keine Fehlgewichtung im Sinne einer Abwägungsdisproportiona-
lität erkennen.
aa) Wie bereits ausgeführt, wurden die Tunnelvarianten im Rahmen einer um-
fangreichen Untersuchung („Vergleichsstudie“) bezogen auf die - als „Zielfel-
der“ - bezeichneten Belange „Verkehr und Sicherheit“, „Technik“, „Wirtschaft-
lichkeit“, „Umwelt und Natur“ sowie „Städtebau“ miteinander verglichen. Die
Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bei Gleichgewichtung aller fünf Zielfelder
mit jeweils 20% sich die Vor- und Nachteile der beiden Tunnelvarianten weitge-
69
- 35 -
hend ausgleichen. Ferner wurde festgestellt, dass bereits bei einer etwas stär-
keren Gewichtung des Zielfeldes „Wirtschaftlichkeit“ sich die Ergebnisse deut-
lich zugunsten des Absenktunnels stabilisieren. Die Gutachter empfahlen da-
her, der weiteren Planung das Bauverfahren Absenktunnel zugrunde zu legen.
Hieran knüpft die Planfeststellung an. Die Planfeststellungsbehörde stellt fest,
dass sich keine Ausschlusskriterien für eine der Varianten ergeben hätten, und
weist darauf hin, dass gerade der Bau eines Tunnels aufgrund der hohen Kos-
ten eine besondere Herausforderung für die Finanzierung darstelle. Ausgehend
davon wird dem Aspekt niedriger Investitions- und Betriebskosten des Tunnels
unabhängig von der Art der Finanzierung grundlegende Bedeutung beigemes-
sen. Im Hinblick auf die in der Vergleichsstudie im Zielfeld „Wirtschaftlichkeit“
ermittelten Mehrkosten eines Bohrtunnels von insgesamt 51 Mio. € (Investi-
tionskosten 26 Mio. €, Betriebskosten für 30 Jahre 25 Mio. €) wird die Variante
Absenktunnel als „alternativlos“ bezeichnet. Im Falle der beabsichtigten privat-
wirtschaftlichen Finanzierung des Wesertunnels müssten die Kosten noch eine
für einen Investor akzeptable Refinanzierung über die Mauteinnahmen zulas-
sen; um dies zu erreichen, sei hier ohnehin bereits eine Anschubfinanzierung
aus öffentlichen Mitteln von 115 Mio. € als erforderlich angesehen worden. Soll-
te die Finanzierung auf konventioneller Grundlage erfolgen, wäre diesem As-
pekt der Wirtschaftlichkeit eine mindestens ebenso große Bedeutung beizu-
messen. Entsprechend dem Gebot einer wirtschaftlichen Verwendung öffentli-
cher Mittel sei bei Vorliegen im Wesentlichen gleicher Alternativen die kosten-
günstigere Variante vorzuziehen. Somit sei die Ausführungsvariante Absenk-
tunnel unabhängig von der Art der Finanzierung alternativlos.
Nach diesen Erwägungen kann nicht zweifelhaft sein, dass die Planfeststel-
lungsbehörde auch bei fehlerfreier Berücksichtigung des privaten Interesses am
Erhalt der Wohngebäude an der Auswahl des Absenktunnels festgehalten hät-
te, zumal der Umstand, dass diese Auswahlentscheidung den Abbruch von
sechs Wohngebäuden zur Folge hat und dies einen schwerwiegende Eingriff in
die Rechte der Betroffenen darstellt, als solcher nicht übersehen wurde. Ge-
stützt wird diese Einschätzung im Übrigen durch den Hinweis im Planfeststel-
lungsbeschluss, dass beim Vergleich Brücke/Tunnel wegen einer deutlich güns-
70
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- 36 -
tigeren „Qualitätsstruktur“ (deutliche Vorteile des Tunnels in allen untersuchten
Zielfeldern außer der „Wirtschaftlichkeit“) dem Tunnel trotz dessen höherer Kos-
ten nur deshalb der Vorzug gegeben worden sei, weil die Differenzen der ge-
schätzten Kosten noch im Rahmen möglicher Schätzfehler gelegen hätten; im
Unterschied dazu sei der Absenktunnel sowohl bei den Investitions- als auch
bei den Betriebskosten erheblich günstiger.
