Urteil des BVerwG vom 07.02.2014

Treu Und Glauben, Abgabenordnung, Zivilprozessordnung, Zwangsvollstreckung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 8 B 39.13
OVG 4 A 273/12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Februar 2014
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 16. April 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 3 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Mit Bescheid vom 18. Juni 2008 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger
an, sein Grundstück an die öffentliche Abwasserversorgung anzuschließen und
diese zu benutzen. Für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung wurde
ihm unter Fristsetzung ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 1 000 € angedroht.
Nach Fristablauf setzte der Beklagte mit Bescheid vom 28. November 2008 die
jeweils angedrohten Zwangsgelder (insgesamt 3 000 €) fest und verfügte eine
Zahlungsfrist bis zum 26. Dezember 2008. Am 11. Mai 2009 wurde für die fest-
gesetzten Zwangsgelder eine Sicherungshypothek im Grundbuch eingetragen.
Die Klage gegen den Zwangsgeldbescheid vor dem Verwaltungsgericht hatte
Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das
Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Ober-
verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen gerichtete, allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig, ob die Eintragung einer Sicherungs-
hypothek die Zwangsvollstreckung beendet. Die Klärung dieser Frage diene der
einheitlichen Anwendung und des Verständnisses des Verwaltungsvollstre-
ckungsgesetzes auf Länder- und Bundesebene. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3
Sächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz gälten für die Beitreibung durch
Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen die bundesrechtlichen Vorschrif-
ten der §§ 322 und 323 Abgabenordnung. Diese wiederum verwiesen auf die
bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 864 bis 871 ZPO. Es bestehe Klärungs-
bedarf, weil nicht ausgeschlossen sei, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Be-
urteilung der Sach- und Rechtslage derjenige der letzten mündlichen Verhand-
lung sei, weil die Zwangsvollstreckung durch die Eintragung der Sicherungshy-
pothek nicht beendet, sondern erst eingeleitet werde. Der Gläubiger werde
durch die Eintragung lediglich gesichert.
Ungeachtet der Frage, ob die Beschwerde den Darlegungsanforderungen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt, betrifft sie irrevisibles Landesrecht. Die auf-
geworfene Frage wird nicht dadurch zu einer solchen des revisiblen Rechts,
weil das maßgebliche Landesrecht Verweisungen oder Bezugnahmen auf
Rechtssätze des Bundesrechts enthält. Revisibles Bundesrecht liegt nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vielmehr nur dann
vor, wenn die Regelung kraft eines Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers
gilt (Beschluss vom 24. März 1986 - BVerwG 7 B 35.86 - Buchholz 310 § 137
VwGO Nr. 132 m.w.N., Urteil vom 15. April 1988 - BVerwG 7 C 125.86 -
Buchholz 442.01 § 45a PBefG Nr. 2, Beschluss vom 25. Februar 2009
- BVerwG 8 B 1.09 - juris). Das ist hier nicht der Fall. Die zitierten Vorschriften
der Abgabenordnung und der Zivilprozessordnung, auf die § 15 Abs. 1 Nr. 3
Sächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz hinweist, sind nicht kraft eines
Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers anzuwenden. Sie sind vielmehr al-
lein vom Landesgesetzgeber in das von ihm erlassene Recht aufgenommen
worden, um bestimmte rechtliche Materien zu ergänzen. In einem solchen Fall
ist von irrevisiblem Landesrecht auszugehen, das einer Überprüfung durch das
Bundesverwaltungsgericht entzogen ist. Selbst wenn Lücken des Landesrechts
durch entsprechende Vorschriften des Bundesrechts geschlossen werden oder
im Rahmen des Landesrechts dem Bundesrecht entnommene Grundsätze, wie
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z.B. der Grundsatz von Treu und Glauben, angewendet werden, handelt es sich
nicht um revisibles Bundesrecht. Dasselbe gilt, wenn das Landesrecht Begriffe
verwendet, die das Bundesrecht kennt, mag sich ihr Inhalt mit dem Bundesrecht
decken oder davon abweichen, oder wenn es sich um übereinstimmendes Lan-
desrecht handelt (Beschluss vom 29. Dezember 2009 - BVerwG 8 B 46.09 -
juris). Das Oberverwaltungsgericht hat erkennbar die Bestimmungen der Abga-
benordnung und der Zivilprozessordnung in dem vorgenannten Sinne der Inter-
pretation des Landesrechts herangezogen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Dr. Deiseroth
Dr. Hauser
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