Urteil des BVerwG vom 12.01.2005

Stand der Technik, Plangenehmigung, Entlastung, Stadt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 A 25.04
Verkündet
am 12. Januar 2005
Jakob
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r , Prof. Dr. R u b e l ,
Prof. Dr. E i c h b e r g e r und Dr. N o l t e
für Recht erkannt:
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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
G r ü n d e :
I.
Die Kläger wenden sich als Eigentümer des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten
Eckgrundstücks Königsteiner Straße/Karl-Liebknecht-Straße in Pirna gegen eine
Plangenehmigung des Regierungspräsidiums Dresden für den Ausbau der Bundes-
straße 172, der u.a. vorsieht, den Kotenpunkt dieser Bundesstraße mit der Staats-
straße 173 näher an dieses Haus heranzurücken.
Die B 172 verläuft von Bad Schandau entlang der Elbe über Pirna nach Dresden. Im
Zusammenhang mit dem Bau der Autobahn 17 ist im Zuge der B 172 der Neubau
einer Ortsumgehung Pirna geplant, die im Westen an einen neu gebauten Auto-
bahnzubringer (B 172a) anschließt und von dort aus südlich des Stadtgebiets bis an
die alte Trasse der B 172 herangeführt werden soll. Die frühere Ortsdurchfahrt soll
dann zur Staatsstraße abgestuft werden. Zwischen der Sachsenbrücke (B 177) im
Westen und dem Knotenpunkt B 172/S 173 (Breite Straße/Clara-Zetkin-Straße) soll
die Ortsdurchfahrt vierstreifig ausgebaut werden. Um die damit verbundenen Beein-
trächtigungen des innerstädtischen Straßenverkehrs zu reduzieren, wird der Ausbau
in zeitlich versetzten Bauabschnitten verwirklicht. Der hier in Rede stehende Bauab-
schnitt umfasst auf einer Strecke von 280 m die Anpassung der Knotenpunkte
B 172/S 51/S 164 (Königsteiner Straße/Dippoldiswalder Straße/Maxim-Gorki-Straße)
und B 172/S 173 (Königsteiner Straße/Einsteinstraße). Neben der Querschnittser-
weiterung der bisher dreispurigen B 172 unter Einrichtung einer zweiten Fahrspur in
Richtung Bad Schandau soll dabei für die S 173 (Einsteinstraße) das Linksausfahren
ermöglicht werden. Um den entwurftechnisch einwandfreien Knotenpunktabstand
zum Knotenpunkt B 172/S 51/S 164 einzuhalten, soll der Knotenpunkt B 172/S 173
(Königsteiner Straße/Einsteinstraße) zugleich nach Osten verschoben werden, so
dass die S 173 gegenüber dem klägerischen Grundstück rechtwinklig in die B 172
einmündet, ohne dass die Verkehrsführung eine Weiterfahrt über die Karl-Lieb-
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knecht-Straße zulässt, die weiter östlich von Norden her in die B 172 einmündet. Im
Zuge des Ausbaus des Knotenpunkts, der mit einer Fahrbahndeckenerneuerung
einhergeht, soll eine Lichtzeichenanlage eingerichtet werden.
Das Straßenbauamt Dresden gab eine schalltechnische Untersuchung in Auftrag, die
zum Ergebnis hatte, dass die für Mischgebiete geltenden Immissionsgrenzwerte am
Haus der Kläger überschritten sein werden. Die Kläger lehnten es in Verhandlungen
mit dem Straßenbauamt Dresden ab, das von ihnen erbetene Einverständnis zu dem
Vorhaben zu erteilen. Der ihnen angebotene passive Lärmschutz werde die Beein-
trächtigungen der Wohnbedingungen der Mieter nur bedingt ausgleichen, so dass
sich das Leerstandsrisiko erhöhen werde. Durch Lärm und Abgase sei eine wesentli-
che Wertminderung des Grundstücks zu erwarten. Nachteilig wirke insofern auch die
geplante Rodung sämtlicher Straßenbäume, die bisher auf der gegenüberliegenden
Straßenseite gestanden hätten. Eine Erhöhung des Straßenverkehrsaufkommens auf
der Einsteinstraße zur Entlastung der Clara-Zetkin-Straße sei objektiv nicht erfor-
derlich.
