Urteil des BVerwG vom 08.10.2014

Entschädigung, Verzicht, DDR, Eigentum

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 8 B 61.14
VG 6 K 519/12 Ge
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Oktober 2014
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung
vom 8. Mai 2014 ergangenen Urteil des Verwaltungsge-
richts Gera wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beige-
ladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25 564,59 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beteiligten streiten um die Erlösauskehr aus dem Verkauf eines Mietwohn-
grundstücks, das ursprünglich im Eigentum der Rechtsvorgänger des Beigela-
denen stand. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 29. Juli 2011 unter anderem
festgestellt, dass der Beigeladene Berechtigter bezüglich des strittigen Grund-
stücks sei, die Rückübertragung wegen der Veräußerung ausgeschlossen ist
und ihm daher ein Anspruch auf den Veräußerungserlös aus dem Kaufvertrag
vom 12. April 2000 zusteht. Nach Durchführung eines erfolglosen Wider-
spruchsverfahrens hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 29. Juli 2011 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides geklagt. Das Verwaltungsgericht hat die
Klage unter Nichtzulassung der Revision abgewiesen. Dagegen wendet sich die
Klägerin mit ihrer Beschwerde.
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Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzli-
cher Bedeutung zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für
die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen
Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts
revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchst-
richterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen
Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die
allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl.
Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26). Ist ein Urteil auf mehrere selbstständig tragende Gründe
gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der
Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr;
vgl. Beschluss vom 1. August 2011 - BVerwG 7 BN 2.11 - juris Rn. 4). Diese
Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Die Frage,
„erfasst der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG
auch solche Enteignungen nach dem Baulandgesetz, bei
denen die Entschädigung zwar nach der Preisverfügung
3/82 festgesetzt wurde, diese aber tatsächlich nicht gerin-
ger als die in der DDR übliche Entschädigung ausfiel“,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht als entscheidungserhebliche
Rechtsfrage stellen, weil die Beschwerde insoweit einen Sachverhalt unterstellt,
den das Verwaltungsgericht so nicht festgestellt hat, wogegen die Beschwerde
keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben hat. Der Senat ist insoweit ge-
bunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).
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Nach der vom Verwaltungsgericht ausdrücklich zitierten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts erfasst § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG nur solche Ent-
eignungen, bei denen in bewusster Abkehr von den ansonsten für Bürger der
DDR geltenden einschlägigen Vorschriften Entschädigungsbestimmungen an-
gewendet wurden, die den diskriminierenden Zugriff auf das Eigentum erleich-
tern sollten. Dies ist insbesondere der Fall bei Enteignungen, für die die Ent-
schädigung nach Maßgabe der Ministerratsbeschlüsse vom 23. Dezember
1976 und vom 28. Juli 1977 sowie der Preisverfügung 3/82 festgesetzt wurde
(Beschluss vom 9. April 2003 - BVerwG 8 B 3.03 - juris Rn. 5). § 1 Abs. 1
Buchst. b VermG erfasst demnach auch Enteignungen, bei denen zwar nicht
die genannten Ministerratsbeschlüsse und die Preisverfügung 3/82 angewendet
wurden, aber andere Entschädigungsbestimmungen, die den diskriminierenden
Zugriff auf das Eigentum erleichtern sollten. Entscheidend ist, dass solche Ent-
schädigungsbestimmungen angewandt wurden und nicht lediglich im jeweiligen
Einzelfall entgegen den in der DDR geltenden Entschädigungsregelungen eine
zu geringe Entschädigung festgesetzt worden ist (Beschluss vom 9. April 2003
a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht hat dazu festgestellt, dass sich das Grundstück auf
einer Objektliste befand, die Grundbesitz von Berechtigten im kapitalistischen
Ausland betraf und die Festsetzung der Entschädigung nach der diskriminie-
rend angeordneten Festsetzung des Ertragswertes bzw. des höheren Boden-
wertes (nur des Wertes für den Grund und Boden ohne Gebäude) erfolgte. Es
hat nicht festgestellt, dass die Entschädigung nach der Preisverfügung 3/82
festgesetzt wurde. Dagegen hat die Beschwerde keine durchgreifenden Verfah-
rensrügen erhoben, so dass der Senat an diese Feststellungen gebunden ist.
Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung selbststän-
dig tragend auch auf die Schädigungstatbestände des § 1 Abs. 2 und § 1 Abs. 3
VermG gestützt. Hinsichtlich dieser Begründungen hat die Beschwerde keine
Zulassungsgründe geltend gemacht, so dass eine Revisionszulassung auch
hieran scheitert.
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Die Frage,
„ist es zulässig, eine nach dem Wortlaut eindeutige
Willenserklärung anhand weiterer Umstände des Falles
auszulegen“,
führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeu-
tung. Zum einen legt die Beschwerde damit keine Rechtsfrage von grundsätzli-
cher Bedeutung dar und zum anderen unterstellt sie einen Sachverhalt, der
vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt wurde. Das Verwaltungsgericht hat
zum Wortlaut des Schreibens des Beigeladenen vom 17. November 2011 im
Tatbestand des Urteils festgehalten, dass dem Beigeladenen der Widerspruch
der Klägerin gegen den Bescheid vom 29. Juli 2011 zugeleitet wurde und er
erklärt hat, dass offensichtlich in der erfolgten Abwicklung ein Verfahrensfehler
vorliege, dessen Auswirkungen in den Folgen für ihn nicht zu überblicken seien.
Aufgrund seines fortgeschrittenen Lebensalters (85 Jahre) sehe er sich außer-
stande, den Vorgang zu seinen Gunsten abzuschließen. Aus diesem Grunde
erkläre er den Fall für sich als erledigt. Dieses Schreiben war für das Verwal-
tungsgericht im Hinblick auf einen Verzicht auf den Erlösauskehranspruch
- anders als in der bezeichneten Rechtsfrage unterstellt - nach seinem Wortlaut
nicht eindeutig. Bezüglich dieser Feststellungen hat die Klägerin zwar einen
Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103
Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) geltend gemacht, der jedoch nicht gegeben ist
(dazu im Folgenden), so dass der Senat hinsichtlich der getroffenen Feststel-
lungen gebunden ist mit der Folge, dass das Schreiben vom 17. November
2011 keinen eindeutigen Verzicht des Beigeladenen auf den Erlösauskehran-
spruch erkennen lässt.
Der Frage,
„dürfen für die Auslegung einer Willenserklärung auch
Umstände herangezogen werden, die aus einer späteren
Erklärung des Betroffenen herrühren, die er nach weiterer
Erläuterung und Sachaufklärung durch die Behörde ab-
gibt“,
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kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
zu. Für den Streit ist in der Sache entscheidungserheblich, ob das Verwal-
tungsgericht die Schreiben des Beigeladenen vom 21. Mai 2012 und
17. November 2011 gemäß §§ 133 und 157 BGB dahingehend auslegen durfte,
dass der Beigeladene damit nicht erkennbar auf seine Rechte aus § 30 VermG
verzichtet hat, und es daraus die Schlussfolgerung ziehen durfte, dass sein Er-
lösauskehranspruch gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG, § 1 Abs. 1 Buchst. b, § 1
Abs. 2 und 3 VermG nach wie vor besteht. Es handelt sich ersichtlich um eine
Einzelfallentscheidung, bei der die Besonderheiten des Sachverhalts entschei-
dend waren. Es fehlt damit schon an einer über den Einzelfall hinausreichenden
Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl. Beschlüsse vom 9. Oktober
1995 - BVerwG 6 B 51.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 7 und
vom 5. September 2013 - BVerwG 10 B 16.13 - Buchholz 340 § 7 VwZG Nr. 3).
