Urteil des BVerwG vom 16.02.2006

Vermögensrechtlicher Anspruch, Grundstück, Treuhandverhältnis, Miteigentumsanteil

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 85.05
VG 22 A 266.99
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom
16. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 28 530 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie Berechtigte zu 1/2 an
einem Grundstück in Berlin-Pankow ist und ihr in diesem Umfang ein Anspruch auf
Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz zusteht.
Eigentümer des Grundstücks war seit dem Oktober 1930 Sally F. Mit
notarieller Erklärung vom 21. März 1932 bewilligte und beantragte er zu Gunsten des
Rechtsvorgängers der Klägerin die Eintragung einer Auflassungsvormerkung hin-
sichtlich der Übertragung eines ideellen hälftigen Miteigentumsanteils an dem
Grundstück. Er gab gegenüber dem Grundbuchamt an, er habe das Grundstück
1930 auch im Auftrag des Rechtsvorgängers der Klägerin erworben. Die Vormerkung
wurde im Oktober 1932 im Grundbuch eingetragen. Das Vermögen des Rechtsvor-
gängers der Klägerin verfiel auf Grund des Gesetzes über den Widerruf von Einbür-
gerungen und Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933
dem Deutschen Reich und wurde im März 1939 beschlagnahmt. Die Vormerkung
wurde auf das Deutsche Reich umgeschrieben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil Gegenstand der
Schädigung kein Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG gewesen sei. Es
hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Be-
schwerde der Klägerin.
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt nicht die al-
lein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO zu.
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Die Klägerin möchte die Fragen geklärt wissen,
ob ein vermögensrechtlicher Anspruch des Treugebers gemäß § 1
Abs. 6 VermG auf solche Treuhandverhältnisse beschränkt ist, in denen das
Treuhandverhältnis nach dem 30. Januar 1933 zu Tarnzwecken gegründet
wurde oder ob der Anspruch gemäß § 1 Abs. 6 VermG auch dann gilt, wenn
das Deutsche Reich sich in die Treugeberposition durch Vermögensverfall
bzw. Beschlagnahme eingesetzt hat,
ob ein Anspruch aus einem verfolgungsbedingt verloren gegan-
genen Treuhandverhältnis ein Vermögenswert im Sinne von § 2 Abs. 2 VermG
ist.
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, weil sich
die Antwort auf sie bereits aus der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts ergibt.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist seit langem
geklärt, dass ein schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an
einem Grundstück nicht zu den restituierbaren Vermögenswerten im Sinne des § 2
Abs. 2 VermG gehört (Urteil vom 27. Februar 1997 - BVerwG 7 C 22.96 - Buchholz
428 § 2a VermG Nr. 3; Urteil vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 C 11.02 -
Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 77). Der Rechtsvorgänger der Klägerin war nach den
Feststellungen des Verwaltungsgerichts, von denen auch die Klägerin in ihrer Be-
schwerde ausgeht, lediglich Inhaber eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertra-
gung eines Miteigentumsanteils zu 1/2 an dem streitigen Grundstück. Der Eigentü-
mer des Grundstücks, Sally F., hatte das Grundstück danach auch im Auftrag des
Rechtsvorgängers der Klägerin erworben und war auf Grund des zwischen ihnen
bestehenden Auftragsverhältnisses verpflichtet, dem Rechtsvorgänger der Klägerin
einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück zu übertragen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2004 - BVerwG 7 C 23.03 -
(BVerwGE 122, 85) nicht, dass in bestimmten Fällen schuldrechtliche Verschaf-
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fungsansprüche aus einem Treuhandverhältnis restituierbare Vermögenswerte im
Sinne von § 2 Abs. 2 VermG mit der Folge sein können, dass ein vermögensrechtli-
cher Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks besteht, auf den der schuld-
rechtliche Verschaffungsanspruch sich bezog.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betrifft vielmehr ausschließ-
lich Fälle, in denen das Eigentum an einem Grundstück Gegenstand der vermögens-
rechtlichen Schädigung war. Es beantwortet die Frage, wer Geschädigter war und
damit Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG ist, wenn der frühere Ei-
gentümer sein Eigentum an dem Grundstück treuhänderisch auf einen Dritten über-
tragen hat und dieser Dritte das Eigentum an dem Grundstück in Folge eines
Zwangsverkaufs im Sinne des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG verloren hat. Nach der Ent-
scheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Treugeber als wirtschaftlicher Ei-
gentümer des Grundstücks Geschädigter und damit Berechtigter im Sinne des Ver-
mögensgesetzes, wenn das Treuhandverhältnis der Abwendung verfolgungsbeding-
ter Vermögensschäden diente. Auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts vom 23. September 2004 bleibt es dabei, dass der bloße schuldrechtliche Ver-
schaffungsanspruch kein Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG ist.
Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ist diese Entscheidung schon
deshalb ohne jede Bedeutung, weil das Eigentum an dem Grundstück nach den
Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu keinem Zeitpunkt Gegenstand einer
vermögensrechtlichen Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG war, denn Sally
F. war während der gesamten Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft Eigentümer
des Grundstücks geblieben. Es geht hier nicht um die Frage, wer hinsichtlich einer
Schädigung am Eigentum des Grundstücks als Geschädigter anzusehen ist. Der
Rechtsvorgänger der Klägerin ist zu keinem Zeitpunkt (Mit-)Eigentümer des Grund-
stücks gewesen. Er hat nicht zur Abwendung verfolgungsbedingter Vermögensschä-
den einen Miteigentumsanteil auf Sally F. als Treuhänder übertragen. Demzufolge ist
auch kein Miteigentumsanteil, der ihm als wirtschaftliches Eigentum zugerechnet
werden könnte, Gegenstand einer Schädigung im Sinne des Vermögensgesetzes
gewesen. Mithin stellt sich nicht die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf andere Treuhandverhältnisse
ausgeweitet werden kann.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festset-
zung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Sailer
Herbert
Neumann