Unter dem 1. April 2004 - den Klägern zugestellt am 23. April 2004 - erließ das Re-
gierungspräsidium eine Plangenehmigung für das Vorhaben, die den Klägern für ihr
Wohnhaus die Erstattung der notwendigen Aufwendungen für passiven Lärmschutz
nach Maßgabe der Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung
(24. BImSchV) sowie Geldentschädigung für die Lärmbeeinträchtigung der Außen-
wohnbereiche (zwei Balkone) nach Maßgabe der Verkehrslärmschutzrichtlinien
(VLärmSchR) zubilligt, wobei davon ausgegangen wird, das Gebiet, in dem das Haus
liege, sei als Mischgebiet einzustufen. In der Begründung werden die Variantenaus-
wahl und das Lärmschutzkonzept näher erläutert. Unter dem Gesichtspunkt der
Schadstoffbelastung sei das Vorhaben unbedenklich, weil es den Verkehrsfluss
verbessern und damit zu einer deutlichen Verringerung der Abgasemissionen beitra-
gen werde.
Die Kläger haben am 24. Mai 2004 (einem Montag) die vorliegende Klage erhoben
und gleichzeitig in dem Verfahren BVerwG 9 VR 14.04 einen Aussetzungsantrag ge-
stellt, den der Senat mit Beschluss vom 7. Juli 2004 abgelehnt hat. Nachdem der
Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Plangenehmigung dahingehend abge-
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ändert hat, dass die dort angegebene Gebietsbezeichnung MI (Mischgebiet) durch
WA (allgemeines Wohngebiet) ersetzt wird und die errechneten Pegelüberschreitun-
gen entsprechend angepasst werden, beantragen die Kläger,
die Plangenehmigung vom 1. April 2004 aufzuheben.
Die Kläger tragen im Wesentlichen vor: Die Erwägungen, mit denen die Variante 4
verworfen worden sei, seien weder nachvollziehbar noch überzeugend und könnten
deswegen die Planung nicht abwägungsfehlerfrei erscheinen lassen. Die Schaffung
eines neuen Knotenpunkts im Abstand von nur 140 m zu dem ohnehin hoch belaste-
ten Knotenpunkt B 172/S 51/S 164 habe eine Unterbrechung des Verkehrsflusses
zur Folge, die verkehrsplanerisch nicht sinnvoll sein könne und lediglich dazu führe,
dass die Anlieger zusätzlich mit Lärm und Abgasen belastet würden. Der Ausbau des
Einmündungsbereichs der Einsteinstraße habe eine drastische Erhöhung der
dortigen Verkehrsbelastung zur Folge, wodurch insbesondere die Bewohner des dor-
tigen Altenheims gefährdet würden. Letztlich werde dies verkehrslenkende Maß-
nahmen erzwingen, die den Planungszielen widersprächen. Die angestrebte Entlas-
tung der Clara-Zetkin-Straße stehe im Widerspruch zu der gemeindlichen Verkehrs-
planung. Diese Straße, die durch ein Mischgebiet führe, sei nämlich erst vor kurzer
Zeit dreispurig ausgebaut worden, wobei auch der Kreuzungsbereich derart leis-
tungsfähig ausgestaltet worden sei, dass auf der B 172 keine nachhaltigen Staubil-
dungen zu beobachten seien. Das für die Variante 1 verbleibende Argument sei die
Verbesserung der Querungsmöglichkeit für Fußgänger und Radfahrer. Dies stehe
jedoch ebenfalls im Widerspruch zu der gemeindlichen Verkehrsplanung, weil diese
die Schaffung einer Unter- oder Überführung über die B 172 vorsehe. Zu beanstan-
den sei schließlich die Verkehrsprognose, die der Plangenehmigung zugrunde liege.
