Urteil des BVerwG vom 26.04.2006

Enteignung, Zwangsversteigerung, Gemeinde, Gebäude

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
BVerwG 8 C 17.05
am 26. April 2006
VG 6 A 1761/97
Ende
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Guttenberger
für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom
2. Dezember 2004 wird geändert.
Der Beklagte wird verpflichtet, festzustellen,
1. dass die Beigeladene die auf sie entfallenen Anteile
der Versteigerungserlöse aus den Teilungsversteige-
rungen der Flurstücke 912/5 und 912/7 der Flur 2 der
Gemarkung P. an den Kläger auszukehren hat,
2. dass der Kläger Berechtigter ist hinsichtlich eines hälf-
tigen Miteigentumsanteils an den Flurstücken 912/4
und 912/6 sowie an Teilflächen von insgesamt 163 m
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der Flurstücke 934/2 und 934/3, jeweils der Flur 2 der
Gemarkung P.
Der Bescheid des Beklagten vom 30. Mai 1996 und der
Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung
offener Vermögensfragen vom 15. August 1997 werden
aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des
Verfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer eigenen
außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
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G r ü n d e :
I
Der Kläger ist Erbe nach seiner 1962 verstorbenen Mutter. Er begehrt die Fest-
stellung, dass die beigeladene Gemeinde verpflichtet ist, einen auf sie entfal-
lenden Anteil des Versteigerungserlöses aus einer Teilungsversteigerung zum
Zweck der Aufhebung der Gemeinschaft am im Tenor 2. Absatz Nr. 1 näher
bezeichneten Grundbesitz an ihn herauszugeben. Er macht ferner die Feststel-
lung seiner Berechtigung an einem hälftigen Miteigentumsanteil an verschiede-
nen Grundstücken geltend, die im Tenor 2. Absatz unter Nr. 2 genannt sind.
Die in P. gelegenen Grundstücke hatten eine Fläche von 770 m
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bzw. 3 060 m
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und gehörten der Mutter des Klägers und deren Schwester je zur Hälfte. Die
Schwester hat 1952 ohne Ausreisegenehmigung die DDR verlassen. Ihr Anteil
wurde mit Wirkung zum 8. April 1954 in Volkseigentum überführt; Rechtsträger
wurde der Rat der Gemeinde P.
Die Mutter des Klägers wohnte seit Kriegsende in Berlin. Ihr Anteil wurde staat-
lich verwaltet, ausgeübt durch den Rat der Gemeinde P. Im Jahr 1977 wurde ihr
Miteigentumsanteil vom Rat des Kreises auf der Grundlage des Aufbauge-
setzes vom 6. September 1950 und der Zweiten Durchführungsbestimmung
zum Aufbaugesetz vom 29. September 1972 in Anspruch genommen. Voraus-
gegangen war eine Vorlage des Rates der Gemeinde P., in der auf die Durch-
führung von Baumaßnahmen im Wert von ca. 120 000 Mark hingewiesen wor-
den war, die eine Klärung der Eigentumsverhältnisse erforderlich mache. Als
Entschädigung wurde ein Betrag i.H.v. 13 667 Mark festgesetzt.
Die Grundstücke wurden in der folgenden Zeit neu vermessen. Rechtsträger
wurden 1984 das ehemalige VEG Z., die Konsumgenossenschaft und der Rat
der Gemeinde P.
Aufgrund Zuordnungsbescheids der Oberfinanzdirektion R. vom 3. September
1992 wurde die Bundesrepublik Deutschland für das Grundstück 912/2 mit
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756 m
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Eigentümerin; das Flurstück 912/1 mit 2 515 m
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wurde Eigentum der
Gemeinde P.
Das ursprüngliche Flurstück Nr. 912 war mit einem zweigeschossigen Gebäude
mit Anbauten und Schuppen bebaut. Bis Kriegsende diente es als Pensionsbe-
trieb und danach zur Flüchtlingsunterbringung. Seit April 1953 wurde es als
Grundschule, später als zentrale Schulwerkstatt mit polytechnischem Unterricht
genutzt. Von 1984 bis 1989 sollen Baumaßnahmen i.H.v. 200 000 Mark vom
VEG Z. durchgeführt worden sein, um es als Polytechnisches Zentrum nutzen
zu können.
