Urteil des BVerwG vom 24.01.2012

Stadt Oldenburg, Aufschiebende Wirkung, Eisenbahn, Bundesamt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 VR 13.11 (7 A 22.11)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Januar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und Brandt
beschlossen:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
der Klage gegen die Planfeststellungsbeschlüsse vom
2. August 2011 wird abgelehnt.
Die Antragstellerinnen zu 1, 2 und 3 tragen je 2/7, die An-
tragsteller zu 4 bis 7 und die Antragsteller zu 8 und 9
- diese jeweils als Gesamtschuldner - tragen je 1/14 der
Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtli-
chen Kosten der Beigeladenen.
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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 105 000 € fest-
gesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Antragsteller - die Stadt Oldenburg, zwei dort tätige Wohnungsunternehmen
und weitere Eigentümer und Nutzungsberechtigte von Wohngrundstücken, die
im Stadtgebiet an der Bahnstrecke Oldenburg - Wilhelmshaven liegen - begeh-
ren vorläufigen Rechtsschutz gegen zwei eisenbahnrechtliche Planfeststel-
lungsbeschlüsse. Die beigeladene Vorhabenträgerin will die gesamte Eisen-
bahnstrecke Oldenburg - Wilhelmshaven in mehreren Planungsabschnitten er-
tüchtigen, um die Voraussetzungen für eine leistungsfähige Hinterlandanbin-
dung des kurz vor der Fertigstellung stehenden Tiefseehafens „Jade Weser
Port“ zu schaffen. Für die beiden nördlich von Oldenburg gelegenen Planfest-
stellungsabschnitte 2 (Rastede - Hahn) und 3 (Jaderberg - Varel) hat das
Eisenbahn-Bundesamt mit zwei Beschlüssen vom 2. August 2011 die Ausbau-
pläne festgestellt. Diese sehen neben der Elektrifizierung insbesondere den
zweigleisigen Ausbau zweier seit einem Rückbau in der Nachkriegszeit einglei-
siger Streckenabschnitte vor; an den Strecken sind umfangreiche Lärmschutz-
maßnahmen vorgesehen. Gegen die Planfeststellungsbeschlüsse haben die
Antragsteller Klage zum Bundesverwaltungsgericht mit dem Ziel der Feststel-
lung der Rechtwidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit dieser Beschlüsse erhoben
und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Sie be-
fürchten insbesondere aufgrund der Wiederherstellung der durchgängigen
Zweigleisigkeit der Strecke eine unzumutbare Zunahme des Schienenlärms
auch entlang der Bahnstrecke im Stadtgebiet von Oldenburg, dem sie bis zum
- wegen Verzögerungen in der Weiterführung der Ausbauplanung gegebenen-
falls erst Jahre später erfolgenden - Ausbau der Bahnstrecke in Oldenburg völ-
lig ungeschützt ausgesetzt seien. Sie rügen, dass sie mangels Auslegung der
Pläne in Oldenburg nicht ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt worden seien
und dass bereits in den beiden Planfeststellungsverfahren der Bau einer Bahn-
umgehung von Oldenburg ordnungsgemäß hätte geprüft werden müssen; je-
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denfalls müssten schon jetzt Schallschutzmaßnahmen auch zu ihren Gunsten
angeordnet werden.
II
1. Der Antrag, über den nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. lfd. Nr. 7 der Anla-
ge zu § 18e Abs. 1 AEG - Schienenwege mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des
Bundesverwaltungsgerichts - sowie § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das Bundesver-
waltungsgericht als Gericht der Hauptsache entscheidet, ist statthaft. Gemäß
§ 18e Abs. 2 Satz 1 AEG i.V.m. Nr. 1 b) lfd. Nr. 3 der Anlage (zu § 1) des Ge-
setzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes - Bundesschienen-
wegeausbaugesetz - (vom 15. November 1993, BGBl I S. 1874, zuletzt geän-
dert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl I S. 2407) hat die Klage
gegen die angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse keine aufschiebende
Wirkung. Der vorläufige Rechtsschutz ist auch dann im Verfahren nach § 80
Abs. 5 VwGO zu gewähren, wenn - wie hier - die Klage in der Hauptsache nicht
auf die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern auf ein ergän-
zendes Verfahren nach § 18e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 AEG gerichtet ist (Be-
schluss vom 1. April 1998 - BVerwG 11 VR 13.97 - Buchholz 310 § 80 VwGO
Nr. 63).
2. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Dabei kann dahinstehen, ob das bereits daraus folgt, dass die Antragsteller
jedenfalls innerhalb der gemäß § 18a AEG i.V.m. § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG
bestimmten Frist keine Einwendungen gegen die beiden Vorhaben erhoben ha-
ben.
Der in § 18a Nr. 7 Satz 1 AEG geregelte Einwendungsausschluss, der sich
auch auf das der Planfeststellung nachfolgende gerichtliche Verfahren er-
streckt, greift indessen nur dann ein, wenn die Antragsteller sich die nach § 18a
Nr. 7 Satz 3 AEG erforderliche Belehrung über die Folgen einer unterbliebenen
Einwendung bei der Auslegung der Pläne im Bereich der betroffenen Planfest-
stellungsabschnitte 2 und 3 entgegenhalten lassen müssten. Dies wäre nur
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dann der Fall, wenn die von der Anhörungsbehörde veranlasste Auslegung den
Vorgaben des § 18a Nr. 1 AEG genügte. Danach erfolgt die Auslegung in den
Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt. Solche Aus-
wirkungen sind nicht stets auf die unmittelbare räumliche Umgebung des Vor-
habens beschränkt. So schließt der insoweit enge, weil auf die Nachbarschaft
beschränkte Anwendungsbereich des Lärmschutzes nach § 41 BImSchG und
der Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV - die Berücksichtigung des
Lärmzuwachses auf baulich unveränderten Teilen des Verkehrsnetzes im
Rahmen der gebotenen Abwägung nicht aus, falls ein adäquater Ursachenzu-
sammenhang zwischen dem planfestgestellten Vorhaben und der Lärmbeein-
trächtigung besteht (Urteile vom 17. März 2005 - BVerwG 4 A 18.04 - BVerwGE
123, 152 <155 ff.> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 44 und vom 9. Juni
2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 114). Eine
Auslegung der Pläne auch in Oldenburg mag danach in Betracht zu ziehen
sein, wenn auf die tatsächlichen Folgen der Ausbaumaßnahme und den danach
zu erwartenden zusätzlichen Güterverkehr abgestellt wird. Ob hier indessen ein
für die Annahme einer im Sinne von § 18a Nr. 1 AEG zu beachtenden Auswir-
kung erforderlicher rechtlich relevanter Zusammenhang zwischen der Beseiti-
gung der eingleisigen Streckenabschnitte und dem Lärmzuwachs auf der be-
stehenden zweigleisigen Strecke von vornherein mit dem Hinweis auf eine Vor-
belastung zu verneinen ist, wirft - wie später auszuführen ist - schwierige
Rechtsfragen auf. Die Planfeststellungsbeschlüsse schließen zwar einen abwä-
gungserheblichen Belang unter Berufung auf die plangegebene Vorbelastung
aus (s. PFA 2 S. 45 f., 123; PFA 3 S. 46 f., 109). Für ein weites Verständnis des
Begriffs der Auswirkung im Sinne einer im Planfeststellungsverfahren zu er-
örternden und gegebenenfalls planerisch zu bewältigenden Möglichkeit einer
Beeinträchtigung von schutzwürdigen Belangen könnte aber sprechen, dass die
Planfeststellungsbeschlüsse jedenfalls auch auf Zusagen der Beigeladenen im
Laufe des Verfahrens verweisen, um letztlich Auswirkungen auf die Lärmsitua-
tion in Oldenburg zu verneinen.
Diesen Erwägungen, die an eine materiellrechtliche Betrachtung anknüpfen,
könnte allerdings bei zulässiger planerischer Abschnittsbildung der Grundsatz
der abschnittsbezogenen Auslegung (s. Kipp/Schütz, in: Hermes/Sellner
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, Beck`scher AEG-Kommentar, 2006, § 20 Rn. 60) entgegenstehen.