Es sei dort für den Ausbauabschnitt ein Rückgang der Verkehrsmenge durch den
Bau der Ortsumgehung Pirna berücksichtigt, obwohl es ungewiss sei, ob diese Orts-
umgehung bis 2015 fertig gestellt sein werde. Der Beklagte räume selbst ein, dass
ohne die Ortsumgehung die Verkehrsmenge auf 39 700 Kfz/24 h anwachsen werde.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er tritt dem Vorbringen der Kläger unter Hinweis auf die Begründung der Plange-
nehmigung entgegen.
II.
Der gegen die Plangenehmigung gerichtete Anfechtungsantrag kann aus den im Se-
natsbeschluss vom 7. Juli 2004 genannten Gründen, auf die zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen wird, keinen Erfolg haben. Der Senat hat dort
auch das Ergebnis der Variantenuntersuchung angesprochen und ausgeführt
(S. 4 f.): Die Kläger müssten sich entgegenhalten lassen, dass die Variantenauswahl
erst dann rechtsfehlerhaft wäre, wenn sich die verworfene Variante 4 der Planungs-
behörde als vorzugswürdig hätte aufdrängen müssen; dafür fehle hier jeder greifbare
Anhaltspunkt. Hieran anknüpfend versuchen die Kläger, Vorzüge der Variante 4 ge-
genüber der genehmigten Variante 1 darzustellen, deren Nachteile nicht hinreichend
gewürdigt worden seien. Die konzeptionellen Überlegungen der Planungsbehörde
halten jedoch auch einer vertieften Überprüfung stand. Die Plangenehmigung beruht
insoweit nicht auf einem erheblichen Abwägungsfehler (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2,
Abs. 6 c Satz 1 FStrG).
1. Die Ermittlung von Planungsalternativen und ihrer Auswirkungen gehört zur
Sammlung des Abwägungsmaterials und bewegt sich insofern auf der Ebene der
Sachverhaltsermittlung. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die Varianten-
auswahl durch ein Ermittlungsdefizit beeinflusst war, weil private oder öffentliche Be-
lange, die sich nach Lage der Dinge der Planungsbehörde als abwägungsbeachtlich
hätten aufdrängen müssen, von ihr übersehen worden sind.
Ein möglicher Fehler in der behördlichen Sachverhaltsermittlung, den die Kläger
schlüssig aufgezeigt haben, lag in der Einstufung des nördlich an die B 172 angren-
zenden Baugebiets als MI-Gebiet, weil dabei der Bebauungsplan Nr. 14 nicht be-
rücksichtigt worden war, der insoweit ein WA-Gebiet festsetzt. Dieser etwaige Fehler
berührt aber allenfalls das behördliche Lärmschutzkonzept, das der Beklagte durch
die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Prozesserklärung unter Berücksich-
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tigung der Gebietseinstufung des Bebauungsplans nachgebessert hat. Die konkrete
Möglichkeit, dass der Beklagte sich gegen die Variante 1 entschieden hätte, wenn er
das nördlich angrenzende Baugebiet von vornherein als allgemeines Wohngebiet
eingestuft hätte, ist nicht erkennbar. Ein greifbarer Einfluss der Gebietseinstufung auf
die Variantenauswahl fehlt, und es hätte sich der Planungsbehörde auch nicht auf-
drängen müssen, ihre Variantenauswahl unter diesem Gesichtspunkt anderweitig
auszurichten.