bb) Dass die Planfeststellungsbehörde in Konsequenz ihrer - die Ergebnisse
der Vergleichsstudie einschließenden - Variantenabwägung der kostengünsti-
geren Alternative Absenktunnel auch bei fehlerfreier Berücksichtigung des pri-
vaten Interesses am Fortbestand der Wohngebäude den Vorzug gegeben hät-
te, stellt keine gegen das Abwägungsgebot bzw. das Gemeinwohlerfordernis
nach Art. 14 Abs. 3 GG verstoßende Fehlgewichtung dar.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dem Gebot der sparsamen und wirt-
schaftlichen Mittelverwendung, das in § 7 Abs. 1 BHO seine gesetzliche Aus-
prägung gefunden hat, als eigenständigem öffentlichen Belang in der Abwä-
gung Rechnung zu tragen ist. Je nach den konkreten Umständen des Falles
kann dieser Belang auch das private Interesse überwiegen, von einer Grund-
stücksinanspruchnahme verschont zu bleiben (vgl. Urteile vom 9. November
2000 - BVerwG 4 A 51.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 159 S. 67 und vom
3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - NVwZ 2011, 1256 Rn. 99; Beschluss vom
30. September 1998 - BVerwG 4 VR 9.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 142
S. 291 m.w.N.). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Planfeststellungsbehörde
dem Kostenaspekt wegen der ohnehin hohen Kosten eines Tunnelbaus beson-
deres Gewicht beigemessen hat. Unter anderem wegen der besonderen Kos-
tenintensität solcher Bauwerke (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrPrivFinG) hat
der Gesetzgeber mit dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz die Vo-
raussetzung dafür geschaffen, deren Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung
auf Private übertragen zu können mit der Möglichkeit einer Refinanzierung
durch Mauterhebung (vgl. BTDrucks 12/6884 S. 5 unter Bezugnahme auf die
europarechtlich auf solche kostenintensiven Bauwerke beschränkte Möglichkeit
der gleichzeitigen Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren, vgl. Art. 7
Abs. 2 Richtlinie 2011/76/EU vom 27. September 2011). Wie ausgeführt, durfte
72
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- 37 -
die Planfeststellungsbehörde davon ausgehen, dass ein Bohrtunnel Mehrkosten
von insgesamt 51 Mio. € auslösen würde. Die Vermeidung derart hoher Kosten
stellt mit Blick auf das Gebot einer sparsamen Verwendung von Haushaltsmit-
teln einen öffentlichen Belang von solchem Gewicht dar, dass er das gegenläu-
fige Interesse am Fortbestand der Wohngebäude überwiegen kann, auch wenn
diesem Interesse - wie ausgeführt - ebenfalls beträchtliches Gewicht zukommt.
Das gilt auch dann, wenn sich der Zugriff auf das vom Kläger und seiner Fami-
lie bewohnte Gebäude besonders belastend auswirkt, zumal im Rahmen des
Entschädigungsverfahrens Maßnahmen zur Abmilderung wie der Versuch frei-
händigen Erwerbs oder die Stellung geeigneten Ersatzwohnraums oder geeig-
neter Ersatzgrundstücke zu Gebote stehen. Es kommt auch nicht darauf an, ob
die Finanzierung des Tunnels durch einen privaten Investor oder aus öffentli-
chen Mitteln erfolgt. Sollte der Bund die Entscheidung zugunsten einer privaten
Finanzierung treffen, ist nach den Feststellungen der Planfeststellungsbehörde
bereits beim planfestgestellten Absenktunnel eine Anschubfinanzierung aus
öffentlichen Mitteln in Höhe von 115 Mio. € notwendig, um einem privaten In-
vestor eine akzeptable Refinanzierung durch Mauteinnahmen zu ermöglichen.
Das bedeutet, dass auch die Mehrkosten eines Bohrtunnels zu Lasten der öf-
fentlichen Hand gingen. Sollte der Tunnel in vollem Umfang konventionell finan-
ziert werden, käme dem öffentlichen Interesse, den finanziellen Aufwand für
den Straßenbau gering zu halten, mindestens dasselbe Gewicht zu, weil dann
auch der Anteil der Kosten von der öffentlichen Hand zu tragen ist, der ansons-
ten durch einen privaten Investor finanziert worden wäre.
