Urteil des BVerwG vom 13.03.2015

Subjektives Recht, Unterhaltung, Beteiligung am Verfahren, Rechtliches Gehör

BVerwGE: nein
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Recht des Baues von Wasserstraßen
Rechtsquelle/n:
WaStrG § 1 Abs. 4 Nr. 1; § 7 Abs. 1; § 42 Abs. 1
FlurbG § 58 Abs. 4
VwGO § 65 Abs. 2
Titelzeile:
Zum Anspruch auf Instandhaltung einer Brücke über eine
Bundeswasserstraße
Stichworte:
Bundeswasserstraße; Stichkanal; Schifffahrtsanlage; Brücke; Zubehör;
öffentlicher / nichtöffentlicher Weg; Kreuzungsanlage; Unterhaltung;
Instandsetzung; Flurbereinigungsplan; Erschließungsvorteil; Entfernungsvorteil;
subjektives Recht; Planfeststellung; notwendige Beiladung.
Leitsatz/-sätze:
Die Unterhaltung von Bundeswasserstraßen einschließlich ihres Zubehörs in
Gestalt einer Brücke (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 WaStrG) ist eine gegenüber der
Allgemeinheit, nicht gegenüber den Teilnehmern am Straßen- oder
Wasserstraßenverkehr zu erfüllende Hoheitsaufgabe des Bundes.
Beschluss des 7. Senats vom 13. März 2015 - BVerwG 7 B 16.14
I. VG Hannover vom 28. Februar 2012
Az: VG 7 A 3929/10
II. OVG Lüneburg vom 22. Januar 2014
Az: OVG 7 LC 76/12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 16.14
OVG 7 LC 76/12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberver-
waltungsgerichts vom 22. Januar 2014 wird zurückgewie-
sen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens
je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten
der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die ihr
gehörende, für den Fahrzeugverkehr gesperrte Brücke Nr. 382 über den Stich-
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kanal des Mittellandkanals nach H. so instand zu setzen, dass sie wieder mit
landwirtschaftlichen Fahrzeugen befahren werden kann.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Der Feststellungsanspruch
folge aus dem Flurbereinigungsplan B. i.V.m. den Vorschriften des Flurbereini-
gungsgesetzes. Nach dem Flurbereinigungsplan seien die nichtöffentlichen
Wege - die Brücke sei in dem Plan als nichtöffentlicher Weg ausgewiesen - vom
Eigentümer entsprechend ihrer Zweckbestimmung zu unterhalten. Die Kläger
seien durch die unterbliebene Instandhaltung der Brücke in eigenen, durch den
Flurbereinigungsplan geschützten Rechten betroffen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage ab-
gewiesen. Die einschlägigen Regelungen des Bundeswasserstraßengesetzes
(§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 1 oder § 42 Abs. 1 WaStrG) räumten Teilneh-
mern am Straßenverkehr keinen Erfüllungs- oder Verkehrserhaltungsanspruch
ein. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergebe sich der An-
spruch auch nicht aus den Regelungen des Flurbereinigungsplans über die Un-
terhaltung nichtöffentlicher Wege. Die Brücke zähle zu den Überbrückungen im
Sinne des Flurbereinigungsplans, weil sie gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 WaStrG als
Schifffahrtsanlage zur überbrückten Wasserstraße gehöre. Nach dem Flurbe-
reinigungsplan richte sich die Unterhaltung dieser Anlagen nach den dafür
maßgebenden Bestimmungen und - soweit sie diesen Bestimmungen nicht wi-
dersprächen - den Festsetzungen des Flurbereinigungsplans. Wenn sich aus
den Festsetzungen des Flurbereinigungsplans ein subjektives Recht der Teil-
nehmer des Flurbereinigungsverfahrens auf Unterhaltung der Brücke ergäbe,
so widersprächen diese Festsetzungen insoweit den hier maßgebenden Be-
stimmungen des Bundeswasserstraßengesetzes, die - wie dargelegt - ein sub-
jektives Recht nicht begründeten.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelas-
sen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.