Soweit die Kläger die Verkehrsprognose beanstanden, die der Plangenehmigung
zugrunde liegt, gelten die vorstehenden Überlegungen entsprechend. Es ist einzu-
räumen, dass es eine ungeklärte Frage darstellt, ob der von dem Planungsträger zu-
lässigerweise gewählte Prognosehorizont (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. März
1996 - BVerwG 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 S. 35 f.) ein
Lärmschutzkonzept rechtfertigen kann, dem aufgrund geplanter Änderungen der
Netzstruktur ein für das Ende des Prognosezeitraums erwarteter Rückgang des Ver-
kehrsaufkommens zugrunde liegt, obwohl in der Zwischenzeit von einem erheblichen
Anstieg des Verkehrs und damit von einer erhöhten Lärmbelastung ausgegangen
werden muss. Diese Frage braucht vom erkennenden Senat im vorliegenden Fall
jedoch nicht beantwortet werden, weil sie nicht das für die Alternativenauswahl be-
achtliche Abwägungsmaterial beeinflussen konnte. Sollte die Planung der Ortsum-
gehung Pirna nicht termingerecht verwirklicht werden, würde sich nämlich keine Al-
ternative zum genehmigten vierstreifigen Ausbau der Ortsdurchfahrt aufdrängen, und
das Gewicht der öffentlichen Belange, die für eine Verschiebung des Knotenpunkts
B 172/S 173 nach Osten sprechen, würde sich keinesfalls verringern.
2. Auch soweit der Variantenauswahl eine Bewertung des Abwägungsmaterials
zugrunde liegt, ist ein erheblicher Abwägungsfehler nicht erkennbar. Die der geneh-
migten Variante 1 von der Planungsbehörde zugeschriebenen Vorteile beruhen nicht
auf einer offensichtlichen Fehlgewichtung.
Die Rechtmäßigkeit einer Planung hängt nicht davon ab, ob auch eine andere Pla-
nung möglich gewesen wäre. Es reicht vielmehr aus, wenn die Planungsbehörde sich
bei der Variantenauswahl mit dem Für und Wider der widerstreitenden Belange
hinreichend auseinander gesetzt hat und tragfähige Gründe für die von ihr gewählte
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Lösung anführen kann (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A
11.03 - NVwZ 2004, 1486 <1490 ff.> = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5
m.w.N.). Das ist hier der Fall. Insbesondere ist unter diesem Aspekt die Verschie-
bung des neuen Knotenpunkts B 172/S 173 nach Osten gerechtfertigt, von dem die
Kläger sich im Wesentlichen negativ betroffen sehen. Aus Gründen der Verkehrssi-
cherheit und im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Straßennetzes ist beim Neu-
bau von Straßen die Einhaltung von bestimmten Knotenpunktabständen Stand der
Technik. Beim Ausbau vorhandener Straßen ist es ebenso wünschenswert, Lösun-
gen zu ermöglichen, die den gängigen Knotenpunktabständen Rechnung tragen;
denn sie gewährleisten, dass - gegebenenfalls unter Koordinierung der Lichtzei-
chenanlagen - die erforderlichen Stauräume und Spurwechsellängen zur Verfügung
stehen. Im vorliegenden Fall war im Bereich der B 172 ein gemeinsamer Knoten-
punkt mit der S 51, der S 164 und der S 173 vorhanden, weil zwischen den ver-
schiedenen Einmündungen der übliche Knotenpunktabstand nicht eingehalten wur-
de. Derart verkehrstechnisch ungünstige Lösungen werden sich innerhalb bebauter
Gebiete nicht immer vermeiden lassen. Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn der
Träger der Straßenbaulast im Zuge eines ohnehin notwendigen Ausbaus eine Tras-
senvariante vorzieht, die den gemeinsamen Knotenpunkt dadurch beseitigt, dass
unter Beachtung der Knotenpunktabstände zwei Knotenpunkte gebildet werden. Der
Beklagte weist mit Recht ferner darauf hin, dass es hier um die regelgerechte Ver-
knüpfung von Hauptverkehrsstraßen mit überregionaler Bedeutung geht, die nach
dem Ergebnis von Verkehrszählungen in Spitzenzeiten so stark belastet sind, dass
vor dem Ausbau die Kapazitätsgrenzen überschritten und Staubildungen zu ver-
zeichnen waren. Die Entflechtung des gemeinsamen Knotenpunkts wirkt zusammen
mit dem vierspurigen Ausbau diesen Kapazitätsengpässen entgegen.