2. Die Divergenzrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind unbegründet.
Die Divergenzrüge setzt die Darlegung voraus, dass dem angefochtenen Urteil
ein entscheidungstragender abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt, der von
einem ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz der angegebenen
höchstrichterlichen Entscheidung abweicht (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom
1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB
Nr. 50). Keine Divergenz in diesem Sinne liegt vor, wenn das Verwaltungsge-
richt einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts unzutreffend angewen-
det hat. Gegenstand der Divergenzbeschwerde kann auch nicht die Prüfung der
fehlerfreien Anwendung einschlägiger Gesetzesbestimmungen sein.
Vorliegend ist die Klägerin der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ent-
gegengetreten. Die Darlegungen der Klägerin zeigen nicht auf, dass das Ver-
waltungsgericht bei seiner Rechtsfindung einem in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zu derselben Rechtsvorschrift aufgestellten abs-
trakten Rechtssatz widersprochen hätte. Ausgehend von der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts war für das Verwaltungsgericht entscheidungs-
erheblich, dass es bei der Auslegung von Willenserklärungen gemäß §§ 133
und 157 BGB auf den inneren Willen der erklärenden Partei nicht ankomme,
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sondern darauf, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver
Betrachtungsweise unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände zu verste-
hen ist. Motive des Beigeladenen für die abgegebene Erklärung hat das Verwal-
tungsgericht erkennbar nicht in den Vordergrund gestellt. Die Beschwerde zeigt
auch nicht ansatzweise auf, inwiefern das Verwaltungsgericht von den ange-
führten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. März 1994
- BVerwG 7 C 11.93 - (BVerwGE 95, 289 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 20)
und vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 51.94 - (Buchholz 428 § 1 VermG
Nr. 61) abgewichen sein soll. Davon abgesehen sind die Ausführungen des
Verwaltungsgerichts zu § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG nicht entscheidungstra-
gend.
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht auch nicht
verfahrensfehlerhaft entschieden (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwal-
tungsgericht hat weder den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs ge-
mäß § 108 Abs. 2 VwGO verletzt noch gegen den Überzeugungsgrundsatz des
§ 108 Abs. 1 VwGO verstoßen.
Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das
Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen,
nicht aber sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrück-
lich zu befassen (Urteil vom 29. November 1985 - BVerwG 9 C 49.85 -
Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177).
Die Beschwerde meint, bereits in der Klagebegründung sei darauf hingewiesen
worden, dass der Wortlaut des Schreibens des Beigeladenen vom 21. Mai 2012
eindeutig die Auffassung der Klägerin zur Erklärung des Beigeladenen vom
17. November 2011 stütze. Mit dem Wortlaut dieses Schreibens und einer ent-
sprechenden Auslegung der Erklärung des Beigeladenen, sein Schreiben vom
17. November 2011 sei gegenstandslos geworden, befasse sich das angegrif-
fene Urteil nicht. Auch die Frage der wertausschöpfenden Belastung des
Grundstücks habe in den Entscheidungsgründen keinen Niederschlag gefun-
den.
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Das Verwaltungsgericht hat sich in der angefochtenen Entscheidung erkennbar
mit der Auffassung der Klägerin auseinandergesetzt, dass der Beigeladene
ihrer Auffassung nach eindeutig auf den Erlösauskehranspruch verzichtet habe.
Der Entscheidung ist auch zu entnehmen, dass es bezüglich des Schreibens
des Beigeladenen vom 21. Mai 2012 andere rechtliche Schlüsse zieht als die
Klägerin. Die Beschwerde richtet sich in Wirklichkeit gegen die richterliche
Überzeugungsbildung, die dem sachlichen Recht zuzuordnen ist. Ein Verfah-
rensmangel ist letztlich mit diesem Vorbringen nicht zu belegen.
Entgegen der Behauptung der Klägerin hat sich das Verwaltungsgericht auch
mit der wertausschöpfenden Belastung des Grundstücks in den Entschei-
dungsgründen auseinandergesetzt. Die Vermutung der Klägerin, der kombinier-
te Sach- und Ertragswert (Gebäudewert und Wert für Grund und Boden) hätte
ebenfalls nur zu einer Entschädigung in Höhe des Bodenwertes von 1 500 M
geführt, war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Der Vor-
wurf richtet sich wiederum gegen die richterliche Überzeugungsbildung.