Dessen Reichweite bedarf der Klärung. Soweit dieser Grundsatz auf der Über-
legung beruht, dass ein Dritter, der nicht unmittelbar durch den planfestgestell-
ten Abschnitt betroffen ist, jedenfalls in der Regel auf die Anfechtung der nach-
folgenden Planung verwiesen werden kann, ohne dass er damit einen materiel-
len Rechtsverlust erleidet (Beschluss vom 10. November 2000 - BVerwG 4 B
47.00 - NVwZ 2001, 800), dürfte er den vorliegenden Fall nicht erfassen. Denn
die Antragsteller befürchten eine Beeinträchtigung ihrer Belange gerade auch in
der Zeit bis zur Realisierung der anschließend anstehenden Planung.
b) Auch wenn die Antragsteller mit ihrem Vorbringen nicht ausgeschlossen sein
sollten, überwiegt jedoch das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung
der Planfeststellungsbeschlüsse das entgegenstehende Interesse der Antrag-
steller an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Ent-
scheidung in der Hauptsache jedenfalls deshalb, weil die auf Feststellung der
Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Planfeststellungsbeschlüsse ge-
richtete Klage auch bei einer inhaltlichen Würdigung des Vorbringens nach der
im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes allein möglichen summarischen
Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand des Gerichts verstoßen die Planfest-
stellungsbeschlüsse nicht gegen Rechtsvorschriften, deren Verletzung die An-
tragsteller mit der Folge der Notwendigkeit eines ergänzenden Verfahrens gel-
tend machen können.
aa) Die Rüge der Antragsteller, dass ihr Anhörungsrecht mangels Auslegung
der Pläne in Oldenburg verletzt worden sei, dürfte nicht zum Erfolg der Klage
führen. Denn für die Erheblichkeit eines solchen - unterstellten - Verfahrens-
mangels nach § 18e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 AEG i.V.m. § 46 VwVfG ist nichts
dargetan. Das Eisenbahn-Bundesamt hat sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund
des Vorbringens von über 300 Einwendern aus dem Gebiet der Stadt
Oldenburg, für die am 13. Dezember 2010 ein Erörterungstermin in Oldenburg
stattgefunden hat, mit der nunmehr auch von den Antragstellern geltend ge-
machten Lärmproblematik und der Frage von Trassenalternativen befasst. Ins-
besondere angesichts dieses Umstands ist die konkrete Möglichkeit einer ande-
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ren Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss bei Vermeidung des behaupte-
ten Verfahrensmangels nicht ansatzweise zu erkennen (vgl. zu diesem rechtli-
chen Maßstab Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134,
308 <314> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203). Dies gilt auch insoweit, als
die Antragstellerin zu 1 sich über die Lärmbelastung gemeindlicher Grund-
stücke und öffentlicher Einrichtungen hinaus auf die Verletzung ihrer Planungs-
hoheit beruft (s. dazu Beschluss vom 2. August 2006 - BVerwG 9 B 9.06 -
Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 63 Rn. 6 m.w.N.). Denn diesem Belang könnte
in gleicher Weise wie den geltend gemachten individuellen Betroffenheiten von
Anliegern der Bahntrasse durch die Wahl einer anderen Streckenführung oder
durch Lärmschutzmaßnahmen Rechnung getragen werden.
bb) Mit den Einwendungen gegen die Variantenprüfung dringen die Antragstel-
ler aller Voraussicht nach ebenso wenig durch.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung handelt eine Planfeststellungsbehörde nicht
schon dann fehlerhaft, wenn eine andere als die von ihr bevorzugte Trassenfüh-
rung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenze der
planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen
Trassenvarianten ist erst dann überschritten, wenn eine alternative Linienfüh-
rung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeu-
tig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere
darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde
hätte aufdrängen müssen (Urteil vom 12. August 2009 a.a.O. <332>). Dabei
braucht die Planfeststellungsbehörde den Sachverhalt in Bezug auf Planungsal-
ternativen nur zu klären, soweit dies für eine sachgerechte Entscheidung not-
wendig ist. Sie ist insbesondere befugt, Alternativen, die ihr auf der Grundlage
einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, schon in einem frühen Ver-
fahrensstadium auszuscheiden (Urteil vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 -
BVerwGE 107, 1 <10 ff.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 139; Beschluss vom
24. April 2009 - BVerwG 9 B 10.09 - NVwZ 2009, 986 <987>). Dabei darf die
Behörde gerade auch die spezifischen Vorteile berücksichtigen, die der Ausbau
einer bestehenden Strecke gegenüber einer Neutrassierung aufweist (vgl. Urteil
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vom 5. März 1997 - BVerwG 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 = Buchholz
442.09 § 18 AEG Nr. 25 S. 112 f.).