Am 18. Februar 1990 beantragte der Kläger die Rückgabe der Grundstücke. Mit
Bescheid vom 30. Mai 1996 wurde der Antrag abgelehnt. Es sei nicht ent-
schädigungslos enteignet worden. Die Tatbestände nach § 1 Abs. 2 und 3
VermG lägen nicht vor. Der Widerspruch dagegen wurde mit Widerspruchsbe-
scheid vom 15. August 1997 zurückgewiesen.
Der andere hälftige Miteigentumsanteil wurde mit Bescheiden vom 3. Juli bzw.
18. November 1996 an die Rechtsnachfolger der Erblasserin rückübertragen
bzw. deren Berechtigung nach dem Vermögensgesetz festgestellt.
Das Verwaltungsgericht Greifswald hat die Klage des Klägers auf Rückgabe
eines Miteigentumsanteils von 1/2 an den Grundstücken mit Urteil vom 22. Mai
2001 abgewiesen. Dieses Urteil wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungs-
gerichts vom 18. Dezember 2001 aufgehoben. Das Verwaltungsgericht habe
den Tatbestand des § 1 Abs. 2 VermG nicht aufgeklärt.
Mit Urteil vom 19. Dezember 2002 hat das Verwaltungsgericht die Klage erneut
abgewiesen. Die erzielten Einnahmen aus der Vermietung seien kostendeckend
gewesen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG liege nicht vor. Mit Beschluss
vom 13. August 2003 hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil aufgehoben.
Das Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler. Das Verwaltungsgericht habe
nicht aufgeklärt, ob der errechnete Überschuss der Einnahmen über die
Ausgaben ausgereicht hätte, durch Bildung von Rücklagen oder durch
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Finanzierung eines Kredits die Kosten für umfangreichere Instandsetzungen zu
bezahlen.
Mit Schriftsatz vom 30. April 2004 teilten die Bevollmächtigten des Klägers mit,
dass die Flurstücke Nr. 912/4, 912/5, 912/6 und 912/7 zwangsversteigert wor-
den seien. Die Anträge wurden entsprechend umgestellt.
Mit Urteil vom 2. Dezember 2004 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit dem
Antrag, den Beklagten zu verurteilen festzustellen, dass die Beigeladene zur
Auskehr des anteiligen Erlöses aus der Versteigerung der Flurstücke Nr. 912/4,
912/5, 912/6 und 912/7 verpflichtet ist, sowie einen hälftigen Miteigentumsanteil
an einer Teilfläche von 163 m² der Flurstücke Nr. 934/2 und 934/3 an den Klä-
ger zurückzuübertragen, abgewiesen. Die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2
VermG lägen nicht vor. Die Überschuldung des Objekts habe wegen des hohen
Instandsetzungsbedarfs zwar unmittelbar bevorgestanden. Sie habe auch auf
nicht kostendeckenden Mieten beruht. Dem Kläger sei allerdings der Beweis
nicht gelungen, dass diese Überschuldung wesentliche Ursache für die Inan-
spruchnahme des Miteigentumsanteils gewesen sei. Der Kläger könne sich
nicht auf die Vermutung berufen, dass eine dauerhafte Überschuldung wesent-
liches Motiv für die Enteignung nach dem Aufbaugesetz gewesen sei. Das
Bundesverwaltungsgericht habe die Vermutung nur für den Fall der Eigentums-
aufgabe durch den früheren Eigentümer angenommen und für den Fall der Ent-
eignung die Frage bisher nicht beantwortet. Eine Vermutung greife insoweit
nicht ein, weil die Motivationslage bei der Enteignung eine andere als bei der
Eigentumsaufgabe sei. In Enteignungsfällen nach der Zweiten Durchführungs-
bestimmung zum Aufbaugesetz spreche der Beweis des ersten Anscheins le-
diglich für eine eingetretene Überschuldung. Damit einhergehend sei nicht
zwingend, die Kausalität zwischen Überschuldung und Enteignung anzuneh-
men. Aus den gesamten Altunterlagen sei nicht erkennbar, dass die Finanzlage
zu irgendeinem Zeitpunkt für die Entscheidung über die Inanspruchnahme eine
Rolle gespielt habe. Der streitgegenständliche Anteil sei auch nicht aufgrund
einer unlauteren Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG entzogen wor-
den.