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II
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Kläger machen unter I. der Beschwerdebegründung geltend, dass sich
die Unterhaltungspflicht für Kreuzungsanlagen im Zuge nichtöffentlicher Wege
nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1982 - 4 C
36.79 - (Buchholz 407.4 § 12 FStrG Nr. 2) aus den planfeststellungsrechtlichen
Schutzauflagen oder entsprechenden Schutzzusagen des Vorhabenträgers er-
gebe. Das habe das Oberverwaltungsgericht ignoriert. Deshalb habe es auch
keine hinreichenden Nachforschungen nach dem den Brückenbau legalisieren-
den Genehmigungsbescheid angestellt.
a) Die geltend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils vom Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1982 liegt nicht vor. Eine Di-
vergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt u.a. voraus, dass sich die
gerügte Abweichung auf dieselbe Vorschrift revisiblen Rechts bezieht (stRspr,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).
Daran fehlt es hier. Es geht zwar in beiden Entscheidungen um kreuzungsrecht-
liche Vorschriften, im Urteil des Berufungsgerichts jedoch um diejenigen des
Bundeswasserstraßengesetzes, im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts um
jene des Bundesfernstraßengesetzes. Andere Vorschriften können aber selbst
bei Wortgleichheit in einem anderen systematischen Kontext stehen oder durch
die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets geprägt sein und daher ver-
schiedene Inhalte haben (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 27. Mai 2011 - 9 B
29.11 - jurisund vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - NVwZ 2014, 1174
Rn. 3 f.).
b) Der Rechtssache kommt auch nicht die hilfsweise geltend gemachte rechts-
grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage,
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ob das bundeswasserstraßenrechtliche Kreuzungsrecht
sich nur auf Kreuzungen öffentlicher Straßen mit Bun-
deswasserstraßen, nicht aber auf die Kreuzung einer Pri-
vatstraße und einer Bundeswasserstraße bezieht,
ist nicht klärungsbedürftig. Die §§ 40 ff. WaStrG regeln eindeutig nur Kreuzun-
gen mit öffentlichen Verkehrswegen (vgl. auch Friesecke, Bundeswasserstra-
ßengesetz, 6. Aufl. 2009, § 12 Rn. 10, § 40 Rn. 3). Das ergibt sich aus der
Überschrift des 9. Abschnitts des Bundeswasserstraßengesetzes ("Kreuzungen
mit öffentlichen Verkehrswegen") und dem Wortlaut der einzelnen Vorschriften.
So regelt § 42 Abs. 1 WaStrG ausdrücklich nur die Unterhaltung von Kreu-
zungsanlagen "im Zuge öffentlicher Verkehrswege". Anderes hat im Übrigen
auch das Oberverwaltungsgericht nicht vertreten. Wenn es davon ausgeht,
dass die Unterhaltung von Brücken in einem nichtöffentlichen Weg im Sinne
des § 10 Abs. 12, 16 und 17 des Flurbereinigungsplans gesetzlich nicht gere-
gelt sei (UA juris Rn. 69), setzt dies gerade voraus, dass die Regelungen des
Bundeswasserstraßengesetzes derartige Kreuzungen nicht erfassen.
c) Das Urteil beruht insoweit auch nicht auf einem Verfahrensmangel.
aa) Die Kläger rügen eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes. Das
Oberverwaltungsgericht habe sich mit der Auskunft der Beklagten, dass ihr kei-
ne Unterlagen über die rechtliche Genehmigung des Stichkanals H. und der
Brücke Nr. 382 vorlägen, aber davon auszugehen sei, dass ein Planfeststel-
lungsverfahren nach dem preußischen Wassergesetz durchgeführt worden sei
(GA Bl. 382), begnügt und jegliche weitere Recherche nach dem Planfeststel-
lungsbeschluss oder den Planfeststellungsbeschlüssen unterlassen.