(2) Eine weiträumige Umfahrung von Oldenburg, mit der eine spätere Lärmbe-
lastung des Stadtgebiets schon durch die Entscheidung über die Planfeststel-
lungsabschnitte 2 und 3 ausgeschlossen wäre, hat das Eisenbahn-Bundesamt
hiernach ohne Rechtsfehler nicht weiterverfolgt. Die in den Planfeststellungsbe-
schlüssen geprüfte Trasse von Varel über Rodenkirchen nach Hude musste
sich in keiner Weise aufdrängen. Die insbesondere auf Wirtschaftlichkeitsas-
pekte und umweltrechtliche Gesichtspunkte abstellenden Überlegungen des
Eisenbahn-Bundesamts (s. PFA 2 S. 73 f.; PFA 3 S. 69 f.) werden von den An-
tragstellern nicht ansatzweise erschüttert.
Die von den Antragstellern erstmals in der Klagebegründung zur Diskussion
gestellte Trasse, die der noch im Planungsstadium befindlichen Küstenauto-
bahn A 20 folgen und dann die Weser queren soll, ist ebenso wenig eindeutig
vorzugswürdig. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass sie nach der Vorstellung
der Antragsteller eine - im Übrigen nicht weiter konkretisierte - Verbindung zur
so genannten Y-Trasse (ABS/NBS Hamburg/Bremen – Hannover) herstellen
soll. Denn deren Realisierung ist - was sich auch aus dem von den Antragstel-
lern vorgelegten Zeitungsartikel ergibt - auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.
(3) Soweit die Antragsteller eine Umfahrung nur des Stadtgebiets von
Oldenburg entlang der Autobahn A 29 für vorzugswürdig halten, wird im Plan-
feststellungsbeschluss zum Planfeststellungsabschnitt 2 ausdrücklich betont,
dass mit dem Ausbau dieses benachbarten Planfeststellungsabschnitts insoweit
keine Vorfestlegung im Sinne eines Zwangspunkts verbunden ist (PFA 2
S. 72 f.; s.a. PFA 3 S. 68 f.). Bei der Fortsetzung des Ausbaus der Güterbahn
durch eine Umfahrung müssten bei der Untervariante östlich der A 29 lediglich
auf einer Strecke von ca. 500 m Umplanungen in Teilgewerken vorgenommen
werden, wobei wegen der weiterhin erforderlichen Anbindung des Oldenburger
Hauptbahnhofs für den Personenverkehr der Ausbau auch in diesem Bereich
nicht unnütz wäre. An dieser Einschätzung wird die Antragsgegnerin sich bei
einer Entscheidung über den Planfeststellungsabschnitt 1 festhalten lassen
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müssen. Wird demnach durch die Entscheidung über den Planfeststellungsab-
schnitt 2 insofern nichts präjudiziert, fehlt es am Ansatzpunkt für die von den
Antragstellern insofern behauptete Beschwer. Im Übrigen ist darauf hinzuwei-
sen, dass eine Planung bei abschnittsweiser Verwirklichung nicht nur im ersten,
sondern in jedem Teilstück dem Einwand standhalten muss, einem anderen
Lösungskonzept unterlegen zu sein (Beschluss vom 2. November 1992
- BVerwG 4 B 205.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92 S. 104). Auf den um-
fangreichen Vortrag der Antragsteller, mit dem sie die Vorzugswürdigkeit der
genannten Umfahrungstrasse dartun wollen, kommt es demnach in diesem Ver-
fahren nicht an.
cc) Die Antragsteller bringen schließlich vor, dass die Planfeststellungsbe-
schlüsse der infolge bereits des Ausbaus der Planfeststellungsabschnitte 2 und
3 zu erwartenden Verkehrs- und folglich Lärmzunahme auch im Stadtgebiet von
Oldenburg, von der sie - mit Ausnahme der Antragstellerin zu 1 - in grundrecht-
lich relevanter Weise betroffen seien, nicht ausreichend Rechnung getragen
hätten.
