Urteil des BVerwG vom 30.04.2015

Rechtliches Gehör, Aktenwidrigkeit, Verhinderung, Genehmigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 2.15 (7 B 25.13)
OVG 4 KS 3/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. April 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller
beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Beigeladenen gegen den Be-
schluss des Senats vom 8. Januar 2015 wird zurückge-
wiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Aus ihr ergibt sich nicht, dass der Senat in
seinem Beschluss vom 8. Januar 2015 wesentliches Beschwerdevorbringen der
Beigeladenen nicht zur Kenntnis genommen oder übergangen und damit ihren
Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat
(vgl. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Kritik der Beigeladenen, ihr Vortrag
sei nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt worden, bezieht sich zum einen
auf ihre Ausführungen zu den sogenannten temporären Maßnahmen, zum an-
deren auf ihr Vorbringen zur Problematik des Geheimnisschutzes. Unter keinem
dieser Gesichtspunkte liegt jedoch ein Gehörsverstoß vor.
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Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet, dass das Vorbrin-
gen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird
(stRspr; BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1987 - 1 BvR 313/85 - BVerfGE 75,
369 <381 f.>), nicht aber, dass das Gericht den Vorstellungen eines Beteiligten
folgt (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 u.a. - BVerfGE 64,
1 <12>). Zudem ist das Gericht nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteilig-
ten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Deshalb
wäre es von vornherein verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Vor-
tragselemente eines sehr umfangreichen Verfahrens - wie dem vorliegenden -
zu folgern, das Gericht habe sich mit den darin enthaltenen Argumenten nicht
befasst (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200
<209>; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 -
BVerfGE 54, 43 <46> m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt überdies keinen
Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des formellen oder materiellen
Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom
21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich dem Vorbringen der Beigeladenen
nicht entnehmen, dass der Senat ihr Vorbringen übergangen hätte. Er hat es
vielmehr berücksichtigt, aber nicht für durchgreifend erachtet.
a) Das gilt insbesondere für die in der Beschwerdebegründung vertretene Auf-
fassung, die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu den temporären
Maßnahmen (UA Rn. 222) lösten den von der Beigeladenen gesehenen grund-
sätzlichen Klärungsbedarf aus (Rn. 7 des Beschlusses). Auf die hierzu in der
Nichtzulassungsbeschwerde mehrfach aufgeworfene Frage ist der Senat in an-
derem Zusammenhang im Übrigen ausdrücklich eingegangen (Rn. 8 des Be-
schlusses).
b) Das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf die aus ihrer
Sicht verfahrensfehlerhaft getroffenen Feststellungen und Bewertungen des
Oberverwaltungsgerichts zu der Frage, ob die temporären Maßnahmen in tat-
sächlicher Hinsicht ausreichend seien, hat der Senat ebenfalls zur Kenntnis
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genommen. Die Anhörungsrüge begründet ihre gegenteilige Annahme damit,
dass der Senat nicht auf das an die Beklagte gerichtete Schreiben des Ministe-
riums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des
Landes Schleswig-Holstein vom 21. Januar 2013 eingegangen sei. Aus diesem
Schreiben ergibt sich nach Auffassung der Beigeladenen, dass das Oberver-
waltungsgericht zu Unrecht angenommen habe, die temporären Maßnahmen
seien aus tatsächlichen Gründen nicht geeignet, Einfluss auf die sich aus ande-
ren Gründen ergebende Rechtswidrigkeit der angefochtenen atomrechtlichen
Genehmigung zu nehmen. Doch liegt insoweit kein Verfahrensfehler des Ober-
verwaltungsgerichts in Gestalt einer Aktenwidrigkeit der getroffenen Feststel-
lungen oder einer gegen die Denkgesetze verstoßenden Sachverhaltswürdi-
gung vor. Das Oberverwaltungsgericht hat das erwähnte Schreiben berücksich-
tigt und dazu bemerkt, dass es sich nicht ausdrücklich zu einem Eindringen von
Angreifern in das Lagergebäude äußere. Diesen Umstand bestreitet auch die
Beigeladene nicht, sondern meint, aus dem Wortlaut des Schreibens müsse auf
eine ausreichende Verhinderung des Eindringens von Angreifern geschlossen
werden. Daraus, dass das Oberverwaltungsgericht dieser Interpretation nicht
gefolgt ist, resultiert indessen ersichtlich weder eine Aktenwidrigkeit noch ein
Verstoß gegen die Denkgesetze. Angesichts dessen können aus dem Um-
stand, dass der Senat in seiner Beschwerdeentscheidung nicht ausdrücklich auf
das Schreiben vom 21. Januar 2013 eingegangen ist, nicht die von der Be-
schwerde für notwendig gehaltenen Schlüsse zum Vorliegen eines Gehörsver-
stoßes gezogen werden.
c) Aus dem Beschluss des Senats vom 8. Januar 2015 ergibt sich schließlich
auch nicht, dass der Senat - wie die Beigeladene meint - den gesamten Vortrag
der Nichtzulassungsbeschwerde zur Problematik des Geheimnisschutzes nicht
zur Kenntnis genommen und dessen Bedeutung nicht in Erwägung gezogen
habe. Die von der Beigeladenen in diesem Zusammenhang erwähnte Passage
der Beschwerdebegründung dient der Erläuterung derjenigen von der Beigela-
denen als grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Frage, mit der sich der
Senat in Randnummer 8 des Beschlusses vom 8. Januar 2015 befasst hat. Der
Hinweis des Senats auf die Substanzlosigkeit einer bestimmten Äußerung
(Rn. 19 a.E.) stellt eine Bewertung dar, die zwar mit derjenigen durch die
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Beigeladene nicht übereinstimmt, aber keine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör belegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Nolte
Dr. Philipp
Dr. Keller
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