Urteil des BVerwG vom 17.06.2014

Schutz der Gewässer, Öffentlich, Grundwasser, Grundpflicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 14.14
OVG 11 B 1.11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juni 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 2013 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 142 839,22 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin begehrt die (erneute) Genehmigung zum Betrieb einer Biopolder-
anlage. Die Anlage soll der Entwässerung besonders überwachungsbedürftiger
flüssig-pastöser Abfälle und der Zwischenlagerung entwässerter Abfälle bis zur
ordnungsgemäßen Entsorgung dienen. Das Oberverwaltungsgericht hat die
Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsge-
richts zurückgewiesen. Die nur einwandig abgedichtete und nicht mit einem
Leckanzeigegerät ausgestattete Biopolderanlage erfülle nicht die sich aus § 35
Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m.
§ 62 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ergebenden Genehmigungsanforderun-
gen. Diese Anforderungen stünden nicht deshalb unter dem Vorbehalt einer
Allgemeinwohlabwägung, weil es sich bei der Anlage um eine Abfallentsor-
gungsanlage handele.
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II
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte rechts-
grundsätzliche Bedeutung.
Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet die Klägerin die Fragen,
„ob § 15 Abs. 2 KrWG eine ‚andere öffentlich-rechtliche
Vorschrift‘ im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist“
und, wenn dies der Fall ist oder die Prüfung von § 35 KrWG i.V.m. § 6 Abs. 1
Nr. 2 BImSchG sonst Anlass zur Berücksichtigung der Besonderheiten des Ab-
fallrechts bietet,
„ob der Begriff des ‚Wohls der Allgemeinheit‘ in § 15
KrWG (§ 10 Abs. 4 KrW-/AbfG a.F.) eine Privilegierung
von Abfallbeseitigungsanlagen in Bezug auf den Grund-
wasserschutz in der Weise bedeutet, dass die abfallrecht-
liche Vorschrift als lex specialis den Vorschriften des WHG
vorgeht.“
Diese Fragen bedürfen nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie las-
sen sich auf der Grundlage des Gesetzes mit Hilfe der üblichen Regeln sachge-
rechter Interpretation und auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung
ohne Weiteres im Sinne des Oberverwaltungsgerichts und der ganz überwie-
genden Meinung in der Literatur (Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG,
3. Aufl. 2012, § 35 Rn. 51; Kaltenborn/Würtenberger, in: Schmehl, GK-KrWG,
2013, § 35 Rn. 20; Fellenberg/Schiller, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 35
Rn. 63; Versteyl, in: Schink/Versteyl, KrWG, 2012, § 35 Rn. 21; Paetow, in: Ku-
nig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl. 2003, § 31 Rn. 69; Spoerr, in: Ja-
rass/Petersen/Weidemann, KrW-/AbfG, Loseblatt, § 31 Rn. 166; Weidemann,
in: Jarass/Petersen/Weidemann, a.a.O., § 10 Rn. 61; nicht eindeutig: Czy-
chowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2010, § 32 Rn. 23) beantworten. Die in § 15
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Abs. 2 KrWG geregelte Pflicht, Abfälle so zu beseitigen, dass das Wohl der All-
gemeinheit nicht beeinträchtigt wird, gehört für eine gemäß § 35 Abs. 1 KrWG
immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Abfallentsorgungsanlage
nicht zu den anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1
Nr. 2 BImSchG. Sie verdrängt deshalb mit ihrem Maßstab der Gemeinwohlver-
träglichkeit auch nicht Vorschriften, die - wie hier § 62 WHG für den Umgang
mit wassergefährdenden Stoffen - strengere Anforderungen an die Errichtung
und den Betrieb der Abfallentsorgungsanlage stellen.