(1) Diese Einwände können dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung der Klage aber schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil daraus
allenfalls ein Anspruch der Antragsteller auf Ergänzung des Planfeststellungs-
beschlusses um aktive oder passive Lärmschutzmaßnahmen folgen könnte,
nicht aber die Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse. Es spricht nach der
Überzeugung des Senats nämlich nichts dafür, und die Antragsteller behaupten
es auch selbst nicht, dass die gesamte fachplanerische Abwägung zu Fall kä-
me, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass der Beigela-
denen zusätzlich Schallschutzmaßnahmen zu Gunsten der Antragsteller auf-
erlegt werden müssten. Auf den danach allenfalls zu erwartenden Erfolg eines
Planergänzungsanspruchs, den die Antragsteller im Hauptsacheverfahren zu-
treffend hilfsweise mit einer Verpflichtungsklage bzw. einer Klage auf Neube-
scheidung verfolgen, kann die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wir-
kung einer Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 VwGO jedoch nicht gestützt
werden (vgl. etwa Beschlüsse vom 14. April 2005 - BVerwG 4 VR 1005.04 -
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BVerwGE 123, 241 <246> = Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 69 und vom
4. Dezember 2008 - BVerwG 9 VR 19.08 - Buchholz 407.4 § 17e FStrG Nr. 4).
(2) Es bleibt - sofern es insbesondere nach Klärung der Frage der Präklusion
überhaupt entscheidungserheblich darauf ankommt - dem Hauptsacheverfah-
ren vorbehalten zu prüfen, ob die Planfeststellungsbehörde den zu erwartenden
Lärmzuwachs in beanstandungsfreier Weise in ihre Erwägungen eingestellt hat.
Soweit die Planfeststellungsbehörde dabei eine Lärmbelastung, die eine plan-
gegebene Vorbelastung nicht übersteigt, als hinzunehmen einstuft, trifft das
zwar im Grundsatz zu (vgl. etwa Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 9.95 -
BVerwGE 101, 1 <10 f.> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 12). Allerdings
bedarf es dann aber zum einen einer nachvollziehbaren Festlegung dieser Be-
lastung, die dann auch Maßstab einer wirksamen Überwachung durch die Auf-
sichtsbehörde sein könnte. Das verkennt das Eisenbahn-Bundesamt nicht, das
zwischenzeitlich eine eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung ange-
fordert hat. Zum anderen wird zu prüfen sein, ob in der gegebenen Fallkonstel-
lation eine von der tatsächlichen Situation deutlich abweichende plangegebene
Vorbelastung auch dann maßgeblich ist, wenn diese - wie die Antragsteller vor-
tragen - die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14
Abs. 1 GG) übersteigen sollte. Denn auch über den Sonderfall der Wiedereröff-
nung teilungsbedingt unterbrochener Eisenbahnstrecken hinaus sind Ausnah-
men von der Regel vorstellbar (Urteile vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 11 A
3.98 - BVerwGE 107, 350 <355 ff.> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 23
und vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 5.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 66
Rn. 19 ff.). Hier mag zu erwägen sein, ob das auf die gesamte Strecke bezoge-
ne einheitliche Ausbaukonzept unter Gleichheitsaspekten bei einer zeitversetz-
ten Planung und Umsetzung in Abschnitten einen auf die Übergangszeit bezo-
genen Lärmschutz - etwa durch eine vom Eisenbahn-Bundesamt nicht von
vornherein verworfene Betriebszeitenregelung oder Geschwindigkeitsbeschrän-
kungen - gebietet. Abschnittsbildungen, die dem Zweck dienen, die vielfältigen
mit einer detaillierten Streckenausbauplanung einhergehenden Schwierigkeiten
praktikabel und effektiv zu bewältigen, haben nämlich keinen Bezug zur
Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit Lärmbetroffener (Urteil vom 23. No-
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vember 2005 - BVerwG 9 A 28.04 - BVerwGE 124, 334 <340> = Buchholz
406.25 § 41 BImSchG Nr. 45).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 VwGO i.V.m. § 100
Abs. 1 und 2 ZPO sowie § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und § 39
Abs. 1 GKG.
Sailer Guttenberger Brandt
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