Um einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz darzutun, muss u.a.
dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbe-
sondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachver-
haltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist
oder sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches
Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Daran fehlt es. Einen
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Beweisantrag haben die Kläger nicht gestellt. Sie haben auch nicht dargelegt,
warum sich dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen, im Staats-
archiv in Hannover oder an anderen in der Beschwerdebegründung genannten
Orten nach dem Planfeststellungsbeschluss zu suchen. Die Kläger hatten sich
zur Begründung ihrer Klage auf § 42 WaStrG, den Flurbereinigungsplan und die
allgemeine Verkehrssicherungspflicht, nicht hingegen auf den Planfeststel-
lungsbeschluss für den Bau des Stichkanals und die Brücke bezogen. In die-
sem Fall wäre es im Übrigen ihre Sache gewesen, den Planfeststellungsbe-
schluss vorzulegen. Auch aufgrund der von den Klägern mit Schriftsatz vom
7. Januar 2011 (GA Bl. 178) vorgelegten Vertragsentwürfe zwischen der
Reichswasserstraßenverwaltung und der politischen Gemeinde B., in denen
Planfeststellungsbeschlüsse vom 20. Mai 1919 und vom 12. Juli 1919 erwähnt
werden, mussten sich weitere Nachforschungen nicht aufdrängen. Die Kläger
hatten selbst mitgeteilt, aus den Akten im Archiv der Stadt S. ergebe sich, dass
die "Alt-Akten" aufgrund von Kriegseinwirkungen verloren gegangen seien.
Dass die Planfeststellungsbeschlüsse an anderer Stelle - und gegebenenfalls
an welcher - noch vorhanden seien, hatten sie nicht vorgetragen.
Aus diesem Grund gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Oberver-
waltungsgericht den mit Schriftsatz vom 7. Januar 2011 unterbreiteten Sachvor-
trag unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen haben
könnte (Beschwerdebegründung S. 5).
bb) Die Kläger meinen, dass das Urteil in sich widersprüchlich begründet sei
und deshalb gegen § 108 Abs. 1 Satz 2, § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO verstoße.
Das Oberverwaltungsgericht habe offen gelassen, ob der Wegteil auf der Brü-
cke öffentlicher oder nichtöffentlicher Weg sei. Hätte es diese Frage nicht da-
hinstehen lassen, hätte es denknotwendig die Frage beantworten müssen, was
hinsichtlich der Unterhaltungspflicht gelten soll, wenn nichtöffentliche Verkehrs-
wege eine Bundeswasserstraße kreuzen.
Ob mit diesem Vortrag ein Verfahrensmangel oder lediglich die dem materiellen
Recht zuzuordnende Beweiswürdigung im vorliegenden Einzelfall gerügt wird,
kann offen bleiben; die behauptete Widersprüchlichkeit liegt nicht vor. Das
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Oberverwaltungsgericht hat die Brücke nicht als Weg im Sinne des Straßen-
und Wegerechts, sondern als Zubehör der Bundeswasserstraße Stichkanal H.
qualifiziert (UA juris Rn. 68). Es ist davon ausgegangen, dass sie der Überfüh-
rung des westlich und östlich von ihr verlaufenden Gretenberger Wegs dient,
der während des Berufungsverfahrens für den öffentlichen Verkehr gewidmet
wurde (UA juris Rn. 3). Ob der Gretenberger Weg bei Aufstellung des Flurbe-
reinigungsplans ein öffentlicher oder ein nichtöffentlicher Weg war (zum östlich
des Stichkanals zur Brücke führenden Abschnitt des Gretenberger Wegs vgl.
UA juris Rn. 60), war nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts
nicht entscheidungserheblich. Ein subjektives Recht der Kläger auf Unterhal-
tung der Brücke ergebe sich unabhängig hiervon weder aus dem Bundeswas-
serstraßengesetz (UA juris Rn. 54, 72) noch aus dem Flurbereinigungsplan (UA
juris Rn. 75).