Öffentlich-rechtliche Vorschriften werden, dem Charakter der immissionsschutz-
rechtlichen Genehmigung als Sachgenehmigung folgend (Urteil vom 22. Ok-
tober 1998 - BVerwG 7 C 38.97 - BVerwGE 107, 299 <302> = Buchholz 406.25
§ 5 BImSchG Nr. 25 S. 20), von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nur erfasst, wenn sie
anlagenbezogen sind (Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 6 Rn. 23). Das ist bei
der in § 15 Abs. 2 KrWG geregelten Pflicht, Abfälle ohne Beeinträchtigung des
Wohls der Allgemeinheit zu beseitigen, für sich betrachtet nicht der Fall. Sie ist
an alle Erzeuger und Besitzer von Abfällen gerichtet, die nach § 15 Abs. 1
Satz 1 KrWG beseitigungspflichtig sind. Zur Voraussetzung für die Zulassung
einer Abfallbeseitigungsanlage oder einer Deponie wird die Erfüllung dieser ab-
fallrechtlichen Grundpflicht nur, wenn die Zulassungsnorm dies ausdrücklich
bestimmt. Für die Planfeststellung von Deponien ist das in § 36 Abs. 1 Nr. 1
KrWG geschehen. Für nach dem BImSchG genehmigungsbedürftige Abfallent-
sorgungsanlagen macht § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG die Erteilung der Genehmi-
gung von der Erfüllung der sich aus § 5 BImSchG ergebenden Grundpflichten
und der sich aus einer Rechtsverordnung nach § 7 BImSchG ergebenden
Pflichten abhängig. Eine entsprechende Vorschrift für die in § 15 Abs. 2 KrWG
geregelte abfallrechtliche Grundpflicht enthält weder das BImSchG noch das
WHG. Eine Regelungslücke ergibt sich daraus nicht. Für immissionsschutz-
rechtlich genehmigungsbedürftige Abfallentsorgungsanlagen wird das Wohl der
Allgemeinheit durch die sich aus § 5 BImSchG und aus Rechtsverordnungen
nach § 7 BImSchG ergebenden Pflichten sowie die anderen, gemäß § 6 Abs. 1
Nr. 2 BImSchG von allen immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen
Anlagen einzuhaltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften konkretisiert, hier in
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Bezug auf den Schutz der Gewässer durch die Anforderungen an den Umgang
mit wassergefährdenden Stoffen in § 62 WHG.
Da § 15 Abs. 2 KrWG bei immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen
Abfallentsorgungsanlagen nicht zu den anderen öffentlich-rechtlichen Vorschrif-
ten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gehört, kann die Vorschrift mit
ihrem Maßstab der Gemeinwohlverträglichkeit auch nicht den strengeren Be-
sorgnismaßstab des § 62 WHG verdrängen und dadurch Abfallentsorgungsan-
lagen im Vergleich zu anderen immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürf-
tigen Anlagen privilegieren. Eine solche Privilegierung liefe der in Art. 6 Nr. 1
des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Be-
reitstellung von Wohnbauland (Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandge-
setz) vom 22. April 1993 (BGBl I S. 466) getroffenen Grundentscheidung zuwi-
der, für Abfallentsorgungsanlagen auf ein Planfeststellungsverfahren zu ver-
zichten und stattdessen eine Genehmigung nach dem BImSchG zu verlangen.
Dieser Grundentscheidung liegt die Vorstellung zugrunde, dass Abfallentsor-
gungsanlagen den Produktionsanlagen des BImSchG vergleichbar sind
(BTDrucks 12/3944 S. 53; Paetow, a.a.O. § 31 Rn. 10) und deshalb auch den
gleichen Anforderungen unterworfen werden können wie diese. Soweit Abfall-
entsorgungsanlagen von bestimmten Anforderungen freigestellt werden, ist dies
- wie § 38 Satz 1 BauGB für die §§ 29 bis 37 BauGB zeigt - ausdrücklich gere-
gelt. Anhaltspunkte dafür, dass Abfallentsorgungsanlagen im Hinblick auf den
Umgang mit wassergefährdenden Stoffen mit anderen immissionsschutzrecht-
lich genehmigungsbedürftigen Anlagen nicht vergleichbar sein könnten, zeigt
die Klägerin mit ihrer Beschwerde nicht auf. Insbesondere ist nicht erkennbar,
dass der Besorgnisgrundsatz des § 62 WHG, der hier eine nicht nur ein- son-
dern doppelwandige Abdichtung der Biopolderanlage und die Installation eines
Leckanzeigegerätes geboten hätte (UA S. 5, 15 f.), die Genehmigungsfähigkeit
von Biopolderanlagen generell in Frage stellt. Ob dies bei Deponien anders ist,
weil bei ihnen eine Gefährdung des Grundwassers durch Sickerwässer mögli-
cherweise mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit kaum wird ausgeschlossen
werden können (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1991 - BVerwG 7 C 2.91 -
BVerwGE 89, 138 <143> = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 43 S. 95), und dieser
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Umstand es rechtfertigt, die strengen Anforderungen des Wasserrechts durch
die Gemeinwohlklausel des § 15 Abs. 2 KrWG als lex specialis zu relativieren
(bejahend: Paetow, a.a.O. § 32 Rn. 21; Weidemann, a.a.O. § 10 Rn. 70; Hell-
mann/Sieg, in: Jarass/Petersen/Weidemann, a.a.O., § 32 Rn. 46; Czy-
chowski/Reinhardt a.a.O., Mann, a.a.O., § 36 Rn. 21; Versteyl, a.a.O. § 36
Rn. 12; Fellenberg/Schiller, a.a.O., § 36 Rn. 22; zweifelnd: Dieckmann, in: Ja-
rass/Petersen, a.a.O., § 15 Rn. 48), braucht im vorliegenden Fall nicht ent-
schieden zu werden. Denn anders als für die dem BImSchG unterstehenden
Abfallentsorgungsanlagen macht § 36 Abs. 1 Nr. 1 KrWG die Planfeststellung
für die Errichtung und den Betrieb von Deponien unter Verweis auf § 15 Abs. 2
KrWG ausdrücklich davon abhängig, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht
beeinträchtigt wird. Für die Planfeststellung von Deponien - aber auch nur für
diese - kann sich somit die Frage stellen, ob und inwieweit § 15 Abs. 2 KrWG
den wasserrechtlichen Besorgnismaßstab relativiert.
Dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. Oktober 1991 die
Frage, ob die Vorschriften zum Schutz des Wassers in bestimmten Bereichen
durch die spezielleren Regelungen des Abfallrechts verdrängt werden, zunächst
allgemein aufgeworfen hat und erst im weiteren Verlauf auf die besonderen
Probleme der Deponien eingegangen ist, führt nicht zu einem weitergehenden
Klärungsbedarf. Die Entscheidung ist - wie das Urteil vom 20. Januar 1984
- BVerwG 4 C 37.80 - (Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 35) und
das Urteil des OVG Schleswig vom 26. Mai 1999 - 2 L 231/96 - (NVwZ 2000,
1196) - zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Investitionserleichterungs- und
Wohnbaulandgesetzes und der erst durch dieses Gesetz eingeführten immis-
sionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit von Abfallentsorgungsanla-
gen ergangen. Nach § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Vermeidung und Ent-
sorgung von Abfällen (Abfallgesetz - AbfG) vom 27. August 1986 (BGBl I
S. 1410) bedurften die Errichtung und der Betrieb aller ortsfesten Abfallentsor-
gungsanlagen, also nicht nur der Deponien, der Planfeststellung. Auch die von
der Klägerin herangezogenen Entscheidungen des OVG Koblenz (Beschluss
vom 13. September 1994 - 7 B 11901/94 - NVwZ 1995, 290 und Urteil vom
16. März 1999 - 7 A 11674/98 - BRS 62 Nr. 64; hierzu Sandner, DÖV 1998, 586
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<589 ff.>) beziehen sich auf die alte Rechtslage. Das OVG Koblenz hat § 10
Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 KrW-/AbfG, die Vorgängervorschrift zu § 15 Abs. 2 Satz 2
Nr. 5 KrWG, zudem nicht herangezogen, um Abfallentsorgungsanlagen zu privi-
legieren, sondern um eine Berücksichtigung von ihnen entgegenstehenden Be-
langen des Städtebaus zu ermöglichen. Dass als Ausgleich für die Unanwend-
barkeit der §§ 29 bis 37 BauGB städtebauliche Belange bei der Entscheidung
über die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errich-
tung und den Betrieb öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen jeden-
falls zu berücksichtigen sind, ergibt sich seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Än-
derung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumord-
nung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998) vom 18. August 1997 (BGBl I
S. 2081) unmittelbar aus § 38 Satz 1 BauGB; ein Rückgriff auf § 15 Abs. 2
KrWG ist nicht mehr erforderlich. Das OVG Bautzen brauchte der Frage, ob
§ 10 Abs. 4 KrW-/AbfG eine anlagenbezogene Vorschrift im Sinne des § 6
Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist, auf die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die
immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer thermischen Abfallbehand-
lungsanlage schon deshalb nicht näher nachzugehen, weil die Vorschrift keinen
Drittschutz vermittelte (OVG Bautzen, Urteil vom 8. Juni 2004 - 4 D 24/00 - juris
Rn. 127).
Schließlich ist auch die von der Klägerin herangezogene Literatur nicht in der
Lage, einen Klärungsbedarf zu belegen. Soweit die Autoren eine Relativierung
der wasserrechtlichen Anforderungen durch § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KrWG /
§ 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 KrW-/AbfG befürworten und sich nicht von vornherein
nur auf die Planfeststellung von Deponien beziehen (so Paetow, a.a.O., § 32
Rn. 21), setzen sie voraus, dass § 15 Abs. 2 KrWG / § 10 Abs. 4 Nr. 3 KrW-
/AbfG im Zulassungsverfahren anwendbar ist (Weidemann, a.a.O., § 10 Rn. 70
i.V.m. Rn. 61; Garrelmann, in: Schink/Versteyl, a.a.O., § 15 Rn. 30; Queitsch,
in: Giesberts/Reinhardt, Beck-OK UmwR, § 15 KrWG Rn. 17). Das ist - wie dar-
gelegt - auch nach ganz überwiegender Auffassung der Literatur zwar im Plan-
feststellungsverfahren für Deponien, nicht aber im immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren für Abfallentsorgungsanlagen der Fall.