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Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts
Greifswald vom 2. Dezember 2004 den Beklagten zu ver-
pflichten, festzustellen,
1. dass die Beigeladene die auf sie entfallenen Anteile
der Versteigerungserlöse aus den Teilungsversteige-
rungen der Flurstücke 912/5 und 912/7 der Flur 2 der
Gemarkung P. an den Kläger auszukehren hat,
2. dass der Kläger Berechtigter ist hinsichtlich eines hälf-
tigen Miteigentumsanteils an den Flurstücken 912/4
und 912/6 sowie an Teilflächen von insgesamt 163 m
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der Flurstücke 934/2 und 934/3, jeweils der Flur 2 der
Gemarkung P.,
und den Bescheid des Beklagten vom 30. Mai 1996 und
den Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Rege-
lung offener Vermögensfragen vom 15. August 1997 auf-
zuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
Die Revision macht die Verletzung materiellen Rechts geltend.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
II
Die Revision hat Erfolg. Das angefochtene Urteil verstößt dadurch gegen § 1
Abs. 2 VermG, dass es zu hohe Anforderungen an die Kausalität der festge-
stellten Überschuldung für die Enteignung des Miteigentumsanteils an dem
Grundstück gestellt und deshalb zu Unrecht den Kausalzusammenhang ver-
neint hat. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts ermöglichen es dem Se-
nat, in der Sache selbst zu entscheiden (1.). Der Kläger hat einen Anspruch auf
die Anteile der Versteigerungserlöse aus der Teilungsversteigerung der Flur-
stücke 912/5 und 912/7 der Flur 2 der Gemarkung P., die auf die Beigeladene
entfallen sind. Diesem Anspruch steht kein Ausschlussgrund entgegen. Der
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Kläger ist hinsichtlich eines hälftigen Miteigentumsanteils an den Flurstücken
912/4 und 912/6 sowie Teilflächen von insgesamt 163 m
2
der Flurstücke 934/2
und 934/3, jeweils der Flur 2 der Gemarkung P., Berechtigter (2.).
1. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG sind erfüllt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der
Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG dreierlei voraus: Erstens müssen
für das bebaute Grundstück oder Gebäude in der Zeit vor dem Eigentums-
verlust nicht kostendeckende Mieten erzielt worden sein. Diese Kostenunterde-
ckung muss Zweitens zu einer bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorste-
henden Überschuldung geführt haben. Drittens muss die Überschuldung we-
sentliche Ursache für den Eigentumsverlust gewesen sein (Urteile vom 24. Juni
1993 - BVerwG 7 C 27.92 - BVerwGE 94, 16 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 4
S. 5 <8>, vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 - BVerwGE 98, 87 =
Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39 S. 86 <88>, vom 11. Februar 1999 - BVerwG
7 C 4.98 - BVerwGE 108, 281 = Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1 S. 1 <2>
und vom 2. Februar 2000 - BVerwG 8 C 25.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2
VermG Nr. 7 S. 14 <17>; Beschlüsse vom 1. April 1993 - BVerwG 7 B 186.92 -
Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 2 und vom 15. November 1999 - BVerwG 8 B
164.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 4). Zwischen den nicht kostende-
ckenden Mieten und der Überschuldung muss ebenso wie zwischen der Über-
schuldung und dem Eigentumsverlust eine ursächliche Beziehung bestehen.
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwal-
tungsgerichts stand zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Miteigentumsan-
teils der Rechtsvorgängerin des Klägers eine Überschuldung des Grundstücks
unmittelbar bevor und beruhte diese auf nicht kostendeckenden Mieten. Entge-
gen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war die Überschuldung des
Grundstücks auch ursächlich für die Enteignung des Miteigentumsanteils.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ursächlichkeit der Überschuldung für die
Enteignung zu vermuten ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine solche
Vermutung anerkannt, wenn der Eigentümer sein Eigentum an dem Grundstück
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aufgegeben hat. Dies ist damit begründet worden, dass sich die bestehende
ökonomische Bedrängnis im Fall der Überschuldung regelmäßig zu einer
Zwangslage verdichtet, ihm also keine andere Wahl als die Eigentumsaufgabe
gelassen hat (Urteil vom 16. März 1995 a.a.O. S. 88 f. und 97). Das Bundes-
verwaltungsgericht hat bisher die Frage, ob auch im Falle einer Enteignung von
einer vermuteten Kausalität zwischen Überschuldung und Enteignung auszu-
gehen ist, offen gelassen (Urteil vom 30. Mai 1996 - BVerwG 7 C 49.95 -
Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 79 S. 231 <235>; Beschlüsse vom 1. September
1998 - BVerwG 7 B 167.98 - und vom 13. August 2003 - BVerwG 7 B 24.03 -
juris).