2. Die Rechtssache hat auch nicht die unter II. der Beschwerdebegründung im
Hinblick auf einen subjektiv-rechtlichen Gehalt von § 7 Abs. 1 und § 42 Abs. 1
WaStrG geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
a) Die Frage,
ob es zutrifft, dass weder § 42 Abs. 1 WaStrG noch § 7
Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 1 WaStrG Teilnehmern im
Straßenverkehr (auf Brücken über eine Bundeswasser-
straße) einen Erfüllungs-, Verkehrserhaltungs- oder Ver-
kehrssicherungsanspruch einräumen, kraft dessen bean-
sprucht werden könnte, ein reparaturbedürftiges Brücken-
bauwerk instand zu setzen,
bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Für die wasserrechtliche
Unterhaltungspflicht nach dem Wasserhaushaltsgesetz ist bereits geklärt, dass
ihre Wahrnehmung nicht in Erfüllung einer Dritten gegenüber bestehenden
Rechtspflicht geschieht, sondern in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe des
Trägers der Unterhaltungslast (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1973 - 4 C
50.71 - BVerwGE 44, 235); Drittbetroffene haben grundsätzlich keinen Rechts-
anspruch gegen den Träger der Unterhaltungslast auf Erfüllung der Unterhal-
tungspflicht oder auf Vornahme bestimmter Unterhaltungsarbeiten (BGH, Urteil
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vom 24. Februar 1994 - III ZR 4/93 - BGHZ 125, 186 = juris Rn. 10). Für die
Unterhaltung der Bundeswasserstraßen einschließlich ihres Zubehörs (§ 7
Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 1 WaStrG) kann nichts anderes gelten. Auch sie ist
eine gegenüber der Allgemeinheit, nicht aber gegenüber den Teilnehmern am
Straßen- oder Wasserstraßenverkehr zu erfüllende Hoheitsaufgabe des Bundes
(Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 6. Aufl. 2009, § 7 Rn. 4). Die Kreu-
zungsanlagen im Zuge öffentlicher Verkehrswege hat derjenige zu unterhalten,
der die Kosten der Herstellung der Kreuzungsanlage ganz oder überwiegend
getragen hat (§ 42 Abs. 1 WaStrG). Auch insoweit begründet das Bundeswas-
serstraßengesetz lediglich eine Unterhaltungslast und keinen gegen den Pflich-
tigen gerichteten Unterhaltungsanspruch der Benutzer der Kreuzungsanlage.
b) Die sich hieran anschließende Frage,
ob die Unterhaltungspflicht aus § 42 WaStrG abweichend
von der Regel ausnahmsweise zu Gunsten solcher Ver-
kehrsteilnehmer, die an dem Verkehrsweg ein über den
Gemeingebrauch hinausgehendes besonderes Nutzungs-
recht besitzen (z.B. aus § 7 Realverbandsgesetz oder aus
dem Flurbereinigungsplan), drittschützender Natur ist,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsge-
richt hat keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ein über den Gemein-
gebrauch hinausgehendes Sonderrecht der Kläger an der Brücke ergeben
könnte. Es hat den Flurbereinigungsplan vielmehr dahingehend ausgelegt, dass
dieser den an der Flurbereinigung Beteiligten gerade nicht abweichend vom
Wasserstraßengesetz ein subjektives Recht auf Unterhaltung der Schifffahrts-
anlage einräumt (UA juris Rn. 71 - 76). Inwieweit sich aus dem Realverbands-
gesetz ein über den Gemeingebrauch hinausgehendes Sonderrecht der Kläger
an der Brücke ergeben sollte, haben die Kläger nicht dargelegt. Das Oberver-
waltungsgericht hat dies nicht in Erwägung gezogen und hierzu keine Feststel-
lungen getroffen. Dass hierin ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
liegen könnte, haben die Kläger nicht geltend gemacht. Nach der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts scheidet die Zulassung der Revision
aber aus, wenn die Vorinstanz eine Tatsche nicht festgestellt hat, die für die
Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, vielmehr
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lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung
der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden
könnte (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Dezember 1998 - 9 B 197.98 - juris Rn. 6
und vom 28. November 2005 - 4 B 66.05 - NVwZ 2006, 339 Rn. 4).