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2. Die Revision ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verstoßes gegen
den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) zuzulassen.
Die Klägerin macht geltend, für die Annahme des Oberverwaltungsgerichts,
dass von den in den Abfällen enthaltenen Schadstoffen eine hohe Gefahr für
das Grundwasser ausgehe (UA S. 16), gebe es keine Anhaltspunkte. Ihrer An-
lagen- und Betriebsbeschreibung folgend müsse vielmehr angenommen wer-
den, dass die Schwermetalle entsprechend der Behandlungsweise komplett in
der Miete verblieben sowie in der Drainage oder in der HELALIM-Schüttung
fixiert würden. Zweifel daran hätten mit Tatsachen belegt und letztendlich im
Wege eines Sachverständigengutachtens aufgeklärt werden müssen.
Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz ergibt sich aus diesem Vor-
trag nicht. Die Klägerin legt nicht - wie dies erforderlich wäre - dar, warum sich
dem Oberverwaltungsgericht die Erforderlichkeit eines Sachverständigengut-
achtens auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen
müssen. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Anlage der Klä-
gerin den sich aus § 62 WHG i.V.m. § 3 Muster-VAwS (Muster-Anlagenver-
ordnung) ergebenden Anforderungen unstreitig nicht genügt, weil die für die
Aufnahme der Abfälle bestimmten Biopolder weder doppelwandig sind noch
über ein Leckanzeigegerät verfügen. Die Einhaltung dieser Anforderungen sei
auch nicht deshalb entbehrlich, weil es - wie die Klägerin meine - keine An-
haltspunkte dafür gebe, dass von den in den Abfällen enthaltenen Schadstoffen
eine hohe Gefahr für das Grundwasser ausgehe. Dass sie eine Versickerung
der von den zu trocknenden Abfällen ausgehenden Sickerwässer selbst nicht
für unbedenklich halte, zeige sich daran, dass in der Anlagen- und Betriebsbe-
schreibung eine Reinigung des aus den Polderbecken abfließenden Wassers
unter Einsatz einer HELALIM-Box als „Sicherheitsfilter“ für eluierte Schwerme-
talle und eine Pflanzenkläranlage vorgesehen sei. Hinzu komme, dass die An-
lage in einem Gebiet liege, dessen sandige Sedimentböden sich durch eine
hohe Wasserdurchlässigkeit auszeichneten und der Grundwasserspiegel nur
ca. 2,5 m unter der Geländeoberkante liege. Die Anlagen- und Betriebsbe-
schreibung gehe deshalb ausdrücklich davon aus, dass bei einem oberflächi-
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gen Schadstoffeintrag ein hohes Gefährdungspotential für das Grundwasser
bestehe (UA S. 16 f.). Auf diese Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts
geht die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht ein. Sie legt mithin auch
nicht dar, warum die vom Oberverwaltungsgericht aufgezeigten Anhaltspunkte
für eine Grundwassergefährdung nicht tragfähig sein sollten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Nolte
Dr. Philipp
Brandt
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Abfallrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
KrWG
§ 15 Abs. 2, § 35 Abs. 1 und 2, § 36 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG
§ 6 Abs. 1 Nr. 2
WHG
§ 62
BauGB
§ 38
Stichworte:
Biopolderanlage; wassergefährdende Stoffe; Abfallentsorgungsanlage; De-
ponie; immissionsschutzrechtliche Genehmigung; Planfeststellung; Wohl der
Allgemeinheit.
Leitsatz:
Die in § 15 Abs. 2 KrWG geregelte Pflicht, Abfälle so zu beseitigen, dass das
Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird, gehört für eine gemäß § 35
Abs. 1 KrWG immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Abfallentsor-
gungsanlage nicht zu den anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne
des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG. Sie verdrängt deshalb mit ihrem Maßstab der
Gemeinwohlverträglichkeit auch nicht Vorschriften, die - wie § 62 WHG für den
Umgang mit wassergefährdenden Stoffen - strengere Anforderungen an die
Errichtung und den Betrieb der Abfallentsorgungsanlage stellen.
Beschluss des 7. Senats vom 17. Juni 2014 - BVerwG 7 B 14.14
I. VG Frankfurt (Oder) vom 04.11.2010 - Az.: VG 5 K 213/07 -
II. OVG Berlin-Brandenburg vom 12.12.2013 - Az.: OVG 11 B 1.11 -