Urteil des BVerwG vom 05.08.2005

Rüge, Kaufvertrag, Verfahrensmangel, DDR

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 52.05
VG 9 A 172.99
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. August 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und K r a u ß
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom
17. März 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens ein-
schließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 223 178,90 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Klägerin beansprucht die Rückübertragung eines Hausgrundstücks
nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen
- VermG -. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Beigeladene
das Grundstück redlich erworben habe und daher die Rückübertragung nach § 4
Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen sei.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in
diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Das angegriffene Urteil weicht weder im Sinne des
§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
ab, noch liegen die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensfehler vor.
1. Nach Auffassung der Klägerin besteht eine Divergenz zwischen dem
Urteil des Verwaltungsgerichts und den Urteilen des Senats vom 27. Januar 2000
- BVerwG 7 C 39 und 40.98 - (Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 2). Während in
den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt worden sei, dass es
der in der DDR üblichen Praxis entsprochen habe, die Grundstücksverkehrsgeneh-
migung erst zu erteilen, wenn eine Zuweisung für den betreffenden Wohnraum vor-
gelegen habe, sei dies nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auch bereits dann
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geschehen, wenn festgestanden habe, dass der Erwerber die Wohnraumzuweisung
erhalten würde.
Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergibt sich aus
diesem Vortrag nicht. Die Klägerin zeigt nicht einander widersprechende Rechtssätze
auf; sie beanstandet vielmehr, dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung
andere Tatsachen zugrunde gelegt habe als der Senat.
2. Insoweit ist auch kein Verfahrensfehler erkennbar. Die Klägerin ist der
Auffassung, dass das Verwaltungsgericht sich für seine Tatsachenfeststellung nicht
mit der Benennung einer Fundstelle (Bergmann/Ziegler, Leitung und Verfahren der
Wohnraumverteilung, Neue Justiz 1986, S. 251) hätte begnügen dürfen, weil dies
keine eigenen Feststellungen ersetze.
Diese Aufklärungsrüge ist nicht berechtigt. Die Klägerin verkennt, dass
solche Veröffentlichungen - hier eines Hauptabteilungsleiters und eines Sektorenlei-
ters im Ministerium der Justiz zu der Handhabung der Vorschriften über die Wohn-
raumverteilung - keine unverbindlichen Meinungsäußerungen waren, sondern in ei-
nem zentral geleiteten autoritären System wie dem der DDR klare Handlungsanwei-
sungen darstellten und daher durchaus als Nachweis für die seinerzeitige Praxis he-
rangezogen werden können. Da die Klägerin auch nicht geltend gemacht hat, im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren Tatsachen vorgetragen zu haben, die der auf
diese Weise festgestellten Praxis widersprechen, ist der gerügte Sachaufklärungs-
mangel nicht feststellbar.
3. Ebenso wenig berechtigt ist die Rüge der Klägerin, dass das Verwal-
tungsgericht auch im Übrigen bei der Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Wohn-
raumvergabe seine Aufklärungspflicht verletzt habe. Soweit sich ihre Beanstandun-
gen auf die so genannten Belegungsnormative beziehen, übersieht sie bereits, dass
die Räte der Bezirke - und dementsprechend für Berlin der Magistrat - diese Rege-
lungen treffen mussten und nicht - wie sie offenbar meint - die Räte der Stadtbezirke
(vgl. § 5 Abs. 2 der Wohnraumlenkungsverordnung - WLVO -). Ausgehend davon hat
das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zutreffend die Verhältnisse in Berlin
zugrunde gelegt. Insoweit liegt auch kein Ermittlungsdefizit darin, dass sich das Ge-
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richt für den von ihm festgestellten Inhalt der Belegungsnormative auf die entspre-
chende Fachliteratur beruft, solange nichts dazu vorgetragen worden ist, das die
Richtigkeit dieser Quellen in Zweifel zieht.