Auch der gerügte Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108
Abs. 1 VwGO liegt nicht vor. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthält als prozess-
rechtliche Vorschrift Vorgaben, die die Sachverhalts- und Beweiswürdigung für
das Gericht als Vorgang steuern (vgl. Beschluss vom 2. November 1995
- BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Das Gericht hat
seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu
legen. Es darf nicht einzelne nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffas-
sung entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner
Würdigung ausblenden. Zu dem Gesamtergebnis des Verfahrens gehören ins-
besondere die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten, der Inhalt der vom Ge-
richt beigezogenen Akten sowie die im Rahmen einer Beweiserhebung getrof-
fenen tatsächlichen Feststellungen, unbeschadet der Befugnis des Gerichts, die
Erklärungen der Verfahrensbeteiligten, den Inhalt beigezogener Akten sowie
das Ergebnis einer Beweisaufnahme frei zu würdigen (vgl. u.a. Beschluss vom
14. Januar 2010 - BVerwG 6 B 74.09 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizei-
recht Nr. 87).
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Die Beschwerde rügt, dass das Verwaltungsgericht den Wortlaut des Schrei-
bens des Beklagten vom 11. Mai 2012 nicht in seine Überlegungen mit einbe-
zogen habe. Mit diesem Schreiben sei dem Beigeladenen die Tragweite seiner
Erklärung erläutert und er erst darauf gestoßen worden, dass ein Verzicht auf
seine Ansprüche auch den Verzicht auf eine Zahlung von 23 000 € zur Folge
habe. Dieses Schreiben habe dazu führen müssen, dass der Beigeladene
seinen ursprünglichen Entschluss, der dem Schreiben vom 17. November 2011
zugrunde gelegen habe, wonach das Verfahren ein für alle Mal zu beenden und
der Fall abzuschließen sei, revidierte und nunmehr doch die Fortsetzung des
Verfahrens begehrte.
Es trifft nicht zu, dass das Verwaltungsgericht das behördliche Schreiben vom
11. Mai 2012 bei seiner Entscheidungsfindung ausgeblendet hat. Anders als die
Beschwerde ist das Verwaltungsgericht auch nicht davon ausgegangen, dass
sich der Beigeladene aufgrund dieses Schreibens erst der Tragweite seiner Er-
klärung vom 17. November 2011 bewusst geworden sei. Das Verwaltungsge-
richt ist vielmehr der Auffassung, dass das Schreiben des Beigeladenen vom
17. November 2011 hinsichtlich einer Verzichtserklärung nicht eindeutig gewe-
sen und es in mehrfacher Hinsicht interpretationsfähig gewesen sei. Der Tatsa-
che, dass das Schreiben so abgefasst war, dass der Beigeladene im Falle
eines Verzichts einen Betrag von ca. 23 000 € nicht erhalte, hat das Verwal-
tungsgericht nicht die rechtliche Bedeutung beigemessen, dass der Beigelade-
ne nunmehr aufgrund dieses Schreibens seine ursprüngliche Absicht, auf den
Erlösauskehranspruch zu verzichten, aufgegeben habe. Diese Auslegung des
Schreibens durch das Tatsachengericht darf vom Revisionsgericht nicht darauf
überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit
dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sach-
verhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Wür-
digung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem
Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen
Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb nicht be-
gründen (stRspr; vgl. u.a. Beschlüsse vom 12. Januar 1995 - BVerwG 4 B
197.94 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 und vom 8. April 2008 - BVerwG
9 B 13.08 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 44).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Dem Beigela-
denen waren seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, weil er zum Zulas-
sungsantrag der Klägerin zwar schriftlich Stellung bezogen, jedoch keinen aus-
drücklichen Antrag gestellt hat. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1
und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Christ Dr. Deiseroth Dr. Hauser
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