Einer Klärung dieser Frage bedarf es auch im vorliegenden Verfahren nicht,
weil bereits aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts
die Ursächlichkeit zu bejahen ist. Für den Ursachenzusammenhang zwischen
Überschuldung und Enteignung ist nicht erforderlich, dass die Finanzlage des
Grundstücks ausdrücklich als Ursache der Enteignung benannt worden ist.
Ausreichend ist vielmehr, dass bei Feststellung der Überschuldung des Grund-
stücks wegen eines unaufschiebbaren Instandsetzungsbedarfs die Enteignung
vorgenommen wurde, um diesen Instandsetzungsbedarf zu decken. Dieser Zu-
sammenhang war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts gegeben.
Danach waren erhebliche Investitionen erforderlich, um das Gebäude weiterhin
als Polytechnisches Zentrum nutzen zu können. Ein anderes Ziel, als mit Hilfe
der Enteignung das Gebäude wieder in einen als Schulgebäude nutzbaren Zu-
stand zu versetzen, bestand nicht. Die „Klärung der Eigentumslage“ sollte erfol-
gen, um die Investitionen durchführen zu können. Sie war auch nicht ein eigen-
ständiger neuer Zweck, sondern Voraussetzung dafür, dass staatliche Mittel für
die Instandsetzung eingesetzt werden konnten. Dies ergibt sich insbesondere
aus § 14 des Aufbaugesetzes und § 3 der Zweiten Durchführungsbestimmung
zum Aufbaugesetz, auf die die Enteignung gestützt worden war. § 3 der Zwei-
ten Durchführungsbestimmung hatte u.a. gerade zur Voraussetzung, dass der
Eigentümer des Grundstücks nicht in der Lage war, die notwendigen Maßnah-
men durchführen zu lassen. Diese Voraussetzung war erfüllt. Nach den Fest-
stellungen des Verwaltungsgerichts ließ der damalige Zeitwert des Grundstücks
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eine Finanzierung der Instandsetzung durch Kredite, die durch Aufbauhypothe-
ken hätten gesichert werden können, nicht mehr zu.
2. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Anteile der Versteigerungserlöse aus
den Teilungsversteigerungen der Flurstücke 912/5 und 912/7 der Flur 2 der Ge-
markung P., die auf die Beigeladene entfallen sind, § 3b Abs. 4 Satz 1 VermG.
Danach kann der Berechtigte vom Verfügungsberechtigten die Zahlung eines
Geldbetrages in Höhe des Versteigerungserlöses verlangen, wenn die
Rückübertragung eines Grundstücks oder Gebäudes nicht mehr möglich ist,
weil es im Wege der Zwangsversteigerung veräußert worden ist. Die Zahlung
steht dem Erlös aus einer Veräußerung des Grundstücks gleich, § 3b Abs. 4
Satz 3 VermG. Der Kläger ist Berechtigter im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG, weil
der Schädigungstatbestand gemäß § 1 Abs. 2 VermG gegeben ist. Die umstrit-
tenen Grundstücke wurden im Rahmen einer Zwangsversteigerung zum Zwe-
cke der Aufhebung der Gemeinschaft (Teilungsversteigerung) zwei Privatper-
sonen in Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugeschlagen.
Diesem Anspruch steht auch der allein in Betracht kommende Ausschlussgrund
des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG nicht entgegen. Aus dem Wortlaut des § 3b
Abs. 4 Satz 1 VermG folgt, dass bis zur Zwangsversteigerung ein Rückübertra-
gungsanspruch bestanden haben muss, d.h. die Rückübertragung darf nicht
aus einem anderen Grund ausgeschlossen gewesen sein (Urteil vom 15. No-
vember 2000 - BVerwG 8 C 27.99 - Buchholz 428 § 3b VermG Nr. 4 S. 1 <4>).