Mit den übrigen in diesem Zusammenhang erhobenen Einwänden wen-
det sich die Klägerin im Wesentlichen gegen die Würdigung des festgestellten Sach-
verhalts durch das Gericht, ohne einen Verfahrensmangel in der durch § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO gebotenen Weise aufzuzeigen. Zur Substantiierung einer solchen Rü-
ge reicht es jedenfalls nicht aus, der Tatsachenbewertung des Gerichts seine eigene
entgegenzusetzen und pauschal geltend zu machen, dass der gegenteiligen Auffas-
sung ein Ermittlungsdefizit und eine fehlerhafte Überzeugungsbildung zugrunde lie-
ge.
Schließlich zeigt die Klägerin auch nicht nachvollziehbar auf, warum sich
dem Gericht auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung die - jedenfalls
nicht förmlich beantragte - Vernehmung ihres Ehemannes hätte aufdrängen müssen,
obwohl die in das Wissen des Zeugen gestellte Tatsache als wahr unterstellt worden
ist.
4. Auch die auf die Preisermittlung bezogene Aufklärungsrüge ist unbe-
rechtigt. Der Ausgangspunkt dieses Vorbringens der Klägerin besteht darin, dass das
Verwaltungsgericht von der Richtigkeit des im Kaufvertrag angegebenen Ein-
heitswerts ausgegangen sei, obwohl sie mit ihrer Klage geltend gemacht habe, dass
dieser weit höher gewesen sei. Die letztgenannte Behauptung ist - versteht man sie
wörtlich - unzutreffend, ansonsten missverständlich. Die Klägerin hat nicht in Zweifel
gezogen, dass der Einheitswert im Kaufvertrag zutreffend wiedergegeben worden sei
- sie hat diesen Vertrag schließlich selbst unterschrieben -, vielmehr hat sie vorge-
tragen, dass das Haus in Wahrheit erheblich mehr wert gewesen sei, als der Ein-
heitswert ausweise (vgl. S. 5/6 der Klagebegründung). Ausgehend davon beanstan-
det sie, dass das Gericht keine eigene Preisermittlung unter Berücksichtigung des
Sanierungsbedarfs vorgenommen hat. Ihr wäre es jedoch unbenommen geblieben,
auf eine solche Sachaufklärung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hinzuwirken.
Dieses Versäumnis kann sie nicht durch eine entsprechende Rüge im Nichtzulas-
sungsbeschwerdeverfahren wettmachen. Abgesehen davon trägt sie selbst mit der
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Nichtzulassungsbeschwerde keine substantiierten Einwände gegen die ausführlich
begründete Einschätzung des Gerichts vom Zustand des Hauses vor, die Veranlas-
sung zu weiterer Sachaufklärung hätten geben können.
5. Ebenfalls nicht begründet ist die Rüge, welche die Klägerin bezüglich
der Zulässigkeit des Grundstückserwerbs im Hinblick auf die Grundstücksgröße er-
hebt. Zwar trifft es zu, dass sie in der Klageschrift - allerdings eher beiläufig im Rah-
men der wohnungswirtschaftlichen Erwägungen - geltend gemacht hat, der Beigela-
dene habe ein derart großes Grundstück nicht erwerben dürfen, und dass das Ge-
richt darauf nicht ausdrücklich eingegangen ist. Dies lässt jedoch nicht auf eine Ver-
letzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs schließen, weil es sich um
einen Grundstückserwerb unter Privaten handelte, so dass schon deswegen kein
Anlass bestand, auf diesen Aspekt des Vorbringens besonders einzugehen, zumal
dessen Schwerpunkt auf der Wohnraumbewirtschaftung lag.
6. Die Tatsache, dass der Beigeladene in die Erdgeschosswohnung
und nicht in das Dachgeschoss eingezogen ist, hat das Gericht in seine Entschei-
dungsfindung einbezogen. Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin diese Tatsa-
che anders bewertet als das Gericht, ergibt sich kein Verfahrensmangel.
7. Schließlich liegt auch kein Aufklärungsdefizit darin, dass das Gericht
dem von der Klägerin "ins Blaue hinein" geäußerten Verdacht, der Beigeladene oder
dessen Eltern seien Angehörige des MfS gewesen, nicht nachgegangen ist.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat
nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3
VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m.
§ 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG.
Sailer Kley Krauß