c) Die Frage,
ob ein Flurbereinigungsweg, der landesrechtlich keine öf-
fentliche Straße, sondern nichtöffentlicher Wirtschaftsweg
ist, gleichwohl wie ein öffentlicher Verkehrsweg i.S.d. § 42
Abs. 1 WaStrG zu behandeln sein kann bzw. ob § 42
Abs. 1 WaStrG auf nichtöffentliche Wirtschaftswege erwei-
ternd oder analog anzuwenden ist,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsge-
richt hat einen Anspruch der Kläger auf Feststellung der Unterhaltungspflicht
der Beklagten nach § 42 Abs. 1 WaStrG nicht deshalb verneint, weil der über-
führte Weg keine öffentliche Straße sei, sondern weil sich die Unterhaltungs-
pflicht nach § 42 Abs. 1 WaStrG als Hoheitsaufgabe des Bundes darstelle, auf
deren Wahrnehmung ein subjektives Recht Dritter nicht bestehe (UA juris
Rn. 54, 72; siehe bereits II 1. c) bb)). Aus diesem Grund würde sich auch die für
den Fall der erweiternden Anwendung auf nichtöffentliche Wirtschaftswege auf-
geworfene Folgefrage (Beschwerdebegründung S. 19) nicht stellen.
3. Die Fragen zur straßenrechtlichen Bedeutung des Brückenflurstücks und zu
etwaigen Bindungen des Ermessens bei der Unterhaltung einer Bundeswasser-
straße durch einen Flurbereinigungsplan (III. der Beschwerdebegründung) füh-
ren ebenfalls nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
a) Die Frage,
ob ein straßenrechtlich ungewidmet gebliebener nichtöf-
fentlicher Weg (auf der Brücke bzw. dem Brückenflurstück
61) durch die beiderseitige Widmung der Anschlusswege-
stücke zu öffentlichen (Gemeinde-)Straßen ein öffentlicher
Verkehrsweg im Sinne des § 42 Abs. 1 WaStrG auch
dann sein kann, wenn er selbst nicht straßenrechtlich öf-
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fentlich gewidmet ist, aber die Funktion hat, zwei öffentli-
che Straßen miteinander zu verbinden,
würde sich aus den soeben dargelegten Gründen (II 2. c) nicht stellen. Das
Oberverwaltungsgericht ist von der Möglichkeit ausgegangen, dass die Brücke
eine Kreuzungsanlage im Zuge eines öffentlichen Verkehrsweges ist. Die hie-
ran anknüpfende weitere Frage (Beschwerdebegründung S. 21 unten) geht in
ihrem sachlichen Gehalt nicht über die genannte und die unter II 2. b) behandel-
te Frage hinaus.
b) Die Frage,
ob der von § 42 Abs. 1 WaStrG eingeräumte Entschei-
dungs- und Planungsspielraum, der mit der Wahrnehmung
der hoheitlichen Unterhaltungsaufgabe an diesen Anlagen
einhergeht, so schutzbedürftig ist, dass eine Kollisions-
klausel in einem Flurbereinigungsplan wie der des § 12
Abs. 9 des entscheidungserheblichen Flurbereinigungs-
plans von 1977 nur so ausgelegt werden darf, dass aus
den Unterhaltungsfestsetzungen keine Einschränkung des
Entscheidungs- und Planungsermessens einhergehen
darf, ob also § 42 WaStrG insbesondere eine Verbots-
norm gegen die Regelung von Unterhaltungs- und Erhal-
tungspflichten zu Gunsten der Flurbereinigungsbeteiligten
sein kann, obwohl beim seinerzeitigen Planfeststellungs-
beschluss im Jahre 1919 die Unterhaltungs- wie Erhal-
tungspflicht als Schutzauflage im Planfeststellungsbe-
schluss geregelt gewesen sein kann,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsge-
richt hat § 42 Abs. 1 WaStrG nicht ein generelles Verbot entnommen, in einem
Flurbereinigungsplan Ansprüche der Flurbereinigungsberechtigten auf Unterhal-
tung von Kreuzungsanlagen zu begründen. Es hat lediglich dem hier in Rede
stehenden Flurbereinigungsplan wegen des in ihm enthaltenen Vorbehalts zu-
gunsten des maßgeblichen Fachrechts nicht entnehmen können, dass er An-
sprüche der Flurbereinigungsbeteiligten auf Unterhaltung der Brücke hat be-
gründen sollen. Der Auslegung eines konkreten Flurbereinigungsplans kommt
eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung nicht zu.