Die angestrebte Steigerung der Leistungsfähigkeit des innerstädtischen Straßennet-
zes wird hier ferner dadurch belegt, dass nunmehr das Linksausfahren aus der Ein-
steinstraße ermöglicht wird. Bei der Variante 4 hätte hierauf - wie auch bisher - aus
einleuchtenden Gründen verzichtet werden müssen. So hatte u.a. die Polizeidirektion
Pirna im Rahmen der Behördenanhörung gegen ein Linksausfahren, das zur Ent-
lastung des Knotenpunkts der B 172 mit der Clara-Zetkin-Straße an sich wünschens-
wert erscheine, Bedenken geäußert, weil bei gleichzeitiger Beibehaltung des zu ge-
ringen Knotenpunktabstands mit erheblichen Verkehrsproblemen zu rechnen sei
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(Schreiben vom 22. Mai 2000, BA I, Unterlage 15.3, Bl. 18). Der Kritik, die seitens
der Kläger an der Entlastung der Clara-Zetkin-Straße mit der Begründung geäußert
wird, diese führe - wie der Flächennutzungsplan ausweist - durch ein Mischgebiet,
während die Einsteinstraße durch ein Wohngebiet verlaufe, ist der Beklagte mit dem
Hinweis entgegengetreten, dass es vorrangig darauf ankomme, einen flüssigen Ver-
kehr auf der B 172 zu gewährleisten und Schleichverkehre im innerstädtischen Be-
reich zu verhindern. Er befindet sich insoweit - entgegen der Ansicht der Kläger - in
Übereinstimmung mit der aktuellen Verkehrsplanung der Stadt Pirna, die in deren
Verkehrsentwicklungsplan Ausdruck gefunden hat. Die Planungsbehörde konnte das
von der Stadt Pirna bereits im Rahmen der Behördenanhörung vorgebrachte Anlie-
gen, den Knotenpunkt der B 172 mit der Clara-Zetkin-Straße zu entlasten (Schreiben
vom 12. Juli 2000, BA I, Unterlage 15.3, Bl. 14), aus diesem Grunde - wie gesche-
hen - als einen öffentlichen Belang von einigem Gewicht werten. Die Besorgnisse,
die von den Klägern im Hinblick auf die Bewohner eines Pflegeheims in der Einstein-
straße geäußert werden, sind nicht substantiiert genug, um unter diesem Aspekt ei-
nen der Variantenauswahl anhaftenden Abwägungsfehler anzunehmen.
Die Kläger berühren einen in der Variantendiskussion eher am Rande liegenden Ge-
sichtspunkt, wenn sie das Planungsziel in Zweifel ziehen, durch die Einrichtung der
neuen Lichtzeichenanlage Vorteile für den Fußgänger- und Radfahrerverkehr zu er-
reichen. Die von den Klägern abgelehnte Verschiebung des Knotenpunkts nach Os-
ten mag nicht allein aus diesem Grunde planerisch gerechtfertigt sein; die bereits
genannten anderen Planungsziele sind insoweit erkennbar von weit größerem Ge-
wicht. Die Einrichtung der Lichtzeichenanlage, die insbesondere notwendig ist, um
ein geordnetes Linksausfahren aus der Einsteinstraße zu ermöglichen, ist erst bei
Einhaltung des regelgerechten Knotenpunktabstandes verkehrstechnisch sinnvoll.