6. Schließlich sind auch bezogen auf das Vorhaben selbst keine Abwägungs-
mängel erkennbar, die der Anfechtungsklage zum Erfolg verhelfen könnten.
a) Die auf eine unzureichende Berücksichtigung der Immissionen der A 281
bezogenen Rügen können der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die maßge-
benden Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) sowie
der Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft
(22. BImSchV) werden eingehalten. Es kann offen bleiben, ob die Planfeststel-
lungsbehörde hätte überprüfen müssen, ob der Verkehrslärm der A 281 zu-
sammen mit dem etwa von den Industriebetrieben nördlich der Weser verur-
74
75
- 38 -
sachten Lärm die Schwelle der Gesundheitsgefährdung überschreitet. Denn
nach den nunmehr vorgelegten Lärmberechnungen, die nach Darlegung der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung alle wesentlichen Lärmquellen in der
Umgebung des Vorhabens berücksichtigen, wird diese Schwelle bei weitem
nicht erreicht. Die weiteren Rügen zu Lärmeinwirkungen (etwa unzureichender
Schutzeignung durch den Lärmschutzwall, fehlender Berücksichtigung der Ge-
räusche der Tunnelventilatoren) bzw. zur Ermittlung der Luftschadstoffbelas-
tung (unter anderem Windverhältnisse, Abnahme der Hintergrundbelastung)
stellen im Wesentlichen nur eine Wiederholung der bereits im Anhörungsverfah-
ren erhobenen Einwendungen dar, ohne dass eine substantiierte Auseinander-
setzung mit den im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen eingehenden und
durchweg nachvollziehbaren Stellungnahmen hierzu erfolgt. Dasselbe gilt hin-
sichtlich des Klagevorbringens zu den Auswirkungen der Bauarbeiten und des
Bauverkehrs auf die Wohnbevölkerung in der Umgebung des Vorhabens sowie
die behauptete wasserrechtliche Problematik (etwa Schäden infolge eines tun-
nelbedingten Grundwasserstaus, Überschwemmungsrisiko durch zeitweilige
Unterbrechung der Schutzdeiche und durch Wassereintritt in den Tunnel). Das
insgesamt unsubstantiierte Vorbringen des Klägers zu allen diesen Punkten ist
nicht geeignet, die überzeugenden Ausführungen der Beklagten in Frage zu
stellen. Zumindest die immissionsbezogenen Rügen sind im Übrigen auch des-
halb unbeachtlich, weil ihre Richtigkeit unterstellt werden kann, ohne dass sich
dadurch etwas an der Inanspruchnahme des Eigentums des Klägers änderte
(vgl. Urteil vom 5. März 1997 - BVerwG 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123
<129>).
b) Die Einwendungen des Klägers gegen den Planvorbehalt hinsichtlich der
Bewältigung der Gefährdungen der Autobahnnutzer durch den Betrieb der
Schlackenkippe der Firma Arcelor Mittal ist durch die von der Beklagten in der
mündlichen Verhandlung abgegebene Protokollerklärung gegenstandslos ge-
worden. Danach kann - entsprechend der Erklärung des Vorhabenträgers mit
Schreiben vom 4. November 2011 - mit dem Bau des Abschnitts 4 der A 281
nicht begonnen werden, bevor die bauliche Herstellung einer Lawinengalerie
zum Schutz der Autobahnfahrer durch bestandskräftige Zulassung geklärt ist.
Im Übrigen hat der Kläger nicht substantiiert aufgezeigt, weshalb es entgegen
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- 39 -
der Darlegung im Planfeststellungsbeschluss nicht möglich sein sollte, eine La-
winengalerie technisch einwandfrei, ohne zusätzlichen Grunderwerb und mit
wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu bauen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dr. Nolte Domgörgen Buchberger
Dr. Christ Prof. Dr. Korbmacher
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 30 000 €
festgesetzt.
Dr. Nolte Dr. Christ Prof. Dr. Korbmacher
77