Urteil des BVerwG vom 21.04.2015

Öffentliche Sicherheit, Ersatzvornahme, Androhung, Anschluss

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 8.14
OVG 2 L 19/12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. April 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Brandt
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Dezember 2013 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren und - unter Abänderung der Streitwertfestset-
zung des Oberverwaltungsgerichts - für das Berufungsver-
fahren auf jeweils 16 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Der Kläger ist Insolvenzverwalter; er wendet sich gegen die Festsetzung der
Ersatzvornahme zur Durchsetzung von Anordnungen zur Sanierung der Ton-
gruben der Insolvenzschuldnerin. Diese baute seit den 1990er Jahren in zwei
Gruben Ton im Tagebaubetrieb ab. Der letzte Hauptbetriebsplan war bis zum
31. August 2008 zugelassen. Im Rahmen eines Sonderbetriebsplans war es der
Insolvenzschuldnerin gestattet, zur Wiedernutzbarmachung ein Teilfeld auch
mit Abfall zu verfüllen. Nachdem festgestellt worden war, dass hierzu auch nicht
zugelassener Hausmüll verwendet wurde, nahm der Beklagte die Sonderbe-
triebsplanzulassung teilweise zurück und untersagte die weitere Verfüllung. Mit
Bescheid vom 3. Februar 2010, geändert mit Bescheiden vom 4. April und
8. August 2011, gab der Beklagte dem Kläger auf, die Tontagebaue mit Dicht-
wänden zu sichern, die teilweise aus Ton hergestellt werden sollten. Dem Klä-
ger wurde untersagt, bis zum Abschluss dieser Maßnahmen den in den Tage-
bauen vorhandenen Ton an Dritte abzugeben oder sonst wegzuschaffen.
Darüber hinaus wurde dem Kläger aufgegeben zu dulden, dass der Beklagte
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den in einem bestimmten Bereich einer der Tongruben vorhandenen - auch
noch nicht aufgehaldeten - Ton für die angeordneten Maßnahmen im Rahmen
einer Ersatzvornahme verwendet. Die Ersatzvornahme der angeordneten Maß-
nahmen sowie ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Un-
terlassungs- und Duldungsverfügung wurden angedroht. Mit Bescheid vom
25. Februar 2010 setzte der Beklagte die angedrohte Ersatzvornahme fest. Die
hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht teilweise Erfolg;
im Anschluss an das Urteil im Verfahren gegen den Bescheid vom 3. Februar
2010, mit dem das Verwaltungsgericht u.a. die Androhung der Ersatzvornahme,
soweit sie sich auf den in der Unterlassungs- und Duldungsverfügung bezeich-
neten Ton bezog, aufgehoben hatte, gab das Verwaltungsgericht in diesem
Umfang auch der Klage gegen die Festsetzung der Ersatzvornahme statt. Das
Oberverwaltungsgericht hat nach der nur hierauf bezogenen Zulassung der Be-
rufung die Klage - auch unter Bezugnahme auf sein Urteil im Verfahren gegen
den Bescheid vom 3. Februar 2010 - in vollem Umfang abgewiesen: Die Andro-
hung lasse keinen Rechtsfehler erkennen. Dies gelte auch, soweit sie sich auf
die zu vollstreckende Unterlassungsverfügung beziehe, die ihrerseits rechtlich
nicht zu beanstanden sei. Die Unterlassungs- und Duldungsverfügung im Be-
scheid vom 3. Februar 2010 sei zu Recht auf § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG
gestützt worden. Das Bundes-Bodenschutzgesetz sei einschlägig, weil weder
das Bergrecht noch das Abfallrecht vorrangig anzuwenden seien. Die Anord-
nungen seien notwendige Maßnahmen, die dem Grundsatz der Verhältnismä-
ßigkeit genügten. Die mit der Androhung verbundene Fristsetzung sei ange-
messen gewesen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelas-
sen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde hat keinen Erfolg.
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1. Soweit der Kläger sich unter Abschnitt A der Beschwerdebegründung gegen
die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Unter-
lassungsverfügung in Ziffer 4 des Bescheids vom 3. Februar 2010 wendet, die
das Oberverwaltungsgericht aus seinem Urteil im Verfahren - OVG 2 L 20/12 -
übernommen hat, kann dieses Vorbringen die Zulassung grundsätzlich nicht
rechtfertigen. Auf die insoweit erhobenen Rügen käme es in einem Revisions-
verfahren nicht an. Denn nach dem Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bun-
des und der Länder [hier § 71 Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes
Sachsen-Anhalt (VwVG LSA) i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Februar 2015
(GVBl. S. 50) i.V.m. § 53 Abs. 1 Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ord-
nung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) i.d.F. der Bekanntmachung vom
20. Mai 2014 (GVBl. S. 182 ber. S. 380)] ist unabdingbare Grundlage einer
rechtmäßigen Verwaltungsvollstreckung allein die Wirksamkeit, nicht aber die
Rechtmäßigkeit der Grundverfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September
2008 - 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 12). Allein die Vollstre-
ckung führt wegen der Titelfunktion des Grundverwaltungsakts etwa im Hinblick
auf Kostenforderungen nicht zur Erledigung im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG.
Die Wirksamkeit des Grundverwaltungsakts endet indes mit der gerichtlichen
Aufhebung, die der Kläger im Verfahren - OVG 2 L 20/12 - begehrt hat. Ange-
sichts dessen mag es erwägenswert sein, im Interesse effektiven Rechtsschut-
zes die auf die Grundverfügung zielenden Rügen zu berücksichtigen. Aber auch
dann kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Zur Begründung
verweist der Senat auf seine die Unterlassungsverfügung betreffenden Ausfüh-
rungen im Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren - BVerwG 7 B 9.14 -.
2. Mit der auf die Fristsetzung bezogenen Grundsatzrüge in Abschnitt B der
Beschwerdebegründung dringt die Beschwerde gleichfalls nicht durch. Denn die
Frage, welche Anforderungen an die Bestimmtheit der in der Androhung der
Ersatzvornahme gesetzten Frist zu stellen sind, wäre im erstrebten Revisions-
verfahren nicht entscheidungserheblich und jedenfalls deswegen nicht klä-
rungsfähig.
Auch wenn davon ausgegangen wird, dass es im Rahmen der Klage gegen
eine Zwangsmittelfestsetzung auch auf die Rechtmäßigkeit einer noch nicht
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bestandskräftigen Zwangsmittelandrohung ankommt, unterliegt die Frage, ob
die in Ziffer 3 des Bescheids vom 3. Februar 2010 festgesetzte Frist von Rechts
wegen zu beanstanden ist, nicht mehr der Prüfung im Rechtsmittelverfahren.
Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts im Verfahren - VG 3 A 62/10
MD - mit seinem klageabweisenden Ausspruch rechtskräftig geworden. Zur Be-
gründung verweist der Senat auf die Ausführungen unter II 3. b) im Beschluss
vom heutigen Tage im Verfahren - BVerwG 7 B 9.14 -.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung und
Änderung des Streitwerts folgt ausbs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m.
sowie § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Im Anschluss an die Ausführungen des
Oberverwaltungsgerichts im Zulassungsbeschluss vom 4. Juni 2013 bemisst
der Senat das wirtschaftliche Interesse des Klägers auf den durch bei freihändi-
gem Verkauf des Tons zu erzielenden Kaufpreis.
Dr. Nolte
Krauß
Brandt
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