Nur dann ist es durch eine koordinierte Schaltung der benachbarten Lichtzeichenan-
lagen möglich, den Abfluss des Verkehrs so zu regeln, dass Staubildungen in der
Regel auch in Spitzenverkehrszeiten nicht mehr zu erwarten sind. Gleichzeitig bietet
die Einrichtung der neuen Lichtzeichenanlage die Möglichkeit, auf die bedarfsge-
steuerte Fußgängerampel vor der Lessingschule zu verzichten und so bisher unver-
meidliche Störungen des Verkehrsflusses auf der B 172 auszuschalten. Dass die
Stadt Pirna langfristig eine Querung der B 172 mittels einer Unter- oder Überführung
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plant, stellt - entgegen der Ansicht der Kläger - die Vorteile dieser verkehrsplaneri-
schen Lösung nicht ernsthaft in Frage.
Ob das weitere Planungsziel, durch den Ausbau eine Verringerung der Lärm- und
Abgasbelastungen herbeizuführen, gerade auch bezüglich des Anwesens der Kläger
erreicht werden kann, wird von ihnen mit Recht bezweifelt. Wenn zu ihren Lasten
punktuell eine Steigerung der Lärm- und Abgasbelastungen eintreten sollte, ändert
dies jedoch nichts daran, dass der geplante Ausbau dennoch eine geeignete Maß-
nahme darstellt, um durch eine Optimierung des Verkehrsflusses entlang der bisher
besonders belasteten B 172 insgesamt zu einer verbesserten Lärm- und Abgassitua-
tion beizutragen. Auch in dieser Hinsicht ist die Variantenauswahl somit rechtlich un-
angreifbar.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO und § 100
Abs. 1 ZPO.
Dr. Storost
Vallendar
Prof. Dr. Rubel
Prof. Dr. Eichberger
Dr. Nolte
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10 000 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
Die Streitwertfestsetzung für das Klageverfahren folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG
a.F., § 72 Nr. 1 GKG n.F. Sie orientiert sich an der Praxis des Senats, die sich in An-
lehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung
vom Januar 1996 (NVwZ 1996, 563 = DVBl 1996, 605 = GewArch 1996, 462) entwi-
ckelt hat. Danach wird das für die Streitwertbemessung maßgebliche Interesse der
Privaten, die sich gegen Planungen von Verkehrswegen wenden, im Hauptsachever-
fahren in der Regel mit 10 000 € bewertet. Einen Ausnahmefall, der eine höhere
Streitwertfestsetzung rechtfertigen könnte, sieht der Senat vorliegend nicht als gege-
ben an. Er folgt damit nicht der Anregung der klägerischen Prozessbevollmächtigten,
die in ihrem Schriftsatz vom 12. Juli 2004 die Auffassung vertreten haben, der Streit-
wert sei auf 45 000 € festzusetzen. Ihre Argumentation, die immissionsbedingte
Wertminderung des Grundstücks der Kläger sei mit einem Prozentsatz des Ver-
kehrswertes anzusetzen, der nach einer aufwendigen Sanierung des Objektes bei
500 000 € liege, rechtfertigt eine Anhebung des Streitwertes nicht hinreichend. Ei-
nerseits kann es in der Tat vertretbar sein, bei einem vermieteten Mehrfamilienhaus
mit Blick auf seinen Verkehrs- oder Ertragswert einen höheren Streitwert als nur
10 000 € anzusetzen. Angesichts der generell ungünstigen Entwicklung des Immobi-
lienmarkts, der sich speziell in den neuen Bundesländern abzeichnet, ist andererseits
die Angabe, die die klägerischen Anwälte zum Verkehrswert machen, mit einigen
Unsicherheiten behaftet, so dass die Streitwertfestsetzung hieran nicht ohne weitere
Prüfung anknüpfen könnte. Darauf hat der Senat verzichtet, weil nach seiner
Einschätzung eine außerordentlich hohe verkehrsbedingte Vorbelastung des Objek-
tes vorliegt, die bei Verwirklichung der streitigen Straßenplanung nicht derart gestei-
gert wird, dass ein höherer Streitwert als 10 000 € angemessen erschiene.
Dr. Storost
Vallendar
Prof. Dr. Rubel