Urteil des BVerwG vom 27.08.2014

Einziehung Von Vermögenswerten, Beschlagnahme, Verordnung, Enteignung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 8 B 12.14
VG 4 K 219.12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. August 2014
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 14. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 25 153,33 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen den Bescheid des Beklagten
vom 11. Juni 2012, mit welchem ihr Antrag auf Aufhebung der negativen Resti-
tutionsbescheide vom 5. und 6. November 1992 abgelehnt wurde. Das Verwal-
tungsgericht hat die Klage abgewiesen. Eine anteilige Restitution des streit-
gegenständlichen Grundstücks sei gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausge-
schlossen. Die Beschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision.
Sie macht die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und Divergenz
geltend.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor.
1. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich
noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage
des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinaus-
gehende Bedeutung zukommt (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B
261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Daran fehlt es im vorlie-
genden Fall.
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Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam und klärungsbedürftig die
Fragen auf, ob eine nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 erfolgte Ent-
eignung nach Maßgabe der „Liste 3“ zum Gesetz zur Einziehung von Vermö-
genswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 auch
dann im Sinne von § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG auf besatzungshoheitlicher
Grundlage beruhte, wenn vor Erlass dieses Gesetzes gemäß der Verordnung
„über die Anmeldung und Beschlagnahme des Vermögens der Personen, die
sich aktiv faschistisch betätigt haben“ vom 2. Juli 1945 eine Beschlagnahme
kraft Gesetzes („Legalbeschlagnahme“) der in § 2 Ziffer 1 und 2 der Verordnung
genannten Personen vorgelegen hatte, ohne dass es darauf ankommt, ob eine
Beschlagnahme im Einzelfall nach vorausgehendem Verfahren tatsächlich voll-
zogen wurde. Auf diese Rechtsfragen käme es in einem Revisionsverfahren
nicht entscheidungserheblich an, weil nach den Feststellungen des Verwal-
tungsgerichts in Vollzug der Verordnung vom 2. Juli 1945 eine Beschlagnah-
meentscheidung der zuständigen Berliner Behörde im Jahr 1945/46 ergangen
ist.
Zwar hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass nach der Verordnung
vom 2. Juli 1945 kraft Gesetzes die Beschlagnahme von anmeldepflichtigem
Vermögen eingetreten war, das im Eigentum etwa von ehemaligen Angehöri-
gen der Geheimen Staatspolizei oder des Sicherheitsdienstes gestanden hatte.
Es hat jedoch außerdem festgestellt, dass die Beschlagnahmebehörde nach
dieser Verordnung zur Feststellung des Eintritts der Beschlagnahme einen Be-
scheid erlassen konnte. Genau dies war nach den Feststellungen des Verwal-
tungsgerichts hinsichtlich des hier relevanten Eigentumsanteils des Richard J.
(Rechtsvorgänger der Klägerin) der Fall. Danach stellte das an Frau Käthe J.
als Ehefrau des Richard J. gerichtete Schreiben des Bezirksamts Pankow vom
16. April 1946 eine solche einzelfallbezogene Feststellung des Eintritts der Be-
schlagnahme dar. Das Gericht hat ferner festgestellt, dass damit auch tatsäch-
lich eine Beschlagnahme einhergegangen war, was sich daran zeige, dass das
Bezirksamt Pankow gegenüber einem Bruder des Richard J. mit Schreiben vom
9. Mai 1946 ausdrücklich angemerkt habe, dass dessen Anteil am Grundstück
nicht der Beschlagnahmeverordnung unterliege und ihm etwaige Mietüber-
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schüsse anteilig ausgezahlt werden könnten. Die Grundsatzrüge ist damit auf
eine Rechtsfrage bezogen, die in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht
klärungsbedürftig ist.
2. Aus dem oben Ausgeführten folgt zugleich, dass auch die Divergenzrügen
mangels Entscheidungserheblichkeit eine Zulassung der Revision nicht recht-
fertigen können (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.). Entgegen der
Beschwerde hat das Verwaltungsgericht das angegriffene Urteil nicht auf den
Rechtssatz gestützt, dass es bei kraft Gesetzes bewirkten Beschlagnahmen
nach der Verordnung vom 2. Juli 1945 für die Besatzungshoheitlichkeit einer
nach der Gründung der DDR erfolgten Enteignung nicht darauf ankommt, ob
die Beschlagnahme gegenüber dem einzelnen Betroffenen tatsächlich vollzo-
gen wurde, sondern ob dieser dem in § 2 Ziffer 1 und 2 der Verordnung ge-
nannten Personenkreis angehört hatte. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht
den Rechtssatz aufgestellt, dass der Anspruchsteller eine fehlende Beschlag-
nahme des Vermögensgegenstandes nachzuweisen habe. Es hat vielmehr sei-
ne Überzeugung, dass eine Beschlagnahme gegenüber dem Rechtsvorgänger
der Klägerin tatsächlich durchgeführt worden war, auf der Grundlage von Indizi-
en gebildet. Das steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil
vom 11. September 2013 - BVerwG 8 C 4.12 - ZOV 2013, 177 Rn. 42).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über
den Streitwert folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Christ
Dr. Deiseroth
Dr. Hauser
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