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4. Schließlich führen auch die unter IV. der Beschwerdebegründung geltend
gemachten Gründe nicht zur Zulassung der Revision.
a) Die Frage zum Verhältnis des Ermessensspielraums nach § 42 Abs. 1
WaStrG zum flurbereinigungsrechtlichen Sonderregime (Beschwerdebegrün-
dung S. 22) geht über die unter II 3. b) behandelte Frage nicht hinaus.
b) Eine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
18. November 2002 - 9 CN 1.02 - (BVerwGE 117, 209) ist nicht den Anforde-
rungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Einen ent-
scheidungstragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem das Oberverwaltungsge-
richt von einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts ab-
gewichen sein könnte, benennen die Kläger in der Beschwerdebegründung
nicht.
c) Hinsichtlich der Frage,
ob das gewillkürte Herbeiführen der Funktionslosigkeit
(Entfunktionalisierung) durch den wasserstraßenrechtli-
chen Baulastträger ebenfalls zu einer Änderung des Flur-
bereinigungsplans führen kann,
fehlt eine Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das Oberverwaltungsge-
richt hat nicht festgestellt, dass die Sperrung der Brücke zur Funktionslosigkeit
des Flurbereinigungsplans führt (zu den Voraussetzungen hierfür BVerwG,
Urteil vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - BVerwGE 117, 209 = juris Rn. 67).
Auch aus diesem Grund scheidet eine Zulassung der Revision aus (siehe
II 2. b)).
d) An einer Darlegung der Entscheidungserheblichkeit fehlt es auch im Hinblick
auf folgende Fragen:
Ist eine Kollisionsklausel in einem Flurbereinigungsplan,
die - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - dem
Ermessen des Kanalunternehmers, die Unterhaltung der
dem Flurbereinigungswegenetz dienenden Brücke zu re-
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duzieren, den Vorrang einräumt, mit § 58 Abs. 4 FlurbG
vereinbar?
Ist es mit dem Satzungscharakter als Gesamtregelungs-
maßnahme vereinbar, dass der Träger der Unterhaltungs-
last (hier die Beklagte) die Unterhaltung reduziert, obwohl
die dauernde Erfüllung der Unterhaltungslast gedankliche
Voraussetzung und Geschäftsgrundlage des Flurbereini-
gungsplans war, so dass die Satzungsregelungen dadurch
entwertet werden, dass sie die im Flurbereinigungsplan
vorausgesetzten Pflichterfüllungen wie z.B. die Unterhal-
tung einer Kanalbrücke nicht mehr leisten?.
Welche Bedeutung § 58 Abs. 4 FlurbG für die Auslegung des hier in Rede ste-
henden Flurbereinigungsplans haben sollte, legen die Kläger nicht dar. Um die
aus dieser Vorschrift folgenden Voraussetzungen für die Änderung der Festset-
zungen eines Flurbereinigungsplans durch Gemeindesatzung geht es im vorlie-
genden Fall nicht.