Der Restitutionsausschluss ist vergangenheitsorientiert und daher schützen alle
Restitutionsausschlussgründe nur die bisherige Zweckbestimmung des Grund-
stücks (Urteil vom 22. April 2004 - BVerwG 7 C 15.03 - Buchholz 428 § 5
VermG Nr. 41 S. 67 <72>). § 3b Abs. 4 Satz 1 VermG erfasst auch die Fallges-
taltung, dass ein bis dahin bestehender Ausschlussgrund im Zusammenhang
mit der Versteigerung wegfällt. In diesem Fall ist - wie es § 3 Abs. 4 Satz 1
VermG voraussetzt - die Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung der
Grund dafür, dass die Rückübertragung des Grundstücks - hier: des Miteigen-
tums - nicht mehr möglich ist (vgl. Urteil vom 11. April 2002 - BVerwG 7 C
20.01 - Buchholz 428.1 § 16 InVorG Nr. 7 S. 7 zu der entsprechenden Rechts-
lage bei § 16 InVorG). Das Polytechnische Zentrum wurde nach dem festge-
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stellten Sachverhalt im Zusammenhang mit der Zwangsversteigerung abgeris-
sen. Damit war die bisherige Zweckbestimmung aufgegeben worden und ein
eventuell gegebener Ausschlussgrund ist spätestens mit der Zwangsversteige-
rung entfallen.
Der Kläger ist hinsichtlich eines hälftigen Miteigentumsanteils an den Flurstü-
cken 912/4 und 912/6 sowie an Teilflächen von insgesamt 163 m
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der Flurstü-
cke 934/2 und 934/3, jeweils der Flur 2 der Gemarkung P., Berechtigter im Sin-
ne von § 2 Abs. 1 VermG, weil er Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter
ist, deren Vermögenswert im Sinne vom § 1 Abs. 2 VermG geschädigt worden
ist. Einer Klärung der Frage, ob insoweit Ausschlussgründe bestehen, bedurfte
es nicht. Der Kläger hat für die genannten Flurstücke lediglich die Feststellung
seiner Berechtigung beantragt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Die Tatsache, dass der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag bezüglich der
Flurstücksnummern 912/4 und 912/6 sowie an Teilflächen von insgesamt
163 m
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der Flurstücke 934/2 und 934/3, jeweils der Flur 2 der Gemarkung P.,
wegen eines möglicherweise bestehenden Ausschlussgrundes gemäß § 5
Abs. 1 Buchst. b VermG reduziert und auf eine Feststellung seiner Berechti-
gung umgestellt hat, wirkt sich kostenmäßig nicht aus, weil es sich hierbei um
Teilflächen von 3 m
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(Flurstück Nr. 912/6), 189 m
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(Flurstück Nr. 912/4) und
163 m
2
(aus den Flurstücken 934/2 und 934/3 herauszuvermessen) handelt, die
im Vergleich zum bisherigen Begehren auf Rückübertragung bzw. Erlösauskehr
kostenmäßig unerheblich zu Buche schlagen.
Gödel Dr. Pagenkopf Golze
Dr. Hauser Guttenberger
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf
95 618,38 € festgesetzt.
Gödel Dr. Pagenkopf Golze
Dr. Hauser Guttenberger
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Vermögensrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
VermG
§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1, § 3b Abs. 4, § 5 Abs. 1
AufbauG (DDR)
§ 14
Stichworte:
Versteigerungserlös; nicht kostendeckende Mieten; Überschuldung; Enteig-
nung; Kausalität; Restitutionsausschluss; Zwangsversteigerung; Zweckbestim-
mung.
Leitsatz:
Für den von § 1 Abs. 2 VermG vorausgesetzten Ursachenzusammenhang zwi-
schen der Überschuldung des Grundstücks und der Enteignung ist es nicht er-
forderlich, dass die Finanzlage des Grundstücks von den Behörden ausdrück-
lich als Ursache der Enteignung benannt wurde. Ausreichend ist vielmehr, dass
bei Feststellung der Überschuldung des Grundstücks wegen eines unauf-
schiebbaren Instandsetzungsbedarfs die Enteignung vorgenommen wurde, um
diesen Instandsetzungsbedarf zu decken und das Gebäude wieder in einen
nutzbaren Zustand zu versetzen.
Wird die bisherige Zweckbestimmung eines Grundstücks (Polytechnisches
Zentrum) im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung aufgegeben, entfällt
der Restitutionsausschluss nach § 5 Abs. 1 VermG (in Fortführung des Urteils
vom 22. April 2004 - BVerwG 7 C 15.03 -).
Urteil des 8. Senats vom 26. April 2006 - BVerwG 8 C 17.05
I. VG Greifswald vom 02.12.2004 - Az.: VG 6 A 1761/97 -