e) Die Frage,
ob die in einem Flurbereinigungsplan festgelegte Gewich-
tung zwischen Einlage und Abfindung auch durch einen
Planfeststellungsbeschluss geändert werden kann, wenn
das Wegesystem des Flurbereinigungsplans eine Anlage
in Anspruch nimmt, die aufgrund eines Planfeststellungs-
beschlusses verändert oder abgerissen werden kann und
dieses Auswirkungen auf das flurbereinigungsrechtliche
Wegenetz hat,
bedarf, soweit sie einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist, nicht der
Klärung in einem Revisionsverfahren. In der Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts ist geklärt, dass das Ergebnis eines durch Schlussfeststellung
der Flurbereinigungsbehörde (§ 149 Abs. 3 FlurbG) abgeschlossenen Flurbe-
reinigungsverfahrens einem Planfeststellungsverfahren zugrunde zu legen ist
(BVerwG, Beschluss vom 2. September 2010 - 9 B 11.10 - Buchholz 407.4 § 17
FStrG Nr. 211 Rn. 22). Einer Planfeststellung für die Schließung der Brücke
wären mithin auch die neu geordneten Wegebeziehungen und die vorhandenen
tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, Beschluss vom
2. September 2010 a.a.O.). Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben
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berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträg-
lichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 Satz 2
WaStrG). Grundsätzlich müssen alle durch das planfestgestellte Vorhaben ver-
ursachten Probleme auch im Planfeststellungsbeschluss gelöst werden
(BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 50;
Beschluss vom 2. September 2010 - 9 B 11.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG
Nr. 211 Rn. 20). Welche Möglichkeiten der Problemlösung zur Verfügung ste-
hen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
f) Mit seiner Annahme, dass sich auch unter Berücksichtigung der mit der Flur-
bereinigung angestrebten Nachhaltigkeit der Neuordnung des Flurbereini-
gungsgebiets keine zeitlich unbeschränkte Garantie der konkreten, durch die
Flurbereinigung erlangten Erschließungs- oder Entfernungsvorteile begründen
lasse (UA juris Rn. 78), ist das Oberverwaltungsgericht nicht von dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - (BVerwGE
117, 209) abgewichen. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO
liegt schon deshalb nicht vor, weil sich das Bundesverwaltungsgericht mit einer
anderen Rechtsvorschrift befasst hat als das Oberverwaltungsgericht, nämlich
mit der Abwägung nach § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG (BVerwGE 117, 209 <216 =
juris Rn. 64>) und nicht - wie das Oberverwaltungsgericht - mit dem Hand-
lungsermessen der Behörde im Rahmen der Unterhaltungspflicht nach § 7
Abs. 1 bzw. § 42 Abs. 1 WaStrG (UA juris Rn. 77 f.). Im Übrigen hat das Bun-
desverwaltungsgericht nicht ausgeschlossen, dass sich das Gewicht von Fest-
setzungen eines Flurbereinigungsplans in der Abwägung mit zunehmendem
Zeitablauf verringert. Es ist lediglich davon ausgegangen, dass die in der Ab-
wägung zu berücksichtigende Rechtsposition "möglicherweise" auch erhebliche
Zeit nach Ende der Flurbereinigung noch schutzwürdig sein kann (BVerwGE
117, 209 <216 = juris Rn. 64>).
g) Das Oberverwaltungsgericht musste die DB Netz AG nicht beiladen; das Ur-
teil leidet insoweit nicht an einem Verfahrensmangel. Eine Beiladung ist im Sin-
ne von § 65 Abs. 2 VwGO notwendig, wenn die vom Kläger begehrte Sachent-
scheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmit-
telbar Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert
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oder aufgehoben werden, oder anders gewendet, wenn die Entscheidung un-
mittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen Dritter gestalten soll, sie aber ohne
deren Beteiligung am Verfahren nicht wirksam gestalten kann (BVerwG,
Beschluss vom 18. Juni 2013 - 6 C 21.12 - Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 18
Rn. 10 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Rechte der DB
Netz AG werden durch die Abweisung der Klage nicht berührt. Sie darf ihre Be-
triebsanlagen, also auch den bestehenden Bahnübergang, auf dessen Benut-
zung die Kläger seit Sperrung der Brücke Nr. 382 angewiesen sind, unabhängig
vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits nur nach vorheriger Planfeststel-
lung ändern (§ 18 Satz 1 AEG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3
VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1
§ 39 Abs. 1 GKG.
Dr. Nolte
Dr. Philipp
Brandt
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